OGH 1Ob64/07d

OGH1Ob64/07d3.5.2007

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Univ. Doz. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau, Dr. E. Solé und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei B***** AG, *****, vertreten durch Dr. Leopold Grohmann, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei P***** AG, *****, vertreten durch Mag. Wolfgang P. Winkler, Rechtsanwalt in Wien, wegen EUR 251.998,56 sA, infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 15. November 2006, GZ 41 R 224/06d-20, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 20. Juli 2006, GZ 48 C 755/05v-15, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die Beklagte ist Mieterin mehrerer Geschäftsräumlichkeiten, die im Wohnungseigentum der Klägerin stehen. Im Mietvertrag vom 29. 3. 1963 über die größte dieser Geschäftsräumlichkeiten wurde der Beklagten unter anderem das Recht eingeräumt, das Bestandlokal während der Bestanddauer ganz oder teilweise „an eine seriöse Firma" in Unterbestand zu geben. Für dieses Recht sowie weitere im Mietvertrag zugestandene „Vergünstigungen" leistete die Beklagte ein zusätzliches Entgelt von S 120.000,-- sowie - anlässlich der Ausdehnung dieses Mietvertrags auf weitere Räumlichkeiten - von weiteren S 100.000,--. In den Mietverträgen über die beiden anderen gemieteten Wohnungseigentumsobjekte im selben Haus wurden der Beklagten keine besonderen Rechte, wie etwa Untervermietung oder Weitergabe, eingeräumt. Bis 1992 führte die Beklagte in den Bestandobjekten eine ihrer zahlreichen Filialbetriebe, in denen Textilien verkauft wurden. Nachdem eine weitere AG als Konzerngesellschaft gegründet worden war, betrieb diese AG seit 1992 - unter anderem auch - dieses Verkaufsgeschäft. Im Jahr 2004 kam es zu Veränderungen im Konzern, die darin endeten, dass die konzernmäßige Verflechtung der Beklagten und der AG aufgehoben wurde. Nachdem die genannte AG mit einer weiteren AG verschmolzen worden war, übernahm eine außenstehende Gesellschaft die Anteilsmehrheit an der Muttergesellschaft der AG, und zwar mit 8. 3. 2005. Auch danach wurde der in den Bestandräumlichkeiten etablierte Betrieb von der AG weitergeführt. Die Klägerin nahm die zuletzt genannte gesellschaftsrechtliche Veränderung zum Anlass, der Beklagten unter Hinweis auf § 12a MRG höhere als die bisherigen Hauptmietzinse als „angemessene Hauptmietzinse" vorzuschreiben, was die Beklagte jedoch nicht beachtete.

Die Klägerin begehrte nun die Zahlung von EUR 251.998,56 an nach der Mietzinsanhebung offen gebliebenem Bestandzins; über den darüber hinaus gestellten Zwischenantrag auf Feststellung wurde nicht entschieden. Zur Frage des in den Bestandobjekten betriebenen Unternehmens brachte die Klägerin vorerst vor, das Anhebungsbegehren sei berechtigt, weil das Bestandobjekt von der Beklagten an eine abhängige Gesellschaft im Konzern untervermietet worden sei und durch diese betrieben werde. In der Folge berief sich die Klägerin darauf, dass die Beklagte nicht leere Geschäftsräumlichkeiten untervermietet habe, sondern dass offensichtlich ein lebendes Unternehmen weitergegeben worden sei, was lediglich in Form eines Pacht- bzw Kaufvertrags möglich gewesen wäre; es werde Sache der Beklagten sein, die tatsächliche Art und Weise der Weitergabe des Textilhandelsunternehmens, welche für Außenstehende in keiner Weise erkennbar gewesen sei, offenzulegen, zumal dies eine Vielzahl der von der Beklagten betriebenen Filialen betreffe. Es sei offensichtlich ein lebendes Unternehmen mit Zubehör weitergegeben worden, was nicht in Form einer Untervermietung erfolgen könne. Zuletzt wurde „ergänzend" vorgebracht, die Beklagte selbst habe bis 2005 in den Bestandräumlichkeiten ein Unternehmen betrieben.

