Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Soweit mit Nichtigkeitsbeschwerde angefochten, wurde Stefan M***** des Verbrechens des versuchten Mordes nach §§ 15, 75 StGB schuldig erkannt.
Danach hat er am 29. November 2000 in S***** Karl Heinz K***** dadurch, dass er ihm von hinten ein zweischneidiges Messer mit ca 12 cm Klingenlänge in den Rücken auf Höhe des fünften Brustwirbels stieß und anschließend mehrmals auf ihn einstach, wodurch K***** Stich- und Schnittwunden in der linken Nasenregion mit Verletzung des Tränenkanals, in der linken Schläfenregion, an der linken Ohrmuschel, am rechten Kleinfingerballen und am linken Kleinfingerglied, verbunden mit einem offenen Bruch, sowie am linken Daumenballen mit offener Fraktur des ersten Mittelhandknochens und Verletzung der Nerven, erlitt, zu töten versucht.
Der aus Z 6, 8, 10a und „11 lit a oder b" des § 345 Abs 1 StPO ergriffenen Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten kommt keine Berechtigung zu.
Rechtliche Beurteilung
Indem die Fragenrüge (Z 6) - zu Recht (vgl § 7 Abs 1 StGB; RIS-Justiz RS0113270; Ratz, WK-StPO § 345 Rz 33) - ohnehin zugesteht, dass es der Aufnahme des Wortes „vorsätzlich" in die nach versuchtem Mord gestellte Schuldfrage nicht bedurfte, wird nicht klar, wie darin gleichwohl „durch klares Hinführen auf Tatsachen" das Erfordernis zumindest bedingten Vorsatzes hätte zum Ausdruck gebracht werden sollen.
Die zum Strafaufhebungsgrund nach § 16 Abs 1 StGB gestellte Forderung nach Aufnahme „insbesonders jener tatsächlichen Umstände, in denen ein derartiger freiwilliger Rücktritt erblickt werden kann", wird - prozessual unzulässig (vgl § 282 Abs 2 StPO) - nicht zum Vorteil des Angeklagten geltend gemacht. Eine nicht auf eine spezielle Fallgestaltung abgestellte Fragestellung schließt nämlich sämtliche Fälle des Strafausschließungsgrundes, auf den die Zusatzfrage gerichtet ist, mit ein.
Daher ist in Betreff von Strafausschließungsgründen iwS, die nicht in Gründen des Prozessrechtes bestehen, im geschworenengerichtlichen Verfahren auch ausdrücklich nicht nach der Existenzbehauptung des Untersatzes einer (auf den konkreten Fall hin gebildeten) Fallnorm zu fragen, sondern nach dem Vorliegen der gesetzlichen Kriterien des Strafausschließungsgrundes schlechthin (vgl § 313 StPO [„ ... nach
dem Strafausschließungs- oder Strafaufhebungsgrund ... zu stellen"],
wogegen §§ 312, 314 und 316 StPO ausdrücklich auf Tatsachen und nicht bloß auf die rechtlichen Kriterien abstellen). Zwar bilden - ebenso wie in den Fällen der §§ 314, 316 StPO - in der Hauptverhandlung vorgekommene Tatsachen den Anlass, nicht aber den Inhalt der Fragestellung (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 619).
Die Instruktionsrüge vermisst eine Belehrung der Geschworenen über die Rechtsnatur bedingten Vorsatzes (§ 5 Abs 1 zweiter Teilsatz StGB), orientiert sich dabei aber nicht am Inhalt der tatsächlich erfolgten Unterweisung (S 13 ff der Rechtsbelehrung). Dort wurde dieses Tatbestandsmerkmal eingehend erörtert. Die Behauptung, es komme darauf an, dass sich der Täter „auch zustimmend abgefunden hat", wird nicht aus dem Gesetz abgeleitet. Der unter dem Gesichtspunkt des in der Schuldfrage nach versuchtem Mord subintellegierten Vorsatzes geforderte „besonders klare und deutliche" Belehrungsinhalt ist dem Rechtsmittel nicht zu entnehmen. Auch die Kritik an der zum Strafaufhebungsgrund freiwilligen Rücktritts vom Versuch erteilten Rechtsbelehrung übergeht deren Inhalt (S 12 f der Rechtsbelehrung). Welche „bestimmten rechtlichen Anforderungen" darin gefordert worden sein sollen, bleibt unklar. Geäußerte Zweifel am Ergebnis der Beweiswürdigung der Geschworenen sind nicht Gegenstand des Nichtigkeitsgrundes.
Aus der Aussage des Zeugen K*****, insbesondere auch aus dem ihr zu entnehmenden Umstand, dass der Angeklagte sein wehrloses Tatopfer zuletzt nicht zu Tode gebracht hat, ergeben sich für den Obersten Gerichtshof keine erheblichen Bedenken an der Annahme des Tötungsvorsatzes (jedenfalls) beim ersten gegen diesen geführten Stich und der Ablehnung freiwilligen Rücktritts vom Versuch (Z 10a). Die Subsumtionsrüge (nominell „Z 11 lit a oder lit b"; sachlich Z 12) nimmt schließlich nicht am Wahrspruch Maß und geht daher fehl (vgl im Übrigen Hager/Massauer in WK2 §§ 15, 16 Rz 159 ff; RIS-Justiz RS0090229, RS0090277).
Da in der Hauptverhandlung vorgekommene Tatsachen, wie dargelegt, bloß den Anlass, nicht aber den Inhalt der Fragestellung nach Strafausschließungsgründen iwS bilden, ist ein bestimmtes Tatsachensubstrat von vornherein nicht Gegenstand des Wahrspruchs, weswegen auch Z 11 lit b StPO eine Überprüfungskompetenz des OGH nicht sinnvollerweise vorsehen kann (vgl auch Platzgummer8 166). Ob die Geschworenen aus einem Rechtsirrtum oder infolge entsprechender tatsächlicher Annahmen den Strafausschließungsgrund iwS bejaht haben, ist demnach nicht Gegenstand des Rechtsmittelverfahrens. In diesem Umfang ist also zur Gänze auch die „rechtliche Beurteilung der Tat den Geschworenen vorbehalten" (vgl § 311 Abs 2 zweiter Fall StPO; WK-StPO § 281 Rz 619).
Die Zurückweisung der Nichtigkeitsbeschwerde bereits bei der nichtöffentlichen Beratung (§§ 344 zweiter Satz, 285d Abs 1 StPO) hat die Zuständigkeit des Oberlandesgerichtes Linz zur Entscheidung über die Berufung zur Folge (§§ 344 zweiter Satz, 285i StPO). Angesichts der auch gegen die Unterbringungsanordnung gerichteten Berufung des Angeklagten bedarf es ungeachtet fehlender eindeutiger Sachverhaltsannahmen zur prognostizierten Tat (Z 11 zweiter Fall; 11 Os 97/04, WK-StPO § 281 Rz 719, 721) keines amtswegigen Vorgehens des Obersten Gerichtshofes nach §§ 344 zweiter Satz, 290 Abs 1 zweiter Satz StPO (RIS-Justiz RS 0114427; Ratz, WK-StPO § 283 Rz 1; kritisch:
Medigovic, WK-StPO § 433 Rz 25).
Die Kostenersatzpflicht des Angeklagten gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.
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