Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 199,87 (darin EUR 33,31 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die klagende Marktgemeinde ist seit 1. Jänner 1992 Dienstgeberin der bei ihr als Raumpflegerin beschäftigten Vertragsbediensteten Irmgard A*****. Irmgard A*****, die bei der beklagten Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt unfallversichert ist, war von 1. 2. bis 23. 3. 2005 unfallbedingt arbeitsverhindert. Die klagende Partei leistete für diesen Zeitraum Entgeltfortzahlung gemäß § 3 EFZG in Höhe von EUR 1.226,60 ohne Sonderzahlungen. Bei der klagenden Partei sind pro Jahr regelmäßig insgesamt weniger als 51 Dienstnehmer beschäftigt.
Mit Bescheid vom 31. August 2005 lehnte die beklagte Partei den Antrag der klagenden Partei vom 6. 5. 2005 auf Zuschuss nach Entgeltfortzahlung für die Arbeitsverhinderung von Irmgard A***** in der Zeit von 1. 2. bis 23. 3. 2005 mit der Begründung ab, dass kein Unternehmen iSd § 53b ASVG vorliege.
Das Erstgericht wies die dagegen erhobene Klage ab. Der durch § 53b ASVG geförderte Kreis umfasse nach den Gesetzesmaterialien Kleinbetriebe, da vor allem bei diesen im Zusammenhang mit der Abschaffung des Entgeltfortzahlungs- erstattungsfonds Probleme aufgetreten seien. Als anspruchsberechtigt würden stets Unternehmen mit bis zu 50 Arbeitnehmer/innen erwähnt werden. Eine genaue Definition des Begriffes „Unternehmen" sei unterblieben. Eine Einschränkung nur auf den Begriff des „Dienstgebers" als Zuschussberechtigten sei keinesfalls gewollt. Eine Begünstigung von Gebietskörperschaften sei nicht beabsichtigt gewesen, weshalb kein Anspruch der Klägerin auf Zuschuss zur geleisteten Entgeltfortzahlung bestehe.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der klagenden Partei Folge. Es bejahte die Zulässigkeit des Rechtsweges und führte in der Sache aus, dass die Zuschussberechtigung der klagenden Partei nach § 53b ASVG idF 3. SVÄG 2004 davon abhänge, dass sie „Dienstgeberin" ihrer als Raumpflegerin tätigen Dienstnehmerin sei, für welche sie Leistungen gemäß § 3 EFZG aufgrund eines Unfalls erbracht hat. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes sei der Begriff des Dienstgebers iSd § 35 Abs 1 ASVG zu verstehen; darunter falle auch die klagende Partei. Auch der Umstand, dass § 53b ASVG das Vorliegen eines „Unternehmens" voraussetze, vermöge an diesem Ergebnis nichts zu ändern. Mangels sachlicher Rechtfertigung einer unterschiedlichen Behandlung sei auch nicht maßgeblich, ob die klagende Partei nur hoheitliche Aufgaben erfülle oder darüber hinaus auch Betriebe gewerblicher Art führe. Da der Gesetzgeber, ausgehend vom Wortlaut der gesetzlichen Bestimmungen, Dienstgeber mit weniger als 51 Dienstnehmern unterstützen habe wollen und ein Ausschluss öffentlich-rechtlicher Dienstgeber auch nicht erkennbar sei, zähle die klagende Gemeinde zum Kreis der Zuschussberechtigten. Die Höhe des Zuschusses sei gemäß § 4 der Entgeltfortzahlungszuschussverordnung mit EUR 589,32 (58,34 % von EUR 1.010,14) ermittelbar.
Die ordentliche Revision sei zulässig, weil neben der Frage der Rechtswegzulässigkeit der Frage, ob eine Gemeinde zum anspruchsberechtigten Personenkreis des § 53b ASVG gehöre, eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukomme.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der beklagten Partei aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im klagsstattgebenden Sinn. Die klagende Partei beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig; sie ist jedoch nicht berechtigt.
Vorweg ist darauf hinzuweisen, dass der Oberste Gerichtshof jüngst in seinen Entscheidungen 10 ObS 58/06m und 10 ObS 64/06v ausgesprochen hat, dass Streitigkeiten über Zuschüsse an die Dienstgeber/innen nach Entgeltfortzahlung gemäß § 53b ASVG Leistungssachen darstellen, die im Wege der sukzessiven Kompetenz den Arbeits- und Sozialgerichten zur Beurteilung zugewiesen sind.