Die Beklagte wandte im Wesentlichen ein, die Nutzung der Räumlichkeiten durch die AG erfolge vertragskonform, und zwar kraft von der Vermieterin vertraglich gestatteter Untervermietung. Da die Beklagte in den Räumlichkeiten nicht selbst ein Unternehmen betreibe, komme eine Anwendung des § 12a MRG nicht in Betracht. Die Beklagte habe für die ihr im Mietvertrag zugestandenen Rechte ein namhaftes Entgelt geleistet, was der Klägerin bei ergänzender Vertragsauslegung unter Anwendung der Grundsätze von Treu und Glauben ein Mietzinsanhebungsrecht verschließe. Die Beklagte habe weder Verschleierungsmaßnahmen noch vertrags- oder gesetzwidrige Maßnahmen gesetzt, vielmehr die Bestandräumlichkeiten an die AG untervermietet, die den operativen Handelsbereich übernommen habe. Es liege keine Verpachtung, sondern nur eine Untervermietung vor.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte über den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt hinaus fest, dass die Beklagte im Jahr 1992 die Räumlichkeiten an die AG mit mündlichem Untermietvertrag untervermietet habe; die AG habe der Beklagten dafür das bezahlt, was Letztere selbst an Mietzins zu bezahlen gehabt habe. Rechtlich beurteilte das Erstgericht den festgestellten Sachverhalt dahin, dass der Tatbestand des § 12a MRG nur erfüllt sei, wenn die Mietergesellschaft in den Bestandräumlichkeiten ein Unternehmen betreibt, was hier nicht der Fall sei. Zum Zeitpunkt der von der Klägerin zum Anlass für ihr Mietzinsanhebungsbegehren genommenen gesellschaftsrechtlichen Veränderungen seien beide Unternehmen (Beklagte und AG) vollständig getrennte Gesellschaften gewesen, die auch in der Eigentümerstruktur keine Überschneidungen mehr aufgewiesen hätten. Ein früheres Konzernverhältnis sei für den allein maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt im März 2005 unbeachtlich. Das Berufungsgericht hob die Entscheidung des Erstgerichts auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurück; der Rekurs an den Obersten Gerichtshof wurde für zulässig erklärt. Im Fall einer Untervermietung sei entscheidend, ob das im Bestandobjekt betriebene Unternehmen dem Hauptmieter oder dem Untermieter zuzurechnen sei. Ausgehend vom telos des § 12a Abs 3 MRG liege der Anhebungstatbestand nicht vor, wenn im Bestandobjekt kein Unternehmen des Hauptmieters geführt werde. Hätte die Beklagte ihr im Bestandobjekt betriebenes Unternehmen (im Jahr 1992) an die AG verpachtet und führte die AG das (unveränderte) Unternehmen im Bestandobjekt fort, liege der Anhebungstatbestand vor, weil im Bestandobjekt (zum hier relevanten Zeitpunkt 8. 3. 2005) ein Unternehmen der Beklagten betrieben worden wäre; dass das Unternehmen nicht vom Hauptmieter selbst, sondern von einer Pächterin betrieben werde, sei nicht relevant. Hätte die AG hingegen lediglich die Räumlichkeiten, nicht jedoch das darin betriebene Unternehmen der Beklagten in Bestand genommen, läge zum relevanten Stichtag nur ein Untermietverhältnis vor. Bei dieser Konstellation läge kein Anhebungstatbestand vor, weil das Unternehmen eines der Untermieterin wäre und nicht eines der Beklagten. Die erstgerichtliche Feststellung, es sei ein mündlicher „Untermietvertrag" geschlossen worden, sei bloß eine rechtliche Schlussfolgerung ohne ausreichendes Tatsachensubstrat. Im fortzusetzenden Verfahren werde das Erstgericht daher festzustellen haben, welche wechselseitigen Rechte und Pflichten die Beklagte und ihre „Bestandnehmerin" 1992 vereinbart haben. Da die Klägerin lediglich die (gesellschaftsrechtliche) Veränderung zum 8. 3. 2005 zur Grundlage ihrer Mietzinsanhebung mache, sei es unerheblich, dass der Gesetzgeber für die Fälle der Verpachtung einen eigenen Anhebungstatbestand (§ 46a Abs 3 MRG) geschaffen hat, weil ja nicht die behauptete Verpachtung im Jahr 1992 zur Anspruchsbegründung herangezogen worden sei. Der Rekurs sei zulässig, weil der Oberste Gerichtshof bisher zur Frage nicht Stellung genommen habe, ob eine Mietzinsanhebung nach § 12a MRG in Betracht komme, wenn im Bestandobjekt durch einen Dritten ein Unternehmen des Hauptmieters betrieben wird und beim Hauptmieter ein „Machtwechsel" im Sinne des § 12a Abs 3 MRG eintritt. Der Rekurs der Beklagten ist zulässig, jedoch nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass die erforderlichen Tatsachenfeststellungen zur abschließenden Beurteilung der entscheidenden Frage, auf welcher (vertraglichen) Grundlage die AG seit 1992 im Bestandobjekt ein Unternehmen betreibt, das offenbar im Wesentlichen dem bisherigen Filialbetrieb der Beklagten entspricht, fehlen. Ob die zugrundeliegende Vereinbarung zwischen der Beklagten und der AG als Untermietvertrag zu qualifizieren ist, kann mangels Feststellungen über den Vertragsinhalt nicht beurteilt werden. Die Beklagte hat im Wesentlichen vorgebracht, die AG habe den „operativen Handelsbereich" (der Beklagten) übernommen. Die Klägerin behauptete ua, die Beklagte habe „offensichtlich" ein lebendes Unternehmen weitergegeben, was lediglich in Form eines Pacht- bzw Kaufvertrags möglich gewesen wäre; diese „Weitergabe", die eine Vielzahl der von der Beklagten betriebenen Filialen betreffe, sei für Außenstehende in keiner Weise erkennbar gewesen. Angesichts des derzeitigen Verfahrensstands spricht somit wenig für eine bloße Untervermietung der Bestandräumlichkeiten. Die von der Beklagten behauptete „Übernahme des operativen Handelsbereiches" durch die AG kann in ihren Rechtswirkungen nur beurteilt werden, wenn feststeht, auf welcher vertraglichen Grundlage diese Übernahme erfolgt ist. In 5 Ob 457/97k wurde etwa ausgesprochen, dass eine Verpachtung nichts daran ändere, dass es sich um ein Unternehmen des Verpächters handelt.

