OGH 7Ob20/92

OGH7Ob20/921.10.1992

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Wurz als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta, Dr.Egermann, Dr.Niederreiter und Dr.Schalich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien Ernst und Irmgard E*****, vertreten durch Dr.Heinz Buchmayr, Rechtsanwalt in Linz, wider die beklagte Partei W***** Versicherungs-Aktiengesellschaft, *****, vertreten durch Dr.Manfred Melzer, Dr.Erich Kafka und Dr.Manfred Palkovits, Rechtsanwälte in Wien, wegen S 1,500.000,-- s.A., infolge Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 13.Mai 1992, GZ 3 R 92/92-15, womit infolge Berufung der klagenden Parteien das Urteil des Kreisgerichtes Ried i.I. vom 10.Februar 1992, GZ 2 Cg 289/91-8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagenden Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der beklagten Partei die mit S 23.946,12 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 3.991,02 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Kläger haben bei der beklagten Partei eine landwirtschaftliche Bündelversicherung, die auch eine Feuerversicherung umfaßt. Dem Versicherungsverhältnis liegen die Allgemeinen Bedingungen für die Sachversicherung (ABS 1971) und die Zusatzbedingungen für die landwirtschaftliche Gesamtfeuerversicherung zugrunde, deren hier maßgebliche Bestimmungen folgenden Wortlaut haben: Verletzt der Versicherungsnehmer gesetzliche, polizeiliche oder vereinbarte Sicherheitsvorschriften oder duldet er ihre Verletzung, kann der Versicherer innerhalb eines Monats, nachdem er von der Verletzung Kenntnis erlangt hat, die Versicherung mit einmonatiger Frist kündigen. Das Kündigungsrecht erlischt, wenn der Zustand wiederhergestellt ist, der vor der Verletzung bestanden hat (Art.3 Abs.1 ABS). Der Versicherer ist von der Verpflichtung zur Leistung frei, wenn der Schadenfall nach der Verletzung eintritt und die Verletzung auf Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit des Versicherungsnehmers beruht. Die Verpflichtung zur Leistung bleibt bestehen, wenn die Verletzung keinen Einfluß auf den Eintritt des Schadenfalles oder auf den Umfang der Entschädigung gehabt hat oder wenn zur Zeit des Schadenfalles trotz Ablaufs der Frist die Kündigung nicht erfolgt war (Art.3 Abs.2 ABS). Als Sicherheitsvorschriften im Sinne des Art.3 der Allgemeinen Bedingungen für die Sachversicherung werden vereinbart: Kraftfahrzeuge mit Verbrennungsmotoren und deren Treibstoffe dürfen weder dauernd noch vorübergehend in Scheunen oder anderen Gebäuden, wo leicht brennbare Stoffe (Heu, Stroh usw.) lagern, untergebracht oder als stationäre Antriebsquelle verwendet werden (Art.V 2 der Zusatzbedingungen).

