OGH 11Os67/05w

OGH11Os67/05w26.7.2005

Der Oberste Gerichtshof hat am 26. Juli 2005 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Mayrhofer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ebner, Dr. Danek, Dr. Schwab und Dr. Lässig als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Wagner als Schriftführer, in der Strafsache gegen Ercan A***** und weitere Angeklagte wegen des Verbrechens der schweren Erpressung nach §§ 144 Abs 1, 145 Abs 1 Z 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Ercan A***** und die Berufung des Angeklagten Emin Y***** gegen das Urteil des Geschworenengerichtes beim Landesgericht für Strafsachen Wien vom 11. Februar 2005, GZ 415 Hv 3/04s-94, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten A***** fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil - das auch in Rechtskraft erwachsene weitere Schuldsprüche sowie Freisprüche enthält - wurde Ercan A***** schuldig erkannt, „das Verbrechen der teils vollendeten, teil versuchten schweren Erpressung nach §§ 144 Abs 1, 145 Abs 1 Z 1 und 15 StGB" begangen zu haben. Danach hat er

1. im Jänner 2004 in Freistadt im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit dem gesondert verfolgten Peter M***** den Heinz P***** durch gefährliche Drohung, nämlich die Äußerung, wenn P***** nicht bis zum 15. Jänner 2004 einen Betrag von 20.000 EUR an ihn übergeben würde, könne sich er sich mit den eigenen Händen ein Grab schaufeln, da er ihn dann umbringen werde, zur Übergabe eines Betrages in Höhe von 16.000 EUR, somit zu einer Handlung genötigt, die diesen oder einen Dritten am Vermögen schädigte oder schädigen sollte, wobei er mit dem Vorsatz handelte, durch das Verhalten des Genötigten sich oder einen Dritten unrechtmäßig zu bereichern;

2. am 12. Februar 2004 auf dem Parkplatz in Höhe Kilometer 118 der A1-Westautobahn Richtungsfahrbahn Wien im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit Emin Y*****, Mutlu As***** und dem abgesondert verfolgten Tanar Ar***** den Heinz P***** und den Peter M***** durch gefährliche Drohung mit dem Tod, nämlich dadurch, dass A***** und As***** M***** Schläge gegen den Körper versetzten und As***** hinter P***** und M***** Aufstellung nahm, während Y***** und Ar***** P***** und M***** mit Faustfeuerwaffen bedrohten und Ar***** über Aufforderung des Y***** zunächst P***** die Waffe an den Kopf anhielt und sodann einen Schuss neben dessen Kopf abgab, durch die Äußerung des Y***** zu P***** „Du weißt, was du schuldig bist, wir wissen, wo du wohnst, du hast die 4.500 EUR bis spätestens morgen zu bezahlen, sonst passiert was. Du hast den Typen (gemeint Taner Ar*****) jetzt kennengelernt, der dreht durch", zur Übergabe von 4.500 EUR am nächsten Tag, somit zu einer Handlung zu nötigen versucht, die diesen oder einen Dritten am Vermögen schädigen sollte, wobei er mit dem Vorsatz handelte, durch das Verhalten des Genötigten sich oder einen Dritten unrechtmäßig zu bereichern;

3. am 14. Februar 2004 in Wien im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit Emin Y*****, Mutlu As*****, Ali D***** (vormals K*****) und dem abgesondert verfolgten Taner Ar***** nach Fassen eines gemeinsamen Tatentschlusses Heinz P***** und Peter M***** durch gefährliche Drohung mit dem Tod, nämlich durch seine Äußerung, P***** und M***** sollten binnen einer Woche 4.000 EUR beschaffen, sonst würde ihnen etwas zustoßen und es würde nochmals zu solchen Vorfällen wie zur Hauptfrage E [= Schuldspruchfaktum 4 - wenngleich nach Verneinung der Haupt-, jedoch Bejahung der korrespondierenden Eventualfrage] beschrieben kommen, wobei diese Äußerungen kurz nach Ende der Geiselnahme P*****s [vgl unten Schuldspruch 5] getätigt wurden, P***** und M***** zur Überweisung von 2.000 EUR an ihn am 16. Februar 2004 genötigt sowie zur Übergabe von weiteren 2.000 EUR zu nötigen versucht, somit zu einer Handlung, die diesen oder einen Dritten am Vermögen schädigen sollte, wobei er mit dem Vorsatz handelte, durch das Verhalten des Genötigten sich oder einen Dritten unrechtmäßig zu bereichern;

