OGH 5Ob111/98d

OGH5Ob111/98d12.5.1998

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Klinger als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schwarz, Dr.Floßmann, Dr.Baumann und Dr.Hradil als weitere Richter in der Mietrechtssache der Antragstellerin B*****, vertreten durch Dr.Eva Krassnig, Rechtsanwältin in Wien, gegen die Antragsgegnerin W***** GmbH, *****, vertreten durch Dr.Hildegard Wanka, Rechtsanwältin in Wien, wegen § 37 Abs 1 Z 8 MRG iVm § 12 Abs 3 aF MRG, infolge Revisionsrekurses der Antragsgegnerin gegen den Sachbeschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 14.Jänner 1998, GZ 40 R 830/97y, womit der Zwischensachbeschluß des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 20.Oktober 1997, GZ 42 Msch 29/96w-8, bestätigt wurde, folgenden

Sachbeschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Die Antragsgegnerin ist Hauptmieterin eines Geschäftslokals im Haus *****, das der Antragstellerin gehört. Sie ist im Jahr 1987 dadurch in die Rechtsposition der Hauptmieterin gelangt, daß Ingrid M*****, die vormalige Hauptmieterin und Alleininhaberin der im Geschäftslokal betriebenen Etikettenerzeugung und Textildruckerei, ihr Unternehmen samt Mietrechten gegen die Einräumung von Geschäftsanteilen in die 1972 gegründete Antragsgegnerin einbrachte. Gesellschafter dieser GmbH (mit jeweils alleiniger Geschäftsführungsbefugnis) waren schon damals Ingrid M***** (zu 20 %) und ihr Ehegatte Ernst M***** (zu 80 %); daran hat sich bis heute nur insofern etwas geändert, als Ingrid M***** 1994 ihre Geschäftsführungsbefugnis zurücklegte. Einziger (auch gewerberechtlicher) Geschäftsführer der Gesellschaft ist seither ihr Ehemann.

Die Antragsgegnerin hat mittlerweile wegen finanzieller Schwierigkeiten die Mietrechte am verfahrens- gegenständlichen Geschäftslokal aufgegeben. Im Mai 1996 wurde das Mietobjekt an die Hausverwaltung zurückgestellt.

Mit der Behauptung, erst im Oktober 1995 von der Unternehmensveräußerung erfahren zu haben, hat die Antragstellerin von der Antragsgegnerin mit Schreiben vom 25.10.1995 die Bezahlung eines höheren Hauptmietzinses (S 6.111,17 monatlich netto) verlangt und schließlich, da die Antragstellerin dieses Ansinnen ablehnte, am 4.1.1996 bei der Schlichtungsstelle der Stadt Wien für den 6. und 7. Bezirk die Feststellung begehrt, daß der erhöhte Hauptmietzins angemessen ist. Die Antragsgegnerin ist diesem Begehren (ua) mit dem Argument entgegengetreten, daß sich an der Zugehörigkeit der Mietrechte am verfahrensgegenständlichen Geschäftslokal bzw des dort betriebenen Unternehmens durch den Einbringungsvorgang im Jahr 1987 praktisch nichts geändert habe, sodaß der Anhebungstatbestand des § 12 Abs 3 aF MRG nicht erfüllt sei.

Das Erstgericht, zu dem das Verfahren gemäß § 40 Abs 2 MRG gelangte, entschied mit Zwischensachbeschluß, daß die Antragstellerin dem Grunde nach zur Anhebung des Mietzinses berechtigt ist. Es nahm als erwiesen an, daß die Antragstellerin mangels Verständigung durch die Antragsgegnerin erst im Herbst 1995 vom Einbringungs- vorgang des Jahres 1987 Kenntnis erlangt hat und wertete diesen als Unternehmensveräußerung iSd § 12 Abs 3 aF MRG.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung für Unternehmensveräußerungen, die nach dem 31.12.1981, aber vor dem 28.2.1994 stattfanden, gelte weiterhin § 12 Abs 3 MRG idF vor dem

3. WÄG (WoBl 1997/5; WoBl 1998/18; Würth in Miet- und Wohnrecht20 Rz 3 zu § 12a MRG). Die Übergangsbestimmung des Art II Abschnitt II Z 10 des 3.WÄG regle nur die Frage, was verfahrensrechtlich gilt, wenn die neuen materiellrechtlichen Bestimmungen in einem schon anhängigen Verfahren zum Tragen kämen.

Das Rekursgericht teile auch nicht die in der Entscheidung 1 Ob 591/93 = WoBl 1995/41 vertretene Ansicht, daß § 12 Abs 3 aF MRG seit dem Inkrafttreten der Regelung des § 12a Abs 3 MRG nur auf Einbringungsvorgänge angewendet werden könne, die mit einer Änderung der rechtlichen und wirtschaftlichen Einflußmöglichkeiten auf das im Mietobjekt betriebene Unternehmen einhergehen. Auf eine Änderung der Eigentümerstruktur des Unternehmens komme es bei einer Unternehmensveräußerung bei der hier anwendbaren Bestimmung des § 12 Abs 3 MRG nicht an. Dies habe der fünfte Senat des Obersten Gerichshofes in ausdrücklicher Ablehnung der Entscheidung 1 Ob 591/93 auch schon wiederholt entschieden (WoBl 1997/5; WoBl 1997/18).

