OGH 2Ob228/06b

OGH2Ob228/06b22.2.2007

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Baumann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Veith, Dr. Grohmann und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Bernhard G*****, vertreten durch Dr. Klaus Dengg und andere Rechtsanwälte in Zell am Ziller, gegen die beklagten Parteien 1.) Peter G*****, und 2.) Josef G*****, beide vertreten durch Kinberger- Schuberth-Fischer Rechtsanwälte GmbH in Zell am See, wegen Unterlassung (Streitinteresse EUR 7.000,--), infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Berufungsgericht vom 18. Mai 2006, GZ 53 R 144/06t-21, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Die gerügte Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).

Der Kläger beruft sich erkennbar auf jene Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes, wonach die wörtliche (grammatikalische) Auslegung eines schriftlichen Vertrages im Vordergrund steht und erst wenn mangels klarer und eindeutiger Formulierungen feststehen sollte, dass der schriftliche Vertragsinhalt die Absicht der Parteien nicht richtig wieder gibt, der Parteiwille erforscht und der Vertrag ergänzt werden darf (vgl RIS-Justiz RS0017791).

Hier kann aber von einem eindeutigen Inhalt der in Punkt II des notariellen „Erbsübereinkommens" vom 11. 6. 1975 getroffenen Vereinbarung keine Rede sein, sofern man die Überprüfung nicht - wie der Kläger - auf den ersten Absatz der vertraglichen Regelung beschränkt. Dort wurde zwar die Formulierung gebraucht, dass den Beklagten das „lebenslange und unentgeltliche Jagdrecht" an den Liegenschaften ihres Bruders eingeräumt werde; aus dem weiteren Vertragstext geht aber hervor, dass sich die Beklagten im Gegenzug verpflichteten, ihrem Bruder die ihm von der Wegegenossenschaft jeweils auferlegten Kosten der Wegeerhaltung zur Hälfte zu ersetzen. Bei dieser Vertragslage war das Berufungsgericht nicht nur befugt, sondern verpflichtet, im Wege der Auslegung nach § 914 ABGB die Absicht der Parteien zu erforschen und den Vertrag so zu verstehen, wie es der Übung des redlichen Verkehrs entspricht (RIS-Justiz RS0017797). Das dabei gewonnene Ergebnis, die Absicht der Vertragsteile sei nicht auf die - von vornherein unwirksame - Begründung einer vom Grundeigentum losgelösten Dienstbarkeit des Jagdrechtes (vgl dazu SZ 56/20; RIS-Justiz RS0010965; Klicka in Schwimann, ABGB3 II § 383 Rz 2), sondern darauf gerichtet gewesen, den Beklagten obligatorische Jagdausübungsrechte zu übertragen und ihnen auf Lebenszeit die Stellung von Jagdpächtern einzuräumen, hält sich im Rahmen des ihm zur Verfügung stehenden Beurteilungsspielraumes.

Eine erhebliche Fehlbeurteilung des Berufungsgerichtes ist entgegen der in der Revision vertretenen Auffassung nicht schon daraus ableitbar, dass der im zweitinstanzlichen Urteil zitierten Entscheidung 7 Ob 185/99b die Auslegung eines Erbteilungsübereinkommens mit anderem Wortlaut (dort ging es um die Einräumung eines lebenslangen Jagdrechtes im Umfang eines bereits vorher abgeschlossenen Jagdpachtvertrages) zugrunde lag. Aus der Entscheidung 8 Ob 25/06v = JBl 2006, 649, auf welche sich der Kläger zum Nachweis der fehlenden Entgeltlichkeit der Vereinbarung beruft, sind ebenfalls keine Erkenntnisse zu gewinnen, die eine Korrektur des zweitinstanzlichen Auslegungsergebnisses aus Gründen der Einzelfallgerechtigkeit erfordern würde. Auch bei sinngemäßer Anwendung der in dieser Entscheidung (dort anlässlich der Gebrauchsüberlassung einer Wohnung) zur Abgrenzung von Leihe und Bestandvertrag dargelegten Grundsätze auf den vorliegenden Fall, käme es primär darauf an, ob die vertragsschließenden Parteien den Beklagten die Stellung von Jagdpächtern einräumen wollten. Gerade diese Frage wurde aber - wie dargelegt - vom Berufungsgericht mit vertretbarer Begründung bejaht. Unter diesen Umständen ist aber nicht mehr entscheidend, ob das vereinbarte Entgelt gegenüber dem Wert des Jagdausübungsrechtes praktisch noch ins Gewicht fällt oder nicht (vgl 8 Ob 25/06v mwN). Als Entgelt kommt hier insbesondere die vereinbarte Tragung der Hälfte der auf den Kläger als Grundeigentümer (unabhängig von der Person des Jagdausübungsberechtigten) entfallenden Wegeerhaltungskosten in Betracht. Der Hinweis auf fehlende Feststellungen zur Höhe dieser Kosten wirft daher keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO auf.