4. am 13. Februar 2004 in Wien im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit Emin Y*****, Mutlu As***** und dem abgesondert verfolgten Taner Ar***** mit Gewalt gegen eine Person und durch Drohung mit dem Tod unter Verwendung einer Waffe versucht, Heinz P***** und Peter M***** zu einer Handlung, nämlich zur Übergabe einer Bankomatkarte und Abhebung eines Geldbetrages vom Bankkonto des M*****, indem Y***** und Ar***** P***** und M***** mit Faustfeuerwaffen bedrohten, wobei Ar***** zunächst abwechselnd die Waffe auf P***** und M***** richtete, sodann die Pistole durchlud und P***** an den Kopf anhielt, während er und As***** auf M***** einschlugen, sowie indem sie P***** und M***** abwechselnd in einen etwa 1 m³ großen Käfig sperrten;

5. am 13. und 14. Februar 2004 in Wien und Oberösterreich im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit Emin Y*****, Mutlu As*****, Ali D***** und dem abgesondert verfolgten Taner Ar***** mit Gewalt und gefährlicher Drohung mit dem Tod, indem sie den Heinz P***** in einem etwa 1 m³ großen Käfig und einem Kellerraum im Haus ***** gegen seinen Willen gefangen hielten und äußerten, P***** werde solange gefangen gehalten bis Peter M***** 4.500 EUR aufgetrieben habe, diesen, Christian L*****, Thomas H*****, Özcan Kü***** und Peter S***** zu einer Handlung, nämlich zur Übergabe des verlangten Geldbetrages nötigten bzw zu nötigen versuchten, was diese am Vermögen schädigte bzw schädigen sollte, wobei er mit dem Vorsatz handelte, sich oder einen Dritten durch das Verhalten der Genötigten unrechtmäßig zu bereichern.

Die Geschworenen hatten die Hauptfragen A, B2 und C2 (Schuldsprüche 1 bis 3) sowie - nach Verneinung der Hauptfragen D3 und E2 - die Eventualfragen 14 und 21 (Schuldsprüche 4 und 5) bejaht.

Rechtliche Beurteilung

Die aus Z 1, Z 4, Z 6, Z 9, Z 11 lit a, Z 12 des § 345 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten A***** ist nicht berechtigt.

Die bloße Behauptung, an der Hauptverhandlung hätten „nicht listenkonforme" Geschworene teilgenommen, ist keine deutliche und bestimmte Bezeichnung des Nichtigkeitsgrundes nach Z 1, weil der dazu allenfalls führende Tatumstand (hier: Nennung eines Namens) weder ausdrücklich noch durch deutliche Hinweisung angeführt wurde (§§ 285 Abs 1, 285a Z 2, 344 StPO).

