OGH 5Ob98/87

OGH5Ob98/8723.2.1988

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Marold als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Jensik, Dr. Zehetner, Dr. Klinger und Dr. Schwarz als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien

1. Prof. Dipl.Ing. Herbert M***-H***, Architekt, 2. Eva M***-H***, im Haushalt tätig, beide Lainzer Straße 27, 1130 Wien, und vertreten durch Dr. Theodor S***, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Theresia N***, Pensionistin, Hofwiesengasse 10, 1130 Wien, vertreten durch Dr. Friedrich Georg Paulitsch, Rechtsanwalt in Wien, wegen Aufkündigung eines Mietvertrages, infolge Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgerichtes vom 11. März 1987, GZ 41 R 20/87-12, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Hietzing vom 20. Oktober 1986, GZ 6 C 1336/85-8, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagenden Parteien sind schuldig, der beklagten Partei die mit S 2.991,12 (darin S 271,92 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen vierzehn Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Hauptmieter der für eine Papierhandlung benützten Geschäftsräumlichkeit im Haus der Kläger in 1130 Wien, Lainzer Straße 27, Ing. Alfred N*** ist am 10. April 1983 verstorben. Sein Nachlaß wurde, nachdem seine Tochter Erika N*** ihre Pflichtteilsansprüche geltend gemacht und mit dem Erb- und Pflichtteilsübereinkommen vom 2. Feber 1984 zur Berichtigung ihrer Ansprüche als Noterbin unter anderem das Unternehmen "Bürobedarfsgeschäft" bzw. "Papierwarenhandelsgeschäft" samt den mit dem Unternehmen verbundenen Hauptmietrechten an den Geschäftsräumlichkeiten im Haus der Kläger übereignet erhalten hatte, am 20. März 1984 der hier beklagten Witwe des früheren Hauptmieters, die auf Grund des Testamentes vom 29. Juni 1932 zum ganzen Nachlaß die unbedingte Erbserklärung abgegeben hatte, rechtskräftig eingeantwortet (GZ 2 A 274/83-10 des Bezirksgerichtes Hietzing). Das in den Geschäftsräumlichkeiten betriebene Unternehmen ist schon seit Jahren an Alfred K*** verpachtet, der das Unternehmen auch derzeit betreibt.

Die Kläger brachten am 18. Oktober 1985 gegen die Verlassenschaft nach Ing. Alfred N*** - richtig gegen die Alleinerbin Theresia N*** - die gerichtliche Aufkündigung des Mietvertrages zum 31. März 1986 aus den Gründen des § 30 Abs. 2 Z 4 und Z 7 MRG ein, weil der Bestandgegenstand gegen eine unverhältnismäßig hohe Gegenleistung ganz weitergegeben wurde und nicht zur bedungenen geschäftlichen Betätigung verwendet wird. Der frühere Hauptmieter habe sein Unternehmen verpachtet und es seiner Tochter Erika N*** vermacht. Die Erbin setze das Unternehmen nicht fort.

Die Beklagte erhob rechtzeitig die Einwendungen, daß nicht sie sondern die Tochter Erika N*** Mieterin sei, die das noch vom früheren Hauptmieter verpachtete Unternehmen "entsprechend ihrem Pflichtteil" erhalten habe.

Das Erstgericht erkannte die Aufkündigung als wirksam und verpflichtete die Beklagte, den Bestandgegenstand geräumt den Klägern zu übergeben. Es meinte, die Beklagte sei als Erbin in das mit Ing. Alfred N*** bestandene Mietverhältnis eingetreten. Bis zu seinem Ableben sei Ing. Alfred N*** als Hauptmieter aufgetreten. Ein Unternehmensübergang sei den Vermietern nicht angezeigt worden. Das Recht der pflichtteilsberechtigten Tochter stehe dem Eintritt der Erbin in das Mietverhältnis nicht im Wege, weil aus einem Vermächtnis ein Mietrecht nicht abgeleitet werden könne.

Das Berufungsgericht änderte über die Berufung der Beklagten das Urteil dahin ab, daß es die Aufkündigung aufhob und das Klagebegehren auf Übergabe des Bestandobjektes abwies. Es sprach aus, daß der von der Abänderung betroffene Wert des Streitgegenstandes S 300.000,-- übersteigt. Die endgültige Übertragung des lebenden Unternehmens von der Verlassenschaft an die Noterbin zur Berichtigung der Pflichtteilsansprüche sei als Unternehmensveräußerung nach § 12 Abs. 3 MRG anzusehen. Die Erwerberin betreibe das übernommene Unternehmen durch ihren Pächter weiter. Erika N*** sei nach § 12 Abs. 3 MRG Hauptmieterin der Geschäftsräumlichkeit geworden. Die Verletzung der den bisherigen Hauptmieter und den Erwerber des Unternehmens treffenden Verpflichtung zur unverzüglichen Anzeige des Überganges der Hauptmietrechte ändere daran nichts. Auch dann, wenn die Verpachtung des Unternehmens schon vor dem 1. Jänner 1982 erfolgte, finde § 12 Abs. 3 MRG bei Veräußerung des Unternehmens durch den Berechtigten aus einem fortbestehenden gespaltenen Mietverhältnis Anwendung.

