OGH 9ObA130/06t

OGH9ObA130/06t20.12.2006

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling und Dr. Hopf sowie die fachkundigen Laienrichter DI Walter Holzer und Mag. Gabriele Jarosch als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Dr. Michael W*****, Consulter, *****, vertreten durch Mag. Ralph Kilches, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei i***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Alfred Mohr, Rechtsanwalt in Wien, wegen EUR 61.496,59 brutto sA (Revisionsinteresse EUR 13.362,99), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 30. Jänner 2006, GZ 8 Ra 105/05b-37, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Klägers bezieht sich auf die teilweise Abweisung des Klagebegehrens von EUR 13.362,99 sA (Entgelt EUR 11.881,44 und Reisekosten EUR 1.481,55). Ob der Kläger als „Seniorconsultant" freier oder echter Arbeitnehmer der Beklagten war, wird erst im fortgesetzten Verfahren hinsichtlich der im Umfang von weiteren EUR 47.836,56 sA (Kündigungsentschädigung) vom Berufungsgericht zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesenen Rechtssache zu klären sein. Für den Revisionsgegenstand ist diese Frage jedoch nicht entscheidend. Selbst wenn der Kläger echter Arbeitnehmer der Beklagten gewesen wäre, ist für seinen Standpunkt nichts zu gewinnen:

Der Kläger steht auf dem Standpunkt, dass er im Zeitraum vom 13. 5. bis 30. 9. 2003 für die Beklagte 26,76 Arbeitstage mehr geleistet habe, als bisher von ihm verrechnet und von der Beklagten honoriert worden seien. Aus dem „Vertrag über ein freies Dienstverhältnis" der Parteien vom 23. 6. 2003 ist für den gegenständlichen Entgeltanspruch des Klägers relevant, dass laut Pkt 7 das pro Arbeitstag vereinbarte Entgelt von EUR 370 jeweils am Monatsletzten fällig und von einer monatlichen Rechnungslegung des Klägers über die von ihm jeweils geleisteten Arbeitstage abhängig sein sollte. Maximal durften vom Kläger 150 Arbeitstage in einem Jahr verrechnet werden. Weiters wurde in Pkt 10 des freien Dienstvertrags von den Parteien vereinbart, dass sämtliche offenen Ansprüche aus diesem Vertrag bei sonstigem Verfall innerhalb von drei Monaten ab Fälligkeit beim Vertragspartner schriftlich geltend gemacht werden müssen. Was die Parteien unter „geltend machen" verstanden, hängt daher von der Auslegung des freien Dienstvertrags ab, der keine über den Einzelfall hinausgehende erhebliche Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO zukommt.

Richtig ist, dass die Rechtsprechung zur Wahrung der Verfallsfrist keine ziffernmäßige Konkretisierung des Anspruchs verlangt, doch muss das Begehren auch in seinem solchen Fall wenigstens annähernd konkretisiert werden (RIS-Justiz RS0034446 ua). Wird die gebotene Konkretisierung unterlassen, dann tritt der Verfall ein. Die Auslegung des Berufungsgerichts steht mit dieser Rechtsprechung im Einklang. Das Berufungsgericht folgerte nämlich aus der vertraglichen Verpflichtung des Klägers, die tatsächlich geleisteten Arbeitstage zu verrechnen, dass die dreimonatige Verfallsfrist im vorliegenden Fall ungenützt verstrichen sei, weil der Kläger bisher eine Benennung jener Tage, die über die bereits von ihm verrechneten und von der Beklagten honorierten Tage hinausgehen, unterlassen und daher das darauf entfallende Entgelt nicht rechtzeitig iSd Pkt 10 des abgeschlossenen Vertrags "geltend gemacht" habe. Bei dieser Auslegung wird berücksichtigt, dass Verfallsklauseln den Zweck haben, dem Beweisnotstand zu begegnen, in dem sich der Arbeitgeber bei verspäteter Geltendmachung befinden würde. Die Verfallsklausel zwingt daher den Arbeitnehmer, allfällige Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis möglichst bald und damit zu einer Zeit geltend zu machen, in der nicht nur ihm selbst, sondern auch dem Arbeitgeber die zur Klarstellung des rechtserheblichen Sachverhalts notwendigen Beweismittel in aller Regel noch zur Verfügung stehen (9 ObA 111/06y; RIS-Justiz RS0034417 ua). Weshalb dem Kläger, wie er in der Revision behauptet, die Benennung der Tage, an denen er für die Beklagte gearbeitet hat, „nicht möglich" gewesen sein sollte, ist ebenso wenig ersichtlich, wie die Behauptung, er hätte die Tage nicht abrechnen „dürfen". Auch für die Behauptung des Revisionswerbers, die Beklagte habe „wider besseres Wissen" weniger Gehalt ausgezahlt, als dem Kläger zugestanden sei, gibt es keine Grundlage.

