OGH 3Ob122/05w

OGH3Ob122/05w13.9.2006

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Pimmer und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Zechner, Dr Prückner und Dr. Sailer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Baumeister B***** GmbH, ***** vertreten durch Ferner Hornung & Partner, Rechtsanwälte GmbH in Salzburg, wider die beklagte Partei Reinhalteverband *****, vertreten durch Pressl Endl Heinrich Bamberger Rechtsanwälte GmbH in Salzburg, sowie die Nebenintervenienten auf Seite der beklagten Partei 1.) B***** GmbH, ***** und 2.) DI Thomas N*****, vertreten durch Dr. Wolfgang Berger und Dr. Josef W. Aichlreiter, Rechtsanwälte in Salzburg, wegen 138.650,52 EUR s.A., infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 6. April 2005, GZ 6 R 212/04w-36, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 6. August 2004, GZ 9 Cg 206/00w-31, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der außerordentlichen Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei und den beiden Nebenintervenienten auf Seite der beklagten Partei die mit je 2.031,12 EUR (darin je 338,52 EUR USt) bestimmten Kosten ihrer Revisionsbeantwortungen binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die beiden Nebenintervenienten - die 1.Nebenintervenientin in ihrer damaligen Rechtsform - führten als Planungsgesellschaft für den beklagten (Wasser)Reinhalteverband die Planung, Ausschreibung und Bauaufsicht der Erweiterung und Anpassung einer näher bezeichneten Kläranlage durch. Im Angebotsschreiben und im Leistungsverzeichnis (im Folgenden auch nur LV), das der öffentlichen Ausschreibung zugrunde lag, lauten die hier relevanten Punkte:

D5.2 „Angebotslegung":

„Ist der Angebotsersteller der Ansicht, dass einzelne Ausschreibungsbestimmungen oder Teile der Leistungsbeschreibung sowie die technischen Unterlagen unklar oder unvollständig sind, so hat er spätestens 10 Tage vor Ablauf der Angebotsfrist die Klarstellung oder Ergänzung zu verlangen, zumal ansonsten die Auslegung des Auftraggebers gilt. Etwaigen Nachforderungen bzw. Mehrkosten aus diesem Titel kann nicht entsprochen werden.

Kommt der Bieter zu dem Schluss, dass zur ordnungsgemäßen Leistungserbringung zusätzliche im Leistungsverzeichnis nicht angeführte Leistungen erforderlich sind, so hat er diese eindeutig und zweifelsfrei zu beschreiben und dem Ausschreibenden ebenfalls bis 10 Tage vor Ablauf der Angebotsfrist nachweislich zur Kenntnis zu bringen.

Aus einem diesbezüglichen Versäumnis des Angebotslegers können nach Auftragserteilung keine Mehrforderungen geltend gemacht werden."

Im LV lauten die hier relevanten Positionen:

Position 010504:

Gerätekosten, Baustellenregie für Baugruben- und Grabensicherung sowie Gründungsarbeiten.

Einrichtungen und Geräte vor- und instandhalten, inklusive Mieten, Gebühren und Baustellenregie und dergleichen.

Position 010504A:

Gerätekosten für Spundbohlen: ... 35,00 d Tage.

Position 050501:

Stahlspundbohlen rammen und ziehen, zur Sicherung von Baugruben und Künetten, nach statischem Erfordernis, ohne Unterschied der Profilart, inklusive aller Aussteifungen und Verankerungen bei Künetten. ... Die Vergütung erfolgt nach der gestützten oder gerammten Fläche. Unterschieden wird nach der Zuordnungstife.

Position 050501H:

Stahlspundbohlen ram./zieh.geramm.Fl.0-12 m W

Profilgewicht mind.: 185 kg/m2, W>2200 cm3,

z.B. Hoesch IV oder Larssen IV

Baugrube/Künette: Baugrube, Belebungs-/Nachklärbecken verrechenbare Rammtiefe 10 m, ... 2.850 m2.

