OGH 5Ob28/07i

OGH5Ob28/07i6.3.2007

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hurch, Dr. Höllwerth, Dr. Grohmann und Dr. E. Solé als weitere Richter in der außerstreitigen Mietrechtssache des Antragstellers Zivko L*****, vertreten durch die Mietervereinigung Österreich, Reichsratsstraße 15, 1010 Wien, gegen die Antragsgegnerin A***** KG, *****, vertreten durch Dr. Hans Houska, Rechtsanwalt in Wien, über den Revisionsrekurs der Antragsgegnerin gegen den Sachbeschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 20. September 2006, GZ 38 R 165/06f-17, mit dem der Sachbeschluss des Bezirksgerichtes Meidling vom 26. Juni 2006, GZ 14 Msch 1/06z-8, abgeändert wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerin ist schuldig, dem Antragsteller binnen 14 Tagen die mit EUR 183 bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens zu ersetzen.

Text

Begründung

Der Antragsteller ist seit 1988 Hauptmieter einer Wohnung in Wien. Die Antragsgegnerin ist Eigentümerin des Hauses und Vermieterin. Das Mietverhältnis ist unbefristet. Zusätzlich zum Hauptmietzins hebt die Antragsgegnerin seit 1. 10. 1993 unter dem Titel „freie Vereinbarung" einen Betrag von EUR 143,59 monatlich ein, den der Antragsteller immer anstandslos zahlte. Es handelt sich dabei um die Finanzierung von Sanierungskosten, die nicht von der „§ 18-Entscheidung" vom 14. 12. 1993 umfasst waren. Eine schriftliche Vereinbarung existiert nicht. Der zusätzlich eingehobene Betrag ist weder durch den Mietvertrag noch durch die 1991 vom Antragsteller unterfertigte Erklärung begründet. In dieser Erklärung anerkannte der Antragsteller die Höhe der Gesamtsanierungskosten, verzichtete auf eine Überprüfung der Endabrechnung durch die MA 25 und verpflichtete sich, den im Verfahren vor der Schlichtungsstelle festgesetzten erhöhten Hauptmietzins zu bezahlen.

Das Erstgericht wies das Begehren auf Feststellung der Überschreitung des gesetzlich zulässigen Zinsausmaßes durch Vorschreibung des Betrages von EUR 143,59 zu den Zinsterminen 1. 9. 2002 bis 1. 8. 2005 wegen der bereits am 28. 2. 1997 abgelaufenen Präklusionsfrist des § 16 Abs 8 MRG ab.

Das Rekursgericht verneinte eine wirksame, durch vorbehaltlose Zahlung des Erhöhungsbetrages konkludent zustandegekommene Vereinbarung im Sinn des § 16 Abs 10 MRG sowie die analoge Anwendbarkeit des § 16 Abs 8 MRG bei einseitigen Mietzinsvorschreibungen und gab dem Antrag statt. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes EUR 10.000 übersteigt und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Den Zulässigkeitsausspruch begründete es mit fehlender Rechtsprechung zur analogen Anwendung des § 16 Abs 8 MRG auf den Fall der jahrelangen unbeanstandeten Zahlung einseitig erhöhter Mietzinse.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist entgegen dem nicht bindenden Ausspruch des Rekursgerichtes nicht zulässig.