Ebenso wenig liegt Nichtigkeit nach Z 4 iVm § 152 StPO vor, weil dem Beschwerdestandpunkt zuwider eine Belehrung des Zeugen P***** im Sinne des § 152 Abs 1 Z 1 StPO bei seiner Vernehmung in der Hauptverhandlung (S 59/III) nicht geboten war. Der Zeuge M***** hatte nämlich lediglich ausgesagt, er und P***** seien bei einem „zweifelhaften Deal" (Wetten im Zusammenhang mit Fußballspielen in der Türkei, bei denen das Resultat im Vorhinein bekannt sei) „eingestiegen", ohne den diesbezüglichen Wissenshorizont des P***** näher zu umreißen (S 265/I). Diese vagen Angaben vermochten keineswegs die konkrete Gefahr eigener strafgerichtlicher Verfolgung zu begründen; deren bloße Möglichkeit allein erzwang (noch) keine für den Schutz des Zeugen notwendige Belehrung zum Recht auf Aussageverweigerung (13 Os 109/00 = EvBl 2001/26 = JBl 2001, 738 = SSt 63/106; 12 Os 52/03; Fabrizy StPO9 § 152 Rz 4). Der Erledigung der Einwände aus Z 6, Z 11 lit a und Z 12 ist voranzustellen, dass der Angeklagte A***** - wiewohl auf Erpressungen § 29 StGB nicht anzuwenden ist - trotz mehrerer realkonkurrierender Einzeltaten lediglich (und somit zu seinem Vorteil) des (also eines) Verbrechens der teils vollendeten, teils versuchten schweren Erpressung nach §§ 144 Abs 1, 145 Abs 1 Z 1 und 15 StGB schuldig erkannt wurde (US 48). Diese Subsumtion kann sich (bereits und hinlänglich) auf die Aussprüche (im Sinne von § 260 Abs 1 Z 1 StPO iVm §§ 342, 270 Abs 1 Z 4 StPO) 2 und 3 (US 41, 42) stützen. Die Eventualfrage 14 (fortlaufende Fragen-Nummer 25, US 23) war - warum auch immer - nicht auf ein Sachsubstrat gerichtet, das den Tatbestand schwerer Erpressung verwirklichen, sondern lediglich auf ein solches, das unter versuchte schwere Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB subsumiert werden könnte. Trotz Bejahung dieser Schuldfrage erfolgte kein Schuldspruch (§ 260 Abs 1 Z 2 StPO iVm §§ 342, 270 Abs 1 Z 4 StPO) nach dieser Strafnorm (US 48). Der Rechtsrüge (Z 11 lit a) zum Fehlen von Feststellungen des Bereicherungsvorsatzes (was nur für die Erpressung, nicht aber für die Nötigung erforderlich wäre) ist somit der Boden entzogen, die Fragenrüge (Z 6) scheitert schon formell an § 345 Abs 3 StPO. Ob ein Gefangenhalten eine Drohung mit dem Tod begründet (Schuldspruch 5 als Folge der Bejahung der Eventualfrage 21 = fortlaufende Fragen-Nummer 35, US 30, 31, 43, 44), kann der Subsumtionsrüge (Z 12) zuwider wegen des bereits durch die Aussprüche zu 2 und 3 (vgl oben) begründeten Schuldspruches des Verbrechens der teils vollendeten, teils versuchten schweren Erpressung nach §§ 144 Abs 1, 145 Abs 1 Z 1 und 15 StGB (US 48) auf sich beruhen; der diesbezüglichen Fragenrüge (Z 6) steht neuerlich § 345 Abs 3 StPO entgegen.

Die Wahrspruchsrüge (Z 9) zeigt an sich zutreffend auf, dass die bejahte Hauptfrage C2 (fortlaufende Fragen-Nummer 12, US 13) Ali D***** (vormals K*****) als Mittäter nennt, die Geschworenen jedoch die die Beteiligung des Genannten an diesem Faktum betreffenden

Fragen (Hauptfrage C4 = fortlaufende Fragen-Nummer 16, Eventualfrage

9 = fortlaufende Fragen-Nummer 17; US 16, 17) verneinten. Dies

begründet hier indes keine Nichtigkeit, weil die §§ 144 f StGB keine Mehrtäterqualifikation kennen und der aufgezeigte Umstand sohin keine entscheidende Tatsache betrifft (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 443, § 345 Rz 70; E. Steininger Nichtigkeitsgründe³ § 345 Abs 1 Z 9 Rz 9). Im Übrigen muss eine derartige Divergenz kein Widerspruch im Sinne der Z 9 sein (Mayerhofer StPO5 § 332 E 26, 27, 30 [fünfter Rechtssatz]; § 345 Z 9 E 8b).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war somit bereits in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen (§§ 285d Abs 1, 344 StPO). Daraus folgt die Zuständigkeit des Gerichtshofes zweiter Instanz zur Erledigung der unter einem erhobenen Berufungen (§§ 280, 285i, 344 StPO). Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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