Rechtliche Beurteilung

Die nach § 502 Abs. 4 Z 2 ZPO zulässige Revision der Kläger wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache durch das Berufungsgericht ist nicht berechtigt.

Die Beklagte beantragt die Bestätigung des Urteils des Berufungsgerichtes und verweist zutreffend darauf, daß es hier überhaupt nicht um ein "Vermächtnis der Mietrechte" geht sondern allein um die Frage, ob die im § 12 Abs. 3 MRG vorgesehenen Rechtsfolgen eingetreten sind, ob also mit der Veräußerung des im Mietgegenstand betriebenen Unternehmens durch die die Person des Erblassers als Träger der Hauptmietrechte fortsetzende Verlassenschaft an die Tochter die Hauptmietrechte am Mietgegenstand auf die Erwerberin übergegangen sind und daher die Verlassenschaft aus dem Mietverhältnis ausgeschieden ist, so daß auch die Beklagte als Erbin nicht mehr Vertragsteil der Kläger ist und daher gegen sie eine Aufkündigung nicht wirksam erfolgen kann. Die Übertragung des bisher vom Mieter durch einen Pächter betriebenen Unternehmens an die Erwerberin Erika N*** in Verrechnung ihrer gegen die Verlassenschaft und nach der Einantwortung gegen die Erbin bestehenden Ansprüche auf Leistung des Pflichtteils stellt einen Fall der Unternehmensveräußerung nach § 12 Abs. 3 MRG dar. Erika N*** ist nicht auf Grund einer letztwilligen Zuwendung der Hauptmietrechte (vgl. MietSlg. 34.252/20; MietSlg. 37.176; JBl. 1987, 449) in die Rechtsposition des Hauptmieters getreten, ja es lag überhaupt kein Legat vor, wie die Kläger irrig meinen, sie hat vielmehr im Wege der Veräußerung das vom bisherigen Hauptmieter durch einen Pächter betriebene Unternehmen erworben und betreibt es weiter durch den Pächter. Dies ändert aber nichts daran, daß das Unternehmen zum Eigentum der veräußernden Verlassenschaft gehörte und durch das Veräußerungsgeschäft in das Eigentum der Erwerberin übergegangen ist. Für den Mietrechtsübergang nach § 12 Abs. 3 MRG ist es ausreichend, daß der Eigentümer sein lebendes Unternehmen unter Wahrung der Unternehmensidendität veräußert und der Erwerber dieses Unternehmen zur Weiterführung übernimmt (Schauer in JBl. 1985, 259; Fenyves in Korinek-Krejci; HBzMRG 230; Zingher in ÖJZ 1982, 114; MietSlg. 38.296/25). Da die Verpachtung eines in den Geschäftsräumlichkeiten betriebenen lebenden Unternehmens den Kündigungsgrund nach § 30 Abs. 2 Z 4 MRG bzw. früher nach § 19 Abs. 2 Z 10 MG nicht herstellen konnte (Würth in Rummel, ABGB, Rz 21 zu § 30 MRG; MietSlg. 38.296/25), muß auch der Wechsel des Eigentums am verpachteten Unternehmen als Unternehmensveräußerung nach § 12 Abs. 3 MRG mit der Rechtsfolge angesehen werden, daß mit der Übernahme des Unternehmens zur Weiterführung der Erwerber an die Stelle des veräußernden Hauptmieters tritt und mit diesem Zeitpunkt (vgl. dazu SZ 57/191) den Vermietern allein als Bestandnehmer gegenübersteht. Daß die Erwerberin des Unternehmens nicht beabsichtigt, dieses nach Beendigung der Verpachtung selbst oder durch neue Verpachtung weiterzuführen, ist nicht hervorgekommen. Das Berufungsgericht hat daher ohne Rechtsirrtum erkannt, daß die Aufkündigung des Mietverhältnisses gegenüber der bereits durch den Rechtsübergang aus dem Vertragsverhältnis ausgeschiedenen Verlassenschaft nach dem früheren Hauptmieter oder richtig gegenüber seiner Alleinerbin, die nicht mehr Hauptmieterin werden konnte, verfehlt und daher aufzuheben war.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

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