In der Sache vertritt die beklagte Partei in ihrer Revision - stark zusammengefasst - die Ansicht, dass § 53b ASVG für die Zuschussberechtigung nicht nur die (unstrittig gegebene) Dienstgebereigenschaft nach § 35 ASVG voraussetze, sondern zusätzlich auch die Beschäftigung von weniger als 51 Dienstnehmer/innen in einem Unternehmen. Darunter seien vor allem im Hinblick auf Aufgabenstellung, Struktur und Wettbewerbsdruck nur privatrechtlich organisierte Unternehmen zu subsumieren, nicht aber solche, die von öffentlich-rechtlichen Rechtsträgern geführt würden, weil diese gesamtgesellschaftliche Zwecke verfolgen müssten. Hintergrund der Regelung des § 53b ASVG sei die Förderung von Klein- und Mittelunternehmen (KMU) als Rückgrat der europäischen Wirtschaft, weshalb ein Zuschussberechtigter auch die wirtschaftlichen Merkmale von KMU aufweisen müsse. Nach einer Empfehlung der Kommission vom 6. Mai 2003 seien Unternehmen, deren Unternehmensanteile oder Stimmrechte zu 25 % oder mehr von einer staatlichen Einrichtung oder Körperschaft des öffentlichen Rechts kontrolliert würden, nicht als KMU zu verstehen, was auch den gesetzgeberischen Intentionen im Zusammenhang mit der Schaffung des § 53b ASVG entspreche. Dieser Standpunkt wird vom Obersten Gerichtshof nicht geteilt. Im Rahmen des Hochwasseropferentschädigungs- und Wiederaufbau-Gesetzes 2002 (BGBl I 2002/155; siehe dazu Neumann, Neuregelung bei Entgeltfortzahlung: Zuschüsse für Klein- und Mittelbetriebe, ASoK 2002, 394) wurde die Bestimmung des § 53b mit der Intention, eine Begünstigung von Klein- und Mittelunternehmen vorzusehen (RV 310 BlgNR 22. GP 6), in das ASVG eingefügt. Diese Bestimmung sah vor, dass den Dienstgebern Zuschüsse aus Mitteln der Unfallversicherung zur teilweisen Vergütung des Aufwandes für die Entgeltfortzahlung im Sinne des § 3 EFZG oder vergleichbaren österreichischen Rechtsvorschriften geleistet werden können, sofern die Entgeltfortzahlung verunfallten Dienstnehmern gebührt, die (zum Zeitpunkt des Unfalles) bei der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt versichert waren. Die Zuschüsse konnten nur Dienstgebern, „die regelmäßig weniger als 51 Dienstnehmer in Betrieben (§ 77a ASchG) beschäftigen", gewährt werden, und zwar höchstens für 6 Wochen jährlich in der Höhe von 50 % des fortgezahlten Entgeltes. Eine nähere Regelung der Gewährung der Zuschüsse an die Dienstgeber und die Abwicklung des Verfahrens erfolgte im Rahmen der Verordnung des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen über Zuschüsse der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt an Dienstgeber nach Entgeltfortzahlung (BGBl II 2002/443). Diese Verordnung ist mit dem Inkrafttreten der Verordnung der Bundesministerin für Gesundheit und Frauen über Zuschüsse der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt und der Versicherungsanstalt für Eisenbahnen und Bergbau an Dienstgeber/innen für Entgeltfortzahlung (Entgeltfortzahlungs-Zuschussverordnung), BGBl II 2005/64, außer Kraft getreten.
Seit dem Inkrafttreten mit 1. 10. 2002 wurde § 53b ASVG mehrfach novelliert (siehe dazu Teschner/Widlar, ASVG 90. Erg-Lfg § 53b Anm 1 und 2).
Soweit für den vorliegenden Fall maßgeblich, gebührt der Zuschuss nach § 53b Abs 2 Z 1 ASVG in der seit dem Inkrafttreten des 2. SVÄG 2003, BGBl I 2003/145, geltenden Fassung „nur jenen Dienstgeber(inne)n, die in ihrem Unternehmen regelmäßig weniger als 51 Dienstnehmer(innen) beschäftigen". Es wurde bereits dargestellt, dass nach den Gesetzesmaterialien zum 2. SVÄG (RV 310 BlgNR 22. GP 6) § 53b mit der Intention, eine Begünstigung von Klein- und Mittelunternehmen vorzusehen, in das ASVG eingefügt wurde. In den Materialien zum 3. SVÄG 2004, BGBl I 2004/171, wird darauf hingewiesen, dass „im Zusammenhang mit der Abschaffung des EFZG-Fonds nach wie vor Probleme bei Kleinbetrieben auftreten und die in der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt für diesen Zweck budgetierten Mittel nicht ausgeschöpft worden sind", weshalb auf Anregung der Wirtschaftskammer Österreich der Zuschuss zur Entgeltfortzahlung auf langandauernde und betriebsgefährdende Krankheitsfälle ausgedehnt werden soll (RV 703 BlgNR 22. GP 14; dazu Neumann, Zuschuss zur Entgeltfortzahlung an Arbeitnehmer auch bei Krankheit, ASoK 2005, 12 [14], und Melzer-Azodanloo, Rückkehr zum Erstattungsfondssystem über Umwege? ASoK 2005, 62).
