OGH 6Ob167/06m

OGH6Ob167/06m14.9.2006

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler und Univ. Doz. Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei KR Walter R*****, vertreten durch Mag. Ralph Kilches, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. A*****, 2. Dr. Hans G. Z*****, vertreten durch Dr. Charlotte Böhm und andere Rechtsanwältinnen und Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung und Beseitigung (Streitwert 12.000 EUR), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 14. Dezember 2005, GZ 13 R 159/05f-34, mit dem das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 27. April 2005, GZ 16 Cg 109/03x-29, in der Hauptsache bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die Beklagten haben die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.

Text

Begründung

Entgegen dem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) - Ausspruch des Berufungsgerichts ist die ordentliche Revision nicht zulässig:

Das Berufungsgericht hat seinen Zulässigkeitsausspruch damit begründet, es fehle Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage, ob das Widerspruchsrecht des Klägers nach § 28 DSG durch dessen Verhaltensweisen, nämlich die Bekanntgabe seiner Handynummer und seiner privaten E-mail-Adresse, betroffen wurde. Der Kläger begehrt gegenüber den Beklagten das Verbot, seinen Namen, seine private (Handy-)Telefonnummer und seine private E-mail-Adresse w***** in Aussendungen aller Art, insbesondere an Abonnenten des Infodiensts der Erstbeklagten, sowie in Beiträgen auf der Website der Erstbeklagten in Verbindung mit Berichten über die Herold-Daten-CD oder mit Verweisen auf die Robinsonliste des Fachverbands für Werbung und Marktkommunikation der Wirtschaftskammer Österreich zu nennen und/oder Dritte aufzufordern, an ihn in diesem Zusammenhang E-mails zu senden oder Anrufe zu tätigen; des Weiteren begehrt er die Beseitigung sämtlicher derartiger Nennungen. Er stützte sich dabei im Verfahren erster Instanz ausdrücklich auf sein Recht auf Namensanonymität gemäß § 16 ABGB, auf sein Recht auf Unterlassung einer missbräuchlichen Verwendung seiner Telekommunikationseinrichtungen gemäß § 78 TKG und auf seinen Widerspruch gegen die Verwendung seiner Daten gemäß § 28 Abs 1 und 2 DSG. Er habe mit der Herold-Daten-CD nichts zu tun, für die Führung der Robinsonliste sei er nicht zuständig; ein sachlicher Anlass für die Veröffentlichungen der Beklagten habe somit nicht bestanden. Aufgrund dieser Veröffentlichungen sei er mit einer Flut von E-mails im Zusammenhang mit der Robinsonliste konfrontiert gewesen, die er auf eigene Kosten habe bearbeiten müssen.

Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren ab. Der Kläger habe seine private Handy-Nummer und seine private E-mail-Adresse mehrfach in Publikationen angegeben, die in einem sachlichen Zusammenhang mit Fragen der Werbung und insbesondere der Robinsonliste gestanden seien; sie seien auch auf der Website der Wirtschaftskammer Österreich aufgeschienen, wobei der Kläger Obmann deren Fachverbands für Werbung und Marktkommunikation sei. Ein Hinweis, dass diese privaten Kommunikationsmittel nur für Mitglieder des Fachverbands zugänglich sind, sei nicht enthalten gewesen; im Übrigen seien sie auch noch etwa ein Jahr nach Klagseinbringung in mehreren Publikationen des Klägers (unter anderem auf verschiedenen Websites) aufgeschienen. Der Zweitbeklagte habe den Kläger mittels Fragebogens um Auskunft ersucht, wer beim Fachverband für Werbung und Marktkommunikation intern für die Robinsonliste bzw die Überprüfung von Eintragungen zuständig ist; dieses Ersuchen sei jedoch unbeantwortet geblieben.

1. Die vom Berufungsgericht als erheblich bezeichnete Rechtsfrage ist konkret gar nicht zu beantworten:

Rechtliche Beurteilung

1.1. Nach § 28 Abs 1 DSG hat jeder Betroffene das Recht, beim Auftraggeber der Datenanwendung gegen die Verwendung seiner Daten wegen Verletzung überwiegender schutzwürdiger Geheimhaltungsinteressen, die sich aus seiner besonderen Situation ergeben, Widerspruch zu erheben, sofern die Verwendung von Daten nicht gesetzlich vorgesehen ist. Der Auftraggeber hat bei Vorliegen dieser Voraussetzungen die Daten des Betroffenen binnen acht Wochen aus seiner Datenanwendung zu löschen und allfällige Übermittlungen zu unterlassen.

Diese Bestimmung stellt auf den Sonderfall ab, dass die Datenanwendung zwar zulässig ist, eine aus der spezifischen Situation des Betroffenen heraus vorgenommene Interessenabwägung aber zu Gunsten des Betroffenen ausfällt (4 Ob 179/02f = SZ 2002/73). Der Rechtsweg des Betroffenen bei Nichtbeachtung des Widerspruchs führt im Fall eines Auftraggebers des öffentlichen Bereichs über die Datenschutzkommission zu den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts; im privaten Bereich sind für die Durchsetzung des Widerspruchsrechts die ordentlichen Gerichte berufen (Dohr/Pollirer/Weiss, DSG² [2002] § 28 Anm 5).

