OGH 2Ob131/06p

OGH2Ob131/06p30.1.2007

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger, Dr. Hoch, Hon. Prof. Dr. Neumayr und Dr. Schramm als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach dem am 5. Jänner 2005 verstorbenen Jong Wan L*****, zuletzt wohnhaft *****, infolge Revisionsrekurses der Einschreiterin Dr. Hwa-Yong L*****, vertreten durch Dr. Sascha König, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 15. März 2006, GZ 43 R 108/06k-63, womit der gegen den Beschluss des Bezirksgerichtes Döbling vom 13. Dezember 2005, GZ 37 A 6/05t-51, gerichtete Rekurs der Einschreiterin zurückgewiesen wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Revisionsrekursbeantwortung des Aleksandar M***** und der Dipl. Ing. Gordana M*****-G***** wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Der Erblasser, ein österreichischer Staatsbürger, verstarb am 5. 1. 2005 ohne Hinterlassung einer letztwilligen Verfügung. Er war zu 72/1107-Anteilen Eigentümer der Liegenschaft EZ 360 GB 01514 W*****, mit welchem Wohnungseigentum am Geschäftslokal top 2 in ***** W*****, untrennbar verbunden ist. Der Erblasser führte dort einen Restaurantbetrieb. Zu Erben aufgrund des Gesetzes sind seine beiden minderjährigen Kinder Isaak L*****, geboren am 30. 5. 1995, und Yujin L*****, geboren am 25. 3. 1998, berufen. Erbantrittserklärungen wurden bisher nicht abgegeben.

Das Erstgericht bestellte mit Beschluss vom 10. 2. 2005 (ON 14) Dr. Vera Schreiber, Rechtsanwältin in Wien, zur Verlassenschaftskuratorin.

Die Einschreiterin war die Lebensgefährtin des Erblassers. Sie meldete Forderungen in der Gesamthöhe von EUR 47.572,15 zur Verlassenschaft an (ON 10). Weiters gab sie ihr Interesse an der Fortführung des mit dem Erblasser jahrelang gemeinsam betriebenen Restaurants bekannt (ON 16) und stellte in der Folge ein Anbot für die Übernahme des im Eigentum des Erblassers stehenden Geschäftslokales und des weiters gemieteten Lokales sowie der im Lokal befindlichen Fahrnisse (ON 29).

Die Verlassenschaftskuratorin nahm zu diesem Anbot Stellung und legte einen Entwurf eines Kaufvertrages betreffend den Liegenschaftsanteil des Erblassers vor (ON 38).

Mit Eingabe vom 24. 11. 2005 (ON 48) stellten Aleksandar M***** und Dipl. Ing. Gordana M*****-G***** den Antrag auf abhandlungsbehördliche Genehmigung eines Kaufvertrages betreffend den erwähnten Liegenschaftsanteil des Erblassers samt Inventar des Geschäftslokales.

Mit Beschluss vom 13. 12. 2005 (ON 51) genehmigte das Erstgericht den von Aleksandar M***** und Dipl. Ing. Gordana M*****-G***** vorgelegten Kaufvertrag über das erwähnte Geschäftslokal des Erblassers um einen Kaufpreis von EUR 105.000 vorab sowie die Übernahme des in die Verlassenschaft fallenden Inventars der Geschäftslokale top 1 und top 2 in Wien, *****, durch Aleksandar M***** an Zahlungsstatt für die bis zur Übergabe des Mietlokales top 1 ausständigen Mieten, reduziert um die bei Aleksandar M***** verbleibende Kaution von seinerzeit EUR 3.000 abhandlungsgerichtlich. Das Rekursgericht wies den von der Einschreiterin dagegen erhobenen Rekurs und die von Aleksandar M***** und Dipl. Ing. Gordana M*****-G***** erstattete Rekursbeantwortung als unzulässig zurück. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes EUR 20.000 übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Der Rekurswerberin komme nur die Stellung einer Nachlassgläubigerin und einer potenziellen Vertragspartnerin der Verlassenschaft zu. Als Nachlassgläubigerin sei sie nicht Beteiligte des Verlassenschaftsverfahrens und nur im Einzelfall wegen Verletzung der ihr nach den §§ 811 bis 815 ABGB zustehenden Rechte sowie im Verfahren betreffend die Überlassung des Nachlasses an Zahlungsstatt rekurslegitimiert. Die Genehmigung der Veräußerung der zum Nachlassvermögen gehörigen Liegenschaftsanteile verletzte derartige Rechte nicht. Auch das Verfahren über die abhandlungsgerichtliche Genehmigung der Veräußerung von Gegenständen aus dem Verlassenschaftsvermögen gemäß § 810 Abs 2 und 3 ABGB habe nicht den Zweck, die Interessen der Vertragspartner der Verlassenschaft wahrzunehmen bzw zu berücksichtigen. Die Einschreiterin sei daher nicht Partei iSd § 2 AußStrG nF und damit auch nicht rekurslegitimiert. Diese Beurteilung treffe auch auf die Rekursgegner als Käufer der Liegenschaftsanteile des Erblassers zu. Es seien daher sowohl Rekurs als auch Rekursbeantwortung als unzulässig zurückzuweisen.

