Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil, das auch unbekämpft gebliebene Teilfreisprüche enthält, wurde Marcus H***** der Verbrechen des Raubes nach § 142 Abs 1 und Abs 2 StGB (I./) und des versuchten Raubes nach §§ 15, 142 Abs 1 und Abs 2 StGB (II./) sowie der Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB (III./ und XVI./), des versuchten Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs 1 StGB (IV./ und XVIII./), der Körperverletzung nach §§ 83 Abs 2, 84 Abs 2 Z 4 StGB (V./), der Sachbeschädigung nach § 125 StGB (VI./, IX./, XI./ und XVII./), der versuchten Körperverletzung nach §§ 15, 83 Abs 1 StGB (VII./), des versuchten Diebstahls nach §§ 15, 127 StGB (X./ und XII./), der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (XIII./), des Betruges nach § 146 StGB (XV./) und der Vergehen nach § 50 Abs 1 Z 3 WaffG (VIII./ und XIV./) schuldig erkannt.
Danach hat er, soweit für die Erledigung der Nichtigkeitsbeschwerde von Bedeutung, in Salzburg
I. am 28. April 2006 Helmut K***** durch Vorhalten eines Sturmfeuerzeuges in Form eines Revolvers, mithin durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben, eine fremde bewegliche Sache, nämlich eine Flasche Rotwein im Wert von 7 Euro mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch die Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, wobei er den Raub ohne Anwendung erheblicher Gewalt an einer Sache geringen Wertes beging,
II. am 7. Mai 2006 Irmgard B***** dadurch, dass er sie mit den Händen an der Schulter stieß und an ihrer Handtasche zerrte, sohin mit Gewalt gegen eine Person, fremde bewegliche Sachen mit dem Vorsatz wegzunehmen versucht, sich durch die Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, wobei er den Raub ohne Anwendung erheblicher Gewalt an einer Sache geringen Wertes zu begehen versuchte.
Das Schöffengericht verhängte über den Angeklagten nach § 142 Abs 2 StGB unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB eine zweijährige Freiheitsstrafe und wies ihn gemäß § 21 Abs 2 StGB in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher ein.
Rechtliche Beurteilung
Gegen die Schuldsprüche zu I. und II. sowie gegen die Anordnung der Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 2 StGB richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 4, 5, 9 lit a, 10 und 11 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten; sie schlägt fehl.
Der Verfahrensrüge (Z 4) zuwider wurden durch die Abweisung (S 226/II) der Beweisanträge auf
- Einholung eines „kriminaltechnischen Spurensachverständigengutachtens" hinsichtlich der Lederjacke und Jeanshose des Angeklagten zum Beweis dafür, dass der Angeklagte vom Zeugen Reinhold W***** (Schuldspruchfaktum II./) nicht über die Stiege hinuntergerissen und zu Boden gebracht worden sein konnte, sowie zum Nachweis, dass vom Angeklagten mitgeführte Gegenstände, nämlich Laptop, Soundkarte und Mikrofon, nicht beschädigt wurden (S 96 f/II), und
- Einholung eines weiteren forensisch-neuropsychiatrischen Gutachtens zum Beweis dafür, dass „beim Angeklagten keine Gefährlichkeit vorliegt" (S 225/II),
Verteidigungsrechte des Angeklagten nicht verletzt. Das Beweisthema des erstgenannten Antrags - bei dem überdies offen blieb, weshalb ein Sturz des Angeklagten zwingend Spuren oder Beschädigungen an den genannten Gegenständen nach sich ziehen müsse - lässt die Möglichkeit der inkriminierten Tatbegehung (II./) gänzlich unberührt und betrifft daher keine entscheidende Tatsache. Die Abweisung des zweiten Beweisantrages, der weder auf die Klärung von Begehung oder Sachverhaltsgrundlage der Subsumtion der Anlasstaten (Z 4) noch der Sanktionsbefugnisgrenzen (Z 11 erster Fall iVm Z 4), sondern auf den Ermessensbereich der Gefährlichkeitsprognose nach § 21 Abs 2 StGB zielte, begründet solcherart keinen als Nichtigkeitsgrund beachtlichen Verfahrensmangel, sondern bloß einen Berufungsgrund (Ratz WK² Vorbem zu §§ 21 bis 25 StGB Rz 9, 11; RIS-Justiz RS0114964, zuletzt 13 Os 23/06s). Im Übrigen wurden zum einen - der Behauptung von Gutachtensmängeln (§§ 125 f StPO) zuwider - allfällige Widersprüche durch eingehende Vernehmung des gerichtspsychiatrischen Sachverständigen in der Hauptverhandlung ausgeräumt (S 77 f/II) und zum anderen lehnte der Angeklagte eine weitere Untersuchung ab (S 73/II, ON 8 in ON 25).