Bei der Position 050501H handelt es sich um eine sogenannte wesentliche Position, bei der im Zuge der Angebotsprüfung vom Bestbieter auch die sogenannten K7-Blätter vorzulegen sind. Für eine standardisierte Ausschreibung bedienten sich die Nebenintervenienten der Leistungsbeschreibung (im Folgenden auch nur LB) LB-SW Version 04. Diese LB Stand 1. Mai 1997 sieht u.a. für Ausschreibungen die Ö-Norm B 2280 Verbauarbeiten, Werkvertragsnorm als anwendbar. Zur Leistungsgruppe 0505 Verbau mit Spundbohlen hält diese LB u.a. fest:

Die Vergütung erfolgt nach der gesamten gestützten Wandfläche (in diesen Positionen ist die erforderliche Einbindetiefe in den Preis einzurechnen) oder nach der gerammten Wandfläche bis zur festgelegten Gesamtrammtiefe. In beiden Fällen werden zusätzlich 0,40 m Überstand über Geländeoberkante vergütet.

Kommentar: ...

Die beiden Nebenintervenienten bedienten sich der genannten LB auch deshalb, weil das Projekt mit Mitteln des Landes Salzburg gefördert wurde, ein Auftragsvolumen über 3 Mio. S hatte und zur Erlangung von Fördergeldern zwingend die Verwendung der LB-SW Version 04 notwendig war. Den Ausschreibungsunterlagen lag auch ein Bauzeitplan bei, aus dem ersichtlich war, dass die Bauphasen Nr. 39 Aushub, Gründung, Nr. 40 Stahlbetonarbeiten und Nr. 41 Dichtheitsproben von Anfang Juli 1999 bis Mitte Dezember 1999 dauern. Für jeden anbietenden Fachmann war daher aufgrund dieser Arbeiten ersichtlich, dass eine Spundung von Anfang Juli 1999 bis Mitte Dezember 1999 erforderlich sein wird.

Die Nebenintervenienten gingen davon aus, dass das Vorhalten der Spundbohlen unter Position 050501H zu veranschlagen sei. Sie schlossen dies aus den Verfahrensbestimmungen der Ö-Norm B 2280.1.3.2.2:

„Bei schwierigen Verbauen sowie bei Gräben und Baugruben mit mehr als 4 m Breite ist das Einbauen, Vorhalten und Abbauen der Verkleidung (Bohlen, Kanal ..., Spundbohlen udgl) nach Flächenmaß oder Masse und das Einbauen, Vorhalten und Abbauen der übrigen Teile des Verbaus (Träger, Steifen, Anker, Brusthölzer, Gurtungen udgl) einschließlich Zubehör nach Längenmaß, Masse oder Anzahl auszuschreiben bzw anzubieten."

Nachdem die Leistungspositionen in der LB-SW Version 04 nur unter der Leistungsgruppe 0505 m2 - Vorgaben enthielten, dachten die Nebenintervenienten, dass eben dort das Vorhalten der Spundbohlen zu veranschlagen ist. Tatsächlich wäre aber das Vorhalten der Spundbohlen unter der Position 010504A nach Tagen zu veranschlagen gewesen. Dies ergab sich für die Streitteile erst nach einer Anfrage durch Erhalt eines Antwortschreibens am 6. Dezember 1999, also lange nach Zuschlag und Baubeginn. Nach dem Inhalt und der Reihenfolge der Vertragsbestimmungen laut Ausschreibungsunterlagen und dem Aufklärungsgespräch vom 26. April 1999 gibt es keine Position im LV, unter der das Vorhalten der Spundbohlen veranschlagt werden kann.

Die klagende Partei ist eine Spezialistin auf dem Gebiet des Tiefbaus; sie hat auch schon mehrere Bauvorhaben im Bereich des Kläranlagenbaus abgewickelt und war auch in dieser Richtung erfahren. Sie legte am 25. März 1999 ein Hauptangebot und ein Alternativangebot, das die Durchführung des Auftrags ohne Spundung vorsah. Schon bei Studium der Ausschreibungsunterlagen erkannte die klagende Partei, dass das Vorhalten der Spundbohlen von Anfang Juni bis Mitte Dezember 1999 erforderlich sein werde und die in der Ausschreibung vorgegebene Anzahl von 35 Tagen unter der Position 010504A niemals für das Vorhalten der Spundbohlen ausreichend sein könne. So fragte sie auch am 15. Februar 1999 beim Subunternehmer Theisen KG an und erhielt am 17. Februar 1999 nicht ausschreibungsgemäße Spundbohlen zu einem kg-Preis von 0,60 S pro Monat angeboten.