Diese Entscheidung enthält den Ausspruch, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Begründet wurde dies mit der zitierten uneinheitlichen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes.

Im jetzt vorliegenden Revisionsrekurs beharrt die Antragsgegnerin auf ihrem Rechtsstandpunkt, daß die Einbringung eines Unternehmens als Sacheinlage in eine GmbH nur dann eine Unternehmensveräußerung darstelle, wenn es dadurch zu einer einschneidenden Änderung der rechtlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse kommt. Das gelte für den hier gemäß Art II Abschnitt II Z 10 des 3.WÄG anzuwendenden § 12a Abs 1 MRG, aber auch für den nunmehr im Lichte des § 12a Abs 3 MRG auszulegenden § 12 Abs 3 aF MRG. Abzustellen sei auf den Machtwechsel in der Gesellschaft; die Anknüpfung an den rein formalen Übertragungsakt sei zu wenig. Im übrigen sei der verfahrensgegenständliche Einbringungsvorgang genauso als Universalsukzession zu behandeln wie die Vereinigung von Gesellschaften, Umwandlungen nach dem UmwG oder die Verschmelzung von Genossenschaften nach dem GenVG. Wenn der Oberste Gerichtshof die Änderung der Rechtsform einer OHG in eine KG oder einer GesbR in eine OHG nicht dem Tatbestand der Unternehmensveräußerung nach § 12 Abs 3 aF unterstellte, müsse dies auch für den gegenständlichen, ohne Liquidation des Unternehmens durchgeführten Einbringungsvorgang gelten.

Der Revisionsrekursantrag geht dahin, die Sachbeschlüsse der Vorinstanzen so abzuändern, daß die Antragstellerin nicht berechtigt ist, den Mietzins anzuheben.

Von der Antragstellerin liegt dazu eine fristgerecht erstattete Revisionsrekursbeantwortung mit dem Antrag vor, den angefochtenen Sachbeschluß zu bestätigen.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht angeführten Grund zulässig; er ist jedoch nicht berechtigt.

Zu Unrecht zieht die Rechtsmittelwerberin die Anwendung des § 12 Abs 3 aF auf den gegenständlichen Sachverhalt in Zweifel. Da sich der Einbringungsvorgang, auf den die Antragstellerin ihren Mietzinserhöhungsanspruch stützt, vor dem Inkrafttreten des 3.WÄG ereignete und dieses Gesetz insoweit keine ausdrückliche Rückwirkungsanordnung enthält (vgl Würth/Zingher, Wohnrecht 94, Anm 1 zu Art II Abschnitt II des 3.WÄG), hat es gemäß § 5 ABGB dabei zu bleiben, daß § 12 Abs 3 aF MRG die magebliche Norm für die Beurteilung ist, ob eine Unternehmensveräußerung vorliegt, die den Vermieter zur Anhebung des Mietzinses berechtigt (vgl WoBl 1997, 43/5; immolex 1997, 239/133). Das entspricht der bei vergleichbarer Rechtslage (Art II Abschnitt II Z 1 des 3.WÄG wiederholt im wesentlichen die Regelung des § 43 Abs 1 MRG) schon zur Übergangsproblematik beim Inkrafttreten des MRG vertretenen Rechtsauffassung (MietSlg 35/14; MietSlg 36/12; WoBl 1989, 45/12; ecolex 1991, 455 ua) und wird auch von jener Judikatur nicht in Frage gestellt, die in § 12a Abs 3 MRG eine Klarstellung des Veräußerungsbegriffes des § 12 Abs 3 aF MRG bei gesellschaftsrechtlichen Vorgängen sieht (WoBl 1998, 99/62). Nicht die Anwendbarkeit des § 12 Abs 3 aF MRG ist demnach fraglich, sondern nur der normative Gehalt dieser Gesetzesbestimmung im Lichte der Änderungen, die das 3.WÄG gebracht hat.