Der Kläger meint nun in seiner Revision unter Hinweis auf § 28 Abs 1 DSG, ihm komme „in allen Fällen ... das letzte Wort beim Schutz seiner Privatsphäre" zu. Er übersieht dabei aber die in dieser Bestimmung ausdrücklich angeordnete Interessenabwägung. Ein Widerspruch steht nur bei Verletzung überwiegender schutzwürdiger Geheimhaltungsinteressen zu, die sich aus seiner besonderen Situation ergeben müssen. Berücksichtigt man den von den Vorinstanzen festgestellten Umgang des Klägers mit seiner privaten Handy-Nummer und seiner privaten E-mail-Adresse, sind allerdings keine derartigen überwiegenden schutzwürdigen Geheimhaltungsinteressen erkennbar. Der Kläger argumentiert selbst auch lediglich damit, dass „massenweise übermittelte E-mails von Antragstellern an eine öffentliche Einrichtung nichts im Privathaushalt eines Funktionärs zu suchen" hätten; zur Interessenabwägung nimmt er inhaltlich jedoch nicht konkret Stellung.

1.2. Nach § 28 Abs 2 DSG kann der Betroffene gegen eine nicht gesetzlich angeordnete Aufnahme in eine öffentlich zugängliche Datei jederzeit auch ohne Begründung seines Begehrens Widerspruch erheben. Die Daten sind binnen acht Wochen zu löschen.

Der Beklagte hat dazu zwar im Verfahren erster Instanz ausgeführt, er habe am 29. 9. 2003 um die Löschung seines Namens, seiner privaten Handy-Nummer und seiner privaten E-mail-Adresse von der Website der Erstbeklagten ersucht; dies sei ein Widerspruch im Sinne des § 28 Abs 2 DSG gewesen. Er hat sich jedoch im Berufungsverfahren auf diese Anspruchsgrundlage nicht bezogen. Damit kann er sie auch im Revisionsverfahren nicht (mehr) geltend machen (vgl allgemein Zechner in Fasching/Konecny, ZPO² [2005] § 503 Rz 191; 5 Ob 95/99b = immolex 2000/18 mwN ua).

2. Aber auch der Kläger vermag in seiner Revision keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen:

2.1. Dass das Recht auf Achtung der Privat- bzw Geheimsphäre als Persönlichkeitsrecht im Sinn des § 16 ABGB absolut geschützt ist, entspricht ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (RIS-Justiz RS0009003); dies gilt auch für das Recht auf Namensanonymität (RIS-Justiz RS0008998). Davon ist das Berufungsgericht ohnehin ausgegangen.

Es entspricht aber ebenso ständiger Rechtsprechung, dass der Schutz der Privatsphäre auf der einen Seite mit dem Informationsinteresse der Allgemeinheit und dem Schutz der Meinungsäußerungsfreiheit auf der anderen Seite abzuwägen ist; das Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit wird dabei zur Verneinung der Rechtswidrigkeit einer Namensnennung führen, wenn der Namensträger selbst sachlichen Anlass zur Nennung gegeben hat (1 Ob 36/86 = SZ 59/182 ua). Ob tatsächlich ein solcher Anlass gegeben war, ist ebenso Einzelfallbeurteilung wie das Ergebnis der Interessenabwägung (vgl 6 Ob 306/98p = EFSlg 85.845; 6 Ob 42/05b).

2.2. Der Kläger meint, jedenfalls nach seiner Aufforderung zur Unterlassung hätten die Beklagten die Nennung seiner privaten Handynummer und seiner privaten E-mail „stoppen" müssen. Dagegen spricht aber allein schon der Umstand, dass die verfahrensgegenständlichen Daten des Klägers auch noch etwa ein Jahr nach Klagseinbringung in mehreren seiner Publikationen (unter anderem auf verschiedenen Websites) aufgeschienen sind.

2.3. Der Kläger beruft sich weiters auf § 78 Abs 1 Z 2 TKG. Danach dürfen Funkanlagen und Telekommunikationseinrichtungen nicht missbräuchlich verwendet werden; als missbräuchliche Verwendung gilt etwa jede grobe Belästigung. Dies soll unter anderem auch für derartige Belästigungen durch E-mails gelten (vgl UVS Steiermark Zl 30.2-118/2002).

Nach den Feststellungen der Vorinstanzen waren die private Handynummer und die private E-mail-Adresse des Klägers auf den jedermann zugänglichen Websites der Wirtschaftskammer Österreich ersichtlich; Publikationen des Klägers enthielten - zumindest fallweise - ausdrückliche Aufforderungen zur Kontaktaufnahme. Für einen unbeteiligten Betrachter und jeden Konsumenten entstand dadurch der Eindruck, der Kläger als Obmann des Fachverbands Werbung und Marktkommunikation lade auch ihn in Belangen des Fachverbands zur Kontaktaufnahme ein; zu diesen Belangen gehört auch die Führung der Robinsonliste.

