OGH 7Ob268/06x

OGH7Ob268/06x11.12.2006

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber als Vorsitzende sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Valentin S*****, vertreten durch Dr. Siegfried Rack und Mag. Gottfried Tazol, Rechtsanwälte in Völkermarkt, gegen die beklagte Partei H***** AG, *****, vertreten durch Dr. Christoph Lassmann-Wichtl, Rechtsanwalt in Wien, wegen EUR 100.375,-- sA, über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht vom 11. August 2006, GZ 3 R 101/06g-42, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 5. Jänner 2006, GZ 50 Cg 5/05s-33, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

1.) Die Bezeichnung der beklagten Partei wird von „D*****-Aktiengesellschaft" auf „H*****AG" von Amts wegen berichtigt.

2.) Der Rekurs der beklagten Partei wird zurückgewiesen. Die klagende Partei hat die Kosten ihrer Rekursbeantwortung selbst zu tragen.

Text

Begründung

Zu 1.):

Die Entscheidung über die Änderung der Parteibezeichnung der Beklagten beruht auf § 235 Abs 5 ZPO und dem offenen Firmenbuch (FN 116899k).

Zu 2.):

Der Kläger war selbständiger Landwirt. Zu seinem landwirtschaftlichen Betrieb gehörte unter anderem ein in Massivbauweise errichtetes Wirtschaftsgebäude, an dessen Ostseite sich ein von ihm bereits vor rund 20 Jahren zum Zwecke des Abstellens seines Mähdreschers errichteter Unterstand (Flugdach) anschloss. Dieser Unterstand war nach drei Seiten hin offen und bestand aus in der Erde verankerten Eisenstehern, die ein mit Wellblech eingedecktes Pultdach aus Holz trugen. Am 4. 8. 2003 geriet der damals teilweise unter dem Flugdach stehende Mähdrescher des Klägers in Brand, wobei sich das Feuer auf das benachbarte Wirtschaftsgebäude ausbreitete und dieses schwer beschädigte. Der Mähdrescher brannte zur Gänze aus. Die Beklagte hat dem Kläger als ihrem Versicherungsnehmer vor Prozessbeginn lediglich den Zeitwert des Mähdreschers in Höhe von EUR 47.700,-- ersetzt; eine Ersatzleistung für den Gebäudeschaden wurde mit der Behauptung ihrer Leistungsfreiheit wegen grob fahrlässiger Herbeiführung des Schadens abgelehnt.

Der Kläger hatte bei der Beklagten eine Feuerversicherung abgeschlossen, die sowohl die Gebäude als auch die zum landwirtschaftlichen Betrieb gehörenden Traktoren und den Mähdrescher umfasste. Von den dieser Feuerversicherung zugrundeliegenden und von den Vorinstanzen im Einzelnen näher festgestellten und unstrittigen Allgemeinen Versicherungsbedingungen ist aus der Besonderen Vertragsbeilage mit der Nummer 105931 für die Feuerversicherung - Zusatzbedingungen für die Feuerversicherung von landwirtschaftlichen Betrieben (ZBF-LDW), Fassung 1996, deren Punkt 6. („Obliegenheiten des Versicherungsnehmers vor Eintritt des Schadenfalles/Sicherheitsvorschriften") hervorzuheben. Dieser lautet auszugsweise wie folgt:

„Als Sicherheitsvorschriften ... werden vereinbart:

...

b) Kraftfahrzeuge mit Verbrennungsmotoren und deren Treibstoffe dürfen weder dauernd noch vorübergehend in Scheunen oder anderen Gebäuden, worin leicht brennbare Stoffe (Heu, Stroh usw) lagern, untergebracht oder als stationäre Antriebsquelle verwendet werden. [Hervorhebung durch den Senat]

..."