Jedenfalls seit einem Aufklärungsgespräch am 26. April 1999 war der klagenden Partei klar, dass sich die Position 010504A (Gerätekosten für Spundbohlen) mit dem ausgewiesenen Zeitraum von 35 Tagen nur auf den Geräteeinsatz für das Rammen und Ziehen der Spundbohlen und nicht für deren Vorhalten bezieht. Die klagende Partei dachte schon zum Zeitpunkt der Auschreibung und des Aufklärungsgesprächs vom 26. April 1999 daran, die beklagte Partei mit einem Nachtragsangebot zu überraschen, sobald sie den Zuschlag als Bestbieter erhalten habe. Der damalige Geschäftsführer der klagenden Partei sprach das Thema, wo das Vorhalten der Spundbohlen zu veranschlagen sei, ganz bewusst nicht an, sondern bestätigte im Zuge des Aufklärungsgesprächs schlicht, dass 35 Tage für das Rammen und Ziehen der Spundbohlen ausreichend seien. Der listige Hintergedanke des damaligen Geschäftsführers der klagenden Partei war, die unklare Ausschreibung auszunützen, das Werk ohne Vorhaltekosten für Spundbohlen anzubieten und dann den Preis für die Leistung durch ein Nachtragsangebot zu erhöhen, sobald die klagende Partei den Zuschlag erhalten habe. Die Nebenintervenienten sprachen das Thema, wo das Vorhalten der Spundbohlen zu veranschlagen sei, deshalb nicht an, weil sie überzeugt waren, dass das Vorhalten unter der Position 050501H zu kalkulieren sei.

Nach der am 8. Juni 1999 erfolgten Auftragserteilung legte die klagende Partei ein Nachtragsangebot vom 21. Juni 1999, das sie längst vor Auftragserteilung hätte stellen können. Die klagende Partei hatte tatsächlich Mietkosten für Spundbohlen von 741.158 S und 403.233 S exklusive USt für die erstmals am 7. Juli 1999 eingebrachten Bohlen bis 31. Oktober 1999 zu bezahlen. Welche weiteren Mietkosten sie ab 1. November 1999 bis Mitte Dezember 1999 bis zum Ziehen der Spundbohlen hatte, kann nicht festgestellt werden. Jedenfalls sind 143 Tage für das Vorhalten der Spundbohlen angemessen.

Es ist nicht feststellbar, dass die zweit- und drittgereihten Bieter in ihren Angeboten das Vorhalten der Spundbohlen auch nicht kalkuliert und veranschlagt hätten. Es erscheint daher möglich, dass die klagende Partei nicht Bestbieter gewesen wäre, hätte sie das Anbot über das Vorhalten der Spundbohlen vor Angebotsfrist abgegeben.

Die klagende Partei begehrte zuletzt von der beklagten Partei die Zahlung von 138.650,52 EUR s.A. an restlichen Gerätekosten für Spundbohlen gemäß Position 010504A des Leistungsverzeichnisses. Zu dieser Position seien als „Mengenangabe" im LV 35 Tage genannt gewesen. Ausgehend von einem Einheitspreis von 14.999 S ergebe sich im ausgepreisten LV ein Positionspreis von 524.965 S. Die klagende Partei habe das Vorhalten der Spundbohlen unter dieser Position noch nicht kalkuliert, weil sich ihrer Ansicht die 35 Tage nur auf den Zeitraum des Rammens und Ziehens der Spundbohlen beziehen. In der Beschreibung der Position 050501H komme deutlich zum Ausdruck, dass dort nur das Rammen und Ziehen der Spundbohlen zu kalkulieren sei und nicht das Vorhalten. Dies habe den Vertretern der beklagten Partei klar sein müssen, weil sonst der Positionspreis um 1,5 Mio S höher hätte sein müssen. Unmittelbar nach Beginn der Bauarbeiten habe die klagende Partei ein Nachtragsangebot über die Vorhaltekosten der Spundbohlen entsprechend einem zwischenzeitig ermittelten Bedarf von 500.000 kg um einen Preis von 0,69 S pro kg und Monat gelegt. Unter Zugrundelegung eines Bedarfs von 4,5 Monaten habe dies einen Positionspreis von 1,552.500 S netto ergeben. Die beklagte Partei habe dieses Angebot abgelehnt. Für die klagende Partei sei es unumgänglich gewesen, die Spundbohlen selbst anzumieten und zu verwenden. Sie seien 174 Tage im Einsatz gewesen; die klagende Partei habe davon 143 Tage verrechnet.