Am 25.2.1991 entstand auf dem landwirtschaftlichen Anwesen der Kläger ein Brand. Die Kläger begehren die Versicherungsleistung. Die beklagte Partei beruft sich unter anderem auf Leistungsfreiheit nach Art.V 2 der Zusatzbedingungen in Verbindung mit Art.3 ABS.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Nach seinen Feststellungen betreiben die Kläger die Landwirtschaft gemeinsam. Am 25.2.1991 säuberte der Erstkläger ab ca. 10 Uhr den in der Scheune untergebrachten Kälberlaufstall vom Mist in der Weise, daß er mit dem Traktor Steyrer 288 Baujahr 1963 mittels Frontladers den Mist auf den vor der Scheune abgestellten Miststreuer auflud. An den Miststreuer war ein weiterer Traktor vorgespannt, mit dem der Erstkläger den Mist auf die umliegenden Wiesen aufbrachte. Den Traktor Steyrer 288 hatten die Kläger seit ca. 10 Jahren; sie verwenden ihn seither nahezu ausschließlich beim Ausmisten des Kälberlaufstalles in der Weise wie am 25.2.1991. Die Batterie des Traktors war schon so schwach, daß der Traktor zu Beginn der Arbeiten am 25.2.1991 zum Starten angeschleppt werden mußte. Um die Batterie in der Folge zu schonen, ließ der Erstkläger, der die Arbeiten allein verrichtete, den Motor, wie bei den Ausmistarbeiten in den letzten Jahren zuvor, während des Mistausbringens laufen. Das Mistausbringen dauerte jeweils ca. 10 bis 15 Minuten. Während dieser Zeit war der Traktor unbeaufsichtigt. Am Vormittag hatte der Erstkläger 5 oder 6mal Mist ausgefahren. Nach der von ca. 11,45 Uhr bis ca. 12,45 Uhr dauernden Mittagspause, während der der Motor des Traktors abgestellt worden war, hatte der Erstkläger die zweite Fuhre Mist ausgebracht, als er bei der Rückkehr gegen 13,20 Uhr den Brand in der Scheune feststellte. Die Zweitklägerin hatte von der Arbeitsweise ihres Ehemannes an diesem Tag, wie auch bei den früheren Ausmistarbeiten, Kenntnis, insbesondere auch davon, daß der Motor des Traktors wegen der schwachen Batterie nicht abgeschaltet wird. Das Scheunengebäude hat ein Grundausmaß von ca. 13 x 30 m und ist in Holzbauweise ausgeführt. Im westlichen Teil befindet sich ein Kälberlaufstall mit den Abmessungen von 13 x 4 m. Daran grenzen unmittelbar zwei Fahrsilos an. Im östlichen Scheunenbereich befindet sich ein Futtersilo sowie ein Pferdestall. Dieser Teil wird vorwiegend zur Abstellung von landwirtschaftlichen Geräten und Maschinen sowie zur Lagerung von Futtermitteln (Heu, Stroh) und Brennmaterial (Hackgut, Holzscheiter) verwendet. Der Laufstall hatte eine Raumhöhe von ca. 2,5 m; als Deckenkonstruktion war eine Bretter- bzw. Pfostenlage vorhanden, auf der Strohballen gelagert wurden. Der Traktor war zum Zeitpunkt des Ausbruches des Brandes mit laufendem Motor im südlichen Bereich der Laufstallung abgestellt. Der Abstand zwischen der südlichen Außenwand und den beiden hinteren Rädern betrug ca. 1,2 m. Der Auspuff war vertikal hochgeführt, wobei zwischen der Deckenkonstruktion und der Aufblasöffnung der Auspuffanlage ein Abstand von ca. 0,65 m vorhanden war. Eine Abschlußklappe hatte der Auspuff nicht. Als Brandursache kommt entweder ein Masseschluß beim Kontaktstück der E-Leitung zwischen der Batterie und dem Starter im Bereich des Magnetschalters oder ein Funkenflug aus der Auspuffanlage in Betracht. Ein Masseschluß ist die wahrscheinlichere Brandursache. Durch die betriebsbedingt auftretenden Verunreinigungen war eine rasche Brandausbreitung auf das gesamte Fahrzeug und in weiterer Folge auf das Scheunengebäude gegeben. Die Kläger beziehen seit Jahren die Bauernbundzeitung. In dieser wird ebenso wie in eigenen von der Landwirtschaftskammer für Oberösterreich und der Brandverhütungsstelle für Oberösterreich herausgegebenen Flugzetteln vor dem Abstellen von Traktoren in Scheunen aufgrund der Brandgefahr gewarnt, wobei als häufigste Brandursachen Kurzschlüsse, Masseschlüsse, schadhafte Auspuffanlagen oder Funkenaustritt angeführt sind.

