OGH 3Ob38/07w

OGH3Ob38/07w25.4.2007

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Prückner, Hon. Prof. Dr. Sailer und Dr. Jensik sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Fichtenau als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1) Ina L*****, und 2) Roland Alexander L*****, Niederlande, beide vertreten durch Dr. Thaddäus Schäfer, Rechtsanwalt in Innsbruck als Verfahrenshelfer, wider die beklagte Partei Kathleen H*****, vertreten durch Brüggl & Harasser Rechtsanwälte OEG in Kitzbühel, wegen Wiederaufnahme des Verfahrens AZ 4 C 465/99y des Bezirksgerichts Kitzbühel (Streitwert 4.360,37 EUR s. A.), infolge Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 1. September 2006, GZ 2 R 250/06p-23, in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 15. Dezember 2006, AZ 2 R 250/06p, womit das Urteil des Bezirksgerichts Kitzbühel vom 15. März 2006, GZ 4 C 1356/05i-12, mit einer Maßgabe bestätigt wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagenden Parteien sind schuldig, der beklagten Partei die mit 439,71 EUR (darin 73,29 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Die Kläger begehrten die Wiederaufnahme des Verfahrens AZ 4 C 465/99y des Erstgerichts (im Folgenden nur Vorverfahren), in welchem sie mit Urteil vom 6. Dezember 2001 zur ungeteilten Hand schuldig erkannt wurden, für jenen Schaden zu haften, welcher der nunmehrigen Beklagten aus dem Vertragsbruch der Kläger in Ansehung des Kaufvertrags der Liegenschaft der Beklagten vom 26. Juni 1998 entstanden sei. Die Wiederaufnahme gründeten sie darauf, dass die Beklagte ohne Kenntnis der Kläger die Liegenschaft bereits am 27. Februar 2001 (Grundbuchseintragung am 18. Oktober 2001) vor Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz im Vorverfahren verkauft habe.

Das Erstgericht „bewilligte nicht" die Wiederaufnahme des Verfahrens und begründete dies einerseits damit, dass die am 10. August 2005 eingebrachte Klage verfristet sei, da die Kläger bereits am 29. März 2005 vom Verkauf der Liegenschaft Kenntnis erlangt hätten, andererseits damit, dass ein Verschulden der Kläger iSd § 530 Abs 2 ZPO vorliege, weil es diesen vor Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz möglich und zumutbar gewesen wäre, bereits ab diesem Zeitpunkt die notwendigen Recherchen für die Einbringung der Wiederaufnahmsklage durchführen, insbesondere in das Grundbuch Einsicht zu nehmen.

In ihrer dagegen erhobenen Berufung monierten die Kläger lediglich, dass die Wiederaufnahmsklage nicht verspätet sei, weil sie erst ab dem Zeitpunkt der Einschaltung eines österreichischen Anwalts in der Lage gewesen seien, die Kenntnisse über den neuerlichen Liegenschaftsverkauf für sich zu verwerten.

Das Gericht zweiter Instanz gab mit Urteil der Berufung mit der Maßgabe nicht Folge, dass es den Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens ausdrücklich abwies. Seine Entscheidungsform begründete es damit, dass das Erstgericht sowohl zurückweisend wegen Verfristung als auch in der Sache selbst entschieden habe, da es von einer verschuldeten Unkenntnis der Kläger über die Neuerungen iSd § 530 Abs 2 ZPO ausgegangen sei. Das fehlende Verschulden sei von den Klägern in der Berufung nicht gerügt worden, weshalb dieser jedenfalls kein Erfolg beschieden sein könne.

Die mit Beschluss des Berufungsgerichts vom 15. Dezember 2006 nachträglich zugelassene Revision der Kläger ist entgegen dessen Rechtsansicht zur Zulassung, an die der Oberste Gerichtshof gemäß § 508a Abs 1 ZPO nicht gebunden ist, nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

Die Lösung abstrakter Rechtsfragen obliegt dem Obersten Gerichtshof nur in besonderen Fällen, in welchen dies die Rechtssicherheit gebietet (Zechner in Fasching/Konecny2 § 502 ZPO Rz 62 mwN). Es ist jedoch nicht seine Aufgabe, rein theoretische Fragen zu lösen, wenn dies faktisch zu keiner Änderung der Rechtsposition der Parteien führt. Theoretische Rechtsprobleme sind daher nach stRsp keine erheblichen Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO (1 Ob 334/98v u.v.a.; RIS-Justiz RS0111271).

Entgegen den Ausführungen der Revisionswerber, das Erstgericht habe zum Verschulden am Gebrauch der neuen Tatsache im Vorverfahren lediglich eine „Bemerkung gemacht" und dies bloß „erwähnt", wurden im Ersturteil sehr wohl diesbezügliche Feststellungen getroffen und auch rechtlich (unter ausdrücklicher Anführung des § 530 Abs 2 ZPO), wenn auch (teilweise in einer Klammer) beurteilt. Dagegen wendete sich die Berufung der Revisionswerber jedoch nicht. Dass ein Verschulden der Wiederaufnahmskläger daran, dass sie von einer neuen Tatsache iSd § 530 Abs 1 Z 7 ZPO nicht bereits vor Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz Kenntnis hatten, was sie zu beweisen hatten (E. Kodek in Rechberger³ § 530 ZPO Rz 16 mwN), der Bewilligung der Wiederaufnahme nach diesem Grund entgegensteht, wird in der Revision nicht bezweifelt.

Eine in der Berufung versäumte Rechtsrüge in einem geschlossenen (hier rechtsvernichtenden) Tatsachenbereich kann in der Revision nicht nachgeholt werden; insoweit ist die allseitige Prüfpflicht des Obersten Gerichtshofs beschränkt (Zechner aaO § 503 ZPO Rz 191 und 190, je mwN). Um so weniger kann die rechtliche Beurteilung eines von zwei gesondert zu betrachtenden Sachverhaltsbereichen (einerseits Möglichkeit, die neuen Tatsachen und Beweise schon im wiederaufzunehmenden Verfahren zu benützen - anderseits Verfristung der Klage) eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO aufwerfen. Den allenfalls in der Überschreitung des Prozessprogramms liegenden Verfahrensmangel erster Instanz haben die Kläger in ihrem Rechtsmittel an die zweite Instanz nicht geltend gemacht; in dritter Instanz ist ihnen das verwehrt (stRsp; Zechner aaO Rz 34 mwN). Selbst im Falle einer Bejahung der Fristwahrung durch das Berufungsgericht, die an sich, wie von den Klägern richtig erkannt wird, einer Prüfung der materiellen Voraussetzungen voranzugehen hat, hätte das Berufungsgericht das erstgerichtliche Urteil nach dem Gesagten jedenfalls bestätigen müssen, weil die Grundsätze über die eingeschränkte Prüfpflicht auch für die zweite Instanz gelten müssen. Demnach ist es nur noch ein rein theoretisches Problem, ob die Klage fristgerecht eingebracht wurde, weshalb insgesamt das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO zu verneinen und die Revision zurückzuweisen ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 50, 41 ZPO. Die entgegen § 507a Abs 3 Z 1 ZPO beim Erstgericht eingebrachte Revisionsbeantwortung langte noch innerhalb der vorliegenden Frist beim Berufungsgericht, das die Revision nachträglich freistellte, ein; darin wird die mangelnde Zulässigkeit der Revision releviert.

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