Die klagende Partei stützte die Klagsforderung auf den abgeschlossenen Werkvertrag, subsidiär auch auf Vertragsanpassung nach § 872 ABGB und Schadenersatz, weil die beklagte Partei die klagende Partei durch unrichtige Angaben in den Ausschreibungsunterlagen irregeführt habe und im vorvertraglichen Schuldverhältnis unvollständige und unrichtige Ausschreibungsunterlagen zur Verfügung gestellt habe. Die beklagte Partei hafte für das Verschulden ihrer beigezogenen Partner. Im Zuge des Aufklärungsgesprächs vom 26. April 1999 habe die klagende Partei ihren Kalkulationsirrtum rechtzeitig aufgeklärt. Der Kalkulationsirrtum habe der beklagten Partei auch auffallen müssen und sei ihr tatsächlich wohl auch aufgefallen. Es liege hier ein beachtlicher Geschäftsirrtum vor, der zur Vertragsanpassung berechtige.

Die beklagte Partei wendete ein, die Auslegung der Position 010504A sei bereits vor Abschluss des Vertrags mit der klagenden Partei Gegenstand eines kommissionellen Gesprächs zur verbindlichen Aufklärung gemäß Ö-Norm gewesen. Bei diesem Gespräch am 26. April 1999 sei klar gestellt worden, dass sich die Position Gerätekosten für Spundbohlen auf die Geräte für das Einbringen und nicht auf das Vorhalten der Spundbohlen selbst beziehe und dafür mit 35 Tagen das Auslangen gefunden werden könne. Das Vorhalten der Spundwände für die Dauer der Baugrubensicherung sei daher in der Position 050501 zu berücksichtigen gewesen. Spätestens nach dem Aufklärungsgespräch sei der klagenden Partei klar gewesen, dass die Kosten für das Vorhalten der Spundbohlen nicht unter der Position 010504A, sondern unter der Position 050501H zu kalkulieren und abzurechnen seien. Daher habe die beklagte Partei das Nachtragsangebot der klagenden Partei betreffend die Vorhaltekosten der Spundbohlen mit dem Hinweis abgelehnt, dass diese Kosten in den Positionen des LV enthalten und daher mit den angebotenen und beauftragten Einheitspreisen abgegolten seien.