Sollte ein Pachtverhältnis oder eine ähnliche Vereinbarung vorliegen, nach der die AG den früher von der Beklagten geführten Filialbetrieb nur auf Zeit übernommen hat und verpflichtet ist, diesen nach Beendigung des Dauerschuldverhältnisses zurückzustellen, stellt sich die - vom Berufungsgericht bejahte - Frage, ob in einem solchen Fall ein „Machtwechsel" in der Mietergesellschaft im Sinne des § 12a Abs 3 MRG zur Mietzinsanhebung berechtigt. Einem solchen Mietzinsanhebungsrecht kann jedenfalls nicht die Vereinbarung eines Rechts zur Untervermietung entgegengehalten werden, da es ja hier nicht darum geht, ob durch die Weitergabe des Bestandgegenstands an einen anderen Unternehmer eine dem § 12a MRG zu unterstellende Veränderung eingetreten ist (insoweit geht auch der Verweis der Revisionsgegnerin auf 5 Ob 457/97k ins Leere), sondern allein darum, ob der (spätere) Wechsel der - vom bestehenden Mietvertrag profitierenden - Gesellschafter der Beklagten einen gesetzlichen Anhebungstatbestand erfüllt. Damit ist auch nicht entscheidend, ob die Beklagte für die Einräumung des Untervermietungsrechts (sowie weitere Vergünstigungen) ein zusätzliches Entgelt bezahlt hat. Der erkennende Senat tritt im Ergebnis der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts bei, dass die Vorschriften des § 12a Abs 1 und 3 MRG (sinngemäß auch auf Fälle anzuwenden sind, in denen im Bestandgegenstand nicht vom Mieter selbst, sondern von einem Pächter - oder im Rahmen eines ähnlichen Vertragsverhältnisses - ein Unternehmen betrieben wird und in der Person des Verpächters insoweit eine Veränderung eintritt, als dessen Stellung einem Dritten übertragen wird oder sich die Machtverhältnisse in der Verpächtergesellschaft (= Mieterin) in einer dem § 12a Abs 3 MRG entsprechenden Weise ändern. In der bisherigen Judikatur wurde immer wieder betont, dass der durch § 12a MRG ermöglichte Eingriff in bestehende Vertragsverhältnisse - verbunden mit einem Recht zur Anhebung des bisherigen Mietzinses auf einen angemessenen Betrag - dann gerechtfertigt ist, wenn die Person des bisherigen Mieters mit demjenigen, der das Unternehmen nunmehr auf seine Rechnung betreibt, nicht mehr identisch ist, sodass der ursprüngliche Mieter kein schützenswertes eigenes Unternehmerinteresse an der Beibehaltung des niedrigen Mietzinses haben kann; in all diesen Fällen würde der „günstige Mietzins" nur noch zu Lasten des Vermieters verwertet werden (vgl nur 5 Ob 51/01p mwN). Zweck der Regelung des § 12a Abs 3 MRG sei es, zu verhindern, dass durch gesellschaftsrechtliche Möglichkeiten, mit denen eine Unternehmensveräußerung im engeren Sinn ersetzt werde, mehrheitlich andere Personen als der bisherige Mieter von einem günstigen Mietrecht zum Nachteil des Vermieters profitieren (5 Ob 239/99d, 5 Ob 51/01p ua). Der Wille des Gesetzgebers gehe dahin, durch die Erfassung gesellschaftsrechtlicher Gestaltungen, die eine Unternehmensveräußerung im engeren Sinn ersetzen, entscheidende Änderungen der rechtlichen und wirtschaftlichen Einflussmöglichkeiten der Veräußerung eines Unternehmens durch eine natürliche Person gleichzustellen (5 Ob 111/98d ua). Verpachtet nun der Mieter und bisherige Unternehmer sein Unternehmen - allenfalls auch nur einzelne selbstständige Teile - an einen Dritten, der das Unternehmen nach Ablauf der Pachtzeit zurückzustellen hat, und übernimmt während laufenden Pachtverhältnisses eine andere Person auf rechtsgeschäftlichem Weg die Stellung des Verpächters, so profitiert ab diesem Zeitpunkt im Sinne der dargelegten Rechtsprechung nicht mehr der ursprüngliche Mieter, sondern dessen Nachfolger von der Möglichkeit, über das Bestandobjekt, in dem ein nunmehr ihm zuzurechnendes Unternehmen betrieben wird, verfügen zu können, ohne dass durch den Veräußerungsvorgang ein Kündigungsrecht für den Vermieter geschaffen würde. Gerade in einer solchen Situation gewährt das Gesetz dem Vermieter die Möglichkeit einer Mietzinsanhebung als Ausgleich für das Fortbestehen des Mietverhältnisses und die fehlende Möglichkeit, das Bestandobjekt zu nunmehr marktüblichen Konditionen zu vermieten.