Der Revisionsrekurs sei zulässig, weil eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Auslegung des Parteienbegriffes des § 2 AußStrG nF im abhandlungsgerichtlichen Genehmigungsverfahren noch nicht vorliege.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der Einschreiterin ist aus den vom Rekursgericht genannten Grund zwar zulässig, aber nicht berechtigt. Die von Aleksandar M***** und Dipl. Ing. Gordana M*****-G***** erstattete Revisionsrekursbeantwortung ist unzulässig.

Die Rechtsmittelwerberin vertritt im Wesentlichen die Ansicht, sie sei materielle Partei iSd § 2 Abs 1 Z 3 AußStrG nF, weil sie durch eine Genehmigung des vorliegenden Kaufvertrages in ihrer rechtlich geschützten Stellung als Nachlassgläubigerin unmittelbar beeinflusst werde.

Dieser Ansicht kann nicht gefolgt werden.

Es war bis zum Inkrafttreten des neuen Außerstreitgesetzes, BGBl I 2003/111, mit 1. 1. 2005 ganz allgemein herrschende Auffassung, dass ein Verlassenschaftsgläubiger grundsätzlich - vergleiche zu den Ausnahmen in NZ 1997, 21 - nur wegen eines Eingriffes in die ihm nach den §§ 811, 812 und 815 ABGB, §§ 73, 133, 135, 136 AußStrG aF zustehenden Rechte Verfügungen des Verlassenschaftsgerichtes anfechten konnte und daher nur insoweit Beteiligter im Verlassenschaftsverfahren war. Darüber hinaus kam ihm auf den Gang des Verlassenschaftsverfahrens kein Einfluss zu, es mangelte ihm insoweit die Rekurslegitimation (6 Ob 105/03i; 8 Ob 129/00d; 6 Ob 202/98v mwN uva; RIS-Justiz RS0006611; Birkner, Parteistellung und rechtliches Gehör im Außerstreitverfahren [1996], 85). Nach ständiger Rechtsprechung war auch der Dritte, der mit dem Erben oder der Verlassenschaft ein abhandlungsgerichtlich zu genehmigendes Rechtsgeschäft geschlossen hatte, nicht Beteiligter und daher nach § 9 AußStrG aF nicht zum Rekurs legitimiert. Diese Judikatur entsprach auch dem allgemeinen Rechtssatz, dass der Vertragspartner (= Dritte) im Allgemeinen nicht berechtigt ist, gegen die Verweigerung der Genehmigung des mit einem Pflegebefohlenen abzuschließenden Vertrages ein Rechtsmittel zu ergreifen (4 Ob 229/00f; 8 Ob 129/00d; 4 Ob 538/95 mwN; RIS-Justiz RS0006249 [T10 und T13]; Birkner aaO 88). Wie bereits das Rekursgericht zutreffend ausgeführt hat, sind auf das gegenständliche Verlassenschaftsverfahren bereits die Bestimmungen des AußStrG nF, BGBl I 2003/111, anzuwenden (§ 205 AußStrG nF). Dieses Gesetz enthält nunmehr eine ausdrückliche Regelung über die Parteistellung im Außerstreitverfahren. Nach § 2 Abs 1 Z 1 und 2 AußStrG sind zunächst der Antragsteller und Antragsgegner Parteien. Insoweit liegt dem Gesetz der sogenannte formelle Parteibegriff zugrunde. Ergänzt wird dieser formelle Parteibegriff durch den in § 2 Abs 1 Z 3 AußStrG verankerten materiellen Parteibegriff (vgl Fucik/Kloiber, AußStrG § 2 Rz 2 ff). Demnach ist Partei jede Person, soweit ihre rechtlich geschützte Stellung durch die begehrte oder vom Gericht in Aussicht genommene Entscheidung oder durch eine sonstige gerichtliche Tätigkeit unmittelbar beeinflusst würde. Damit knüpft der Gesetzgeber an das schon zum bisherigen Recht von der Lehre entwickelte Kriterium der „unmittelbaren" Betroffenheit an. Zur Zuerkennung der Parteistellung im materiellen Sinn führt daher nur die unmittelbare Beeinflussung einer rechtlich geschützten Stellung. Dieses Erfordernis der unmittelbaren Beeinflussung schließt solche Personen aus, die von bloßen „Reflexwirkungen" bzw Tatbestandswirkungen betroffen werden. Es genügt also nicht, dass die „Rechtsstellung" oder die „rechtlichen Interessen" einer Person berührt werden, womit der Parteibegriff im materiellen Sinn noch weiter eingeschränkt wird. Die Ausformung des Begriffs der „rechtlich geschützten Stellung" variiert von Verfahren zu Verfahren, weil es auf das konkrete Verfahren