Nach den letzten beiden Absätzen des Punkts D5.2 der Ausschreibungsunterlagen habe der Angebotsersteller, der der Ansicht sei, dass einzelne Ausschreibungsbestimmungen oder Teile der LB sowie die technischen Unterlagen unklar oder unvollständig seien, spätestens zehn Tage vor Ablauf der Angebotsfrist die Klarstellung oder Ergänzung zu verlangen, zumal sonst die Auslegung des Auftraggebers gelte und etwaigen Nachforderungen bzw. Mehrkosten aus diesem Titel nicht entsprochen werden könnte. Aus einem Versäumnis könne nach Auftragserteilung keine Mehrforderung geltend gemacht werden.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Die klagende Partei sei nach den Ausschreibungsunterlagen gehalten gewesen, Unklarheiten spätestens zehn Tage vor Ablauf der Angebotsfrist offen zu legen; sonst könnten Mehrforderungen nicht geltend gemacht werden. Diese Vertragsbestimmung sei nicht sittenwidrig. Die klagende Partei sei nicht schutzwürdig, wenn sie unter Negierung dieser vertraglichen Grundlage geradezu arglistig mit ihrem Nachtragsangebot zurückhalte, bis sie als Bestbieterin den Zuschlag erhalten habe. Es stünden ihr keine Ansprüche aus Irrtum zu, weil sie nicht in Irrtum geführt worden sei, aber auch keine Schadenersatzansprüche, weil sie eine ihrer Meinung nach falsche Ausschreibung erkannt, ihr Wissen aber verborgen habe, um Bestbieter zu werden.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil, zusammengefasst aus der Erwägung, der eindeutige Wortlaut des Punkts D 5.2 verpflichte den Angebotsteller ohne jede Einschränkung, bei Bedenken gegen die Klarheit oder Vollständigkeit der Ausschreibungsunterlagen, der LB und der technischen Unterlagen Klarstellung oder Ergänzung zu verlangen. Als Konsequenz dafür, dass die klagende Partei diese Hinweispflicht auf die Unvollständigkeit der Ausschreibung verletzt habe, stehe ihr für den tatsächlichen Aufwand, den sie für das Vorhalten der Spundbohlen gehabt habe, soweit er von der beklagten Partei nicht bezahlt worden sei, kein Entgeltanspruch zu. Das Versäumnis der klagenden Partei liege darin, dass sie diesen Hinweis im Zuge der Angebotslegung und somit vor Ablauf der Angebotsfrist unterlassen habe. Eine vergaberechtliche Verpflichtung der ausschreibenden Stelle, ein nicht ausgeschiedenes Angebot dahin zu prüfen, ob es für den Auftraggeber unangemessen günstig ist, sei nicht ersichtlich. Nach den Feststellungen könne auch nicht von einer schuldhaften Verletzung einer solchen Prüfungspflicht ausgegangen werden, weshalb auch kein Schadenersatzanspruch der klagenden Partei bestehe.

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei ist zwar zulässig, jedoch nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

a) In der Leistungsbeschreibung des beklagten Werkbestellers wurden als Grundlage für die Gerätekosten sogenannter Spundbohlen 35 Tage, nämlich für deren Rammen und Ziehen, veranschlagt. Für die Ausführung des Werks waren die Spundbohlen aber erheblich länger notwendig, nämlich nicht bloß deren Rammen (Einbringen) und Ziehen (Entfernen), sondern auch deren Vorhalten (Belassen an Ort und Stelle). In ihrem Angebot berechnete die klagende Bieterin die Kosten für die Spundbohlen der Ausschreibung entsprechend auf der Grundlage von 35 Tagen, obwohl sie wusste, dass das Werk in 35 Tagen nicht erbracht werden konnte, weil die Spundbohlen auch vorgehalten mussten, somit eine zusätzliche Leistung erforderlich war. Die klagende Partei erhielt den Zuschlag, benötigte die Spundbohlen - einschließlich deren Vorhalten - 143 Tage und klagte nun den Mehrbetrag ein.

b) Zufolge des eingangs wiedergegebenen Punkts D5.2. „Angebotslegung" der Ausschreibung als Vertragsgrundlage mit dem Schlussatz Aus einem diesbezüglichen Versäumnis des Angebotslegers können nach Auftragserteilung keine Mehrforderungen geltend gemacht werden, besteht, wie die Vorinstanzen erkannten, kein Werklohnanspruch der klagenden Partei für die bei den Spundbohlen aufgetretenen Mehrkosten. Sowohl die Wortinterpretation als auch die grammatikalische, systematische und teleologische Interpretation dieses Satzes lassen keinen Zweifel daran, dass der Bieter keine zusätzlichen Forderungen erheben kann, wenn er den Ausschreibenden vorsätzlich nicht darauf aufmerksam machte, dass zur ordnungsgemäßen Leistungserbringung zusätzliche, im Leistungsverzeichnis nicht enthaltene Leistungen (in casu: Vorhalten der Spundbohlen) notwendig sind.

