OGH 8ObA29/06g

OGH8ObA29/06g22.2.2007

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Langer als Vorsitzende, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling und Dr. Kuras sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Rolf Gleißner und Robert Maggale als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Erich S*****, vertreten durch Freimüller/Noll/Obereder/Pilz & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, wider die beklagte Partei K*****, vertreten durch NM Norbert Moser Rechtsanwaltsgesellschaft mbH in Klagenfurt, wegen EUR 2.751,14 sA, infolge Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 15. Dezember 2005, GZ 7 Ra 81/05v-12, mit dem infolge Berufung der klagenden Parteien das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 11. Mai 2005, GZ 31 Cga 12/05a-8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagenden Parteien sind schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 333,12 (darin enthalten EUR 55,52 an USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Auf das Dienstverhältnis des seit 1974 bei der beklagten Sparkasse beschäftigten Kläger findet nicht nur der Kollektivvertrag für die Angestellten der Sparkassen Anwendung, sondern auch Betriebsvereinbarungen über die Festsetzung von „Schemabezügen" und ein erfolgsorientiertes Bonussystem. Im Schemasystem ist der Kläger in 4B/32 eingestuft.

Im Zuge von Verhandlungen zwischen dem Betriebsrat und der beklagten Partei wurde angestrebt, die bis dahin bestehende überproportionale Berücksichtigung des Dienstalters, bei der etwa bei der Schemaeinstufung 4B in der höchsten Dienstaltersklasse mehr als das zweieinhalbfache der niedrigsten Dienstaltersklasse in der selben Funktion vorgesehen war, „abzuflachen" und zum Ausgleich eine großzügigere Bonusregelung zu schaffen. Bis dahin hatte eine Bilanzgeldregelung im Wesentlichen eine Ausschüttung an alle Mitarbeiter mit dem gleichen Prozentsatz vorgesehen. In den Jahren 2002 und 2003 hätte dies jeweils einen Monatsbezug, 2004 115 % eines solchen ausgemacht. Die neue Bonusregelung ist wesentlich günstiger, verteilt diesen aber differenzierter. Gleichzeitig wurde aber auch eine Reduktion der Schemabezüge, die etwa 4 - 5% über dem Kollektivvertragsbezug liegen, vereinbart, die jedoch nicht auf einmal, sondern in Jahresschritten von jeweils 1 %, und zwar mit Wirksamkeit unmittelbar vor der nächsten KV-Erhöhung. Damit sollte ein Reallohnverlust vermieden werden. Konkret wurde vereinbart, dass im Ergebnis die Anhebung der BV-Schemaabzüge gegenüber der kollektivvertraglichen Erhöhung um einen Prozent reduziert erfolgen solle. Für jeden Schemaabzug erfolgte eine gesonderte Berechnung. Stets war die KV-Grenze als Untergrenze einzuhalten. Konkret wurden die alten Gehaltsschemata durch die neuen ersetzt und auf diese dann die KV-Erhöhung voll überbunden. Für den Fall, dass die Bonus-BV außer Kraft treten sollte, wurde vereinbart, dass dann die alten höheren Gehaltsansätze wieder in Kraft treten und mit den jeweiligen KV-Erhöhungen anzuheben sind.

Der Betriebsrat sah den Vorteil dieser von der Beklagten angestrebten Neuregelung vor allem in der Verbesserung der Situation für die jüngeren Mitarbeiter, die teilweise nicht in den Genuss der Bilanzgeldregelung gekommen waren, und auch darin, überhaupt eine Regelung auf Betriebsvereinbarungsebene dazu erreicht zu haben. Dass dies für Mitarbeiter mit höheren Gehältern wegen der Verminderung der Steigerungsraten zu Verschlechterungen führen kann, war klar. Die neue Bonus-BV brachte aber auch für den Kläger in den Jahren 2002 (EUR 53,72) und 2003 (EUR 387,28) gewisse Vorteile gegenüber der alten Bilanzgeldregelung, jedoch 2004 einen Nachteil (EUR 1.010,33). Der Kläger begehrt mit seiner Klage nun die Gehaltsdifferenz für die Jahre 2002 bis 2004, die er daraus errechnet, dass die volle perzentuelle Erhöhung der Kollektivvertragsgehälter in diesen Jahren (2002 - 2,5 %; 2003 - 1,9 % und 2004 - 1,95 %) auf das frühere BV-Schema anwendet. Die verminderte Erhöhung stelle eine unzulässige Umgehung der Kollektivvertragserhöhungen dar, die die KV-Parteien auf die Betriebsvereinbarungen überbunden hätten. Der Kläger sei auch in seinem Vertrauensschutz verletzt.

Die Beklagte wendete zusammengefasst ein, dass die Betriebsvereinbarung auf der Ermächtigungsklausel des Art II des Kollektivvertrags beruhe und wirksam abgeändert werden könnte. Dies erlaube auch eine Absenkung der in der BV vereinbarten Schemagehälter. Diese seien dann ohnehin entsprechend dem KV erhöht worden.

Das Erstgericht wies die Klagebegehren ab. Es ging rechtlich im Wesentlichen davon aus, dass die Betriebsvereinbarung auf der Ermächtigungsklausel des Art II des Kollektivvertrags beruhe und im vorgesehen Rahmen auch wieder in zulässiger Weise habe geändert werden können.

Das Berufungsgericht gab der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung des Klägers nicht Folge. Es führte rechtlich zusammengefasst aus, dass es sich bei den relevanten Betriebsvereinbarungen um echte Betriebsvereinbarungen handle, da sie auf einer entsprechenden Ermächtigung des KV beruhten. Als echte Betriebsvereinbarungen könnten sich aber von den Betreibsvereinbarungspartnern auch zum Nachteil der Arbeitnehmer abgeändert werden, soweit dabei nicht Grundsätze des Vertrauensschutzes verletzt würden. Dies sei hier aber bei den geringfügigen Veränderungen nicht der Fall. Einer besonderen weiteren Öffnungsklausel habe es nicht bedurft.