Bei diesen Feststellungen kann aber von einer missbräuchlichen Inanspruchnahme der erwähnten Kommunikationsmittel des Klägers bzw von einem Aufruf der Beklagten hiezu nicht ausgegangen werden.

2.4. Weiters wirft der Kläger den Vorinstanzen vor, sich nicht darüber klar geworden zu sein, „ob das Verhalten der Beklagten nicht von Schädigungsabsicht geprägt" gewesen sei; dann hätte nämlich eine Interessenabwägung gar nicht stattzufinden. Eine derartige Annahme scheidet aber schon allein deshalb aus, weil der Zweitbeklagte den Kläger mittels Fragebogens um Auskunft ersucht hatte, wer beim Fachverband für Werbung und Marktkommunikation intern für die Robinsonliste bzw die Überprüfung von Eintragungen zuständig sei; dieses Ersuchen ist jedoch unbeantwortet geblieben. Der Überlegung des Klägers, den Beklagten hätte bewusst sein müssen, dass eine Eintragung in die Robinsonliste nur schriftlich auf dem Postweg und nicht auch per E-mail oder Telefonanruf erreicht werden kann, steht die vom Erstgericht festgestellte (kammerinterne) Weisung des Klägers entgegen, nach welcher eine Aufnahme in die Robinsonliste auch aufgrund eines E-mails mit nachvollziehbarem Absender erfolgen könne.

2.5. Es ist nicht erkennbar, weshalb der Kläger bei jenen E-mails, die er aufgrund der Veröffentlichungen der Beklagten im Zusammenhang mit der Robinsonliste erhalten hat, von „Spam-mails" spricht. Nach seinem eigenen Vorbringen in der Klage handelte es sich um Ersuchen von Personen, sie in die Robinsonliste aufzunehmen. Nach § 151 Abs 9 GewO hat der Fachverband für Werbung und Marktkommunikation der Wirtschaftkammer Österreich, deren Obmann der Kläger ist, eine Liste zu führen, in welche Personen kostenlos einzutragen sind, die die Zustellung von Werbematerial für sich ausschließen wollen (Robinsonliste). Unter „Spam-mails" versteht man hingegen unerwünschtes Werbematerial.

2.6. Der Kläger verweist darauf, dass er sich an der Diskussion um die Herold-Daten-CD öffentlich nicht beteiligt habe; dennoch hätten die Beklagten seine private Handynummer und seine private E-mail-Adresse in diesem Zusammenhang bekannt gemacht und dabei die „Angestifteten" sogar insofern in die Irre geführt, als im Hinblick auf § 151 Abs 9 iVm Abs 1 und 5 GewO ein Eintrag in die Robinsonliste keine „Abhilfe gegen die Herold-Daten-CD" brachte.

Die Beurteilung der Vorinstanzen, die Beklagten hätten die Daten des Klägers nur im Zusammenhang mit der Robinsonliste veröffentlicht und nicht in Verbindung mit der Herold-Daten-CD gebracht, ist durchaus vertretbar (vgl Beilage ./E); jedenfalls liegt auch hier keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO vor. Die Beklagten haben in ihren Veröffentlichungen auch nicht behauptet, dass ein Eintrag in die Robinsonliste vor einer Aufnahme in die Herold-Daten-CD schütze. Sie haben in diesem Zusammenhang lediglich - neben anderen, gegen die tatsächlich betroffenen Unternehmen gerichteten Maßnahmen - einen derartigen Eintrag empfohlen.

2.7. Zusammenfassend meint der Kläger, praktisch jeder Unternehmer, aber auch jeder im Wirtschaftsleben stehende Bürger sei darauf angewiesen, auf Websites und Visitenkarten Kontaktdaten zu veröffentlichen; diese hätten den Zweck, eine Kontaktaufnahme zu ermöglichen. Es stehe diesen Personen aber dennoch das Recht zu, Kommunikation abzulehnen. Es könne daher nicht sein, dass „jeder Konkurrent, jeder unzufriedene Konsument, jeder verärgerte Bürger unbeschränkt allgemein dazu aufrufen [darf], an praktisch jede veröffentlichte E-mail-Adresse unbeschränkt Korrespondenz zu senden", und „damit nicht einmal aufhören [muss], wenn der Adressat dies ausdrücklich nicht wünscht".

Darauf kommt es aber im vorliegenden Verfahren gar nicht an. Der Kläger hat selbst - sowohl vor als auch nach den Veröffentlichungen der Beklagten - als Obmann des Fachverbands für Werbung und Marktkommunikation der Wirtschaftskammer Österreich seine (privaten) Kontaktdaten in Publikationen und auf Websites unter dem Gesichtspunkt bekannt gegeben, damit ein Ansprechpartner für die Überprüfung der Durchführung eines Antrags auf Aufnahme in die Robinsonliste zu sein; er hat außerdem sogar ausdrücklich zur Kontaktaufnahme aufgefordert.

Die Kostenentscheidung gründet auf §§ 40, 50 ZPO. Die Beklagten haben auf die Unzulässigkeit der Revision nicht hingewiesen; ihr Rechtsmittelschriftsatz war daher zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung nicht notwendig.

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