Die Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) zeigt zum Schuldspruch I./ keine erörterungsbedürftigen Widersprüche in den Angaben des Zeugen Helmut K***** auf. Zum einen betrifft der Umstand, ob der Zeuge die (vermeintliche) Waffe des Angeklagten bereits bei dessen Betreten des Raumes wahrgenommen habe, gar keine entscheidende Tatsache, zum anderen hat der Zeuge die entsprechende, ersichtlich missverständlich formulierte Passage in seiner Aussage vor der Polizei (S 105/I) umgehend richtiggestellt (S 125, 147/I).
Die jeweils gegen den Schuldspruch II./ gerichtete Rechts- und die eine Unterstellung der Tat nach §§ 15, 127 StGB anstrebende Subsumtionsrüge (Z 9 lit a; Z 10) verfehlen mangels (zur Ausführung materiellrechtlicher Nichtigkeitsgründe erforderlichen) Ausgehens von sämtlichen tatsächlich getroffenen Urteilsfeststellungen die Ausrichtung am Verfahrensrecht. Der aus Z 9 lit a und Z 10 (der Sache nach nur Z 10) vorgebrachte Beschwerdeeinwand, das konstatierte Täterverhalten erfülle mangels der erforderlichen Intensität des Krafteinsatzes nicht den Gewaltbegriff des § 142 Abs 1 StGB, vernachlässigt die Urteilsfeststellungen, wonach der Angeklagte Irmgard B***** die Handtasche nicht zu entreißen vermochte, weil sie den Riemen quer über den Brustkorb gelegt hatte (US 14), er mithin entgegen einem massiven Widerstand des Tatopfers an der Handtasche riss. Mit seinen solcherart nicht am Urteilssachverhalt orientierten Beschwerdeausführungen verkennt der Nichtigkeitswerber im Übrigen, dass die Verwirklichung des Gewaltbegriffes nach gesicherter Rechtsprechung weder die Unwiderstehlichkeit der vom Täter aufgewendeten physischen Kraft noch deren Überlegenheit gegenüber jener des Opfers oder die tatsächliche Wirksamkeit seines Krafteinsatzes erfordert (RIS-Justiz RS0093624, zuletzt 14 Os 136/06s; Jerabek in WK² § 74 Rz 35). Die Rüge mangelnder Feststellungen zum Bereicherungsvorsatz bestreitet unter unzulässigem Rückgriff auf Verfahrensergebnisse die dazu explizit getroffenen Urteilsannahmen (US 14).
Dem in der Sanktionsrüge (Z 11 erster Fall iVm Z 5 vierter Fall) vorgebrachten Einwand einer offenbar unzureichenden Entscheidungsbegründung zuwider konnte das Erstgericht die Feststellung des auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit höheren Grades beruhenden Zustandes des Angeklagten (§ 21 Abs 2 StGB) ohne Verstoß gegen die Kriterien logischen Denkens und grundlegende empirische Erkenntnisse aus dem dazu herangezogenen, in der Hauptverhandlung vom 8. August 2006 auch mündlich erstatteten Gutachten des gerichtspsychiatrischen Sachverständigen (US 31 f) ungeachtet des Umstandes ableiten, dass der Angeklagte zuletzt im Frühjahr 2005 persönlich untersucht worden war. Soweit im Übrigen eine unzureichende Begründung auch hinsichtlich des (im richterlichen Ermessensbereich liegenden) Inhalts der Gefährlichkeitsprognose behauptet wird, wird kein Nichtigkeits-, sondern ein Berufungsgrund geltend gemacht (Medigovic, WK-StPO § 433 Rz 19, 22). Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei nichtöffentlicher Beratung zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 Z 1 und Z 2 StPO), weshalb die Entscheidung über die Berufung des Angeklagten dem Oberlandesgericht Linz zukommt (§ 285i StPO).
Anzumerken bleibt, dass die rechtsirrige Aufspaltung der mit Beziehung auf die Tathandlungen nach § 125 StGB (VI./, IX./, XI./ und XVII./) und nach §§ 15, 127 StGB (X./ und XII./) richtigerweise jeweils zu bildenden Subsumtionseinheit nach § 29 StGB für den Angeklagten nicht nachteilig war, weil zwar die Tatwiederholungen, nicht aber auch gerade das Zusammentreffen dieser strafbaren Handlungen als erschwerend gewertet wurde (US 33; RIS-Justiz RS0114927, zuletzt 13 Os 148/04). Zu einer Maßnahme nach § 290 Abs 1 StPO bestand daher kein Anlass.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.
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