Spruch:
1. Der Revisionsrekurs der Dr.Gertrude K***** wird zurückgewiesen.
2. Dem Rekurs des Verlassenschaftskurators wird Folge gegeben.
Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben und dem Erstgericht eine neuerliche Entscheidung unter Abstandnahme von den gebrauchten Versagungsgründen aufgetragen.
Text
Begründung
Mit Beschluß vom 25.Jänner 1993, ON 31, bestellte das Erstgericht auf Antrag eines Gläubigers den Rechtsanwalt Dr.Walter K***** zum Verlassenschaftskurator mit folgendem Wirkungskreis:
"Vertretung der Verlassenschaft nach Dr.Friedrich F***** in allen Rechtsstreitigkeiten, die in Zukunft gegen die Verlassenschaft anhängig gemacht werden sollten;
Einforderung und Eintreibung der Forderungen der Verlassenschaft und Empfangnahme der Leistungen zur Berichtigung der Forderungen;
Erforschung des Schuldenstandes und gegebenenfalls Anmeldung des Konkurses".
Mit Beschluß vom 7.Jänner 1994, ON 48, enthob das Erstgericht Dr.Walter K***** auf sein Ersuchen und bestellte an seiner Stelle den Rechtsanwalt Dr.Christoph B***** zum Verlassenschaftskurator. Der Wirkungskreis des Verlassenschaftskurators umfaßte "wie bisher":
"Vertretung der Verlassenschaft nach Dr.Friedrich F***** in allen Rechtsstreitigkeiten, die gegen die Verlassenschaft anhängig gemacht wurden oder anhängig sind;
Einforderung und Eintreibung der Forderungen der Verlassenschaft und Empfangnahme der Leistungen zur Berichtigung der Forderungen; weitere Erforschung des Schuldenstandes und gegebenenfalls Anmeldung des Konkurses".
Am 11.Mai 1994 berichtete der Verlassenschaftskurator ua, daß ihn der Rechtsvertreter der Legatarin Dr.Gertrude K***** mit Schreiben vom 19. April 1994 aufgefordert habe, der Ausfolgung der von der G***** Versicherung beim Amtsgericht G***** hinterlegten Versicherungssumme aus der bestehenden Lebensversicherung an Dr.Gertrude K***** zuzustimmen. Der Verlassenschaftskurator habe sich mit der Frage, ob die Versicherungssumme der Verlassenschaft oder Dr.Gertrude K***** zustehe, eingehend befaßt und auch mit der Versicherungsanstalt korrespondiert sowie ein vom Rechtsvertreter Legatarin in Auftrag gegebenes Rechtsgutachten deutscher Versicherungsanwälte erhalten. Nach dem derzeitigen Stand seiner Überprüfungen spreche einiges dafür, daß die Versicherungssumme tatsächlich Dr.Gertrude K***** zustehe. Eine eindeutige Klärung der Rechtslage wäre nur in einem Zivilprozeß möglich. Dr.Gertrude K***** dürfte gute Aussichten haben, einen solchen Prozeß zu gewinnen. Eine Prozeßführung scheine im Hinblick auf die drohenden Kostenfolgen im Falle des Prozeßverlustes für die Verlassenschaft eher riskant. Der Kurator beabsichtige daher den Abschluß eines außergerichtlichen Vergleiches mit Dr.Gertrude K***** dahin, daß er der Ausfolgung der Versicherungsleistung an sie zustimme. Er ersuche um die abhandlungsbehördliche Genehmigung dieses außergerichtlichen Vergleiches auf Zustimmung zur Ausfolgung der Versicherungsleistung in der Höhe von DM 142.858 (ON 61).
Mit Beschluß vom 9.Juli 1994, ON 66, erteilte das Erstgericht Dr.Gertrude K***** als Legatarin gemäß § 726 ABGB den Auftrag, eine Erbserklärung abzugeben, widrigenfalls das Verlassenschaftsverfahren ohne sie weiter fortgeführt würde.
Der Erstrichter versagte "dem Antrag des Verlassenschaftskurators ... auf Genehmigung" des erwähnten außergerichtlichen Vergleiches die abhandlungsbehördliche Genehmigung. Die Genehmigung eines Vergleiches, mit dem der Verlassenschaftskurator ermächtigt wird, einen bestimmten Geldbetrag an Dritte auszufolgen, sei gesetzlich nicht gedeckt. In den Nachlaß seien alle beweglichen und unbeweglichen Sachen aufzunehmen, in deren Besitz oder Mitbesitz sich der Erblasser zur Zeit seines Todes befunden habe. Über das Eigentum an den in den Nachlaß aufzunehmenden Gegenständen habe das Abhandlungsgericht nicht zu entscheiden. Die beantragte Genehmigung sei daher dem Abhandlungsgericht verwehrt.
Das Gericht zweiter Instanz gab den dagegen vom Verlassenschaftskurator und von Dr.Gertrude K***** erhobenen Rekursen nicht Folge und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000 übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Der Wirkungskreis des Kurators sei im Bestellungsbeschluß eingeschränkt worden. Der Abschluß eines außergerichtlichen Vergleiches mit der Legatarin sowie eine Entscheidung darüber, in wessen Vermögen die Lebensversicherung zu fallen habe, sei von diesem Wirkungskreis nicht umfaßt. Daß Dr.Gertrude K***** mit Wissen und Wollen des Erblassers Inhaberin des Versicherungsscheins geworden ist und daher die Versicherungssumme nicht in die Verlassenschaft falle, sei zwar richtig, vermöge aber nichts daran zu ändern, daß der Verlassenschaftskurator nicht befugt ist, mit dem Versicherungsunternehmen einen Vergleich abzuschließen, daß die Versicherungssumme der Legatarin auszufolgen sei. Deren Sache werde es sein, eine solche Beschlußfassung - die vom Versicherungsunternehmen benötigt werde - unmittelbar vom Verlassenschaftsgericht zu erwirken.