Auch der Revisionswerber räumt ein, dass die Rechtsprechung bereits wiederholt erkannte, dass dreimonatige Verfallsklauseln im Regelfall nicht sittenwidrig sind (vgl 4 Ob 78/85; 9 ObA 163/97d, DRdA 1998/28 [Resch]; RIS-Justiz RS0016688 ua). Seine Auffassung, die bisherige Rechtsprechung habe sich beim Verfall immer nur auf Überstunden bezogen, trifft nicht zu (vgl etwa 4 Ob 90/82, 9 ObA 86/01i zu Provisionen; 8 ObS 14/06a zu Entgelt und Urlaubsremuneration, ua). Entscheidend ist aber nicht allein die Länge der Frist, sondern vor allem, dass die Geltendmachung der Ansprüche nicht ohne sachlichen Grund übermäßig erschwert werden darf (RIS-Justiz RS0016688, RS0034533 ua). Eine derartige übermäßige Erschwerung liegt hier nicht vor. Verfallsfristen können im Übrigen nicht nur in Kollektivverträgen, sondern auch in Arbeitsverträgen festgelegt werden (Löschnigg, Arbeitsrecht10 312 f mwN ua).

Richtig ist, dass der Arbeitgeber gemäß § 26 Abs 1 AZG Aufzeichnungen über die geleisteten Arbeitsstunden eines Arbeitnehmers zu führen hat. Dabei geht es allerdings primär um die Einhaltung der arbeitszeitrechtlichen Grenzen. Im Übrigen kann davon abweichend vereinbart werden, dass die Arbeitszeitaufzeichnungen vom Arbeitnehmer zu führen sind (§ 26 Abs 1 AZG). Letzteres ist insbesondere bei Gleitzeit vorgesehen, kann aber auch bei anderen Arbeitszeitformen wirksam vereinbart werden. Sinnvoll ist eine solche Vereinbarung bei jenen Arbeitszeitformen, bei denen sich der Arbeitnehmer - wie auch im Fall des Klägers - die Arbeit selbst einteilen kann, zB bei Führungskräften, Dienstreisen etc (vgl Schwarz in Cerny/Klein/Schwarz, AZG § 26 Erl 2 ua).

Darauf, dass die Vereinbarung der Parteien „jedenfalls gegen § 2 AVRAG, insbesondere Abs 2 Z 9" verstoße, hat sich der Kläger in erster Instanz nicht berufen. Es ist auch nicht ersichtlich, was hieraus für seinen Standpunkt zu gewinnen sein sollte, zumal es hier nicht um einen Dienstzettel geht, der in § 2 AVRAG geregelt wird. Die weitere Annahme des Revisionswerbers, die Verfallsfrist würde sich durch die Prüfung der Abrechnungen durch den Arbeitgeber verkürzen, ist ebenso verfehlt. Die dreimonatige Verfallsfrist läuft laut Vereinbarung der Parteien ab Fälligkeit (vgl auch RIS-Justiz RS0064232 ua). Wurde wie im vorliegenden Fall ein Zeitpunkt für die Rechnungslegung vereinbart, so ist dieser Zeitpunkt für den Beginn der Verfallsfrist maßgebend (vgl 10 Ob 2417/96f ua). Hinsichtlich der abgewiesenen Reisekosten von EUR 1.481,55 bezieht sich der Revisionswerber in seinen Ausführungen nur auf den darin enthaltenen Teilbetrag von EUR 93,70 für die Anschaffung einer Vorteilskarte. Eine Vereinbarung der Parteien, auf die der Kläger einen diesbezüglichen Ersatzanspruch stützen könnte, besteht nicht; auf eine andere Anspruchsgrundlage hat sich der Kläger in erster Instanz nicht berufen. Eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO ist somit auch insoweit nicht erkennbar. Die außerordentliche Revision des Klägers ist daher zurückzuweisen.

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