Unzweifelhaft ist auch, daß ein Einbringungsvorgang, wie er hier zu beurteilen ist, vor dem Inkrafttreten des 3.WÄG dem Veräußerungstatbestand des § 12 Abs 3 MRG unterstellt worden wäre. Die einschlägige Judikatur hat nämlich die Einbringung eines im Mietobjekt betriebenen Unternehmens als Sacheinlage in eine GmbH (mag auch der Unternehmensinhaber an dieser Gesellschaft beteiligt gewesen sein) immer als eine zur Einzelrechtsnachfolge in die Mietrechte führende Unternehmensveräußerung gewertet, die den Vermieter gemäß § 12 Abs 3 MRG zur Mietzinsanhebung berechtigt (MietSlg 39.283; SZ 61/182; SZ 64/127; 5 Ob 94, 95/92, tw veröffentlicht in EWr I/1/9; WoBl 1997, 43/5; EWr III/863 A/11; vgl zur besonderen Problematik der Einzelrechtsnachfolge auch SZ 49/17 und NZ 197, 126). Hätte die Antragsgegnerin der in § 12 Abs 2 aF MRG normierten Verständigungspflicht entsprochen, wäre sie - ein Anhebungsbegehren der Antragstellerin vorausgesetzt - um die Zahlung eines höheren Mietzinses nicht herumgekommen. Fraglich kann daher nur sein, ob sich durch das 3.WÄG (mit der Einbeziehung gesellschaftsrechtlicher Veränderungen in den Veräußerungstatbestand durch § 12a Abs 3 MRG) die Rechtslage geändert hat, wie in 1 Ob 591/93 angenommen wurde, oder wenigstens die Verdeutlichung von Vorstellungen des Gesetzgebers zu einer anderen Auslegung des § 12 Abs 3 aF MRG zwingt.

Zuzugeben ist, daß zu dieser Frage, wie das Rekursgericht ausführte, widersprüchliche Judikatur vorliegt (vgl zuletzt WoBl 1998, 99/62). Der erkennende Senat sieht sich jedoch nicht veranlaßt, von seiner bereits wiederholt zum Ausdruck gebrachten Meinung abzugehen, daß eine Unternehmensveräußerung, die zum Eintritt eines anderen Rechtssubjekts in die Mieterposition führt, den Anhebungstatbestand des § 12 Abs 3 aF MRG auch dann verwirklicht, wenn neuer Mieter eine Gesellschaft wird, an der der ursprüngliche Mieter in rechtlich und wirtschaftlich bedeutender Funktion beteiligt ist (vgl WoBl 1997, 43/5; WoBl 1997, 96/18; 5 Ob 2267/96k). Die an rein grammatisch-systematischen Gesichtspunkten orientierte Auslegung der einschlägigen Gesetzesbestimmungen (§ 12 Abs 3 aF MRG, § 12a Abs 1 MRG und § 12a Abs 3 MRG idF des 3.WÄG) ließe zwar auch ein anderes Ergebnis zu, doch legt gerade die Mehrdeutigkeit der Regelung die Beachtung des subjektiven gesetzgeberischen Willens nahe (vgl Posch in Schwimann2, Rz 16 zu § 6 ABGB). Dieser Wille ging, folgt man der einzigen konkreten Äußerung des Gesetzgebers zum angesprochenen Problem im AB zu Art II Z 12 und Z 38 (§ 12a und § 46a MRG), dahin durch die Erfassung gesellschaftsrechtlicher Gestaltungen, die eine Unternehmensveräußerung im engeren Sinn ersetzt und damit eine Mietzinserhöhung durch den Vermieter "bisher aus- geschlossen haben", nunmehr durch eine generelle Regelung, daß entscheidende Änderungen der rechtlichen und wirtschaftlichen Einflußmöglichkeiten, wie etwa die Veräußerung der Mehrheit der Anteile an einer Gesellschaft, der Veräußerung eines Unternehmens durch eine natürliche Person gleichgestellt werden. Dementsprechend wollte der Gesetzgeber in Kenntnis der Judikatur zu § 12 Abs 3 aF MRG die Mietzinsanhebungsmöglichkeiten des Vermieters bei einer Veräußerung des im Mietobjekt betriebenen Unternehmens und einem ihm dadurch aufgezwungenen Wechsel der Person des Mieters erweitern und nicht einschränken (vgl Würth, Der neue § 12a Abs 1 MRG und sein Verhältnis zu Abs 3, WoBl 1995, 73 ff [76]). Er hat, was in dieselbe Richtung weist, in § 12a Abs 5 MRG und § 46a Abs 3 MRG sogar die Verpachtung des Unternehmens als Mietzinsanhebungs- tatbestand anerkannt, obwohl damit keine Änderung in der Zuordnung der Mietrechte einhergeht.

Damit erweist sich der Revisionsrekurs als nicht berechtigt. Für eine abschließende Bereinigung der aufgezeigten Judikaturdivergenz bei der Auslegung des § 12 Abs 3 aF MRG nach Maßgabe des § 8 OGHG fehlt es an den gesetzlichen Voraussetzungen, weil keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung iS Abs 1 Z 2 leg cit zu lösen war. § 12 Abs 3 aF MRG kann nur mehr in Fällen angewendet werden, in denen es der Mieter verabsäumte, dem Vermieter die Unternehmensveräußerung anzuzeigen. Das ist angesichts der Geltung neuer Regelungen seit 1.3.1994 nicht mehr in relevanter Häufigkeit zu erwarten (vgl WoBl 1998, 99/62). Im konkreten Fall wurde noch dazu das Mietverhältnis wenige Monate nach Anhebung des Mietzinses aufgelöst.

Es war daher wie im Spruch zu entscheiden.

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