Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 1.584,79 (darin enthalten EUR 264,13 USt) bestimmen Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger erlitt bei einem Verkehrsunfall vom 22. 7. 1986 eine Gehirnerschütterung, eine Rissquetschwunde der rechten Wange, eine Rissquetschwunde am Kinn, eine Thoraxverletzung mit Haematopneumothorax rechts, ein stumpfes Bauchtrauma mit Leberruptur und multiplen Serosa-Rissen, einen proximalen Oberschenkelbruch rechts, eine Luxationsfraktur des rechten Hüftgelenkes, eine Zerreissung der Symphyse und des rechten Kreuz-Darmbeingelenkes, eine Rissquetschwunde im Bereich des rechten Unterschenkels, Prellungen und Hautabschürfungen am rechten Kniegelenk. Als Folgeerkrankungen ergaben sich Verwachsungen im Bereich des Abdomens mit rezidivierenden Subileusbeschwerden, außerdem eine massive Verknöcherung im Bereich des rechten Hüftgelenkes mit Streckbehinderung.
Die Haftung der beklagten Parteien für die künftigen Schäden aus diesem Unfall steht fest.
Der Kläger erhielt im Jahr 1988 an Schmerzengeld S 220.000,--, wobei Schmerzen für den Zeitraum ab Unfallstag bis zum 30. 11. 1986 abgegolten waren. Der Kläger erlitt in diesem Zeitraum 5 Tage starke, 26 Tage mittelstarke und 53 Tage leichte Schmerzen bei bestandener massiver Bewegungseinschränkung auf Grund einer Verknöcherung im Hüftbereich. Nach erfolgter Osteosynthesematerialentfernung erlitt der Kläger weitere 5 Tage starke, 7 Tage mittelstarke und 8 Wochen leichte Schmerzen.
Im Jahr 1992 erhielt der Kläger einen weiteren Schmerzengeld-(Teil-)betrag von S 50.000,-- für die von ihm erlittenen Schmerzen bis zum 12. 4. 1992. Dabei wurden für diese Periode 5 Tage starke, 8 Tage mittelstarke und 4 Wochen leichte Schmerzen eingeschätzt.
Im Jahr 1995 erhielt der Kläger einen weiteren Schmerzengeld-(Teil-)betrag von S 45.000,-- für den Zeitraum bis zum 31. 12. 1995. Auf Grund einer neu eingetretenen Arthrose wurden zu den bisherigen Schmerzperioden 1 Woche mittelstarke und 4 Wochen leichte Schmerzen eingeschätzt. Als zukünftige Schmerzen wurden von nun an jährlich ca 3 bis 4 Tage mittelstarke und ca 2 bis 3 Wochen leichte Schmerzen prognostiziert.
Im Jahr 1998 erhielt der Kläger einen weiteren Schmerzengeld-(Teil-)betrag von S 130.000,-- wobei Schmerzen bis zum 31. 12. 2000 abgegolten waren. Insgesamt erhielt der Kläger sohin S 445.000,-- (= EUR 32.339,41).
Der Kläger begehrt nunmehr den Zuspruch von weiteren EUR 28.000,-- aus dem Titel des Schmerzengeldes für die Zeit vom 1. 1. 2001 bis 31. 12. 2010. Die erfolgten Zahlungen aus dem Titel des Schmerzengeldes seien Teilzahlungen befristet bis zum 31. 12. 2000 für die bis dorthin erlittenen Schmerzen gewesen. Eine Einschätzung der Schmerzen nach dem 31. 12. 2010 sei nicht möglich, das befristet bis zum 31. 12. 2010 geltend gemachte Schmerzengeld sei ohne nicht vorhersehbare Schmerzen jedenfalls angemessen.
Die beklagten Parteien beantragten die Abweisung des Klagebegehrens. Auf Grund der erfolgten Schmerzengeldzahlungen im Zusammenhalt mit den festgestellten Verletzungen und der Aufwertung der bezahlten Beträge seien die Ansprüche des Klägers vollständig abgegolten. Durch eine ergänzende Schmerzengeldbemessung dürfe es jedenfalls nicht dazu kommen, dass der Verletzte insgesamt mehr als bei einmaliger Globalbemessung zugesprochen erhalte. Diese Schmerzengeldgrenze sei erreicht worden. Die Voraussetzungen für eine Globalbemessung lägen vor; durch eine solche könne dem Kläger kein Nachteil erwachsen, weil es ihm im Falle einer unvorhergesehenen bzw nicht zu erwartenden Verschlechterung seines Zustandes auch bei Zuspruch eines Globalschmerzengeldes freistehe, eine ergänzende Ausmessung gerichtlich geltend zu machen.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren zur Gänze statt. Neben dem eingangs wiedergegebenen Sachverhalt traf es noch folgende Feststellungen:
Bei einer Begutachtung vom 18. 1. 2002 wurden vom Arzt die Schmerzen ab 1. 1. 2001 für die Zukunft mit 4 Tagen mittelstarken und 3 Wochen leichten Schmerzen für den Zeitraum von ca 10 Jahren als konstant eingeschätzt. Dieser Untersuchung war ein Schreiben des Klagevertreters vom 4. 10. 2001 vorangegangen, in dem er auf die Vorkorrespondenz sowie die Notwendigkeit der Einholung eines Sachverständigengutachtens, das möglicherweise eine Endeinschätzung erlauben werde, verwies. Nach Vorliegen des Gutachtens vom 18. 1. 2002, das der Arzt auch an die erstbeklagte Partei sandte, forderte der Klagevertreter mit Schreiben vom 13. 3. 2002 befristet bis 31. 12. 2010 den nunmehr mit Klage geforderten Betrag. Nach der Durchführung der Untersuchung und Erstattung des Gutachtens vom 18. 1. 2002 wurde der Kläger am 7. 4. 2002 auf Grund kolikartiger abdomineller Schmerzen mit Erbrechen und Durchfällen bis 10. 4. 2002 stationär im Krankenhaus Bludenz aufgenommen.
