OGH 2Ob259/06m

OGH2Ob259/06m26.4.2007

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Baumann als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Veith, Dr. Grohmann und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Waltraud W*****, vertreten durch Dr. Eugen Amann, Rechtsanwalt in Bregenz, wider die beklagten Parteien 1. Werner P*****, 2. G***** Versicherung AG, ***** vertreten durch Vogl Rechtsanwalt GmbH in Feldkirch, wegen EUR 5.625 sA, über die Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch als Berufungsgericht vom 8. August 2006, GZ 2 R 183/06m-13, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Feldkirch vom 10. Mai 2006, GZ 8 C 140/06s-9, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 514,99 (darin enthalten EUR 85,83 USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Begründung

Die Zurückweisung einer ordentlichen Revision wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage gemäß § 502 Abs 1 ZPO kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 letzter Satz ZPO).

Die 1958 geborene Klägerin wurde bei einem Verkehrsunfall am 25. 1. 1982 schwer verletzt. Sie erlitt eine Gehirnerschütterung, einen Bruch der Hüftpfanne rechts, Prellungen am rechten Oberschenkel, des rechten Kniegelenks und des Brustkorbs, eine Rissquetschwunde am rechten Unterschenkel sowie einen Bluterguss am Kopf. Einschließlich der jetzt geltend gemachten Schmerzperioden erlitt die Klägerin durch den Unfall (komprimiert) 4 Tage starke Schmerzen, 7 Tage mittelstarke Schmerzen und 460 Tage leichte Schmerzen.

Die Beklagten (die Zweitbeklagte nur im Rahmen des Haftpflichtversicherungsvertrages mit dem Erstbeklagten) haften der Klägerin für alle künftigen Schäden aus dem Unfall zu 75 %. Sie haben in der Vergangenheit mehrfach, teils über Klagsführung der Klägerin, teils aufgrund außergerichtlicher Einigung Schmerzengeldbeträge an die Klägerin bezahlt.

Im Vorverfahren 3 C 1335/97y des Bezirksgerichtes Feldkirch führte der Oberste Gerichtshof (2 Ob 254/98m) aus, eine Globalbemessung des Schmerzengeldes komme nicht in Betracht, wenn - wie hier - das Gesamtbild der physischen und psychischen Beeinträchtigung nicht vorhersehbar sei.

Das Erstgericht hat festgestellt:

Im Vergleich zu dem bei der Klägerin im Rahmen des Verfahrens 3 C 1335/97y erhobenen Befund hat die Röntgenuntersuchung vom 4. 12. 2002 bei der Klägerin eine Zunahme der Arthrose am rechten Hüftgelenk mit Verschmälerung des Gelenksspaltes, subchondraler vermehrter Sklerosierung ergeben.

Objektiv besteht bei der Klägerin mittlerweile eine vermehrte Einschränkung, was die Beweglichkeit betrifft, und eine diskrete Zunahme der Muskelumfangdifferenz als Zeichen der verminderten Benützung der Extremität. Bei der Klägerin ist es in den letzten Jahren zu einer langsamen Verschlimmerung des Beschwerdebildes gekommen, wobei in keinem Fall jetzt schon prognostiziert werden kann, wann die möglicherweise einmal notwendig werdende Hüftgelenksersatzoperation notwendig wird.

Seit Beginn des Jahres 1999 hatte die Klägerin jährlich 25 Tage leichte Schmerzen im komprimierter Form zu erdulden und wird Schmerzen in diesem Ausmaß voraussichtlich auch bis auf Weiteres zu erdulden haben. Eine Verschlimmerung des Beschwerdebildes ist nicht auszuschließen.

Die Vorinstanzen bejahten die Voraussetzungen für die Zulässigkeit der (hier gegenständlichen) Teileinklagung von Schmerzengeld für die Jahre 2003 bis 2005 (insgesamt 75 Tage leichte Schmerzen) und erachteten dafür das mit EUR 5.625 bezifferte Schmerzengeldbegehren (75 % des angemessenen Schmerzengeldes von EUR 7.500) für berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Entgegen dem nachträglich gemäß § 508 Abs 3 ZPO vom Berufungsgericht gesetzten Ausspruch, die Revision sei zulässig, liegt eine erhebliche Rechtsfrage gemäß § 502 Abs 1 ZPO nicht vor.

Nach ständiger Rechtsprechung ist eine mehrmalige (ergänzende) Schmerzengeldbemessung unter anderem dann zulässig, wenn Schmerzen in ihren Auswirkungen für den Verletzten zum Zeitpunkt des Schlusses der Verhandlung erster Instanz noch gar nicht oder noch nicht endgültig überschaubar erscheinen, so etwa, weil das Gesamtbild der physischen und psychischen Beeinträchtigungen noch nicht vorhersehbar ist (2 Ob 255/01s; 2 Ob 254/98m = ZVR 1999/63; RIS-Justiz RS0031235, RS0031082).

Angesichts der wiedergegebenen Feststellungen ist die Rechtsansicht der Vorinstanzen, vorliegend sei eine Teilbemessung des Schmerzengeldes zulässig, vertretbar. Der Fall 2 Ob 154/03s, in dem der erkennende Senat die Voraussetzungen für eine Globalbemessung bejaht hatte, unterscheidet sich vom vorliegenden vor allem dadurch, dass dort mit einer (datumsmäßig noch nicht bestimmbaren) künftig notwendig werdenden Implantation einer Hüftprothese zu rechnen und mit großer Wahrscheinlichkeit weitere Operationen zu erwarten waren, während hier noch nicht feststeht, ob künftig eine Hüftgelenksersatzoperation überhaupt notwendig sein wird.

Entgegen den Revisionsausführungen wurden im Vorprozess 3 C 1335/97y keine zukünftigen (also auch nicht Teile der nunmehr geltend gemachten), sondern nur Schmerzen bis zum Schluss der Verhandlung erster Instanz (20. 3. 1998) abgegolten.

Dass die Klägerin nunmehr in den Jahren 2003 bis 2005 erlittene Schmerzen geltend macht, obwohl deren Eintreten zumindest im Ausmaß von 20 Tagen leichter Schmerzen jährlich bereits im Vorprozess feststand, ist zulässig (2 Ob 255/01s, jüngst 2 Ob 127/05y; 2 Ob 150/06g, RIS-Justiz RS0115721).

Die Ansicht der Vorinstanzen, der der Klägerin insgesamt bezahlte Betrag von rund 32.000 EUR (unter Einschluss des nunmehrigen Zuspruches und unter Berücksichtigung der Aufwertung infolge der Geldentwertung) entspreche 75 % des angemessenen Schmerzengeldes bzw liege nicht über dem Anspruch, der der Klägerin bei einer Globalbemessung der erlittenen Schmerzen zustünde, ist ebenfalls vertretbar.

Die Revision war somit mangels einer Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 50 und 41 ZPO. Die Klägerin hat in ihrer Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

Stichworte