OGH 7Ob544/93

OGH7Ob544/9330.6.1993

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter, Dr.Schalich, Dr.Tittel und Dr.I.Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Hedwig K**********, vertreten durch Dr.Thomas Zelger, Rechtsanwalt in Kufstein, wider die beklagte Partei Peter H*****, ***** vertreten durch DDr.Hubert Fuchshuber, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen S 750.000,-- s.A., infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 27.Jänner 1993, GZ 3 R 348/92-19, womit das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 12.Oktober 1992, GZ 9 Cg 72/92-13, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird Folge gegeben, der angefochtene Beschluß aufgehoben und in der Sache selbst erkannt, daß das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die Klägerin ist schuldig, dem Beklagten die mit S 32.916,60 (darin S 5.486,10 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit S 19.744,20 (darin S 3.290,70 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die im wesentlichen aus einem Einfamilienhaus ***** bestehende Verlassenschaft nach dem am 13.2.1985 verstorbenen Paul H***** wurde auf Grund eines am 15.3.1985 kundgemachten Testamentes vom 24.6.1983 dem Beklagten am 7.6.1988 als alleinigem Erben eingeantwortet. Die Klägerin, das einzige Kind des Erblassers, wurde im Testament übergangen. Paul H***** war österreichischer Staatsbürger und lebte seit Jahrzehnten in Österreich. Die Klägerin wohnte stets in der ehemaligen DDR. Seit ca 25 Jahren bestand zwischen ihr und ihrem Vater kein Kontakt, sie erfuhr daher nichts vom Tod ihres Vaters. Im Verlassenschaftsverfahren wurde vom Gerichtskommissär vergeblich versucht, Name und Anschrift der Klägerin ausfindig zu machen. Daraufhin erließ das Verlassenschaftsgericht am 18.2.1986 ein Edikt, mit dem mitgeteilt wurde, daß dem Gericht nicht bekannt ist, ob Pflichtteilsberechtigte vorhanden sind. Gleichzeitig wurde der Notarsubstitut Dr.Wolfgang F***** zum Kurator der Verlassenschaft bestellt. Weiters erfolgte die Aufforderung, dem Gericht binnen sechs Monaten allfällige Pflichtteilsansprüche mitzuteilen und das Pflichtteilsrecht nachzuweisen, wobei darauf hingewiesen wurde, daß nach Ablauf der Frist die Pflichtteilsberechnung, soweit die Ansprüche nachgewiesen werden, vorgenommen und soweit dies nicht geschehen ist, der Nachlaß ohne Pflichtteilsberechnung dem Testamentserben eingeantwortet wird*****. In der Abhandlungstagsatzung vom 5.5.1988 erklärte der bestellte Verlassenschaftskurator Dr.Wolfgang F*****, es sei nicht sinnvoll und zweckentsprechend, ihn als Abwesenheitskurator für die unbekannten Pflichtteilsberechtigten zu bestellen und den Pflichtteil für eine möglicherweise gar nicht vorhandene Tochter des Erblassers sicherzustellen, da sich trotz umfangreicher Nachforschungen überhaupt kein Hinweis darauf ergeben habe, daß der Erblasser tatsächlich eine Tochter habe. Nach dieser Erklärung entfernte sich der Verlassenschaftskurator. Eine Sicherstellung der Pflichtteilsansprüche der Klägerin erfolgte nicht (ON 42 im Verlassenschaftsakt). Daraufhin wurde die Verlassenschaft dem Beklagten am 7.6.1988 eingeantwortet.

Im Jahre 1989 versuchte die Klägerin ihren Vater zu finden. Sie wandte sich mit Schreiben vom 10.2.1989 an das Rechtsanwaltsbüro für Internationale Zivilrechtsvertretungen in Berlin. Anfang April 1989 erfuhr sie durch ein Schreiben des Stadtmagistrates Innsbruck vom Tod ihres Vaters.

