OGH 7Ob281/06h

OGH7Ob281/06h20.12.2006

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Rudolf H*****, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der Verlassenschaft nach Walter M*****, gegen die beklagte Partei A*****-AG, *****, vertreten durch Egger & Musey Rechtsanwälte GmbH in Salzburg, wegen Wiederaufnahme des Verfahrens 6 Cg 64/03d des Landesgerichtes Feldkirch (Streitwert EUR 36.000,--), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Rekursgericht vom 13. Oktober 2006, GZ 4 R 209/06a-23, womit der Beschluss des Landesgerichtes Feldkirch vom 30. Juni 2006, GZ 6 Cg 180/05s-17, infolge Rekurses der klagenden Partei abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Im Verfahren 6 Cg 64/03d des Landesgerichtes Feldkirch (Hauptprozess) begehrte der inzwischen verstorbene spätere Gemeinschuldner Walter M***** von der beklagten Versicherung eine Versicherungsleistung von EUR 36.000,-- aus einem Maschinenversicherungsvertrag, der auch das Diebstahlsrisiko umfasste. Dies mit der Behauptung, eine versicherte Holzerntemaschine sei gestohlen worden.

Die Klage wurde abgewiesen, weil ein Diebstahl nicht erweislich war und zudem die in den dem Versicherungsvertrag zugrundegelegten Versicherungsbedingungen festgelegte Voraussetzung einer betriebsfertigen Aufstellung der Maschine verneint wurde. Diese Entscheidung des Landesgerichtes Feldkirch ist unbekämpft in Rechtskraft erwachsen.

In seiner Eigenschaft als Masseverwalter begehrt der Kläger die Wiederaufnahme des genannten Verfahrens aus dem Grund des § 530 Abs 1 Z 2 ZPO.

Das Erstgericht wies die Wiederaufnahmsklage nach mündlicher Verhandlung zurück, weil es die Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer Wiederaufnahmsklage als nicht gegeben erachtete. Das vom Kläger angerufene Rekursgericht hob den Beschluss der ersten Instanz auf und trug dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung unter Abstandnahme vom Zurückweisungsgrund auf, wobei es aussprach, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Es bestehe zumindest abstrakt die Möglichkeit, dass der Wiederaufnahmskläger bei umfassender und richtiger rechtlicher Beurteilung der Sache zu einem günstigeren Urteil gelangen könnte. Da die Wiederaufnahmsklage auf einen tauglichen Wiederaufnahmsgrund gestützt sei, könne sie nicht aus formalen Gründen mit Beschluss zurückgewiesen, sondern müsse meritorisch behandelt werden.

In ihrem dagegen erhobenen außerordentlichen Revisionsrekurs beantragt die beklagte Partei, die angefochtene Entscheidung des Rekursgerichtes dahin abzuändern, dass der Beschluss des Erstgerichtes wiederhergestellt werde. Hilfsweise wird der Antrag gestellt, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Rechtssache zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidungsfindung an das Rekursgericht oder das Erstgericht zurückzuverweisen.

Der Revisionsrekurs ist aus folgenden, bereits in der Entscheidung 7 Ob 99/05t angestellten Erwägungen (absolut) unzulässig:

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 519 Abs 1 Z 1 ZPO ist gegen einen im Berufungsverfahren ergehenden Beschluss des Berufungsgerichtes der Rekurs nur zulässig, soweit das Berufungsgericht die Klage oder die Berufung ohne Sachentscheidung aus formellen Gründen zurückgewiesen hat (vgl zur Wiederaufnahmsklage RIS-Justiz RS0044681). Eine Verwerfung der Berufung, soweit sie Nichtigkeit wegen eines Prozesshindernisses geltend macht, ist daher nicht anfechtbar. Wie der Oberste Gerichtshof schon mehrmals darlegte, müssen die Vorschriften über die Anfechtbarkeit von Beschlüssen des Berufungsgerichtes auch in jenen Fällen herangezogen werden, in denen über ein Rechtschutzbegehren, das auf abschließende Erledigung des Verfahrens durch Zurückweisung der Klage gerichtet ist, nicht von einem Berufungsgericht, sondern einem Rekursgericht abweisend entschieden wird (RIS-Justiz RS0043405 [T32, T34, T36, T38 und T44]).