Derzeit sind für die Zeit vom 1. 1. 2001 für die kommenden 10 Jahre voraussichtlich jährlich 4 Tage mittelstarke und 3 Wochen leichte Schmerzen anzunehmen. Dabei ist von einer Zunahme der Hüftgelenksabnützung im Laufe der nächsten Jahrzehnte auszugehen, weshalb mit einer datumsmäßig noch nicht abschätzbaren Implantation einer Hüftprothese gerechnet werden muss. Unsicher ist der weitere Verlauf der rezidivierenden Subileusbeschwerden, die mit Sicherheit wiederum auftreten werden und mit großer Wahrscheinlichkeit weitere Operationen notwendig werden lassen. Eine genaue abschließende Zukunftsprognose ist nicht möglich. Der Kläger ist Pensionist und kümmert sich neben der Verrichtung des Haushaltes um seinen körperbehinderten Sohn, der als Spastiker auf einen Rollstuhl angewiesen ist.
Rechtlich erörterte das Erstgericht, dass derzeit keine abschließende Einschätzung der künftigen Unfallsfolgen im Hinblick auf die noch ausstehende, aber sicher eintretende Hüftoperation möglich sei. Eine Globalbemessung könne daher zum jetzigen Zeitpunkt, auch unter Berücksichtigung der Einklagbarkeit nicht zu erwartender Unfallsfolgen nicht vorgenommen werden. Für die vom Kläger bis 31. 12. 2010 zu erwartenden körperlichen und seelischen Schmerzen sei auf Grund der festgestellten jährlichen Dauer und Intensität ein Schmerzengeld in Höhe des Klagebetrages angemessen. Im Hinblick auf die festgestellten Verletzungen und die bereits erfolgten Zahlungen liege kein Hinweis für eine Bevorzugung im Vergleich zu anderen Personen, die eine Globalbemessung erfahren hätten, vor. Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei.
Es teilte unter Wiedergabe der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes über die Zulässigkeit einer Teileinklagung von Schmerzengeld die Rechtsmeinung des Erstgerichtes, dass das Gesamtbild der physischen und psychischen Beeinträchtigung des Klägers ab 2010 noch nicht vorhersehbar sei und nicht abgeschätzt werden könne, ob mit einer möglichen und notwendigen Hüftoperation unter Umständen sogar eine Besserung oder Verschlechterung des Zustandes verbunden sei, weshalb Teilschmerzengeld nicht nur bis zum Schluss der Verhandlung erster Instanz, sondern im Hinblick auf den in der Klage geltend gemachten Zeitraum auch für diesen ausgemittelt werden könne, weil die Verletzungsfolgen und die bis 2010 zu erleidenden Schmerzen feststünden. Eine "Teil-Globalbemessung" unter Einbeziehung der derzeit bekannten künftigen Schmerzen sei unzulässig. Unter Berücksichtigung der Schwere der Verletzung sowie der bereits erfolgten Teilschmerzengeldzahlungen im aufgewerteten Gesamtbetrag von EUR 39.794,-- sei das zugesprochene weitere Teilschmerzengeld bis 31. 12. 2010 in Höh von EUR 28.000,-- noch als angemessen anzusehen.
Die ordentliche Revision sei zulässig, weil Fragen der Teileinklagung von Schmerzengeld über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukomme und höchstgerichtliche Judikatur nicht vorliege, ob bei einer ergänzenden Teileinklagung eines Schmerzengeldes eine solche nur für die Vergangenheit oder auch für künftige Schmerzen für einen bestimmten Zeitraum zulässig sei.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der beklagten Parteien mit dem Antrag, die Entscheidungen der Vorinstanzen dahin abzuändern, dass das Klagebegehren zur Gänze abgewiesen werde. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Der Kläger beantragt in seiner Revisionsbeantwortung, das Rechtsmittel der Gegenseite zurückzuweisen, hilfsweise ihm nicht Folge zu geben.