Der Kläger begehrte auf Basis der abgeschlossenen Neuwertversicherung den Ersatz seines nach Abzug der Versicherungsleistung von EUR 47.700,-- mit insgesamt restlich EUR 100.375,-- sA bezifferten Schadens. In diesem Betrag sind für den Schaden am Mähdrescher weitere EUR 22.260,-- und für den Schaden am Wirtschaftsgebäude samt weiteren dort entstandenen Schäden EUR 78.115,-- enthalten. Die Beklagte beantragte die Klageabweisung wegen fehlender Sachlegitimation des Klägers zufolge Vinkulierung der Polizze, weiters grob fahrlässigen Verstoßes gegen die in Punkt 6. enthaltenen Sicherheitsvorschriften und Wahl eines für die Unterbringung des Mähdreschers ungeeigneten Standortes. Die Beklagte sei daher nach § 61 VersVG leistungsfrei. Die Entschädigungsleistung des Mähdreschers sei mit dem Zeitwert desselben begrenzt; ein Neuwertersatz für das Gebäude scheide aus, weil der Kläger keinen Wiederaufbau nachgewiesen habe.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren zur Gänze ab. Es bewertete das zum Brand führende Verhalten des Klägers als grob fahrlässige Verletzung der vereinbarten Sicherheitsvorschriften mit daraus resultierender Leistungsfreiheit.

Das Berufungsgericht hob das angefochtene Ersturteil auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück. Abweichend vom Erstgericht verneinte es eine Deckungsfreiheit bedingende Verletzung von Sicherheitsvorschriften. Die dem Kläger vorgeworfene Vorschrift beinhalte ein Verbot des Abstellens und Unterbringens von Kraftfahrzeugen mit Verbrennungsmotoren und deren Treibstoffen lediglich „in" Scheunen und Gebäuden, „worin" leicht brennbare Stoffe (Heu, Stroh) „lagern". Im Anlassfall sei der Brand darauf zurückzuführen, dass ein technisches Gebrechen aufgetreten sei. Dass der Kläger den Mähdrescher (nach der Temperaturanzeige im „roten Bereich") nicht auf offenem Feld stehengelassen habe, sondern trotz erhöhter Temperatur innerhalb weniger Minuten zu seinem Anwesen zurückgefahren sei, könnte ihm nicht als grob fahrlässiges Verhalten zur Last gelegt werden. Da der Versicherungsnehmer trotz Vinkulierung wirksam über die Versicherungsforderung verfügen könne, sei der Kläger zu deren Geltendmachung legitimiert. Allerdings fehlten bisher Feststellungen zur Höhe der Ansprüche des Klägers, was zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Erstgericht führen müsse.

Das Berufungsgericht ließ den Rekurs gegen seinen Aufhebungsbeschluss „mangels Judikatur zu einer vergleichbaren Auslegungsproblematik des Punktes 6.b der Zusatzbedingungen für die Feuerversicherung von landwirtschaftlichen Betrieben (ZBF-LDW; Fassung 1996)" zu. Gegen diese Entscheidung richtet sich der auf den Rechtsmittelgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützte Rekurs der beklagten Partei mit dem Antrag, die bekämpfte Entscheidung im Sinne einer Wiederherstellung des erstinstanzlichen klageabweislichen Urteiles abzuändern; hilfsweise wird auch ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die klagende Partei beantragt in ihrer Rekursbeantwortung primär, dem gegnerischen Rechtsmittel keine Folge zu geben und hilfsweise, dieses als unzulässig „zurück- bzw abzuweisen".

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch (§ 508a Abs 1 ZPO) mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig. Gemäß § 510 Abs 3 letzter Satz ZPO iVm § 528a ZPO kann sich die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes hiebei auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken.