Nach der Auffassung des Erstgerichtes haben die Kläger gegen Art.V 2 der Zusatzbedingungen verstoßen. Das Verbot dieser Sicherheitsvorschrift umfasse zweifelsfrei auch den Betrieb eines Traktors in einer Scheune im Zuge eines landwirtschaftlichen Arbeitsvorganges wie des Ausmistens eins Kälberlaufstalles, zumal der Traktor dabei ebenfalls in der Scheune "untergebracht" sei und als "stationäre Antriebsquelle" verwendet werde. Die Arbeitsweise des Erstklägers, insbesondere aber das unbeaufsichtigte Laufenlassen des Motors in einer akut feuergefährlichen Umgebung, müsse als grob fahrlässige Verletzung der Sicherheitsvorschrift gewertet werden. Da die Verletzung der Sicherheitsvorschrift auch ursächlich für den entstandenen Brand gewesen sei, sei die beklagte Partei gemäß Art.3 Abs.2 ABS von der Verpflichtung zur Leistung frei. Die Leistungsfreiheit erstrecke sich auch auf die Zweitklägerin, zumal die Arbeitsweise des Erstklägers mit ihrem Wissen und Willen im Rahmen der gemeinsam geführten Landwirtschaft erfolgt sei, sodaß auch ihr die grob fahrlässige Verletzung der vereinbarten Sicherheitsvorschrift zur Last falle.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil und sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig ist. Es teilte im wesentlichen die Rechtsansicht des Erstgerichtes. Zur Leistungsfreiheit der beklagten Partei gegenüber der Zweitklägerin führte das Berufungsgericht ergänzend aus, daß Art.3 Abs.1 ABS, der die Kündigungsmöglichkeit eröffne, auch die Duldung der Verletzung von Sicherheitsvorschriften umfasse. Dagegen sei in Art.3 Abs.2 ABS, der die Leistungsfreiheit beinhalte, nur von der Verletzung der Sicherheitsvorschriften die Rede. Sinnvollerweise könne aber auch Art.3 Abs.2 ABS nur so verstanden werden, daß die Duldung von Verletzungen von Sicherheitsvorschriften in gleicher Weise zur Leistungsfreiheit führen müsse wie die Verletzung selbst. Darüber hinaus wirke sich bei der Sachversicherung einer im Miteigentum stehenden Sache durch die Miteigentümer die Verletzung einer Obliegenheit eines einzelnen Versicherungsnehmers gegen alle aus, wenn und insoweit ein eigenständiges Interesse nicht versichert sei.

Die gegen die Entscheidung der zweiten Instanz gerichtete Revision der Kläger ist entgegen der Meinung der beklagten Partei zulässig, weil zur Auslegung des Art.3 ABS, insbesondere zur Frage, ob die Rechtsfolge der Leistungsfreiheit auch bei Duldung der Verletzung vereinbarter Sicherheitsvorschriften durch den Versicherungsnehmer eintritt, eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes fehlt.

Die Revision ist jedoch nicht berechtigt.

Die geltend gemachte Mangelhaftigkeit liegt nicht vor (§ 510 Abs.3 ZPO).

