OGH 1Ob224/04d

OGH1Ob224/04d23.11.2004

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer, Dr. Zechner und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1.) Dr. Franz G***** und 2.) Dr. Bojan V*****, beide Rechtsanwalt, *****, wider die beklagten Parteien 1.) Ismet O***** und 2.) Emina O*****, beide vertreten durch Dr. Alexander Haas, Rechtsanwalt in Graz, wegen 4.921,47 EUR sA infolge ordentlicher Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 22. Juni 2004, GZ 7 R 54/04v-37, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Bezirksgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 11. Dezember 2003, GZ 41 C 527/02m-33, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagenden Parteien haben die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.

Text

Begründung

Die Zweitbeklagte beauftragte die Kläger mit der Durchsetzung ihrer Schadenersatzansprüche aus einem ärztlichen Kunstfehler, der darin bestand, dass anlässlich einer Operation am 16. Februar 1994 in einem Krankenhaus ein Stück Plastikschlauch im Bauchraum der Zweitbeklagten vergessen - und erst am 3. 10. 1997 wieder entfernt - worden war. Auf Grund einer Kontaktaufnahme durch die Beklagten kam es am 25. Juni 1999 zu einer Besprechung in der Kanzlei der Kläger, bei der die Leidensgeschichte der Zweitbeklagten erörtert wurde. Gleichzeitig teilten die Beklagten den Klägern mit, dass sie sich bereits an die Schlichtungsstelle der Ärztekammer gewandt, Schmerzengeld in Höhe von 450.000 S gefordert und ein Anbot in Höhe von 70.000 S bzw 80.000 S als zu gering abgelehnt hätten. Anlässlich dieses Gesprächs wurden die Beklagten auch über die Kostenfrage aufgeklärt. Der Zweitkläger wies darauf hin, dass nach Tarif abgerechnet werde, wobei den Beklagten auch Beispiele für eine außergerichtliche und eine gerichtliche Abwicklung gegeben wurden. Der Erstbeklagte erklärte, die Forderung der Vertretung "in sein Versprechen" zu übernehmen, weshalb in weiterer Folge auch Gespräche über die Arbeitsstätten und den Verdienst des Erstbeklagten geführt wurden. In einem Telefonat teilte der Erstbeklagte dem Zweitkläger schließlich mit, dass er in den letzten zwei Jahren lediglich fünf Monate einer Beschäftigung nachgegangen sei, über wenig Geld verfüge und den von den Klägern geforderten Kostenvorschuss nicht bezahlen könne. In einer folgenden Besprechung wurde zwischen dem Zweitkläger und den Beklagten die weitere Vorgangsweise, insbesondere die Höhe der Schmerzengeldforderung und die Kostenproblematik, erörtert. In Anbetracht der erneut zur Sprache gekommenen finanziellen Schwierigkeiten des Erstbeklagten wies der Zweitkläger die Beklagten auf die Möglichkeit eines Verfahrenshilfeantrags für den Fall der Einbringung einer Klage bei Gericht hin und händigte den Beklagten ein Verfahrenshilfeformular aus.

Nachdem die Beklagten das Anbot einer Versicherung in Höhe von 120.000 S als zu gering abgelehnt hatten, erteilten sie am 14. Dezember 1999 den Klägern in einem Telefongespräch den Auftrag, die Klage einzubringen, wobei erneut ein aufklärendes Gespräch über die Kosten geführt wurde. Mit Schreiben vom 14. Dezember 2000 wurde der Zweitbeklagten der Entwurf der Klage mit dem Ersuchen übermittelt, zu erklären, ob die Klage in dieser Form eingebracht werden sollte, oder ob Änderungen gewünscht werden. Anlässlich eines Telefongesprächs wurden erneut die Kosten mit dem Erstbeklagten besprochen und dieser dahin aufgeklärt, dass, sofern das Sachverständigengutachten die Hälfte des eingeklagten Betrags ergeben sollte, keine Kostenbelastung für die Beklagten zu erwarten sei.

Am 2. Februar 2000 brachte der Zweitkläger namens der Zweitbeklagten gegen den Krankenhausträger sowie zwei Ärzte die Klage über 350.000 S zuzüglich eines Feststellungsbegehrens ein. Auf Grund des zugleich mit der Klage gestellten Antrags, der sich nicht auch auf die Beigabe eines Verfahrenshilfeanwalts erstreckte, wurde der Zweitbeklagten die Verfahrenshilfe gewährt. Anlässlich einer Besprechung zwischen dem Zweitkläger und den Beklagten am 19. Juli 2001 wurden das - für die Zweitbeklagte negative - Sachverständigengutachten erörtert und die sich daraus ergebenden Konsequenzen besprochen. Insbesondere wurde auch die Frage der Kosten erörtert und den Beklagten erklärt, dass sowohl die Kosten der Gegenseite als auch die Kosten der Kläger zu zahlen sein werden. Nachdem ein Versuch des Erstklägers mit dem Krankenhausträger, einen Vergleich über 80.000 S zu schließen, misslang, kündigte der Zweitkläger die Vollmacht und legte sein Mandat zurück.

