OGH 3Ob20/07y

OGH3Ob20/07y25.4.2007

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Prückner, Hon. Prof. Dr. Sailer und Dr. Jensik sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Fichtenau als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ingeborg K*****, Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch Mag. Harald Rossmann, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagten Parteien 1. Erika R*****, und 2. Gabriele P*****, beide vertreten durch Mag. Martin Pancheri, Rechtsanwalt in Innsbruck, und der Nebenintervenienten auf deren Seite Mag. Dr. Egon R*****, vertreten durch Dr. Klaus Vergeiner, Rechtsanwalt in Innsbruck, und Klaus R*****, Spanien, vertreten durch Dr. Martin Leys, Rechtsanwalt in Imst, wegen 1,7 Mio EUR s.A., infolge Revision der beklagten Parteien gegen das Zwischenurteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 6. Oktober 2006, GZ 4 R 120/06p-30, womit infolge Berufung der klagenden Partei das (End-)Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 1. März 2006, GZ 41 Cg 179/05z-21, abgeändert wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die Kosten der klagenden Partei im Revisionsverfahren sind weitere Kosten des Verfahrens erster Instanz; die beklagten Parteien haben dagegen diese Kosten selbst zu tragen.

Text

Begründung

Die Klägerin ist eine uneheliche Tochter des am 22. Dezember 2000 verstorbenen Erblasser. Mit am 3. Jänner 2002 rechtskräftig gewordener Einantwortung antwortete das Verlassenschaftsgericht dessen Nachlass den Beklagten (Witwe und Tochter des Erblassers) je zur Hälfte ein. Zwei Söhne, die Nebenintervenienten auf Seite der Beklagten wurden abgefunden. Die Klägerin erfuhr erst am 29. März 2004 vom Tod ihres Vaters.

Der hatte am 16. Oktober 1947 in einem gerichtlichen Vergleich die Vaterschaft anerkannt und sich zu einer Unterhaltsleistung verpflichtete. Die Klägerin hatte von Anfang an gewusst, wer ihr Vater war, da ihr dies nie verheimlicht worden war. Er blieb mit der Familie E***** in Kontakt, die ihn mit der Mutter der Klägerin bekannt gemacht hatte. Diese hatte mit ihm acht Monate zusammengelebt, kehrte jedoch nach der Geburt der Klägerin nach Deutschland zurück und hatte mit ihm keinen Kontakt mehr. Erst bei einem Besuch in Österreich im März 2004 erfuhr die Klägerin vom Tod des Vaters.

Zur Todfallsaufnahme erschien der Beklagtenvertreter, dessen Angaben der Notar aufgrund der Aktenunterlagen ergänzte. Auch bei der Verlassenschaftsabhandlung vom 3. Juli 2001 waren nicht die Beklagten, sondern nur deren Vertreter anwesend.

Das Erstgericht wies die am 21. September 2005 eingebrachte, auf Zahlung von 1,7 Mio. EUR gerichtete Pflichtteilsklage ab. Darin hatte die Klägerin u.a. vorgebracht, ihr Vater habe sie bei Errichtung seines Testaments im Jahr 1991 absichtlich übergangen; beide Beklagte hätten schon lange Zeit vor dem Tod ihres Vaters gewusst, dass dieser eine uneheliche Tochter habe; sie hätten ihre Existenz im Verlassenschaftsverfahren, insbesondere auch bei der Todfallsaufnahme, arglistig verschwiegen.

Die Beklagten und deren Nebenintervenienten hätten durch den sehr verschlossenen Erblasser nicht von der Klägerin gewusst, sondern erst am 29. März 2004 von ihrer Existenz erfahren.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin dahin Folge, dass es mit Zwischenurteil aussprach, dass das auf Zahlung von 1,7 Mio EUR gerichtete Klagebegehren dem Grunde nach zu Recht bestehe. Es traf nach Beweiswiederholung folgende von denen des Erstgerichts abweichende Feststellungen:

[Der Erblasser] wollte ursprünglich die Existenz der Klägerin als seine uneheliche Tochter vor seinen Familien geheim halten. Spätestens im Jahre 1964 erhielt die Erstbeklagte allerdings davon Kenntnis Anlässlich eines Besuchs der Familie E***** bei den Olympischen Winterspielen 1964 in Innsbruck erklärte sie dem Ehepaar E***** in Anwesenheit deren Tochter Roswitha E*****-T***** gegenüber, dass sie von der unehelichen Tochter ihres Gatten wisse. [Der Erblasser] brachte später in diesem Zusammenhang dem Vater der Roswitha E*****-T***** gegenüber zum Ausdruck, dass er froh sei, dass die Heimlichtuerei nun ein Ende habe. Der Klägerin gegenüber erwähnte er anlässlich der ersten Begegnung im Jahre 1985, dass seine Frau (die Erstbeklagte) von ihr wisse. Darüber, ob auch seiner übrigen Familie, etwa der Erstbeklagten, die Existenz bekannt sei, sprach [der Erblasser] mit dieser nicht, sie fragte ihn auch nie danach. Jedenfalls von Beginn des nach dem Tod des [Erblassers] durchgeführten Verlassenschaftsverfahrens an wussten sowohl die Erstals auch die Zweitbeklagte von der Existenz der Klägerin, gaben dies aber nicht bekannt, um zu verhindern, dass die Klägerin in das Verlassenschaftsverfahren einbezogen werde.

In seiner rechtlichen Beurteilung billigte das Gericht zweiter Instanz zunächst wegen der österreichischen Staatsbürgerschaft des Erblassers im Todeszeitpunkt nach § 28 Abs 1 IPRG die Anwendung österreichischen (materiellen) Rechts. Der gegenüber dem Pflichtteilsanspruch der Klägerin allein eingewendete Einwand der Verjährung sei nicht berechtigt. Die dreijährige Verjährungsfrist beginne nach herrschender Auffassung mit Kundmachung des Testaments, es sei denn der Schuldner habe die Kenntnis des Berechtigten arglistig verhindert (M. Bydlinski in Rummel³ § 1487 ABGB Rz 3; Kralik/Ehrenzweig, Erbrecht 317; Dehn in KBB § 1487 ABGB Rz 2; Samek, Pflichtteilsrecht 1.7.4.4.; 7 Ob 544/93 [= EvBl 1993/177 = NZ 1993, 261] mwN u.a.). Dass von Teilen der Rsp die Arglist als eigener Verpflichtungsgrund gesehen werde (RIS-Justiz RS0034211), zögen Kralik/Ehrenzweig (aaO Anm 28) in Zweifel. Arglist sei bewusste Täuschung, die auch in einem Schweigen liegen könne, wenn ein Teil in einem Irrtum befangen sei und der andere zur Aufklärung verpflichtet wäre, statt dessen aber den Irrtum bewusst ausnütze. Zur unmittelbaren Verständigung oder gar Ausforschung der Klägerin seien die Beklagten auch als Testamentserben nicht verpflichtet. Zur Absicherung der Pflichtteilsberechtigten diene das Verlassenschaftsverfahren, in dem amtswegige Wahrheitsforschung vorgesehen sei. Bei der Todfallsaufname (§§ 36 f AußStrG 1854) bestehe - allerdings gegenüber den Parteien strafrechtlich nicht relevante - Wahrheitspflicht. Als deren Folge sei es gerechtfertigt, das bewusste Verschweigen der Existenz einer pflichtteilsberechtigten Tochter des Erblassers, um deren Einbeziehung in das Verlassenschaftsverfahren hintanzuhalten, als Arglist zu werten, die den Beginn der Verjährungsfrist verhindere. Diese laufe frühestens ab Kenntnis der Pflichtteilsberechtigten vom Tod des Erblassers. Außerdem sei in einem Fall wie dem vorliegenden die Einrede der Verjährung von vornherein rechtsmissbräuchlich. Der Beginn der dreijährigen Verjährungsfrist mit Kundmachung des Testaments unabhängig von der Kenntnis des Pflichtteilsberechtigten sei nur verständlich und tragbar, weil zugunsten der Erben der Rechtssicherheit Vorrang gegeben werde. Sie sollten nach überschaubarer Zeit Gewissheit darüber haben, welche Ansprüche sie als Folge der Erbschaft zu erfüllen haben werden. Habe ein Erbe aber Kenntnis von einem Pflichtteilsberechtigten, versuche aber durch bewusstes Schweigen im Verlassenschaftsverfahren zu verhindern, dass dieser Ansprüche erhebe, wäre es unbillig, ihm das Argument der Rechtssicherheit zuzubilligen.