Die ordentliche Revision erachtete das Berufungsericht als zulässig, da es sich bei der Rechtsfrage, ob es sich allenfalls um eine Umgehung der Kollektivvertragserhöhungen handle, um eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung handle.

Die gegen dieses Urteil erhobene ordentliche Revision des Kläger ist zulässig. Handelt es sich doch auch um die Lösung einer Frage zur Wirksamkeit von Kollektivvertragsregelungen, deren Bedeutung zahlreiche Arbeitnehmer erfasst.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aber nicht berechtigt. Weitgehend kann auf die im Wesentlichen zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichtes verwiesen werden (§ 510 Abs 3 ZPO).

Soweit die Revision geltend macht, dass eine unzulässige „Umgehung" des Sparkassenkollektivvertrages vorliege, ist dazu auf Folgendes zu verweisen.

Art II des Kollektivvertrages lautet wie folgt:

ARTIKEL II - BETRIEBSVEREINBARUNGEN

(1) Die nachstehend angeführten Institute und Unternehmen sind ermächtigt, bezüglich Anstellung, Pflichten und Rechte der Angestellten, Auflösung des Dienstverhältnisses, Besoldungs-, Pensions-, Prüfungs-, Reisekosten- und Disziplinarordnung zu diesem Kollektivvertrag durch Betriebsvereinbarungen Änderungen und Ergänzungen vorzunehmen:..",

darunter auch die Beklagte.

§ 162 im Anhang des KVs sieht ua folgendes vor.

㤠162 Besoldungsschema

(1) Die Gehaltsansätze werden.............

angehoben.............----------

(2) Überbindungsklausel: 2.1 Die schematischen Gehaltsansätze der

Betriebsvereinbarungen der in Artikel II Abs 1 SpKV genannten

Arbeitgeber werden um ..... angehoben...."

Mit der Ermächtigungsklausel des Art II des Kollektivvertrags hat sich der Oberste Gerichtshof bereits wiederholt befasst und ist davon ausgegangen, dass es sich bei den darauf gestützten Betriebsvereinbarungen um echte Betriebsvereinbarungen im Sinne der §§ 29 ff ArbVG handelt, die von Betriebsrat und Unternehmen gemeinsam in einem bestimmten Rahmen (Vertrauensschutz etc) auch zum Nachteil einzelner Arbeitnehmer verändert werden können (vgl etwa 8 ObA 52/03k mzwN; zur mangelnden Grundlage im ArbVG für solche Entgeltregelungen RIS-Justiz RS0050995 mwN). Es ist in Lehre und Rechtsprechung im Wesentlichen unstrittig, dass die Grundrechte über § 879 ABGB mittelbar auf die Gestaltungsbefugnisse der Kollektivvertragsparteien im Rahmen des normativen Teiles des Kollektivvertrages einwirken (vgl RIS-Justiz RS0038552 mzwN; OGH 9 ObA 125/98f; RIS-Justiz RS0038765; Strasser in ArbVG Komm § 2 Rz 9 mzwN ebenso Runggaldier in Tomandl [Hrsg] Arbeitsverfassungsgesetz § 2 Rz 34 ff uva).

Der Kläger zieht im Ergebnis insoweit die Gestaltungsbefugnis der Betriebsvereinbarungsparteien auch gar nicht substantiiert in Zweifel, sondern macht im Kern geltend, dass die Betriebsvereinbarungen der Beklagten gegen § 162 des KVs verstoßen, bzw diesen in unzulässiger Weise umgehen würden.

Dazu ist aber in Erinnerung zu rufen, dass die Betriebsvereinbarungspartner in dem oberhalb des KV-Niveaus liegenden Bereich eine gewisse Veränderung des durch die Betriebsvereinbarung gestalteten Entgeltsystems vornehmen wollten. Dazu haben sie die Bonusregelungen ausgebaut und abgesichert, gleichzeitig aber auch die fixen Schemabezüge, die weiterhin über dem KV Niveau liegen, jährlich um 1 % und insgesamt um 3 % abgesenkt. Damit haben sie weder den Vertrauensschutz verletzt (vgl 8 ObA 52/03k mzwN), noch die Ermächtigung durch den Kollektivvertrag („Änderungen und Ergänzungen" vgl allgemein zu den Beschränkungen RIS-Justiz RS0050983 = 9 ObA 131/88) überschritten. Dies als solches kann auch nicht als Umgehung des § 162 des KVs angesehen werden. An dieser Einschätzung vermag es dann aber auch nichts zu ändern, wenn zur Abfederung für von der Adaptierung des Entgeltsystems teilweise auch etwas nachteilig betroffenen Arbeitnehmer (1 % verringerte Schemaansätze) diese zu einem Zeitpunkt vorgenommen wird, in dem ein allfälliger nomineller Nachteil, durch die durchgeführten KV-Erhöhungen aufgefangen wird. War es doch im Ergebnis nicht Ziel der Regelungen, die jährlichen KV-Erhöhungen zu unterwandern, sondern wurde das Entgeltsystem dauerhaft umgestellt (vgl allgemein zu den Voraussetzungen für die Annahme eines „Umgehungsgeschäftes" etwa Krejci in Rummel ABGB3 § 879 Rz 37; Apathy/Riedler in Schwimann ABGB3 § 879 Rz 6). Der Revision des Klägers war daher nicht Folge zu geben.

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