Die Kläger begehrten die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 4.921,74 EUR samt Zinsen als angemessenes Honorar für die Prozessvertretung.

Die Beklagten wendeten im Wesentlichen ein, die Vertretung sei mangelhaft gewesen: Die Kläger hätten zum einen aus prozessualer Vorsicht einen geringeren Schmerzengeldbetrag geltend machen und zum anderen die Beklagten über die Verfahrenskosten und die Möglichkeit, einen Verfahrenshilfeanwalt zu beantragen, aufklären müssen. Der Erstbeklagte habe keinen Auftrag zur Vertretung erteilt und keine Haftung für allfällige Honorarforderungen der Kläger übernommen. Mangels der gebotenen Aufklärung durch die Kläger sei ihnen ein Schaden in Höhe der eingeklagten Forderung entstanden, der gegen diese bis zu deren Höhe aufrechnungsweise eingewendet werde; auch stehe den Klägern mangels entsprechender Aufklärung kein Honorar zu. Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt und sprach aus, dass die eingewendete Gegenforderung nicht zu Recht bestehe. Der Zweitkläger habe seine Leistung mangelfrei erbracht, weil er die Klage vor deren Einbringung den Beklagten mit dem Ersuchen zur Kenntnis gebracht habe, ihm allfällige Änderungen bekannt zu geben. Der Vorwurf der Überklagung könne dem Zweitkläger nicht gemacht werden, weil die Klagssumme in Absprache mit den Beklagten festgesetzt und gegen deren ausdrücklichen Wunsch sogar herabgesetzt worden sei. Die Abrechnung seiner Kosten sei nicht zu beanstanden.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und erklärte die ordentliche Revision letztlich für zulässig. Die Erklärung des Erstbeklagten, die Kosten der Vertretung "in sein Versprechen" zu übernehmen, bedeute nichts Anderes, als dass er sich damit verpflichtet habe, allfällige Honorarforderungen der beauftragten Rechtsanwälte zu begleichen. "Anhaltspunkte, dass für die Kläger klar erkennbar gewesen sein musste, dass auf Grund der von der Zweitbeklagten geschilderten Schmerzen und Probleme eine eklatante Überklagung gegeben gewesen sein könnte", seien nicht vorgelegen. Die Beklagten hätten nicht aufzuzeigen vermocht, auf Grund welcher besonderen Umstände den Klägern die Aussichtslosigkeit des Begehrens hätte erkennbar sein müssen. Die Kläger seien auch der von einem Rechtsanwalt zu fordernden Aufklärungspflicht über die Kostenfolgen nachgekommen, zumal mit den Beklagten aufklärende Gespräche darüber geführt worden seien. Zu dem in der Berufung nicht mehr aufgegriffenen Vorwurf, die Kläger hätten die Beklagten nicht über die Möglichkeit, einen Verfahrenshilfeanwalt zu beantragen, aufgeklärt, führte das Berufungsgericht "trotzdem" aus, es ließe die von einem Rechtsanwalt zu fordernde Aufklärungspflicht überspannen, müsste er seinen Mandanten auch über diese Möglichkeiten bei sonstigen Haftungsfolgen aufklären. Die ordentliche Revision sei zulässig: Die vorliegend zu lösende Rechtsfrage bestehe im Wesentlichen darin, inwieweit ein Rechtsanwalt verpflichtet sei, seine Mandanten über die Möglichkeit aufzuklären, Verfahrenshilfe unter Beigebung eines Anwalts zu beantragen, wenn ihm die ungünstigen Einkommensverhältnisse seiner Mandantin bekannt sind. Dazu fehle Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision erweist sich als unzulässig, weil die Revisionswerber nicht aufzeigen, inwieweit die angefochtene Entscheidung von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO abhinge. Die Beklagten haben ihre Behauptung, die Kläger hätten sie vor Einbringung der Klage nicht (ausreichend) über die Möglichkeiten der Verfahrenshilfe aufgeklärt, im Berufungsverfahren nicht aufrechterhalten, sodass darauf vom Berufungsgericht nicht mehr einzugehen war (EvBl 1985/154 ua; Kodek in Rechberger2 § 471 ZPO Rz 9). Soweit sie dem Berufungsgericht den Vorwurf einer unrichtigen rechtlichen Beurteilung machen, weil es sich mit dieser Frage nicht oder nicht umfassend auseinandergesetzt habe, geht ihre Rüge daher ins Leere. Wurde das Ersturteil nur wegen der vermeintlich unrichtigen Beurteilung einzelner gegen die Kläger gerichteten Vorwürfe angefochten, so können die im Berufungsverfahren nicht mehr aufrechterhaltenen Vorwürfe in der Rechtsrüge der Revision nicht mehr geltend gemacht werden (Kodek, aaO § 503 ZPO Rz 5 mit Judikaturnachweisen). Daran ändert auch der Umstand nichts, dass das Berufungsgericht "trotzdem" beiläufig seiner Rechtsauffassung Ausdruck verlieh, den Klägern sei auch insoweit kein Vorwurf zu machen.