Die mangelnde Verjährung führe zu einem Zwischenurteil, wonach der Anspruch dem Grunde nach zu Rechts bestehe.

Die ordentliche Revision sei zuzulassen, weil Rsp des Obersten Gerichtshofs zur erheblichen Rechtsfrage fehle, unter welchen näheren Umständen beim Verschweigen eines Pflichtteilsberechtigten durch Erben Arglist anzunehmen sei.

Die Revision der Beklagten ist ungeachtet diesen den Obersten Gerichtshof nach § 508a Abs 1 ZPO nicht bindenden Ausspruchs nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

Soweit sich die Revisionswerberinnen auch gegen die nach Beweiswiederholung vom Berufungsgericht getroffenen Tatsachenfeststellungen wenden, erkennen sie selbst, dass sie damit keinen tauglichen Revisionsgrund geltend machen können (§ 503 ZPO e contrario). Darauf ist daher schon deswegen nicht weiter einzugehen. Weder die Beklagten noch das Gericht zweiter Instanz selbst zeigen dessen Abweichen von der in seinem Zwischenurteil ohnehin zitierten Rsp des Obersten Gerichtshofs auf. Dass die Unkenntnis des Pflichtteilsberechtigten wegen arglistigen Verhaltens des Anspruchsgegners den Beginn der Verjährungsfrist hindert, entspricht dessen stRsp (7 Ob 27/03a; 4 Ob 214/06h, je mwN). Irgendeine Kritik daran aus der Lehre wird gar nicht behauptet. Soweit in der Revision einzelne Fälle angeführt werden, in denen die Gegeneinrede der Arglist erfolgreich war, ist daraus für ein solches Abweichen schon wegen der jeweils besonderen Umstände des Einzelfalls kein Argument zu gewinnen. Dass für List auch dolus eventualis ausreicht entspricht ebenfalls der einhelligen Auffassung (7 Ob 354/97b = ÖBA 1999, 230 = GesRZ 1998, 213 mwN; RIS-Justiz RS0014837; Rummel in Rummel³ § 870 ABGB Rz 2 mwN). Dass sie im Verlassenschaftsverfahren - bei der Todfallsaufnahme - die Existenz der pflichtteilsberechtigten Klägerin nicht verschweigen hätten dürfen (so bereits 6 Ob 710/76 = EFSlg

29.478 mwN), bezweifeln sie in dritter Instanz ersichtlich ohnehin nicht. Auch das Gericht zweiter Instanz selbst vermag das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage nicht darzulegen, sind doch wegen der Einzelfallbezogenheit der zu treffenden Beurteilung keine über das vorliegende Verfahren hinaus reichenden Erkenntnisse zu erwarten. Dass dieses Gericht die von ihm richtig dargestellte Rechtsprechungsgrundsätze auf den konkreten Sachverhalt unrichtig angewendet hätte, wird nicht aufgezeigt. Ob auch die weiteren Argumente (mangelnde Schutzwürdigkeit, Rechtsmissbrauch) der zweiten Instanz allein das von ihm gewonnene Ergebnis zu tragen vermöchten, ist demnach unerheblich.

Die Kostenentscheidung in Ansehung der Beklagten gründet sich auf die §§ 50, 40 ZPO. Die Entscheidung über die Kosten der Klägerin, die in ihrer Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision hinwies, bleibt nach § 52 ZPO der Endentscheidung vorbehalten, weil deren Gesamterfolg noch offen ist.

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