Die Revision ist zulässig, aber im Ergebnis nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Der Vorwurf der Aktenwidrigkeit wurde geprüft. Er trifft nicht zu, was nicht weiters zu begründen ist (§ 510 Abs 3 ZPO). Im Übrigen machen die Revisionswerber geltend, dass der Kläger durch den Zuspruch eines Teilschmerzengeldbetrages von EUR 28.000,-- im Ergebnis mehr zugesprochen erhielte, als dies bei einer Globalbemessung der Fall gewesen wäre. Im Übrigen lägen die Voraussetzungen einer Globalbemessung vor, weil auch nach den Feststellungen der Vorinstanzen die zukünftigen Beschwerden ausreichend vorhersehbar seien.
Nach der Rechtsprechung sind bei der Bemessung des Schmerzengeldes die Art und Schwere der Körperverletzung, die Art, Intensität und Dauer der Schmerzen sowie die Dauer der Beeinträchtigung des Gesundheitszustandes des Verletzten überhaupt und die damit verbundenen Unlustgefühle zu berücksichtigen. Das Schmerzengeld stellt grundsätzlich eine Globalabfindung für alle eingetretenen und nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zu erwartenden körperlichen und seelischen Beeinträchtigungen durch die Unfallsfolgen dar. Für seine Bemessung ist das Gesamtbild der Verletzungsfolgen maßgebend. Dabei müssen auch künftige, nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge zu erwartende körperliche und seelische Schmerzen einbezogen werden. Ausgenommen von der Globalbemessung bleiben nur solche künftige Schmerzen, deren Eintritt noch nicht vorhersehbar ist, oder deren Ausmaß auch nicht soweit abgeschätzt werden kann, dass eine Globalbeurteilung möglich ist. Nach ständiger Rechtsprechung ist eine mehrmalige (ergänzende) Schmerzengeldbemessung ua dann zulässig, wenn eine Globalbemessung zum Zeitpunkt des Schlusses der Verhandlung erster Instanz versagt,
1.) weil noch kein Dauer(end)zustand vorliegt, weshalb die Verletzungsfolgen noch nicht oder nicht im vollem Umfang und mit hinreichender Sicherheit überblickt werden können;
2.) wenn Schmerzen in ihren Auswirkungen für den Verletzten zum Zeitpunkt des Schlusses der Verhandlung erster Instanz noch gar nicht oder noch nicht endgültig überschaubar erscheinen;
3.) wenn der Kläger nachweist, dass ihm gegenüber dem Vorprozess und der dort vorgenommenen Globalbemessung weitere, nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge vorerst nicht zu erwartende, aus der damaligen Sicht daher nicht abschätzbare, aber dennoch kausale Unfallsfolgen verbunden mit weiteren Schmerzbeeinträchtigungen, mit deren Eintritt nicht oder nicht ernstlich zu rechnen war, entstanden sind (2 Ob 255/01s - RZ 2002, 64; RIS-Justiz RS0031082 Danzl/Gutiérres-Lobos/Müller, Schmerzengeld7 166 ff). Entgegen der Ansicht der Vorinstanzen liegen hier aber die Voraussetzungen für eine Globalbemessung vor. So ergibt sich aus den Feststellungen, dass der Kläger bei einer Zunahme der Hüftgelenksabnützung im Laufe der nächsten Jahrzehnte mit einer datumsmäßig noch nicht abschätzbaren Implantation einer Hüftprothese rechnen muss und dass die rezidivierenden Subileusbeschwerden mit Sicherheit wieder auftreten werden und mit großer Wahrscheinlichkeit weitere Operationen notwendig werden lassen. Die weitere "Feststellung" des Erstgerichtes eine genaue abschließende Zukunftsprognose sei nicht möglich, steht dazu nicht im Widerspruch, weil die zuvor genannten Feststellungen jedenfalls die nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zu erwartenden Schmerzen zufolge einer Hüftgelenksoperation bzw zufolge der Subileusbeschwerden in einer für die Globalbemessung ausreichenden Maß erkennbar erscheinen lassen. Durch eine Globalbemessung kann dem Kläger auch kein Nachteil erwachsen, weil es ihm im Falle einer unvorhergesehenen bzw nicht zu erwartenden Verschlechterung seines Zustandes auch bei Zuspruch eines Globalschmerzengeldes freisteht, eine ergänzende Ausmessung innerhalb der Verjährungszeit gerichtlich geltend zu machen.
Zwar darf bei der Schmerzengeldbemessung der von der Judikatur ganz allgemein gezogene Rahmen nicht gesprengt werden, doch erscheint hier der Zuspruch von weiteren EUR 28.000,--, allerdings zur globalen Abgeltung der vom Kläger erlittenen und zu erleidenden Schmerzen angemessen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.
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