OGH 10ObS171/06d

OGH10ObS171/06d14.11.2006

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger und Dr. Hoch sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Reinhard Drössler (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Robert Ploteny (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei E***** Jugend Oberösterreich, *****, vertreten durch Dr. Peter Krömer, Rechtsanwalt in St. Pölten, gegen die beklagte Partei Allgemeine Unfallversicherungsanstalt, 1201 Wien, Adalbert-Stifter-Straße 65, vertreten durch Dr. Vera Kremslehner und andere Rechtsanwälte in Wien, wegen Zuschuss nach Entgeltfortzahlung (Streitwert EUR 238,31 sA), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 20. Juni 2006, GZ 12 Rs 59/06t-9, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Wels als Arbeits- und Sozialgericht vom 13. März 2006, GZ 17 Cgs 339/05i-5, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 166,65 (darin EUR 27,77 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Die klagende Partei, eine Körperschaft öffentlichen Rechtes im Sinne des Protestantengesetzes 1961, BGBl 1961/182, bzw der Kundmachung der Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten über die Rechtspersönlichkeit und die Namen von Einrichtungen und Gemeinden der evangelischen Kirche vom 12. 4. 1996 (BGBl 1996/176), ist Dienstgeberin der Dienstnehmerin Angela H*****, die bei der beklagten Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt unfallversichert ist. Angela H***** war vom 4. 4. bis 2. 5. 2005 arbeitsverhindert. Die klagende Partei leistete Entgeltfortzahlung an diese Mitarbeiterin.

Mit Bescheid vom 18. 11. 2005 lehnte die beklagte Partei den Antrag der klagenden Partei auf Zuschuss nach Entgeltfortzahlung für die Arbeitsverhinderung der genannten Dienstnehmerin in der angeführten Zeit mit der Begründung ab, dass kein Unternehmen im Sinn des § 53b ASVG vorliege.

Das Erstgericht erkannte die beklagte Partei schuldig, der klagenden Partei EUR 238,31 an Zuschuss nach Entgeltfortzahlung zu bezahlen. Es stellte fest, dass die klagende Partei zwei Jugend- und Freizeitheime betreibt und insgesamt 10 Dienstnehmer beschäftigt. Das Jugend- und Freizeitheim wird als wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb geführt. Die klagende Partei schließt mit Pfarrgemeinden, Werken, Einrichtungen von evangelischen Kirchen und anderen Rechtsträgern Beherbergungsverträge ab. Auch außerkirchlichen Einrichtungen werden die beiden Jugend- und Freizeitheime zur Verfügung gestellt. Die klagende Partei selbst hält in ihren Heimen Seminare und ähnliche Veranstaltungen für Jugendliche aus Oberösterreich ab. Dabei werden Unterkunft, Verpflegung, Referenten und Aufsichtspersonal gegen Entgelt zur Verfügung gestellt. Eine Gewerbeberechtigung ist nicht erforderlich. Die klagende Partei verfolgt zwar keine Gewinnerzielungsabsicht, sie hat aber das Ziel, den Betrieb kostendeckend zu führen, weshalb für die Leistungen im Heim auch ein Entgelt verlangt wird.

In rechtlicher Hinsicht bejahte das Erstgericht die Unternehmenseigenschaft der klagenden Partei. Weder der Gesetzestext noch die Materialien beschränkten die Zuschussberechtigung auf Privatrechtssubjekte. Die Entgeltfortzahlung könne bei kleinen und mittleren Unternehmen zu finanziellen Schwierigkeiten führen, wobei auch Unternehmen hoheitlicher Rechtsträger durch eine derartige finanzielle Belastung konkursgefährdet seien. Es wäre auch gleichheitswidrig, wenn die klagende Partei für ihre Dienstnehmer zwar Beiträge zur gesetzlichen Unfallversicherung zahlen müsste, aber von Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung ausgeschlossen wäre.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei keine Folge. Es vertrat auch bereits unter Hinweis auf die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 27. 6. 2006, 10 ObS 86/06d, im Ergebnis die Auffassung, dass auch juristische Personen des öffentlichen Rechtes, sofern sie Dienstgeber seien, zum Kreis der Anspruchsberechtigten für die Gewährung eines Zuschusses nach Entgeltfortzahlung gemäß § 53b ASVG gehörten. Die klagende Partei besorge als Körperschaft öffentlichen Rechtes einer gesetzlich anerkannten Kirche und Religionsgesellschaft keinerlei staatliche Aufgaben und sei daher eine Körperschaft öffentlichen Rechtes sui generis. Sie habe daher Anspruch auf Zuschuss nach Entgeltfortzahlung in der nicht strittigen Höhe des Klagsbetrages.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision gegen seine Entscheidung zulässig sei, weil eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Frage der Zuschussberechtigung einer Körperschaft öffentlichen Rechtes im Sinne des Protestantengesetzes 1961 nach § 53b ASVG fehle.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der beklagten Partei wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne einer Abweisung des Klagebegehrens abzuändern.