Rechtliche Beurteilung
I. Der dagegen erhobene Revisionsrekurs Dr.Gertrude K*****s ist unzulässig:
Nach ständiger Rechtsprechung ist der Dritte, der mit dem Erben oder der Verlassenschaft ein abhandlungsbehördlich zu genehmigendes Rechtsgeschäft geschlossen hat, nicht Beteiligter und daher nach § 9 AußStrG nicht zum Rekurs legitimiert (ZBl 1936/411; SZ 21/112; EvBl 1969/187 ua). Das entspricht dem allgemeinen Rechtssatz, daß der Vertragsgenosse (= Dritte) nicht berechtigt ist, gegen die Verweigerung der Genehmigung des mit einem Pflegebefohlenen abzuschließenden Vertrages ein Rechtsmittel zu ergreifen (NZ 1967, 79; JBl 1984, 618; RZ 1993/77; EFSlg 58.192; SZ 65/99 uva).
Daß Dr.Gertrude K***** Legatarin ist, sie schon vor der Erhebung des Rekurses die Erbserklärung abgegeben hat (ON 74) und diese Erbserklärung vor Erhebung ihres Revisionsrekurses zu Gericht angenommen und der Erbsrechtsausweis auf Grund der Aktenlage für erbracht anerkannt wurde (ON 81), ist in diesem Zusammenhang ohne Bedeutung, weil sie den Rekurs nicht in ihrer Eigenschaft als Legatarin oder Erbin (und im Interesse der Verlassenschaft), sondern allein auf Grund ihrer Stellung als Partnerin des außergerichtlichen Vergleiches aus dem Interesse am Abschluß dieses Rechtsgeschäftes erhoben hat.
Ihr Revisionsrekurs war daher zurückzuweisen.
II. Der Revisionsrekurs des Verlassenschaftskurators ist berechtigt.
Das Erstgericht hatte den ersten Verlassenschaftskurator ausdrücklich (ua) zur Vertretung der Verlassenschaft in allen Rechtsstreitigkeiten, die in Zukunft gegen die Verlassenschaft anhängig gemacht werden sollten, bestellt. Daß darunter auch drohende Rechtsstreitigkeiten fallen, kann nach Wortlaut und Sinn dieses Beschlusses keinem Zweifel unterliegen. Es besteht kein vernünftiger Grund dafür, daß der Kurator, dem eine Prozeßführung angedroht ist, erst die Zustellung der Klage abwarten müßte, um erst dann - nachdem bereits Kosten aufgelaufen sind - allenfalls einen Vergleich abzuschließen. Auch die außergerichtliche, mit Klageandrohung verbundene Geltendmachung von Forderungen ist jedenfalls eine Rechtsstreitigkeit, "die in Zukunft gegen die Verlassenschaft anhängig gemacht werden soll".
Nichts anderes kann aber für den Wirkungskreis des nunmehrigen Verlassenschaftskurators gelten, der ja dem bisherigen entsprechen sollte (arg. "wie bisher"). Soweit in dem Beschluß von den Rechtsstreitigkeiten die Rede ist, "die gegen die Verlassenschaft anhängig gemacht wurden oder anhängig sind", muß das auf einem Schreibfehler beruhen, weil die Unterscheidung keinen Sinn macht, ist doch ein anhängig gemachter Rechtsstreit eben anhängig. Gemeint waren offenbar - ebenso wie im Beschluß ON 31 - Rechtsstreitigkeiten, die in Zukunft gegen die Verlassenschaft anhängig gemacht werden und solche, die schon anhängig sind.
Der Verlassenschaftskurator war daher berechtigt und verpflichtet, über an ihn herangetragene Forderungen von Gläubigern zu verhandeln. Seine Befugnis zum Abschluß eines außergerichtlichen Vergleiches ist daher zu bejahen.
Auch der vom Erstrichter herangezogene Grund, die Genehmigung des Vergleiches zu versagen, ist nicht stichhältig. Gerade deshalb, weil die Frage, ob ein Vermögenswert in die Verlassenschaft fällt, nicht im Abhandlungsverfahren, sondern im Prozeßweg zu klären ist, war eben eine Prozeßführung ins Auge gefaßt worden, in deren Zuge der Verlassenschaftskurator die Verlassenschaft zu vertreten hätte. Zur Abwendung dieses Prozesses will der Kurator den außergerichtlichen Vergleich abschließen, um dessen Genehmigung es geht.
Da sohin die Vorinstanzen die Genehmigung aus unzutreffenden, nur formalen Gründen, verweigert haben, mußten ihre Beschlüsse aufgehoben werden. Das Erstgericht wird im fortgesetzten Verfahren unter Abstandnahme von diesen Versagungs-(= Zurückweisungs-)gründen über den Genehmigungsantrag neuerlich zu entscheiden haben.
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