Es wäre ein unüberbrückbarer Wertungswiderspruch, wenn zwar im Berufungsverfahren die Verwerfung einer wegen Nichtigkeit erhobenen Berufung und die Ablehnung der Zurückweisung der Klage nicht angefochten werden könnte, ein inhaltsgleiches Rechtschutzbegehren im Rekursverfahren aber einer Überprüfung in dritter Instanz zugänglich wäre (RIS-Justiz RS0054895; 9 ObA 149/92 und 9 ObA 24/96 [inländische Gerichtsbarkeit]; 9 ObA 258/92; 9 ObA 22/98w und 8 ObA 36/98x [Streitanhängigkeit]; 9 ObA 36/95 [Unzulässigkeit des Rechtsweges]; SZ 70/1 [allgemein zur analogen Anwendung]; 10 Ob 39/03p; 3 Ob 318/04t; 6 Ob 24/05f und 10 Ob 22/05s; Kodek in Rechberger2 § 528 ZPO Rz 1).

§ 543 ZPO schafft die gesetzliche Grundlage dafür, dass das Fehlen der Zulässigkeitsvoraussetzungen für Nichtigkeits- und Wiederaufnahmsklagen - so wie das Fehlen der Prozessvoraussetzungen - in jeder Lage des Verfahrens (nicht nur im Vorprüfungsverfahren gemäß § 538 ZPO) von Amts wegen (als Nichtigkeit auch aus Anlass der Berufung [stRsp; RIS-Justiz RS0044681]) wahrzunehmen ist (Fasching LB2 Rz 2093). Auch wenn - wie hier - eine mündliche Verhandlung abgehalten wurde, ist daher eine unschlüssige Wiederaufnahmsklage - anders als sonstige unschlüssige Klagen - nicht mit Urteil ab-, sondern mit Beschluss zurückzuweisen (§§ 538 und 543 ZPO; RZ 1990/71; Kodek aaO § 543 ZPO Rz 1); demnach konnte die Entscheidung erster Instanz nur mit Rekurs angefochten werden (7 Ob 268/98g; 4 Ob 155/02a; 1 Ob 251/04z mwN).

Die im Revisionsrekurs bekämpfte Ansicht, das Erstgericht habe über die Wiederaufnahmsklage unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund zu entscheiden, stellt daher die Verneinung einer Nichtigkeit durch das Rekursgericht dar, die zufolge der auch hier gebotenen analogen Anwendung des § 519 Abs 1 Z 1 ZPO in dritter Instanz nicht mehr geltend gemacht und vom Obersten Gerichtshof nicht überprüft werden kann.

Jelinek vertritt in Fasching/Konecny² IV/1 § 543 ZPO Rz 9 (den zu § 543 ZPO ergangenen Spr41 neu = SZ 28/95 = JBl 1955, 337 referierend) dagegen die Ansicht, der Rekurs gegen einen Beschluss wie den gegenständlichen sei unter den Voraussetzungen des § 528 ZPO zulässig: Weil das Prüfungsverfahren gemäß § 543 ZPO kontradiktorisch ausgestaltet sei, entfalte ein in diesem Verfahren ergehender Beschluss gegenüber den Parteien und den Gerichten (damit auch gegenüber dem Obersten Gerichtshof) volle Bindungswirkung, woraus sich ergebe, dass ein im kontradiktorischen Verfahren ergehender rekursgerichtlicher Beschluss, mit dem die Zulässigkeit der Rechtsmittelklage bejaht werde, der Kontrolle des Obersten Gerichtshofs unterliegen müsse (vgl auch Kodek in Rechberger² § 543 ZPO Rz 2). Diese Ausführungen können die eben angestellten Überlegungen, die zu einer absoluten Unanfechtbarkeit der Entscheidung des Rekursgerichtes führen, jedoch nicht widerlegen. Am - die Zulässigkeit des Revisionsrekurses bejahenden - Rechtssatz RIS-Justiz RS0044652 kann daher, wie in der erwähnten Entscheidung 7 Ob 99/05t bereits ausgeführt, im Hinblick auf die seit dem Jahre 1995 in ständiger Rechtsprechung vertretenen, in den Rechtssatz RIS-Justiz RS0054895 mündenden Erwägungen nicht festgehalten werden. Die gegenteilige Meinung wurde seit 1995 nur in den Entscheidungen 9 ObA 125/99v und 6 Ob 245/00y jeweils obiter (dort hatte das Erstgericht die Wiederaufnahmsklage jeweils bereits im Vorprüfungsverfahren gemäß § 538 ZPO zurückgewiesen) wiedergegeben und lässt sich nicht weiter vertreten.

Der demnach absolut unzulässige außerordentliche Revisionsrekurs der Beklagten ist zurückzuweisen.

Im Übrigen wäre das Rechtsmittel der Beklagten aber auch mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückzuweisen gewesen, weil der Revisionsrekurs keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne dieser Gesetzesstelle aufzeigt.

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