c) Gemäß § 879 Abs 3 ABGB ist eine Vertragsbestimmung in AGB oder Vertragsformblättern, die - wie hier - nicht eine der beiderseitigen Hauptleistungen festlegt, jedenfalls dann nichtig, wenn sie unter Berücksichtigung aller Umstände des konkreten Vertragsverhältnisses einen Teil gröblich benachteiligt. Bei der in einem beweglichen System vorzunehmenden Angemessenheitskontrolle nach § 879 Abs 3 ABGB ist objektiv auf den Zeitpunkt des Vertragsabschlusses abzustellen. Für diesen Zeitpunkt ist eine umfassende, die Umstände des Einzelfalls berücksichtigende Interessenprüfung vorzunehmen. Dabei ist in beweglicher Beurteilung einerseits auf die sachliche Rechtfertigung und den Grund der Abweichung vom dispositiven Recht als dem gesetzlich vorgesehenen Interessenausgleich, andererseits auf das Ausmaß der „verdünnten Willensfreiheit" des Vertragspartners abzustellen (Krejci in Rummel3, § 879 ABGB Rz 240 und 245 mwN). Der Umstand, dass die Vertragspartner Kaufleute sind, steht der Beurteilung einer vertraglichen Abrede als sittenwidrige Bestimmung keinesfalls grundsätzlich entgegen; allenfalls ist im Einzelfall eine besonders gravierende Ungleichgewichtslage in den durch den Vertrag festgelegten Rechtspositionen zu fordern (zuletzt 3 Ob 121/06z; 10 Ob 54/04w = EvBl 2005/191; Näheres zu den Voraussetzungen für die Anwendbarkeit der erörterten Norm ferner in 1 Ob 144/04i = SZ 2004/123, je mwN; RIS-Justiz RS0119323).

Im vorliegenden Fall kommt Punkt D5.2. dann zur Anwendung, wenn der Bieter zu dem Schluss kommt, dass zur ordnungsgemäßen Leistungserbringung zusätzliche im Leistungsverzeichnis nicht angeführte Leistungen (in casu: nicht bloß das Rammen und Ziehen, sondern auch das Vorhalten der Spundbohlen für eine gewisse Zeit) erforderlich sind. Voraussetzung ist somit, dass der Bieter die Unrichtigkeit der LB erkennt und dennoch schweigt. Die Bestimmung weicht nicht grundsätzlich von der allgemeinen Regel des § 871 Abs 1 ABGB - wenn der Vertrag die Hauptsache oder eine wesentliche Beschaffenheit derselben betrifft - ab. Wenn ein Teil über den Inhalt der von ihm abgegebenen Erklärung in einem Irrtum befangen ist, so entsteht für ihn keine Verbindlichkeit, falls u.a. der Irrtum diesem aus den Umständen offenbar auffallen musste. Dass der klagenden Partei der Irrtum über das Fehlen einer Bestimmung für das Vorhalten der Spundbohlen aufgefallen ist, steht fest. Anders als beim erwähnten Irrtum stellt Punkt D5.2. ohnehin nicht auf Fahrlässigkeit - arg.: aus den Umständen offenbar auffallen muss ein Irrtum, wenn er bei verkehrsüblicher Sorgfalt erkennbar gewesen wäre oder der Partner wenigstens Verdacht hätte schöpfen müssen (3 Ob 564/94 = SZ 68/35; 1 Ob 1538/95 mwN u.a.; RIS-Justiz RS0053188), wobei grobe Fahrlässigkeit nicht erforderlich ist (3 Ob 2043/96d = SZ 70/133) - , sondern auf Vorsatz des Bieters ab. Im vorliegenden Fall wurde somit solches vorsätzliches Verschweigen des Bieters ausdrücklich von den Tatsacheninstanzen für den Obersten Gerichtshof bindend festgestellt.

