Spruch:
In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde werden das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in der Nichtvornahme der rechtlichen Unterstellung der Tat auch unter den Tatbestand des § 142 Abs 2 StGB und demzufolge auch im Strafausspruch einschließlich der Vorhaftanrechnung sowie der Beschluss auf Verlängerung der Probezeit aufgehoben und die Strafsache zu neuer Verhandlung sowie Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Landesgericht für Strafsachen Wien zurückverwiesen. Im Übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen. Mit ihren Berufungen werden die Staatsanwaltschaft und der Angeklagte, dieser überdies mit seiner Beschwerde, auf die kassatorische Entscheidung verwiesen.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde David P***** des Verbrechens des versuchten Raubes nach §§ 15, 142 Abs 1 StGB schuldig erkannt, weil er am 19. Juni 2004 mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz im einverständlichen Zusammenwirken mit zumindest vier Mittätern versucht hatte, durch Umstellen sowie die Drohung, die Nachgenannten „zusammenzuschlagen", dem Maximilian S***** und dem Christian S***** deren Mobiltelefone abzunötigen.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen rechtzeitig (ON 38, 41; S 209) aus Z 4, 5, 5a, 9 lit a und 10 des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten ist teilweise im Recht.
Die Subsumtionsrüge (Z 10) releviert mit Blick auf die privilegierende Bestimmung des § 142 Abs 2 StGB zutreffend einen Feststellungsmangel zum Wert der in Aussicht genommenen Raubbeute. Das Erstgericht traf hiezu offenbar deshalb keine Konstatierungen, weil es davon ausging, dass eine der Voraussetzungen für die Annahme eines minderschweren Raubes (§ 142 Abs 2 StGB), die nach ständiger Rechtsprechung kumulativ gegeben sein müssen (11 Os 67/75, EvBl 1976/98, 186; zuletzt 11 Os 62/03), nicht vorliege, indem es die Art und Weise der Drohung als das Tatbestandselement „ohne Anwendung erheblicher Gewalt" ausschließend erachtete (US 7). Dabei wurde aber verkannt, dass die in Rede stehende Einschränkung nur die Gewaltanwendung betrifft, aus welchem Grund allein der Einsatz von Drohungen als Nötigungsmittel - soweit diese nicht (die Qualifikation nach § 143 zweiter Fall StGB nach sich ziehend) unter Verwendung einer Waffe erfolgt sind - die Privilegierung nach § 142 Abs 2 StGB niemals ausschließt (Eder-Rieder in WK2 § 142 Rz 56). Aufgrund des dargelegten Feststellungsmangels war der Nichtigkeitsbeschwerde in dem aus dem Spruch ersichtlichen Umfang schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort Folge zu geben (§ 285e StPO).
Im zweiten Rechtsgang wird der Wert der zu rauben versuchten Mobiltelefone festzustellen sein.
Bei der Beurteilung der Rechtsfrage, ob der Beutewert als gering iSd § 142 Abs 2 StGB anzusehen ist, wird an die Grundsatzentscheidung des Obersten Gerichtshofes 11 Os 2/89, SSt 60/10 anzuknüpfen sein, wobei mit Blick auf die - bezogen auf die Jahre 1990 bis einschließlich 2004 - durchschnittliche jährliche Inflationsrate von etwa 2,3 % (vgl Verbraucherpreisindizes der Statistik Austria) sowie die zwischenzeitige Erhöhung der Wertgrenzen des StGB (zuletzt durch den
1. Abschn Art 1 lit A Z 3 des Budgetbegleitgesetzes 2005, BGBl I 2004/136) nunmehr von einem Betrag von rund 100 EUR als Obergrenze ausgegangen werden kann. Da hinsichtlich der Frage der Geringwertigkeit nach ständiger Rechtsprechung einzelfallbezogen, insbesonders unter Berücksichtigung der Empfindlichkeit des (potentiellen) Schadens für die Betroffenen, ein objektiv-individueller Maßstab anzulegen ist (13 Os 125/75, SSt 46/71; zuletzt 13 Os 114/04), können opferbezogene Faktoren eine Unterschreitung dieser Grenze bewirken (Eder-Rieder in WK² § 142 Rz 59).
Im Fall der Annahme geringen Wertes der Raubobjekte werden sich die Tatrichter auch mit dem (nach der derzeitigen Aktenlage gegebenen) Privilegierungskriterium des Vorliegens nur unbedeutender Tatfolgen auseinanderzusetzen haben.