und dessen Zweck ankommt. Entscheidend ist, wer bzw wessen Stellung durch das jeweilige Verfahren (und die dort anzuwendenden Normen) geschützt werden soll (vgl Fucik/Kloiber aaO § 2 Rz 2; Rechberger in Rechberger, AußStrG § 2 Rz 9 f ua). Diese Grundsätze zum Parteienbegriff iSd § 2 Abs 1 Z 3 AußStrG nF entsprechen der bisherigen Rechtsprechung, insbesondere zu § 9 AußStrG aF, die somit nicht geändert, sondern vielmehr fortgeschrieben werden soll. Im Sinne dieser Rechtslage ist zwar ein Vertragspartner oder die gegnerische Partei im Pflegschaftsverfahren von einer Vertrags- oder Klagegenehmigung unmittelbar beeinflusst. Wenn und weil aber das Pflegschaftsverfahren dazu da ist, die Interessen des Pflegebefohlenen, nicht die dritter Personen zu schützen, zeigt sich, dass Vertragspartner und Prozessgegner durch die genehmigende ebenso wie durch die abweisende Entscheidung nicht in ihrer rechtlich geschützten Stellung unmittelbar beeinflusst werden, weil der Schutz ihrer rechtlichen Stellung gerade nicht Verfahrenszweck des Pflegschaftsverfahrens ist (vgl EB zur RV 224 BlgNR XXII. GP 20 - abgedruckt in Fucik/Kloiber aaO 43). Bei Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall ist davon auszugehen, dass das für Veräußerungen von Gegenständen aus dem Verlassenschaftsvermögen gemäß § 810 Abs 2 und 3 ABGB vorgesehene Genehmigungsverfahren, wie auch die Rechtsmittelwerberin selbst einräumt, zum Verfahrenszweck hat, die Interessen der Verlassenschaft, nicht aber diejenigen ihrer Vertragspartner und sonstiger Dritter zu schützen. Deren rechtliche Stellung wird durch das Genehmigungsverfahren nicht unmittelbar iSd § 2 Abs 1 Z 3 AußStrG nF beeinflusst. Diese Nichtbeteiligung des Dritten am Genehmigungsverfahren ist auch aus verfassungsrechtlicher Sicht unter dem Aspekt des Art 6 MRK unbedenklich (vgl 6 Ob 286/05k mwN). Es kommt daher Vertragspartnern des ruhenden Nachlasses im abhandlungsgerichtlichen Vertragsgenehmigungsverfahren auch nach den hier bereits maßgebenden Bestimmungen des AußStrG nF weiterhin keine Parteistellung zu, weil der Schutz ihrer rechtlichen Stellung gerade nicht Verfahrenszweck des Verlassenschaftsverfahrens ist (vgl Fucik, Das neue Verlassenschaftsverfahren Rz 96). Aber auch Nachlassgläubiger, zu denen die Rechtsmittelwerberin ebenfalls gehört, haben nach den Bestimmungen des AußStrG nF weiterhin nur insoweit Parteistellung im Verlassenschaftsverfahren, soweit sie von ihren Rechten nach den §§ 811 bis 813 ABGB (Antrag auf Bestellung eines Kurators, Nachlassseparation, Einberufung der Gläubiger - vgl dazu auch §§ 174 f AußStrG nF) Gebrauch machen (Eccher in Schwimann, ABGB³ III § 797 Rz 10). Einen Eingriff in die aus diesen gesetzlichen Bestimmungen erfließenden Rechte behauptet die Rechtsmittelwerberin nicht. Da aber die Rekurslegitimation einer Person deren Parteistellung nach den dargelegten Erwägungen voraussetzt (Fucik/Kloiber aaO § 45 Rz 4), der Einschreiterin eine solche Stellung nicht zukommt und auch die (bloße) Zustellung des angefochtenen Beschlusses der Einschreiterin nicht Parteistellung oder sonst ein Recht der Beteiligung am gegenständlichen Verlassenschaftsverfahren verleiht (RIS-Justiz RS0006249 [T2]), erfolgte die Zurückweisung ihres Rekurses durch das Rekursgericht zu Recht (vgl § 54 Abs 1 Z 1 und Abs 2 AußStrG nF). Der Revisionsrekurs der Einschreiterin musste daher erfolglos bleiben.

Die dargelegten Erwägungen über die fehlende Parteistellung des Vertragspartners des Nachlasses im abhandlungsgerichtlichen Vertragsgenehmigungsverfahren treffen auch auf die Rechtsmittelgegner Aleksandar M***** und Dipl. Ing. Gordana M*****-G***** zu. Es war daher die von ihnen erstattete Revisionsrekursbeantwortung mangels Parteistellung zurückzuweisen.

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