Das Berufungsgericht hat selbst darauf hingewiesen, dass sich der

Oberste Gerichtshof bereits zu 7 Ob 20/92 (VersR 1994, 123 = VersE

1543) mit einer sinn- und wortgleichen Versicherungsbedingung

(Sicherheitsvorschrift) im Rahmen einer landwirtschaftlichen Bündel-

einschließlich Feuerversicherung zu befassen hatte. Auch dort war ein

Brand am landwirtschaftlichen Anwesen des Klägers Grundlage des

Verfahrens und hatte sich der beklagte Versicherer ebenfalls unter

anderem auf Leistungsfreiheit wegen Verletzung dieser Bedingung

berufen. Allerdings war im damaligen Fall der brandauslösende und für

Ausmistarbeiten als stationäre Antriebsquelle eingesetzte Traktor in

der Laufstallung des zur Lagerung landwirtschaftlicher Geräte,

Maschinen sowie Futter- und Brennmittel verwendeten Scheunenbereiches

des dortigen Klägers unbeaufsichtigt abgestellt gewesen, was als

schuldhafte Obliegenheitsverletzung (RIS-Justiz RS0081227) im Sinne

der entsprechenden Versicherungsbedingung qualifiziert wurde. Im

vorliegenden Fall hat der Kläger den in Brand geratenen Mähdrescher

außerhalb des Wirtschaftsgebäudes, wenngleich zunächst unter einem

daran unmittelbar angrenzenden Flugdach abgestellt. Der Abstellplatz

war nach drei Seiten offen und wurde nicht zur Lagerung leicht

brennbarer Stoffe im Sinne der maßgeblichen Versicherungsbedingungen

verwendet. Der Kläger suchte das Flugdach speziell wegen der

Schattenlage (gegenüber dem sonnenerhitzten Feld, wo er zuvor

gearbeitet und den „roten Bereich" der Temperaturanzeige bemerkt

hatte) auf und wollte den erhitzten Motor dort mit kaltem Wasser

abkühlen. Nach Bemerken der ersten Flammenbildung versuchte er auch

sogleich, das Gefährt aus dem Unterstand zu entfernen, was jedoch

wegen der großen Hitzebildung und Flammenentwicklung nur mehr

teilweise gelang. Wenn das Berufungsgericht daher - in Würdigung der

Umstände des konkreten Einzelfalles in Verbindung mit einer unter

Beschränkung auf ihren Wortlaut („in Scheunen oder anderen Gebäuden,

worin leicht brennbare Stoffe ... lagern") orientierten Auslegung (§

914 ABGB; RIS-Justiz RS0008901) zum Ergebnis gelangte, dass der Beklagten damit insgesamt der Nachweis eines Verstoßes gegen die genannte Sicherheitsvorschrift durch den Kläger nicht gelungen sei, so liegt darin keinesfalls eine krasse, eine erhebliche Rechtsfrage gemäß § 502 Abs 1 ZPO begründende und vom Obersten Gerichtshof zu korrigierende Fehlbeurteilung vor.

Gleiches hat auch für die Verneinung des Vorwurfes einer grob fahrlässigen Herbeiführung des Versicherungsfalles im Sinne des § 61 VersVG zu gelten. Abgesehen davon, dass die Beklagte selbst durch ihre vorprozessuale Teilleistung des Zeitwertes des zerstörten Mähdreschers offenkundig die gesetzten Verhaltensweisen des klägerischen Versicherungsnehmers nicht als derart gravierend qualifiziert hat, ist auch diese Beurteilung nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes eine solche des Einzelfalles, die von den kasuistischen Gegebenheiten des zur Beurteilung anstehenden singulären Falles abhängig ist (RIS-Justiz RS0044262; 7 Ob 8/99y = VersR 2002, 256; 7 Ob 37/01v = VersR 2002, 1404).

Der Rekurs der Beklagten ist damit insgesamt als unzulässig zurückzuweisen. Auf den in erster Instanz ebenfalls geltend gemachten Abweisungsgrund der fehlenden Aktivlegitimation des Klägers infolge Vinkulierung der Versicherung kommt sie in ihrem Rechtsmittel nicht mehr zurück, sodass darauf nicht näher einzugehen ist. Ein Zuspruch von Kosten für die Rekursbeantwortung konnte nicht erfolgen, da der Kläger zwar hierin (eventualiter) die „Zurück- bzw Abweisung" des gegnerischen Rechtsmittels beantragt, dies jedoch nicht näher - insbesondere im Lichte des § 502 Abs 1 ZPO - begründet hat. Damit ist sein Schriftsatz nicht als zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlich anzusehen (1 Ob 224/04d).

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