Die Klägerin begehrt mit ihrer am 18.3.1992 beim Erstgericht eingelangten Klage vom Beklagten die Bezahlung von S 750.000. Ihr stehe die Hälfte des Wertes des Einfamilienhauses ihres Vaters auf Grund ihres Pflichtteilsrechtes zu. Die Verjährungsfrist für die Einbringung der Klage sei erst mit der Kenntnis vom Tod ihres Vaters sohin im April 1989 in Lauf gesetzt worden.

Der Beklagte wendete Verjährung ein, da die Frist hiefür bereits mit der Kundmachung des Testamentes in Lauf gesetzt worden sei.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es folgerte rechtlich, daß die Frist des § 1487 ABGB bereits mit der Kundmachung des Testamentes unabhängig von der Kenntnis des Pflichtteilsberechtigten vom Tod des Erblassers in Lauf gesetzt werde.

Das Berufungsgericht hob dieses Urteil mit dem angefochtenen Beschluß auf und trug dem Erstgericht eine nach Verfahrensergänzung zu treffende neue Entscheidung auf. Es erklärte den Rekurs an den Obersten Gerichtshof für zulässig. Bei der Beurteilung des Beginnes der dreijährigen Verjährungsfrist nach § 1487 ABGB sei auf das Kennen oder Kennenkönnen der maßgebenden Tatsachen durch den Pflichtteilsberechtigten abzustellen. In den bisher von der Rechtsprechung behandelten Fällen sei den dort übergangenen Pflichtteilsberechtigten die Tatsache des Todes des Erblassers innerhalb von drei Jahren danach bekannt geworden. Sei jedoch wie im vorliegenden Fall der Tod des Erblassers dem übergangenen Pflichtteilsberechtigten während der drei Jahre nach Testamentskundmachung nicht bekannt, so sei ihm auch ein Kennenkönnen seines Pflichtteilsanspruches gar nicht möglich gewesen, es habe sich ihm keine Überprüfungsmöglichkeit eröffnet bzw sich gar nicht die Frage gestellt, ob und inwieweit sein Pflichtteilsanspruch verletzt worden sei. Es sei eine allgemein bekannte Tatsache, daß die politischen Verhältnisse in der ehemaligen DDR Kontaktaufnahmen mit im Ausland lebenden Personen kaum zugelassen hätten, zumal, wie sich aus dem Verlassenschaftsakt ergebe, die Klägerin auch gar nicht gewußt habe, wo sich ihr Vater in Österreich aufhalte. Die Verjährungsfrist sei daher erst mit der Kenntnis der Klägerin vom Tod ihres Vaters, sohin im April 1989, in Lauf gesetzt worden und die vorliegende Klage noch nicht verjährt. Das Erstgericht werde die Höhe des bestrittenen Anspruches zu prüfen haben.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diese Entscheidung erhobene Rekurs des Beklagten ist berechtigt.

Zur Frage, wann die dreijährige Verjährungsfrist des § 1487 zu laufen beginne, wurden in der Rechtsprechung verschiedene Standpunkte vertreten:

1. Maßgeblich sei die Testamentskundmachung (GlU 7.037); 2. für die auf den Zivilrechtsweg verwiesenen gesetzlichen Erben beginne die Frist mit der Rechtskraft der Verweisung (GlUNf 587); 3. der Beginn der Verjährungsfrist sei grundsätzlich von der Kenntnis des Berechtigten unabhängig, nur wenn der Schuldner die Kenntnisnahme des Berechtigten arglistig verhindere, könne diese Arglist einen neuen, besonderen Verpflichtungsgrund bilden, der den Ablauf der ursprünglichen Verjährungsfrist verhindere (vgl SZ 53/10 und JBl 1954, 462); 4. die Verjährungsfrist laufe ab dem Tag der ersten Möglichkeit zur gerichtlichen Geltendmachung, es müßten die Umstände des Einzelfalles berücksichtigt werden (SZ 52/58); 5. es komme auf den Zeitpunkt der Aktualisierung des konkreten Interessenwiderspruchs an; spätestens mit der Annahme der auf ein strittiges Testament gestützten Erbserklärung der Testamentserben zu Gericht werde der Interessenwiderspruch aktualisiert (SZ 60/239).