Dazu kommt als Besonderheit des Vergabeverfahrens die Pflicht zur Gleichbehandlung aller Bieter mit dem Zweck, gerade bei der öffentlichen Auftragsvergabe den Bestbieter in transparenter und objektiver Weise zu ermitteln. Gerade dieser Zweck würde aber unterlaufen, wenn ein Bieter - wie hier die klagende Partei - mit einem Anbot Bestbieter wird, obwohl er schon vorhat, nach Erhalt des Auftrags ein Nachtragsanbot für von Anfang an unvermeidlich notwendige Arbeiten zu legen. Durch das so geringer gehaltene Angebot verschaffte er sich im Ausschreibungsverfahren einen Vorteil. Dies stellt auch einen Fall der culpa in contrahendo, im Besonderen eine Verletzung der Warnpflicht des § 1168a ABGB dar. Bei einer solchen Warnpflichtverletzung tritt nicht nur Schadenersatzpflicht ein, sondern der Werkunternehmer verliert darüber hinaus seinen Entgeltsanspruch (2 Ob 170/71 = SZ 45/75 = JBl 1973, 207; 1 Ob 628/91 = JBl 1992, 784 = EvBl 1992/74 = ecolex 1992, 316 [Wilhelm] = RdW 1992, 237; 3 Ob 274/01t = bbl 2003, 36; 6 Ob 274/04v u.v.a.; RIS-Justiz RS0022124; M. Bydlinski in KBB, § 1168a ABGB Rz 10 mwN).

Aus all dem folgt, dass entgegen der Ansicht der klagenden Partei bei der Anwendung der oben genannten Grundsätze die Bestimmung des Punkts D5.2. der Ausschreibung nicht in einer iSd § 879 Abs 3 ABGB relevanten Weise vom dispositiven Recht abweicht. Dem klagenden Werkunternehmer stehen daher keine über den Pauschalpreis (entsprechend seinem ersten Anbot) hinausgehenden Ansprüche, im Besonderen nicht das in der Klage geforderte Entgelt zu.

d) Auf Irrtum kann die klagende Partei ihre Ansprüche schon deshalb nicht stützen, weil sie nicht geirrt hat, sondern von Anfang an wusste, dass das Vorhalten der Spundbohlen nicht in der LB enthalten war. Die sonst grundsätzliche Möglichkeit für den Werkunternehmer, den Vertrag gemäß § 872 ABGB anzupassen und in einen erfüllbaren Werkvertrag mit Anspruch auf die „Sowiesokosten" (jene Kosten, die zu bezahlen gewesen wären, wenn der Vertrag ursprünglich so zustande gekommen wäre, dass er erfüllt werden kann) für das Vorhalten der Spundbohlen zu verwandeln, scheitert hier eben daran, dass die klagende Werkunternehmerin gar nicht geirrt und den beklagten Werkbesteller entgegen Punkt D5.2. und der culpa in contrahendo über dessen Geschäftsirrtum nicht aufgeklärt hat.

e) Das Klagebegehren muss, soweit es auf Schadenersatz gestützt wird, am fehlenden Verschulden der beklagten Partei scheitern. Selbst wenn man der beklagten Partei Fahrlässigkeit anlasten wollte, wäre damit für die klagende Partei nichts gewonnen: Das BVergG 1997 enthält weder Hinweise darauf, dass ein (Mit-)Verschulden des geschädigten Bieters unbeachtlich sein soll, noch eine Sonderbestimmung mit dem Regelungsgehalt des § 1304 ABGB; daraus folgt, dass auch bei einem Schadenersatzanspruch des Bieters ein Verhalten des Geschädigten (Sorglosigkeit in eigenen Angelegenheiten) nach den zu § 1304 ABGB entwickelten Grundsätzen wegen unterlassener Schadensabwendung oder -minderung anspruchskürzend veranschlagt werden kann (5 Ob 49/05z = SZ 2005/83; RIS-Justiz RS0120022). Im vorliegenden Fall würde einem fahrlässigen Verhalten der beklagten Partei ein vorsätzliches Verhalten der klagenden Partei gegenüberstehen. In solchen Fällen kommt eine Schadensteilung nicht in Frage, der vorsätzlich Handelnde hat vielmehr seinen Schaden zur Gänze selbst zu tragen; Vorsatz schließt den Mitverschuldenseinwand idR aus (stRsp, zuletzt 4 Ob 77/06m; RIS-Justiz RS0016291). Damit erübrigt sich, auf die weiteren Voraussetzungen für die Zuerkennung eines Schadenersatzanspruchs der klagenden Partei einzugehen.

Der Revision ist ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 41, 50 ZPO.

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