OGH 12Os29/07t

OGH12Os29/07t12.4.2007

Der Oberste Gerichtshof hat am 12. April 2007 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Mayrhofer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Schroll, Dr. Schwab, Dr. Lässig und Dr. T. Solé als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Dr. Kurz als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Zoran P***** wegen der Verbrechen des versuchten schweren Raubes nach §§ 15, 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Geschworenengerichtes beim Landesgericht für Strafsachen Wien vom 9. Oktober 2006, GZ 436 Hv 1/06d-57, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde werden die - im Übrigen unberührt bleibenden - Wahrsprüche der Geschworenen, wonach die versuchten Bestimmungen zu schweren, nämlich unter Verwendung einer Waffe verübten Rauben erfolgt sei, damit die darauf beruhenden Schuldsprüche - die im Übrigen unberührt bleiben - in der Unterstellung der Taten unter die Qualifikation des § 143 zweiter Fall StGB sowie demzufolge der Strafausspruch aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an ein anderes Geschworenengericht beim Landesgericht für Strafsachen Wien zurückverwiesen.

Im Übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen. Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf die Kassation des Strafausspruches verwiesen.

Ihm fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Zoran P***** (richtig:) der Verbrechen des versuchten schweren Raubes als Beteiligter nach §§ 12 zweiter Fall, 15, 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB schuldig erkannt. Danach hat er versucht, Radoslav Pö***** zu bestimmen, mit Gewalt gegen eine Person oder durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89) unter Verwendung einer Waffe, nämlich einer funktionsfähigen Gaspistole, fremde bewegliche Sachen, nämlich Geld oder Wertgegenstände mit dem Vorsatz wegzunehmen, sich oder einen Dritten durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, und zwar

1) dem Ernst A***** Bargeld, indem er Pö***** die Gaspistole übergab und ihm befahl, damit einen Überfall zu begehen und ihn im Zuge eines Telefonates, als sich Pö***** bereits vor dem Geschäft A*****s befand, anwies „Mache eine Trafik, mache eine Trafik!"

2) dem Christian Pa***** Bargeld in einer 10.000 Euro übersteigenden Höhe, indem er Pö***** nach Kledering fuhr und ihn anwies, den Geldboten der Post zu überfallen, wobei er ihm die Gaspistole übergab und Pö***** das Aussehen und den Personenkraftwagen des Geldboten beschrieb sowie telefonisch äußerte: „Willst du so lange warten, bis keiner auf der Straße ist? Das wird nie sein. Ich weiß nicht. Ich weiß nicht, wie man es machen soll ..." sowie „Du schaffst überhaupt nichts ... jetzt gerade war er bei der Mama und hat ihr das ausbezahlt und noch hat er dort 10.000 Euro. Ich habe es gesehen

...".

Die Geschworenen hatten die anklagekonformen (ON 28) Hauptfragen in Richtung der Verbrechen des versuchten schweren Raubes als Beteiligter nach §§ 12 zweiter Fall, 15, 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB bejaht; weitere Fragen waren ihnen nicht vorgelegt worden.

Rechtliche Beurteilung

Der Angeklagte bekämpft das Urteil mit einer aus § 345 Abs 1 Z 4, 6 und 8 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde.

Die Verfahrensrüge (Z 4) wendet sich gegen die Nichtbelehrung zweier Radoslav Pö***** vernehmender Polizeibeamter gemäß § 152 Abs 1 Z 1 StPO, weil diese durch die Aussage des Genannten „dem Verdacht nach §§ 302 bzw 12 zweiter Fall iVm 297 StGB" ausgesetzt gewesen seien. Pö***** hatte als Zeuge in der Hauptverhandlung (S 43 ff/IV) über seine polizeiliche Vernehmung unter anderem erzählt „Die Polizeibeamten haben gesagt, wenn ich bei Gericht so aussage, werde ich nach Hause entlassen. Man hat mir gesagt, wenn ich gegen ihn aussagen werde, werde ich nach Hause entlassen." (S 47/IV), auf die konkrete Frage „Die haben gesagt, wenn sie den Herrn P***** verleumden, dann gehen sie nach Hause?" allerdings geantwortet „Ja, man hat mir gesagt, dass ich bei der Hauptverhandlung, die am 22. Februar stattgefunden hat, nach dieser Verhandlung nach Hause gehe. Man hat mir nicht gesagt genau, dass am 22. Februar die Verhandlung sein wird. Man hat mir gesagt, dass die Hauptverhandlung ca in vier Monaten sein wird." (S 55/IV) und weiters auf Vorhalt „Die haben gesagt, wenn sie den Herrn P***** belasten, gehen sie nach Hause. Das war ihre konkrete Aussage.", „Ja, man hat mir das gesagt. Das war jedenfalls der Beamte, der das Protokoll aufgenommen hat auf einem PC." (S 55/IV).

