OGH 4Ob200/06z

OGH4Ob200/06z21.11.2006

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Griß als Vorsitzende und durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel, Dr. Jensik und Dr. Musger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei H***** (vormals: M***** GmbH), vertreten durch Piaty Müller-Mezin Schoeller Rechtsanwälte GmbH in Graz, gegen die beklagte Partei M***** Inc., *****, vertreten durch Fiebinger, Polak, Leon & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Wiederaufnahme des Verfahrens 18 Cg 13/98a des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 5. Juli 2006, GZ 6 R 117/06g-23, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. Bei der Beurteilung der Frage, ob dem Wiederaufnahmskläger ein Verschulden nach § 530 Abs 2 ZPO zur Last fällt, ist von der Bestimmung des § 1297 ABGB auszugehen (RIS-Justiz RS0044533 [T2]):

Schuldhaft handelt, wer nicht jenen Fleiß und jene Aufmerksamkeit einsetzt, die bei gewöhnlichen Fähigkeiten zu erwarten sind (vgl 4 Ob 1569/95). Die anzuwendende prozessuale Diligenzpflicht findet aber ihre Grenze in der Anwendung der zumutbaren Sorgfalt, wobei sich die Zumutbarkeit nach den Umständen des Einzelfalls richtet (RIS-Justiz RS0044533 [T9]).

Nach dem festgestellten Sachverhalt hat die Wiederaufnahmsklägerin in ihrer Erklärung zu dem vom Prozessgegner in der Verhandlung am 24. 10. 2001 vorgelegten Urkundenkonvolut Beil ./CC des wiederaufzunehmenden Verfahrens (26 Bestätigungen zur Verkehrsgeltung) zunächst bekannt gegeben, vor einer inhaltlichen Stellungnahme bedürfe es „der Einholung entsprechender Informationen, allenfalls sogar der Beiziehung einer sachverständigen Person zur Bewertung dieser Urkunden"; am 29. 11. 2001 wurde diese Erklärung durch Vorlage eines Aktenvermerks ergänzt, in dem der Rechtsvertreter der Wiederaufnahmsklägerin inhaltliche Zweifel an der Beilage anmeldete, weil „die Bestätigungen einige Ungereimtheiten" enthielten. Wenn das Berufungsgericht unter diesen Umständen der Wiederaufnahmsklägerin, die ihre Klage am 5. 3. 2004 eingebracht hat, als Verschulden gem § 530 Abs 2 ZPO angerechnet hat, nach Vorlage des Urkundenkonvoluts Beil./CC nicht ehestens die Echtheit der darin enthaltenen Unterschriften, den Erklärungswillen und das Zustandekommen der Erklärungen hinterfragt zu haben, ist es von den angeführten Grundsätzen der Rechtsprechung nicht abgewichen. Die Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO liegen damit nicht vor.

2. Nach § 530 Abs 1 Z 7 ZPO berechtigen nur solche neuen Tatsachen und Beweismittel zur Wiederaufnahmsklage, deren Vorbringen und Benützung im früheren Verfahren eine der Partei günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würde (RIS-Justiz RS0044676 [T1]). Die neuen Tatsachen und Beweismittel, auf die sich eine Wiederaufnahmsklage stützt, müssen nicht unmittelbar auf die rechtliche Beurteilung von Einfluss sein. Es genügt vielmehr, dass sie geeignet sind, eine wesentliche Änderung der Beweiswürdigung herbeizuführen (RIS-Justiz RS0044411; RS0044510).

Die Zulassungsbeschwerde macht im Zusammenhang mit dem Wiederaufnahmsgrund der behaupteten Verfälschung einer Unterschrift geltend, das Berufungsgericht habe die Relevanz des Urkundenkonvoluts Beil ./CC für die ergangene Entscheidung zu Unrecht verneint. Ihr ist entgegenzuhalten, dass der Vorwurf einer strafbaren Handlung - im Zusammenhang mit dem Wiederaufnahmsgrund des § 530 Abs 1 Z 1 ZPO - eine einzige von 26 Urkunden des Konvoluts Beil ./CC betrifft, wobei sämtliche Urkunden, die Erklärungen zur Bekanntheit des strittigen Kennzeichens enthalten, von unterschiedlichen Unternehmen stammen. Die Beurteilung, unter diesen Umständen sei eine wesentliche Änderung der Beweiswürdigung in der Frage der Verkehrsgeltung nicht zu erwarten, hält sich im Rahmen des dem Berufungsgericht in dieser Frage offenstehenden Ermessensspielraums.

3. Der Vorwurf der Zulassungsbeschwerde, das Berufungsgericht messe zu Unrecht der Frage keine Bedeutung bei, von wem die Erklärungen zur Bekanntheit des strittigen Kennzeichens stammten, betrifft den Wiederaufnahmsgrund des § 530 Abs 1 Z 7 ZPO im Zusammenhang mit dem Urkundenkonvolut Beil ./CC. Eine auf diesen Umstand gestützte Wiederaufnahme ist jedoch schon gem § 530 Abs 2 ZPO ausgeschlossen (siehe zuvor Punkt 1.).

4.1. Die Vorinstanzen haben im wiederaufzunehmenden Verfahren die Feststellung, dass in den Jahren 1986 bis 1991 zwischen den Parteien ein Lizenzvertrag bestanden hat, auf verschiedene Urkunden und den Umstand der Zahlung von Lizenzgebühren, nicht jedoch auf den Lizenzvertrag Beil ./H des wiederaufzunehmenden Verfahrens gestützt, dessen Echtheit bestritten wurde. Ob Beil ./H eine gefälschte Unterschrift enthalte, war demnach für die Entscheidung im wiederaufzunehmenden Verfahren ohne Bedeutung; mit der Behauptung, dies stehe nunmehr auf Grund eines Urteils des Handelsgerichts Wien fest, wird somit - mangels Eignung eines solchen Urteils, eine Änderung der Beweiswürdigung herbeizuführen - auch kein tauglicher Wiederaufnahmsgrund ausgeführt.

4.2. Die Wiederaufnahmsklägerin hat als Wiederaufnahmsgrund geltend gemacht, in den verbundenen Rechtssachen 23 Cg 60/98v und 23 Cg 49/99b, je des Handelsgerichts Wien, seien gegen sie ergangene Schiedssprüche aufgehoben worden. Mittlerweile hat das Gericht zweiter Instanz die Entscheidung des Handelsgerichts dahin abgeändert, dass sowohl die auf Anfechtung der Schiedssprüche vom 21. 12. 1998 und 14. 4. 1997 gerichteten Hauptbegehren als auch die Eventualbegehren abgewiesen wurden; der Oberste Gerichtshof hat dieses Urteil bestätigt (7 Ob 236/05i). Die auf die Aufhebung der Schiedssprüche bezogenen Ausführungen im Rechtsmittel sind damit gegenstandslos geworden.

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