OGH 9Ob83/06f

OGH9Ob83/06f27.9.2006

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling, Dr. Hradil, Dr. Hopf und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Gerhild L*****, Angestellte, *****, vertreten durch Dr. Arnulf Kracker-Semler und Dr. Horst Kilzer, Rechtsanwälte in Villach, gegen die beklagte Partei Mag. Johanna T*****, vertreten durch Aichinger, Bucher & Partner, Rechtsanwälte in Villach, wegen EUR 6.000 sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Berufungsgericht vom 5. April 2006, GZ 3 R 81/06f-22, womit das Urteil des Bezirksgerichts Villach vom 22. Dezember 2005, GZ 9 C 1232/05p-18, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei hat die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision mit der Begründung zu, dass zur Frage der Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen der geschiedenen Ehegattin gegenüber der nunmehrigen Ehegattin des Verpflichteten durch Drittschuldnerklage keine Rechtsprechung vorliege. Der Oberste Gerichtshof ist bei der Prüfung der Zulässigkeit der Revision an den diesbezüglichen Ausspruch des Berufungsgerichts nach § 500 Abs 2 Z 3 ZPO nicht gebunden (§ 508a Abs 1 ZPO). Die sich im vorliegenden Fall stellenden Rechtsfragen können auf der Grundlage der bereits ergangenen Rechtsprechung gelöst werden. Die Zurückweisung der ordentlichen Revision wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage nach § 502 Abs 1 ZPO kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 letzter Satz ZPO):

Der Klägerin wurde als betreibender Partei zur Hereinbringung ihres Unterhalts auf Grund eines Scheidungsvergleichs die Forderungsexekution gegen ihren geschiedenen Ehegatten als verpflichteter Partei bewilligt. Der Rechtsgrund der in Exekution gezogenen Forderung wurde von der Klägerin im Exekutionsantrag mit „Arbeitseinkommen oder sonstige Bezüge nach § 290a EO - wegen gesetzlichem Unterhalt - Existenzminimum nach § 291b EO (Tabellen 2)" zunächst nur eher undeutlich angegeben. Unter „Weiteres Vorbringen" wurde jedoch ergänzend ausgeführt, dass dem Verpflichteten gegenüber seiner Ehegattin ein Geldunterhalt, welcher das Existenzminimum übersteige, zustehe. Die Beklagte (= Ehegattin des Verpflichteten und Drittschuldnerin) bestritt in ihrer Drittschuldnererklärung das Bestehen einer Forderung des Verpflichteten. Unstrittig ist, dass die Beklagte und der Verpflichtete in getrennten Haushalten leben. Laut dem unsubstanziiert bestrittenen Beklagtenvorbringen ist weiters davon auszugehen, dass der Verpflichtete noch nie Unterhalt der Beklagten in Anspruch genommen hat.

Richtig ist, dass Forderungen auf gesetzliche Unterhaltsleistungen nach § 290a Abs 1 Z 10 EO beschränkt gepfändet werden dürfen. Die Bewilligung der Forderungsexekution schafft jedoch keine Forderung, sondern setzt vielmehr ihr Vorliegen voraus (3 Ob 92, 93/80, EvBl 1981/102 ua). Es genügt daher entgegen der Auffassung der Revisionswerberin nicht, dass gesetzliche Unterhaltsforderungen nicht gemäß § 290 EO unpfändbar sind. Es genügt auch nicht, eine Forderung bloß zu behaupten; sie muss im Streitfall im Drittschuldnerprozess dargetan und ihr Bestand geklärt werden (RIS-Justiz RS0000085 ua). Die als erheblich iSd § 502 Abs 1 ZPO angesehene Frage der „Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen ... durch Drittschuldnerklage" stellt sich nur dann, wenn ein Unterhaltsanspruch des Verpflichteten vorliegt. Fehlt ein derartiger Anspruch, kommt eine Durchsetzung durch Drittschuldnerklage des betreibenden Gläubigers nicht in Betracht. Das Berufungsgericht erkannte richtig, dass die Exekution auf eine Unterhaltsforderung nicht von ihrer vorherigen gerichtlichen Geltendmachung abhängt (Mohr, Die neue Lohnpfändung § 290a EO Anm 5 mwN ua), betonte aber, dass die Forderung „tituliert" sein müsse. Mangels Relevanz der gerichtlichen Geltendmachung kann es nicht auf eine „gerichtliche Titulierung" ankommen. Eine solche war vom Berufungsgericht auch sichtlich nicht gemeint, sondern - nicht mehr und nicht weniger - der aufrechte Bestand der Unterhaltsforderung des Verpflichteten gegen die Beklagte.