Diese Angaben eines Zeugen - der auch eigene Äußerungen, die ihm als Ergebnis einer Telefonüberwachung vorgehalten wurden, abstritt (S 53/IV) - mussten den Vorsitzenden des Schwurgerichtshofes keineswegs zu dem als unterblieben gerügten Vorhalt gemäß § 152 Abs 1 Z 1 StPO gegenüber den in der Folge als Zeuge vernommenen Kriminalbeamten veranlassen. Diese zum Schutz von Zeugen notwendige Belehrung zum Recht auf Aussageverweigerung hat nämlich nur bei konkreter Gefahr strafgerichtlicher Verfolgung, nicht aber bei deren - wie hier - bloßen Möglichkeit stattzufinden (RIS-Justiz RS0114130, vor allem 11 Os 67/05w mwN und 14 Os 103/05m).

Die unter Bezugnahme auf Teile der Aussage des Zeugen P***** Eventualfragen nach Beitragstäterschaft (§ 12 dritter Fall StGB) reklamierende Fragenrüge (Z 6) übergeht die Gesamtheit der Angaben dieses Zeugen (S 47/IV iVm S 141 f/I), aus der das Übergeben einer Gaspistole lediglich im Rahmen von Versuchen der Bestimmung zu zwei Raubüberfällen hervorgeht, und verfehlt solcherart die prozessordnungskonforme Darstellung des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes (zuletzt 12 Os 140/06i).

Die Instruktionsrüge (Z 8) orientiert sich nicht an der Gesamtheit der Rechtsbelehrung und entzieht den Einwand unvollständiger Erklärung des aus Diebstahl und Nötigung zusammengesetzten Tatbestandes des Raubes einer Erledigung nach §§ 285c Abs 2, 286 ff, 344 StPO (Ratz, WK-StPO § 345 Rz 65): Den Geschworenen wurde nämlich nicht nur der vom Nichtigkeitswerber herausgegriffene Satz „Abnötigen bedeutet, dass der Täter das Opfer durch Anwendung eines der angeführten Mittel dazu bringt, unfreiwillig die Sache herauszugeben" dargestellt, vielmehr erhielten die Laienrichter im unmittelbaren Zusammenhang eine Erläuterung sämtlicher in dieser Passage verwendeten Begriffe.

Im bisher behandelten Umfang war die Nichtigkeitsbeschwerde daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 285d Abs 1, 344 StPO).

Zuzustimmen ist dem Vorbringen aus Z 8 jedoch darin, dass die Rechtsbelehrung irreführend unvollständig (Fabrizy StPO9 § 345 Rz 11) hinsichtlich des Erfordernisses eines auf den Waffeneinsatz gerichteten (zumindest bedingten) Vorsatzes des Tatbeteiligten blieb, weil die Instruktion in deren vorletztem Satz dazu bloß auf das Wissenselement der inneren Tatseite abstellte (13 Os 62, 63/92, RZ 1993/31, 96).

Eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofes in der Sache selbst hatte somit noch nicht einzutreten. Vielmehr ist die Anordnung einer neuen Hauptverhandlung zwecks entsprechender Ergänzung iSv § 321 Abs 2 StPO nicht zu vermeiden. Den Ausführungen des Beschwerdeführers entgegen ist das Fehlen eines gesonderten Hinweises auf § 330 Abs 2 Satz 2 StPO in der Rechtsbelehrung nicht mit Nichtigkeit bedroht (siehe § 325 Abs 2 StPO; Fabrizy StPO9 § 330 Rz 2; Philipp WK-StPO § 321 Rz 27, § 330 Rz 4).

Weil bereits aus den dargelegten Gründen im spruchgemäßen Ausmaß gemäß §§ 285e, 344 StPO vorzugehen war, erübrigt sich ein Eingehen auf die hinsichtlich der Waffenverwendungsqualifikation beim Schuldspruch I (Hauptfrage 1) erhobene Fragenrüge.

Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf die Kassation des Strafausspruches zu verweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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