Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über Berufung und Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Dünya K***** des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten Raubes nach §§ 142 Abs 1 und 15 StGB schuldig erkannt, weil er am 27. Oktober 2006 in Wien mit Gewalt gegen eine Person dieser fremde bewegliche Sachen mit dem Vorsatz, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, wegnahm, indem er Esther O***** würgte und ihr die diagonal über dem Oberkörper gehängte Handtasche mit einem Mobiltelephon, Kondomen und Schlüsseln herunterriss, sowie dadurch Bargeld in der Höhe von 60 bis 80 Euro, das er in der Handtasche erhoffte, wegzunehmen versuchte. Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5, 5a und 10 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.
Rechtliche Beurteilung
Die Mängelrüge (Z 5) verkennt das Wesen eines Widerspruchs im Ausspruch über entscheidende Tatsachen, der nur vorliegt, wenn das Urteil verschiedene Tatsachen feststellt, die einander ausschließen, oder wenn die gezogenen Schlussfolgerungen tatsächlicher Art nach den Denkgesetzen nebeneinander nicht bestehen können (Fabrizy StPO9 § 281 Rz 45). Widersprüche zwischen den gerichtlichen Feststellungen und Ergebnissen des Beweisverfahrens stellen den Nichtigkeitsgrund nicht her. Soweit das Vorbringen als die aktenwidrige Wiedergabe (Z 5 fünfter Fall) der Aussagen der Zeugin O***** behauptend zu verstehen ist, lässt die Beschwerde die gebotene Gesamtbetrachtung der Depositionen dieser Zeugin vermissen, welche die relevierte Ableitung der Feststellung der Gewaltausübung durch einen Würgegriff (US 4 ff) sehr wohl tragen (siehe insbesonders S 221 und 225). Die vom Rechtsmittelwerber in diesem Zusammenhang angestellten eigenständig beweiswürdigenden Überlegungen sind im kollegialgerichtlichen Verfahren - das die Berufung wegen Schuld nicht kennt - unstatthaft und sohin unbeachtlich. Der aus der Gesamtheit der Angaben der genannten Zeugin gezogene Schluss widerspricht keineswegs den Gesetzen folgerichtigen Denkens oder grundlegenden Erfahrungssätzen. Erhebliche Bedenken (Z 5a) gegen diese - vom Angeklagten geleugnete - Feststellung ergeben sich dadurch für den Obersten Gerichtshof auch nicht. Die Behauptung der Beschwerde, mit der Aussage „am Hals gepackt, zugedrückt" (S 221) sei kein Würgen dargestellt, ist nicht nachvollziehbar.
Die eine Verurteilung lediglich nach § 142 Abs 2 StGB anstrebende Subsumtionsrüge (Z 10) verneint die Anwendung erheblicher Gewalt, „hochgradige" Verletzungsfolgen und eine über die Geringfügigkeit hinausgehende Raubbeute. Diese rechtlichen Überlegungen knüpfen allerdings nicht - wie es für die Darstellung materiellrechtlicher Nichtigkeit notwendig wäre (SSt 62/77 uva) - an der Gesamtheit der erstgerichtlichen Feststellungen an. Danach war das „zierliche" Raubopfer dem Angeklagten körperlich bei Weitem unterlegen (US 4, 9), riss der Riemen der Handtasche aufgrund des fortgesetzten Gewalteinsatzes ab, nachdem die Frau vorher dadurch zu Boden gezogen worden war (US 4, 5, 9) und wurde die über drei Tage an ihrer Gesundheit geschädigte Prostituierte durch die Entfremdung ihrer in der Handtasche befindlichen Kontrollkarte an ihrer legalen Erwerbsausübung gehindert. Weiters traf der Verlust der sonstigen Gegenstände (die nicht als wertlos festgestellt wurden) eine sonst einkommenslose Asylwerberin (US 4, 5, 8, 10, 11).
Der Vollständigkeit halber sei bemerkt, dass der Oberste Gerichtshof einem Vorgehen nach § 290 Abs 1 Satz 2 StPO im Gegenstand in keiner Weise nähertreten konnte, weil bei Gesamtbetrachtung die kumulativen Voraussetzungen des § 142 Abs 2 StGB hier nicht vorliegen (Eder-Rieder in WK² § 142 [2006] Rz 55, überdies 56, 58 und 59 [auch 11 Os 140/04 = EvBl 2005/138, 641 = JBl 2006, 807 mit zustimmender Glosse von Burgstaller; jüngst 11 Os 7/07z] sowie 61 - jeweils mit Judikaturnachweisen; vgl weiters SSt 59/70 und Fabrizy StGB9 § 142 Rz 7; zu den Verletzungsfolgen jenseits der Folgen des § 88 Abs 2 Z 3 StGB als nicht unbedeutend Mayerhofer StGB5 § 142 E 40 und auch SSt 60/46; zum verunmöglichten Gebrauch der Kontrollkarte vgl SSt 61/21). Zur Abrundung bleibt auszuführen, dass der Schuldspruch (§ 260 Abs 1 Z 2 StPO - US 2 iVm 4 und 5) - den Ausführungen US 11 entgegen - zutreffend anklagekonform (S 227) erging. Die auf Bargeld gerichtete Raubtat verblieb - weil dieses Deliktsobjekt nicht (wie realistisch erwartet) in der vom Angriff umfassten Handtasche, sondern in der Hosentasche des Opfers verwahrt war (US 4) - im Stadium eines sehr wohl strafbaren, weil bloß relativ untauglichen Versuches (RIS-Justiz RS0091240; weiterführend Hager/Massauer in WK² §§ 15, 16 Rz 86 ff). Zufolge Objektsverschiedenheit kann dieser Versuch auch nicht im Grunde materieller Subsidiarität (die Argumentation mit Konsumtion in US 11 ist dogmatisch grundsätzlich verfehlt) hinter die Vollendung des Raubes an den gewaltsam tatsächlich weggenommenen Sachen zurücktreten (Hager/Massauer in WK² §§ 15, 16 Rz 239, 240; Ratz in WK² Vorbem zu §§ 28 bis 31 Rz 43; ders RZ 2003, 197; SSt 46/36). Auch hier besteht zu amtswegigem Vorgehen zugunsten des Angeklagten kein Anlass.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher - in Übereinstimmung mit dem Croquis - bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichtes Wien zur Erledigung von Berufung und Beschwerde folgt (§§ 285i, 498 Abs 3 Satz 4StPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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