Ehrenzweig-Kralik, ErbR, 111 vertreten die Ansicht, maßgeblich sei der Zeitpunkt, zu dem die Verfügung kundgemacht und dem Anfechtungsberechtigten der Tod des Erblassers bekannt geworden sei. Nach Mader (in Schwimann § 1487 ABGB Rz 3) ist auf den Zeitpunkt der Testamentskundmachung abzustellen und Verjährungshemmung zwischen der Abgabe einer nicht der letztwilligen Verfügung entsprechenden Erbserklärung und der Zuteilung der Klägerrolle anzunehmen. Nach Klang2 VI, 627 f und Schubert in Rummel ABGB2 § 1487 Rz 2 beginnt die Frist bei Testamenten und Erbverträgen - sofern nicht ohnehin widerstreitende Erbserklärungen vorliegen - erst mit der Annahme der Erbserklärung bei Gericht zu laufen.

Der vereinzelt gebliebenen Lehrmeinung Kraliks - wonach (auch) die (subjektive) Kenntnis des Pflichtteilsberechtigten vom Tod des Erblassers maßgeblich sei - ist entgegenzuhalten, daß der Gesetzgeber überall dort, wo er die Kenntnis des Anspruches des Berechtigten für rechtsbegründend hielt, so zB im § 1489 ABGB, dies auch ausdrücklich deponiert hat, und daß dies im Falle des § 1487 ABGB unterblieben ist. Die Rücksichtnahme auf das subjektive Moment der Kenntniserlangung würde eine zu große Zeitspanne der Rechtsunsicherheit herbeiführen, weil der Eingeantwortete durch die absolute Frist von dreißig Jahren hindurch mit der theoretischen Möglichkeit einer Testamentsanfechtung rechnen müßte. Darüber hinaus wäre dann die Einhaltung der Dreijahresfrist nach § 1487 ABGB praktisch kaum überprüfbar, weil die Behauptung späterer Kenntniserlangung der maßgebenden Anfechtungsgründe seitens des Erbansprechers vom Eingeantworteten nur schwer widerlegt werden könnte. Er befände sich diesbezüglich in einem gewissen Beweisnotstand, da sich die Sphäre des Erbansprechers nur schwer aufhellen läßt. Damit wäre aber der Sinn einer dreijährigen Verjährungsfrist in Frage gestellt.

Der erkennende Senat schließt sich deshalb der herrschenden Ansicht an, daß die Verjährung des Rechts, den Pflichtteil zu fordern, unabhängig von der Kenntnis des Berechtigten beginnt (JBl 1954, 462; SZ 45/130; SZ 53/10 ua), es sei denn, der Schuldner (Beklagte) hat die Kenntnis des Berechtigten arglistig verhindert (JBl 1954, 462; SZ 53/10), was hier aber gar nicht behauptet wurde und wofür im Verfahren auch kein Anhaltspunkt hervorgekommen ist. Ob aber die Verjährungsfrist des § 1487 ABGB ab der Testamentskundmachung, mit der Annahme der Erbserklärung zu Gericht oder - spätestens - mit der Einantwortung des Nachlasses zu laufen beginnt, braucht hier nicht erörtert zu werden, weil auch die zuletzt genannte Frist (die Einantwortung erfolgte am 7.6.1988) bei Einbringung der Klage (am 18.3.1992) bereits verstrichen war. Dem Rekurs des Beklagten war daher Folge zu geben und das Ersturteil wiederherzustellen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisions- und Berufungsverfahrens stützt sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

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