Die Umstellung der Begriffsfolge „in Betrieben" auf „in ihrem Unternehmen" (hinsichtlich der Beschäftigtenzahl) durch das 2. SVÄG 2003, BGBl I 2003/145, wird in den Gesetzesmaterialien damit erklärt, dass § 53b ASVG auf die Beschäftigung von "weniger als 51 Dienstnehmer(innen) in Betrieben (§ 77a ASchG)" abstelle, während § 2 Abs 2 der Durchführungsverordnung, BGBl II 2002/443, Betriebe iSd § 53b Abs 2 Z 1 ASVG als „Unternehmen, in denen regelmäßig insgesamt weniger als 51 Dienstnehmer(innen) beschäftigt werden", definiere. „Durch die nunmehr vorgeschlagene Änderung soll diese Diskrepanz zwischen Gesetzestext und Verordnung bereinigt werden, indem nunmehr eindeutig auf die Zahl der Dienstnehmer in einem Unternehmen abgestellt wird und der Verweis auf § 77a ASchG den Modus für die Ermittlung der Anzahl der Dienstnehmer(innen) betrifft. Die ursprüngliche Intention des § 53b ASVG, nämlich eine Begünstigung von Klein- und Mittelunternehmen vorzusehen, soll damit auf eine eindeutige Rechtsgrundlage gestellt werden" (RV 310 BlgNR 22. GP 6). Neben dem Gesetzestext, der nicht für eine differenzierte Betrachtungsweise zwischen „Dienstgeber" auf der einen und „Unternehmen" auf der anderen Seite spricht, leuchtet auch aus den zitierten Gesetzesmaterialien hervor, dass den Begriffen „Betrieb" bzw „Unternehmen" neben dem Dienstgeberbegriff keine eigenständige Bedeutung (im Sinne einer Einschränkung des Dienstgeberbegriffs) zukommen sollte.
Dieser Ansicht folgt zumindest implizit auch der VwGH in seiner Entscheidung 2004/08/0139 (ARD 5586/10/2005 = ZAS 2005, 221), in der er zwar nur auf den Dienstgeberbegriff ausdrücklich einging und diesen iSd § 35 Abs 1 ASVG verstand. Er führte aber auch aus, „dass das beschwerdeführende Unternehmen als juristische Person Dienstgeberin der betreffenden Dienstnehmerin iSd § 35 ASVG gewesen ist", verstand also Dienstgeber und Unternehmen in § 53b ASVG als sich inhaltlich mehr oder weniger deckende Begriffe, so wie in § 35 Abs 1 ASVG als Dienstgeber derjenige gilt, „für dessen Rechnung der Betrieb (die Verwaltung, die Hauswirtschaft, die Tätigkeit) geführt wird, in dem der Dienstnehmer ... in einem Beschäftigungs...verhältnis steht". Die umfassende Aufzählung in § 35 Abs 1 ASVG zeigt ebenso wie die mehr oder weniger beiläufige Verwendung des unscharfen Begriffs des Unternehmens, dass jeweils der Dienstgeberbegriff im Vordergrund steht (siehe auch VwGH 96/08/0028, ZfVB 2002/910 zur Betriebs- bzw Unternehmenseigenschaft einer Musikschule einer Gemeinde). In § 53b ASVG soll also zum Ausdruck gebracht werden, dass der Dienstgeber ein Unternehmen führt, in dem weniger als 51 Dienstnehmer beschäftigt werden (ebenso Melzer-Azodanloo, ASoK 2005, 66 und Melzer-Azodanloo, Zuschuss an Dienstgeber zur Entgeltfortzahlung bei Krankheit oder Unfall II, ecolex 2006, 500 [503 f]). Die Hereinnahme des Begriffs des „Unternehmens" dient damit dem Hinweis auf die zuschussunschädliche Höchstzahl an Arbeitnehmern, ohne dass dem Begriff neben dem Dienstgeberbegriff eine besondere eigenständige Bedeutung zukäme. Aus diesem Grund kann auch eine Heranziehung der - systemfremden - handelsrechtlichen, umsatzsteuerrechtlichen oder konsumentenschutzrechtlichen Inhalte des Begriffs „Unternehmen" (bzw „Unternehmer") keine weitere Hilfe bei der Abgrenzung bieten. Ungeachtet der differenzierteren Definition auf europäischer Ebene (zB Empfehlung der Kommission betreffend die Definition von Kleinstunternehmen sowie der kleinen und mittleren Unternehmen 2003/361/EG; ähnlich die Definition in Anhang I der Verordnung (EG) 70/2001 der Kommission über die Anwendung der Art 87 und 88 EG-Vertrag auf staatliche Beihilfen an kleine und mittlere Unternehmen) orientiert sich der „KMU-Begriff" des § 53b ASVG eben an der Dienstnehmerzahl des jeweiligen Dienstgebers in seinem Unternehmen. Für eine weitergehende Einschränkung der Anspruchsberechtigung - zB für eine Herausnahme von Gebietskörperschaften als Dienstgebern - bietet der Gesetzeswortlaut allerdings keinen Anhaltspunkt. Damit kann im Übrigen vermieden werden, dass die klagende Partei zwar Unfallversicherungsbeiträge zu leisten, aber keine Chance auf einen Zuschuss nach § 53b ASVG hätte. In diesem Sinn ist das angefochtene Urteil zu bestätigen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit a ASGG. Die Bemessungsgrundlage beträgt EUR 589,32.
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