Die Prüfung des Vorliegens einer Unterhaltsforderung setzt voraus, dass sie vom Anspruchsteller schlüssig behauptet wird. Dies ist hier nicht der Fall. Die Revisionswerberin will die Geldunterhaltsforderung des Verpflichteten unmittelbar aus dem Gesetz (§ 94 ABGB) ableiten, übergeht dabei aber sowohl dessen subsidiären Charakter als auch dessen Voraussetzungen. Auch bei der Drittschuldnerklage gilt, dass demjenigen, der einen Anspruch geltend macht, die Behauptungs- und Beweislast für die rechtserheblichen Tatsachen zufällt (9 ObA 120/03t; RIS-Justiz RS000037797 ua). Das Gericht hat im Prozess um den ehelichen Unterhalt den maßgeblichen Sachverhalt nicht von Amts wegen zu ermitteln; es gilt vielmehr der „Beibringungsgrundsatz" (Hopf/Kathrein, Eherecht § 94 Anm 52 ua). Ein Klagebegehren ist nur dann schlüssig, wenn das Sachbegehren des Klägers materiellrechtlich aus den zu seiner Begründung vorgetragenen Tatsachenbehauptungen abgeleitet werden kann (RIS-Justiz RS0037516 ua). Dies trifft auf das gegenständliche Klagebegehren nicht zu; es ist aus den folgenden Gründen in zweifacher Hinsicht unschlüssig:

Gemäß § 91 ABGB sollen die Ehegatten ihre eheliche Lebensgemeinschaft einvernehmlich gestalten. Gegenstand ihrer Gestaltungsbefugnis sind die Einzelheiten der Durchführung des gemeinschaftlichen Lebens, so die Rollenverteilung bei Erwerb und Haushaltsführung, bei der Einrichtung der Wohnung und der Gestaltung der gemeinsamen Freizeit, aber auch bei der Verwendung der Mittel zum gemeinschaftlichen Leben. Welche Beiträge die Ehegatten im Einzelnen zu leisten haben, bleibt ihrem Einvernehmen überlassen (1 Ob 697/86, SZ 60/34 ua). Auch der Unterhaltsanspruch richtet sich bei aufrechter Ehe primär nach der verbindlichen autonomen Gestaltung der ehelichen Lebensgemeinschaft (1 Ob 35/00d; 8 Ob 210/02v ua), die die Dispositivbestimmungen des § 94 Abs 1 und 2 ABGB verdrängt (Schwimann/Ferrari in Schwimann, ABGB³ I § 94 Rz 4 mwN; Hopf/Kathrein aaO § 94 Anm 47; Koch in KBB § 94 Rz 1; 2 Ob 190/99a ua). Die Ehegatten sind dabei im Wesentlichen frei; so kann etwa auch vereinbart werden, dass jeder Ehegatte sich selbst erhält (Hopf/Kathrein aaO § 94 Anm 9; Stabentheiner in Rummel, ABGB³ § 94 Rz 3 ua). Das erforderliche Einvernehmen der Ehegatten kann ausdrücklich oder schlüssig hergestellt werden. Eine zwischen den Ehegatten durch längere Zeit unwidersprochen befolgte Übung kann ähnlich wie nach § 863 Abs 1 ABGB die gleiche Wirkung äußern wie eine ausdrückliche Gestaltungsabsprache (1 Ob 697/86, SZ 60/34; RIS-Justiz RS0009485 ua).