Im Übrigen verfehlt die Nichtigkeitsbeschwerde ihr Ziel. Entgegen der Verfahrensrüge (Z 4) wies das Erstgericht den Antrag auf Einvernahme der Schwester des Beschwerdeführers zum Beweis dafür, „dass der Angeklagte im letzten Jahr einen Schlaganfall hatte und zum Zeitpunkt des 19. Juni 2004 nicht zurechnungsfähig war" ohne Verletzung von Verteidigungsrechten ab (S 153), weil dem betreffenden Lebenssachverhalt per se weder Schuld- noch Subsumtionsrelevanz zukommt und die begehrte Schlussfolgerung (auf Zurechnungsunfähigkeit) nicht Gegenstand des Zeugenbeweises ist (Fabrizy StPO9 § 150 Rz 1).
Der in diesem Zusammenhang erhobene Beschwerdevorwurf der Verletzung der Verpflichtung zur amtswegigen Wahrheitsforschung verkennt die - unter dem Aspekt der Sachverhaltsermittlung bestehende - Subsidiarität des Nichtigkeitsgrundes der Z 5a gegenüber jenem der Z 4 (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 479).
Die Mängelrüge vermag zunächst nicht darzulegen, aus welchem Grund die Feststellungen zur subjektiven Tatseite, der Beschwerdeführer „stieß die genannten Drohungen mit dem Vorsatz aus, Maximilian und Christian S***** dazu zu bewegen, zur Abwendung einer gegenwärtigen Gefahr zumindest für ihre körperliche Unversehrtheit die Handys herauszugeben, um sich dadurch unrechtmäßig zu bereichern" (US 5) undeutlich (Z 5 erster Fall) sein sollen, sondern behauptet diese Konsequenz ohne argumentatives Substrat.
Offenbar unzureichende Begründung (Z 5 vierter Fall) zur inneren Tatseite einwendend übergeht die Beschwerde die beweiswürdigende Bezugnahme auf die als glaubwürdig erachteten Aussagen der Zeugen Christian und Maximilian S***** (US 5 letzter Absatz), wodurch die Tatrichter ersichtlich zum Ausdruck bringen, aus dem von den Genannten geschilderten - der angefochtenen Entscheidung zugrunde gelegten - objektiven Tathergang (auch) auf den Vorsatz des Beschwerdeführers geschlossen zu haben. Dies wird im Übrigen dadurch verdeutlicht, dass das Erstgericht die Denkvariante, der Beschwerdeführer habe ohne Bereicherungsvorsatz gehandelt, (mit formell einwandfreier Begründung) abgelehnt hat (US 7 zweiter Absatz).
Der Einwand der Aktenwidrigkeit (Z 5 fünfter Fall) geht schon im Ansatz fehl, weil dieser Nichtigkeitsgrund nur dann gegeben ist, wenn das Urteil den eine entscheidende Tatsache betreffenden Inhalt einer Aussage oder Urkunde in seinen wesentlichen Teilen unrichtig oder unvollständig wiedergibt (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 467), was hier nicht einmal behauptet wird. Das Vorbringen, nach der polizeilichen Anzeige vom 19. Juni 2004 habe nicht Maximilian S*****, sondern Christian S***** den Beschwerdeführer identifiziert, entfernt sich zudem seinerseits von der Aktenlage, weil die Identifikation nach der Anzeige von beiden Genannten vorgenommen worden ist (S 37, 39), was das Erstgericht im Übrigen - sohin aktenkonform - auch festhält (US 5 zweiter und vierter Absatz).
Soweit die Beschwerde in der mangelnden Erörterung der Fragen, auf welche Weise sich die Opfer nach der Tat vom Tatort entfernt haben, in welcher zeitlichen Reihenfolge der Beschwerdeführer diese verbal bedroht hat und aus welchem Grund er in der Nähe des Tatortes aufgegriffen worden ist, eine Urteilsunvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) erblickt, bezieht sie sich nicht auf schuld- oder subsumtionsrelevante Tatsachen.
Indem die Tatsachenrüge (Z 5a) unter Verweis auf die Ausführungen zur Mängelrüge die Täterschaft des Beschwerdeführers als zweifelhaft bezeichnet, weckt sie keine sich aus den Akten ergebenden erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen.
Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) behauptet - unsubstantiiert - einen Feststellungsmangel zur subjektiven Tatseite, übergeht hiebei aber die diesbezüglichen Konstatierungen (US 5 dritter Absatz) zur Gänze und verfehlt solcherart den vom Gesetz geforderten Bezugspunkt. In ihrem erfolglosen Teil war die Nichtigkeitsbeschwerde daher gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen.
Mit ihren Berufungen waren die Staatsanwaltschaft und der Angeklagte, Letzterer überdies mit der gemäß § 498 Abs 3 dritter Satz StPO als erhoben zu betrachtenden Beschwerde, auf den kassatorischen Teil der Entscheidung zu verweisen.
Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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