Ganz in diesem Sinn hat der Oberste Gerichtshof ausgesprochen, dass auch der Wechsel des Eigentums an einem verpachteten Unternehmen als Unternehmensveräußerung anzusehen ist, was etwa bei Übertragung des durch einen Pächter betriebenen Unternehmens an einen Dritten der Fall sei (5 Ob 98/87 = WoBl 1988/34 = EvBl 1989/30). Geht man davon aus, dass durch § 12a Abs 3 MRG gesellschaftsrechtliche Vorgänge, die dazu führen, dass nunmehr andere Personen als die bisherigen von der Verwertung des Mietobjekts bzw des Mietrechts profitieren, dem Grundfall der Unternehmensübertragung nach § 12a Abs 1 MRG gleichgestellt werden sollen, muss dieselbe Rechtsfolge auch im Falle eines dem § 12a Abs 3 MRG zu unterstellenden „Machtwechsels" in der Mieter- und Verpächtergesellschaft eintreten. Sollte sich also im fortgesetzten Verfahren ergeben, dass zum Zeitpunkt der unstrittigen gesellschaftsrechtlichen Veränderungen im März 2005 ein früher von der Beklagten selbst betriebenes Unternehmen an die AG verpachtet war, wäre die Klägerin berechtigt, den Mietzins auf einen im Sinne des § 12a Abs 2 MRG angemessenen Betrag anzuheben.

Sollte sich hingegen herausstellen, dass - was ebenfalls vom Prozessvorbringen der Streitteile gedeckt wäre - zwischen der Beklagten und der AG ein Kaufvertrag oder ein ähnliches Rechtsgeschäft vorliegt, also eine Unternehmensveräußerung im (unmittelbaren) Anwendungsbereich des früheren § 12 Abs 3 MRG - der maßgebliche Vorgang fand im Jahr 1992 statt -, wäre mit der Klägerin zu erörtern, auf Grund welcher Tatsachen bzw auf welche Rechtsgrundlage sie Mietzinsforderungen gegen die Beklagte stellen will. Auf allfällige Rechtsfolgen der vom Erstgericht festgestellten vergleichsweisen Einigung zwischen den Parteien im Jahr 2003 ist nicht einzugehen, weil es sich dabei um überschießende Feststellungen handelt, die auch bei großzügiger Betrachtung im Prozessvorbringen der Parteien keine Deckung finden.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.

Stichworte