Zutreffend verweisen die Revisionswerber selbst darauf, dass (erst) die im Vorprozess bestellten Sachverständigen zu dem Schluss gelangten, die Schmerzen der Zweitbeklagten rührten nicht von dem im Bauchraum vergessenen Plastikschlauchs, sondern von einer damit nicht im Zusammenhang stehenden Beeinträchtigung ihres Bewegungsapparats her. Warum dies für die Kläger hätte voraussehbar sein können, legen die Revisionswerber nicht dar, ja sie gestehen selbst zu, ein Anwalt könne die "tatsächliche Höhe des Schmerzengeldes" auf Grund seiner mangelnden medizinischen Kenntnisse nicht beurteilen. Soweit das Berufungsgericht der Auffassung der Beklagten, die Kläger hätten schon wegen der betragsmäßig erheblich geringeren Vergleichsanbote vorsichtshalber einen niedrigeren Betrag einklagen müssen, nicht gefolgt ist, kann darin keine bedenkliche Fehlbeurteilung erblickt werden. Abgesehen davon, dass derartige Vergleichsanbote häufig - manchmal sogar erheblich - niedriger sind als der tatsächlich zustehende Schmerzengeldanspruch, lassen die Beklagten auch außer Acht, dass sie ursprünglich noch mehr einklagen wollten. Die Frage, unter welchen Umständen Schmerzengeldforderungen in einer bestimmten Höhe für durchsetzbar gehalten werden können, stellt wegen ihrer Einzelfallbezogenheit jedenfalls keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO dar.

Entsprechendes gilt für die Frage, wie genau ein Klient über die Höhe des dem Rechtsanwalt gebührenden Honorars für eine Prozessvertretung aufzuklären ist. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen hat der Zweitkläger darauf hingewiesen, dass nach Tarif abgerechnet werde, und dem Beklagten dabei auch Beispiele für eine außergerichtliche bzw eine gerichtliche Erledigung gegeben. Damit geht der Vorwurf ins Leere, von den Beklagten habe nicht erwartet werden können, die Bestimmungen des RATG "sowie der AHR" (?) zu kennen. Dass die angestellten Berechnungsbeispiele unrichtig oder unvollständig gewesen wären, wird in der Revision nicht dargelegt. Ebensowenig ist der von den Revisionswerbern behauptete Widerspruch des Berufungsurteils zur "hiezu ergangenen" Judikatur des Obersten Gerichtshofs zur Frage, ob es zu einer "Beauftragung" der klagenden Parteien durch die erstbeklagte Partei gekommen sei, zu sehen. Zutreffend hat das Berufungsgericht erkannt, dass die Erklärung des Erstbeklagten, die Forderung aus der Vertretung "in sein Versprechen zu übernehmen", als eine Verpflichtungserklärung, Honorarforderungen der beauftragten Rechtsanwälte zu begleichen, anzusehen ist. Ob es sich dabei um eine Verpflichtung als Auftraggeber oder um einen Schuldbeitritt handelt, wurde zwar nicht abschließend beurteilt, ist aber für die Zahlungspflicht des Erstbeklagten ohne Bedeutung. Die Revisionsbehauptung, der Erstbeklagte habe sich lediglich bereit erklärt, einen Kostenvorschuss bereit zu stellen, widerspricht den Tatsachenfeststellungen der Vorinstanzen.

Die Revisionsgegner haben die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung selbst zu tragen, weil ihr Schriftsatz nicht als zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlich anzusehen ist. Sie haben zwar unter anderem auch die Zurückweisung der Revision "wegen Unzulässigkeit" beantragt, jedoch zur entscheidenden Frage, ob eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO zu beantworten ist, nicht Stellung genommen.

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