1. Seit Inkrafttreten des 3. WÄG mit 1. 3. 1994 sind nach § 16 Abs 1 Z 5 MRG Vereinbarungen über die Höhe des Hauptmietzinses ohne die Beschränkungen der Abs 2 f bei unbefristeten Mietverhältnissen nur zulässig, wenn seit Übergabe des Mietgegenstandes mehr als ein Jahr verstrichen ist und die Vereinbarung schriftlich getroffen wird. Der ebenfalls durch das 3. WÄG eingeführte § 16 Abs 10 MRG fordert seit 1. 3. 1994 für die Zulässigkeit von Vereinbarungen über die Erhöhung des Hauptmietzinses zur Deckung von Erhaltungs/Verbesserungsarbeiten oder geförderten Sanierungsmaßnahmen eine schriftliche Vereinbarung, die das Ausmaß der Erhöhung und den Erhöhungszeitraum ausdrücklich festlegt. Damit werden seit 1. 3. 1994 im Gegensatz zur früheren Rechtslage konkludente Vereinbarungen ausgeschlossen. Die Beurteilung von konkludenten Willenserklärungen ist einzelfallbezogen (RIS-Justiz RS00432543; RS0081754) und begründet nur bei einer auffälligen und korrekturbedürftigen Fehlbeurteilung eine erhebliche Rechtsfrage. Eine derartige Fehlbeurteilung lässt die Auffassung des Rekursgerichtes, eine konkludente Vereinbarung über die Erhöhung des Hauptmietzinses durch die vorbehaltlose Zahlung von 1. 10. 1993 bis zum relevanten Zeitpunkt 1. 3. 1994 zu verneinen, nicht erkennen. § 863 ABGB legt nämlich bei einer schlüssigen Willenserklärung einen strengen Maßstab an (RIS-Justiz RS0014146; RS0014157; Bollenberger in KKB § 863 Rz 6), weshalb auch die bloße unbeanstandete Bezahlung eines vom Vermieter für ein gesetzlichen Zinsbeschränkungen unterliegendes Bestandobjekt einseitig geforderten erhöhten Mietzinses in der Regel nicht als stillschweigende Zustimmung des Mieters zu der Vertragsänderung gewertet wird (RIS-Justiz RS0038618; RS0069831).

2. Die ebenfalls mit dem 3. WÄG eingeführte (mit Ausnahme für Antragstellung von 1. 9. 1999 bis 30. 6. 2000: Art II Z 11 WRN 1999)

auch auf „Altmietverträge" anzuwendende (5 Ob 94/98d = MietSlg 50.336

= WoBl 1998/115 [Hausmann]) Präklusionsbestimmung des § 16 Abs 8 MRG

beschränkt die Geltendmachung der Unzulässigkeit von (Haupt-)Mietzinsvereinbarungen auf einen dreijährigen Zeitraum. Die Frage einer analogen Anwendbarkeit der genannten Präklusionsbestimmung auf einseitige Erhöhungsbegehren des Vermieters im Rahmen der §§ 46 Abs 2 und 4 bzw 46a Abs 4 MRG hat der Oberste Gerichtshof (RIS-Justiz RS0116402) in teilweiser Übereinstimmung mit der Lehre (Stabentheiner, Die Mietrechtsnovelle 2001, WoBl 2002, 1 f; T. Hausmann in Hausmann/Vonkilch Österreichisches Wohnrecht § 16 MRG Rz 79; Friedl zu 5 Ob 9/02p = exolex 2002/221; aA zunächst Vonkilch, Analoge Ausdehnung der dreijährigen Präklusivfrist für die Mietzinsüberprüfung?, RdW 1999, 395 f; derselbe dann aber in immolex 2002, 39 ff [Die Neuerungen der MRG-Novelle 2001 und ihr Beitrag zur Konsolidierung des Wohnrechts] und in der Anmerkung zu 5 Ob 9/02p = wobl 2003/3) verneint. Allfälligen Diskussionen um die analoge Anwendbarkeit bei einseitigen Anhebungen des angemessenen Hauptmietzinses hat der Gesetzgeber durch die WRN 2006 ab 1. 10. 2006 mittlerweile insofern ein Ende bereitet, als er die Anwendbarkeit der dreijährigen Präklusionsfrist des § 16 Abs 8 MRG ausdrücklich auf den Fall des § 46 Abs 2 MRG und die Fälle des § 46a Abs 6 MRG anordnete. Der Revisionsrekurs der Antragsgegnerin befasst sich aber ausschließlich mit der Anwendbarkeit des § 16 Abs 8 MRG nicht nur auf schriftliche Mietzinsvereinbarungen, sondern auch auf die von der Antragsgegnerin behauptete konkludente Vereinbarung einer Mietzinserhöhung, deren Zustandekommen das Rekursgericht mit vertretbaren Argumenten verneint hat. Die Frage, ob die in § 16 Abs 8 MRG normierte dreijährige Präklusivfrist generell auf einseitig erklärte Mietzinserhöhungen anzuwenden ist, releviert der Revisionsrekurs aber nicht, was zu seiner Zurückweisung als unzulässig führt (RIS-Justiz RS0102059).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 37 Abs 3 Z 17 MRG. Billigkeitserwägungen rechtfertigen einen Kostenzuspruch an den Antragsteller, der in seiner Revisionsrekursbeantwortung mit Erfolg auf die Unzulässigkeit des gegnerischen Rechtsmittels hingewiesen hat.

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