Die klagende Partei beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, die Revision als unzulässig zurückzuweisen bzw ihr keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulässigkeitsausspruch des Berufungsgerichtes (§ 508a Abs 1 ZPO) nicht zulässig.

Die beklagte Partei vertritt in ihren Rechtsmittelausführungen weiterhin - zusammengefasst - die Auffassung, dass entgegen der vom Obersten Gerichtshof in seiner Entscheidung 10 ObS 86/06d vom 27. 6. 2006 vertretenen Auffassung dem Unternehmensbegriff im § 53b ASVG als weiterem Tatbestandsmerkmal neben dem Dienstgeberbegriff und der ziffernmäßigen Bestimmung der Höchstanzahl beschäftigter Dienstnehmer sehr wohl eine eigenständige Bedeutung zukomme und daher

Körperschaften des öffentlichen Rechtes generell, somit auch

Körperschaften des öffentlichen Rechtes sui generis, die keinerlei staatliche Aufgaben erfüllen, von der Zuschussberechtigung nach Entgeltfortzahlung im Sinn des § 53b ASVG ausgeschlossen seien. Zu dieser rechtserheblichen Frage liegt mittlerweile eine gefestigte Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes vor. So hat der erkennende Senat in den Entscheidungen 10 ObS 86/06d vom 27. 6. 2006 und 10 ObS 98/06v vom 17. 8. 2006 näher begründet, dass weder der Gesetzeswortlaut noch die dazu vorliegenden Materialien irgendeinen Anhaltspunkt für eine Herausnahme von juristischen Personen des öffentlichen Rechtes - oder von Kirchen sowie Religionsgemeinschaften, die als Körperschaften öffentlichen Rechtes anerkannt sind - von der Anspruchsberechtigung nach § 53b ASVG bieten (in diesem Sinne auch jüngst Putzer, Probleme der Zuschüsse zur Entgeltfortzahlung, DRdA 2006, 351 ff [356 ff]). In der einen vergleichbaren Sachverhalt betreffenden Entscheidung 10 ObS 138/06a vom 12. 9. 2006 wurde vom erkennenden Senat die Zuschussberechtigung eines römisch katholischen Frauenordens, der ein Mädchenheim führt, bejaht. Es wurde näher begründet, dass auch das allgemeine (weite) Verständnis des Begriffes „Unternehmen" einen solchen - von der beklagten Partei auch in ihren Revisionsausführungen vertretenen - generellen Ausschluss von Körperschaften des öffentlichen Rechtes von der Anspruchsberechtigung nach § 53b ASVG nicht zu rechtfertigen vermag. Die von der beklagten Partei demgegenüber in ihren Revisionsausführungen vertretene sehr enge Auslegung des Kreises der Anspruchsberechtigten nach § 53b ASVG lässt sich auch nicht auf eine entsprechend einschränkende Definition des Unternehmensbegriffes im Gesetzestext oder in den Gesetzesmaterialien zurückführen. Die von der beklagten Partei in ihren Revisionsausführungen vorgetragenen Argumente, die von ihr inhaltlich im Wesentlichen auch in den erwähnten Vorverfahren bereits geltend gemacht wurden, bieten daher keinen Anlass für ein Abgehen von dieser bereits gefestigten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes.

Im Hinblick auf diese mittlerweile vorliegende Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes war daher die Revision der beklagten Partei mangels erheblicher Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen (vgl auch 10 ObS 150/06s; 10 ObS 158/06t). Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit a ASGG. Danach hat die klagende Partei, die in ihrer Revisionsbeantwortung bereits auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen hat, Anspruch auf Ersatz ihrer richtig verzeichneten Kosten im Revisionsverfahren.

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