§ 1120 ABGB sieht bei Rechtsbesitz des Bestandnehmers und Einzelrechtsnachfolge auf der Bestandgeberseite eine vom Willen der Beteiligten unabhängige, kraft Gesetzes wirksam werdende Übernahme des Bestandvertrages durch den Erwerber des Bestandgegenstandes vor (1 Ob 344/99s = SZ 73/102 mwN; 6 Ob 66/05g; RIS-Justiz RS0021208). In der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes ist anerkannt, dass der Jagdpächter durch die Ausübung des ihm vertraglich eingeräumten obligatorischen Rechtes Rechtsbesitz erwirbt (JBl 1991, 787; 7 Ob 251/03t = EvBl 2004/74; Klicka aaO § 311 Rz 4). Die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, der Kläger sei nach Übertragung des Eigenjagdgebietes in sein Alleineigentum gemäß § 1120 ABGB in die als Jagdpachtvertrag qualifizierte Vereinbarung mit den Beklagten eingetreten, lässt daher keine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung erkennen.

Nach ständiger Rechtsprechung ist der Erwerber der Bestandsache als Einzelrechtsnachfolger an solche Bestimmungen des Bestandvertrages, die nur die Dauer des Vertrages und die Kündigungsfrist betreffen, nicht gebunden. Er kann daher das Bestandverhältnis unter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsmodalitäten auflösen. Durch ausdrückliche oder schlüssige Vereinbarung zwischen Erwerber und Bestandnehmer kann es allerdings zu einem „Volleintritt" des Erwerbers in das Bestandverhältnis kommen, bei dem dieser auch vertragliche Beendigungsbeschränkungen gegen sich gelten lassen muss (vgl 1 Ob 344/99s; 6 Ob 66/05g; je mwN).

Aus den erstinstanzlichen Feststellungen ist ableitbar, dass der Kläger zumindest seit dem Jahr 1994 von der alleinigen Ausübung des Jagdrechtes durch die Beklagten Kenntnis hat, diese nach dem Erwerb des Eigenjagdgebietes im Februar 1998 sieben Jahre lang weiterhin unwidersprochen akzeptierte, das seit damals von den Beklagten an ihn geleistete „Entgelt" sowie die Jagdabgabe entgegennahm und im Jahr 2004 die Beklagten um ihr Einverständnis zur allfälligen Verpachtung eines Teilgebietes an einen Dritten bat. Angesichts dieser Tatsachengrundlage hält sich auch die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, die Beklagten hätten (iSd § 863 Abs 1 ABGB) darauf vertrauen dürfen, dass der Kläger die vertragliche Regelung zu den bisherigen Bedingungen einschließlich der Befristung auf Lebenszeit fortbestehen lässt, im Rahmen der zitierten Judikatur. Da es somit der Lösung einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung nach § 502 Abs 1 ZPO nicht bedurfte, war die außerordentliche Revision zurückzuweisen.

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