OGH 11Os7/07z

OGH11Os7/07z6.3.2007

Der Oberste Gerichtshof hat am 6. März 2007 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Ebner als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Danek, Dr. Schwab, Dr. Lässig und Dr. T. Solé als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Hinterleitner als Schriftführer, in der Strafsache gegen Mariusz O***** wegen des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 30. November 2006, GZ 111 Hv 121/06m-62, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Seidl, des Angeklagten und dessen Verteidigers Dr. Kulnigg zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Mariusz O***** des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB schuldig erkannt, weil er am 17. August 2006 in Wien mit Gewalt Yvonne I***** einen Bargeldbetrag von 150 Euro mit dem Vorsatz wegnahm, sich durch dessen Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, indem er der Genannten, die gerade im Begriff war, ihren am rechten Arm getragenen Sohn am Gehsteig abzusetzen (und die sich daher in einer leicht hockenden Stellung befand), einen Stoß gegen die linke Schulter versetzte, sodass sie zu Boden stürzte und er ihr sodann das in der linken Hand gehaltene Bargeld entriss.

Rechtliche Beurteilung

Gegen dieses Urteil richtet sich die auf die Z 10 des § 281 Abs 1 StPO gestützte, eine Beurteilung der Raubtat des Angeklagten als minderschwer anstrebende Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten. Das Erstgericht hat unter Hinweis auf die aktuelle Einschränkung der Abwehrmöglichkeiten durch das Tatopfer sowie unter Bezugnahme auf die jüngste Rechtsprechung, wonach der geringe Wert einer Sache mit 100 Euro begrenzt ist, von der Anwendung des § 142 Abs 2 StGB Abstand genommen.

Eine solche Subsumtion setzt (kumulativ) voraus, dass die Tat ohne Anwendung erheblicher Gewalt an einer Sache geringen Wertes begangen wurde, nur unbedeutende Folgen nach sich gezogen hat und die Kriterien zu ihrer Bewertung als schwerer Raub (§ 143 StGB) nicht vorliegen.

Bereits bei der Beurteilung der Rechtsfrage, ob der Beutewert von 150 Euro als gering im Sinne des § 142 Abs 2 StGB angesehen werden kann, ist dem Erstgericht zuzustimmen. Nach herrschender Lehre und Rechtsprechung ist ein Betrag ab 100 Euro jedenfalls nicht mehr als geringwertig anzusehen (Eder-Rieder in WK2 § 142 Rz 59 mwN; 11 Os 140/04 = EvBl 2005/138, 641 = JBl 2006, 807 mit zustimmender Glosse von Burgstaller).

Auch das Ausmaß der eingesetzten Gewalt erlaubt die von der Beschwerde angestrebte Unterstellung der Tat nicht. Zur Anwendung der privilegierenden Bestimmung des § 142 Abs 2 StGB ist bei Prüfung, welche Intensität die eingesetzte physische Kraft aufweisen darf, um noch dem Begriff der nicht erheblichen Gewalt zu entsprechen, unter Anlegen eines (strengen) objektiv-individualisierenden Maßstabes auf die persönliche Beschaffenheit des Raubopfers Bedacht zu nehmen und danach zu differenzieren. Gegenüber (allenfalls auch bloß momentan) weniger wehrhaften Personen genügt regelmäßig schon ein geringeres Maß an Gewalt, um diese als „erheblich" zu werten (WK2 § 142 Rz 56, 57 mwN). Im vorliegenden Fall war das Raubopfer durch den am rechten Arm getragenen Sohn und dessen beabsichtigtes Absetzen auf den Boden in ihrer Bewegungsfreiheit und Reaktionsmöglichkeit massiv beeinträchtigt, sodass die vom Angeklagten angewendete Gewalt, die immerhin zum Sturz des Opfers führte, im Sinne der dargestellten Kriterien keinesfalls unter der Erheblichkeitsschwelle lag. Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur zu verwerfen.

Das Schöffengericht verhängte über den Angeklagten eine gemäß § 43a Abs 3 StGB hinsichtlich des Teiles von 16 Monaten unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von zwei Jahren und wertete bei der Strafzumessung als mildernd die Unbescholtenheit, als erschwerend das Ausnützen der Wehr- und Hilflosigkeit des Opfers.

Nur gegen die Sanktionshöhe richtet sich die Berufung des Angeklagten mit dem Ziel außerordentlicher Strafmilderung.

Die Annahme des Erschwerungsgrundes nach § 33 Z 7 StGB - so sei vorweg bemerkt - verstieß fallbezogen nicht gegen das Doppelverwertungsverbot, weil die Anwendung von § 142 Abs 2 StGB schon wegen des Beutewertes ausschied (vgl Ebner in WK2 § 32 Rz 67). Bedenkt man zum Milderungsgrund nach § 34 Abs 1 Z 2 StGB, dass der Berufungswerber nach eigenen Angaben ohne reelle Erwerbstätigkeit ist, vielmehr gegen Bezahlung als Aufpasser vor Polizeikontrollen bei in Wien auf der Straße abgehaltenen verbotenen Glücksspielen fungierte (S 49 f), kann dem Rechtsmittelstandpunkt zuwider von einem beträchtlichen Überwiegen der Milderungsgründe über die Erschwerungsgründe iSv § 41 Abs 1 StGB keineswegs gesprochen werden. Zu einer Reduktion der verhängten Freiheitsstrafe bestand daher kein Anlass.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Stichworte