Rechtliche Beurteilung

Zutreffend hat das Berufungsgericht die Bestimmung des Art.V 2 der Zusatzbedingungen, wonach Kraftfahrzeuge mit Verbrennungsmotoren weder dauernd noch vorübergehend in Scheunen oder anderen Gebäuden, wo leicht brennbare Stoffe wie Heu, Stroh usw. lagern, untergebracht oder als stationäre Antriebsquelle verwendet werden dürfen, als Obliegenheit beurteilt. In Art.V 2 der Zusatzbedingungen werden dem Versicherungsnehmer ganz konkrete Verhaltenspflichten auferlegt, an deren Einhaltung der Versicherer zum Zwecke der Verhütung einer Gefahrerhöhung ein ganz wesentliches Interesse hat, und die Rechtsfolge der Leistungsfreiheit ist nur für deren schuldhafte Verletzung vorgesehen (vgl. zur Abgrenzung von Risikoausschlüssen und Obliegenheiten Petrasch, Obliegenheitsverletzung und Leistungsfreiheit in den Kfz-Versicherungen in ZVR 1985, 65 f; Schauer, Einführung2 188). Dem Berufungsgericht ist auch darin beizupflichten, daß die Rechtsfolge der Leistungsfreiheit nach Art.3 Abs.2 ABS auch dann eintritt, wenn der Versicherungsnehmer die Verletzung vereinbarter Sicherheitsvorschriften duldet und die Duldung der Verletzung auf Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit des Versicherungsnehmers beruht. Versicherungsbedingungen sind zwar so auszulegen, wie sie der durchschnittlich verständige Versicherungsnehmer versteht, hiebei ist jedoch der einem objektiven Betrachter erkennbare Zweck einer Bestimmung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen stets zu berücksichtigen (RdW 1989, 329). Der Art.3 der ABS regelt nicht nur die Rechtsfolgen der Verletzung vereinbarter Sicherheitsvorschriften, er stellt in Abs.1 zunächst unmißverständlich klar, daß die Duldung der Verletzung einer Verletzung gleichgestellt sein soll. Die Frage nach einer allfälligen Leistungsfreiheit des Versicherers stellt sich, anders als die Frage nach der Berechtigung zur Kündigung des Versicherungsverhältnisses, naturgemäß erst, wenn der Versicherungsfall eingetreten ist. Die Regelung dieser Rechtsfolge in einem eigenen Absatz ändert nichts daran, daß ihr Verständnis nur aus der Gesamtregelung des Art.3 ABS zu erschließen ist. Gemessen an der leicht erkennbaren Bedeutung der Einhaltung vereinbarter Sicherheitsvorschriften kann nach dem Zweck der Gesamtregelung auch Abs.2 nur dahin verstanden werden, daß die vorgesehene Gleichstellung der Duldung einer Verletzung mit der Verletzung selbst auch bei Beurteilung der Leistungsfreiheit zu gelten hat. Im vorliegenden Fall verwendete der Erstkläger am Unfallstag, wie in den Jahren zuvor, den Traktor in einem Gebäude, wo leicht brennbare Stoffe wie Heu und Stroh gelagert waren, dazu, um mittels eines Frontladers Mist aufzuladen und somit als stationäre Antriebsquelle. Eine solche Verwendung liegt vor, wenn ein Traktor standörtlich dazu verwendet wird, eine andere Arbeitsmaschine oder ein anderes Arbeitsgerät zu betreiben. Darauf, wie dieses Gerät mit dem Traktor verbunden ist und wie die Kraftübertragung erfolgt, kommt es nicht an. Die Zweitklägerin kannte diese Art der Verwendung des Traktors und duldete sie. Das Berufungsgericht hat daher zu Recht in Ansehung beider Kläger das Vorliegen des objektiven Tatbestandes der Verletzung der Obliegenheit nach Art.V 2 der Zusatzbedingungen bejaht.

Nach ständiger Rechtsprechung braucht der Versicherer nur den objektiven Tatbestand einer Obliegenheitsverletzung nachzuweisen, während es Sache des Versicherungsnehmers ist, zu behaupten und zu beweisen, daß er die ihm angelastete Obliegenheitsverletzung weder vorsätzlich noch grob fahrlässig begangen hat (VersRdSch 1989, 283; VersR 1988, 530 uva). Der Versicherungsnehmer muß somit jene Tatumstände behaupten, aus denen sich ergibt, daß ihm ein geringerer Verschuldensgrad als Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit zur Last fällt. Im vorliegenden Fall haben die Kläger in erster Instanz lediglich geltend gemacht, daß im Hinblick auf den Arbeitsverlauf, die arbeitstechnische Notwendigkeit des Einsatzes landwirtschaftlicher Maschinen zum Mistaufladen sowie deren Orts- und Berufsüblichkeit ein qualifiziertes Verschulden auszuschließen ist. Diese Umstände könnten allenfalls bei Beurteilung der Frage bedeutsam sein, ob der Versicherungsfall durch die Kläger grob fahrlässig herbeigeführt wurde (§ 61 VersVG). Qualifiziert schuldhaft braucht aber nicht der Versicherungsfall, sondern nur der Verstoß gegen die vereinbarten Sicherheitsvorschriften herbeigeführt zu sein (Prölss-Martin, VVG24 830). Schon allein die vorsätzliche Verletzung der Obliegenheit, die dann vorliegt, wenn das die Obliegenheitsverletzung begründende Verhalten ein bewußtes und gewolltes war (SZ 47/44), können diese Umstände jedoch nicht ausschließen. Die erst im Rechtsmittelverfahren vorgebrachten weiteren Umstände verstoßen gegen das Neuerungsverbot und sind daher unbeachtlich (vgl. jedoch zur Unkenntnis einer Obliegenheit und deren Beurteilung als grobe Fahrlässigkeit VersR 1988, 530). Die Kläger haben somit den ihnen obliegenden Entlastungsbeweis nicht erbracht.

Demgemäß ist der Revision ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

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