Die Klägerin negiert die Bedeutung und den Vorrang der autonomen Gestaltung der ehelichen Lebensgemeinschaft vor der gesetzlichen Regelung des § 94 ABGB und macht daher auch nicht geltend, dass der Verpflichtete mit der Beklagten vereinbart habe, dass sie ihm Unterhalt zahle (vgl Zechner, Forderungsexekution § 290a EO Rz 9 [Seite 50]). Sie versucht vielmehr, einen Geldunterhaltsanspruch des Verpflichteten gegen die Beklagte unmittelbar aus dem Gesetz abzuleiten. Da sie dabei allerdings weder behauptet, noch der vorliegende Fall dafür tragfähige Anhaltspunkte bietet, dass zwischen der Beklagten und ihrem Ehegatten hinsichtlich der tatsächlichen ehelichen Gestaltung - insb was die getrennten Haushalte und das Fehlen eines Geldflusses bezüglich Unterhalts an den Verpflichteten betrifft - kein Einvernehmen herrscht, ist ihr Klagebegehren schon aus diesem Grund unschlüssig und zum Scheitern verurteilt. Die Unschlüssigkeit ist vor dem Prozesshintergrund zu sehen, dass der Bestand der bestrittenen Unterhaltsforderung des Verpflichteten gegen die Beklagte das einzige Thema des Verfahrens war. Eine weitere Erörterung des Vorbringens war nicht geboten, zumal die Klägerin nach wie vor an der Auffassung festhält, auf die autonome Gestaltung der ehelichen Lebensgemeinschaft komme es hier ohnehin nicht an. Für den Standpunkt der Klägerin wäre aber auch dann nichts zu gewinnen, wenn man - wie die Klägerin - den Vorrang der autonomen Gestaltung der Ehegatten völlig ausblendet und nur auf den gesetzlichen Geldunterhaltsanspruch abstellt. Auch insoweit ist ihr Klagebegehren nämlich unschlüssig. Von den drei möglichen Fällen des § 94 Abs 2 ABGB (Hopf/Kathrein aaO § 94 Anm 10; RIS-Justiz RS0009738

ua) scheiden die ersten beiden laut den Sätzen 1 und 2 schon deshalb aus, weil nach dem Vorbringen nicht davon auszugehen ist, dass der Verpflichtete den gemeinsamen ehelichen Haushalt mit der Beklagten führt oder jemals geführt hat. Es bleibt daher bei der gegenständlichen Konstellation von vornherein nur der (von der Haushaltsführung unabhängige) Fall des Satzes 3, der daran anknüpft, dass der den Unterhalt fordernde Ehegatte seinen Beitrag iSd des § 94 Abs 1 ABGB nicht zu leisten vermag. Das entscheidende Kriterium der Unterhaltsbedürftigkeit setzt voraus, dass der bedürftige Ehegatte trotz Anspannung aller Kräfte, also trotz zumutbaren optimalen Einsatzes seiner Erwerbsfähigkeit, kein für den eigenen Unterhalt ausreichendes Einkommen zu erzielen imstande ist (Schwimann/Ferrari aaO § 94 Rz 15, 29 mwN; 6 Ob 679/77, SZ 50/108 ua). Auch derartiges wurde von der Klägerin nicht behauptet. Zwar meinte die Klägerin, dass der Verpflichtete vollkommen einkommens- und vermögenslos und auf „Zuwendungen" seiner Ehegattin angewiesen sei. Sie brachte jedoch nicht vor, dass er sich nach Kräften bemühe, seinen Beitrag zu leisten (Anspannungstheorie), sondern verwies nur eher abwertend darauf, dass er - wie schon zur Zeit der aufrechten Ehe mit ihr - offenbar weiterhin versuche, in Bagdad „irgendwelchen" Geschäften nachzugehen, die schon damals nur von „mehr als fragwürdigem Erfolg" gekennzeichnet gewesen seien. Dass der Verpflichtete trotz zumutbaren optimalen Einsatzes seiner Erwerbsfähigkeit kein für den eigenen Unterhalt ausreichendes Einkommen zu erzielen imstande sei, kann dem nicht entnommen werden.

Richtig ist der Hinweis der Revisionswerberin, dass auf den Unterhaltsanspruch „an sich" (dh dem Grunde nach) nicht im Vorhinein verzichtet werden kann (§ 94 Abs 3 ABGB). Zulässig ist aber ein Verzicht auf zB zeitlich abgegrenzte Unterhaltsleistungen oder etwa bei aufgehobener Gemeinschaft (Stabentheiner aaO § 94 Rz 21 mwN ua). Dies muss hier aber nicht weiter geprüft werden, weil ein Verzicht weder behauptet noch von den Vorinstanzen angenommen wurde. Die Schlüssigkeit einer Klage kann letztlich immer nur an Hand der konkreten Behauptungen im Einzelfall geprüft werden (RIS-Justiz RS0037780 ua). Ihr kommt daher in der Regel keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu (RIS-Justiz RS0116144 ua). Da es im vorliegenden Fall auch sonst keiner Lösung einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO bedarf, ist die Revision der Klägerin als unzulässig zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 40, 50 ZPO. Die Beklagte hat in ihrer Revisionsbeantwortung nicht auf die Unzulässigkeit des gegnerischen Rechtsmittels hingewiesen; die Revisionsbeantwortung war daher nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig und ist demzufolge auch nicht zu honorieren (RIS-Justiz RS0035979 ua).

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