Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die verpflichtete Partei hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Begründung
Mit Schriftsatz vom 2. September 2003 hatte der betreibende Gläubiger der Verpflichteten eine bestimmte Wohnung zum Kündigungstermin 31. März 2004 mit einer Räumungsfrist von 14 Tagen aufgekündigt. Der Schriftsatz wurde dieser an einer anderen Adresse in derselben Stadt am 8. September 2003 durch Hinterlegung zugestellt. Das Erstgericht bestätigte am 16. Oktober 2003 die Rechtswirksamkeit und Vollstreckbarkeit der gerichtlichen Aufkündigung.
In der Folge kam die Verpflichtete - und zwar am 4. November 2003 - zum Erstgericht und beantragte die Aufhebung der Vollstreckbarkeitsbestätigung und die neuerliche Zustellung der Aufkündigung mit der Begründung, sie habe sich von Anfang September bis Anfang Oktober 2003 in Kroatien aufgehalten. Am selben Tag übernahm sie bei Gericht die gerichtliche Aufkündigung. Mit Beschluss vom 18. Februar 2004 hob das Erstgericht die Bestätigung der Rechtswirksamkeit und Vollstreckbarkeit der Aufkündigung vom 2. September 2003 auf. Das Rekursgericht hob diesen Beschluss am 27. April 2004 als nichtig auf und trug dem Erstgericht die Fortsetzung des Verfahrens auf. In seiner Begründung wies die zweite Instanz darauf hin, dass im Zeitpunkt der Erteilung der Vollstreckbarkeitsbestätigung der Kündigungstermin noch gar nicht verstrichen und das Bestandverhältnis daher noch nicht beendet gewesen sei. Die Rechtsmittelentscheidung wurde dem Betreibenden am 26. Juli 2004 zugestellt.
Am 30. Juli 2004 erhob die Verpflichtete Einwendungen gegen die Aufkündigung. Dagegen beantragte der Betreibende mit Schriftsatz vom 9. August 2004 die Ausstellung einer Vollstreckbarkeitsbestätigung. Im Schriftsatz wies er darauf hin, dass ihm die Verpflichtete am 11. Februar 2004 telefonisch mitgeteilt habe, sie habe die Aufkündigung im Oktober 2003 bei Gericht abgeholt. Bei seiner Einvernahme vom 20. April 2005 gab der Betreibende an, dass ihm der Aktenvermerk des Erstgerichts über den Zugang der Aufkündigung an die Verpflichtete vom 4. November 2003 bekannt sei.
Mit Beschluss vom 8. August 2005 erklärte das Erstgericht die gerichtliche Aufkündigung für vollstreckbar seit 31. März 2004. Diese Entscheidung wurde vom Rekursgericht am 14. Februar 2006 mit der Maßgabe bestätigt, dass er in der Sache lautete:
„Die am 30. Juli 2004 erhobenen Einwendungen werden zurückgewiesen. Die gerichtliche Aufkündigung vom 2. September 2003 ist vollstreckbar."
Im vorliegenden Exekutionsverfahren wies das Erstgericht den Exekutionsantrag auf Bewilligung der Exekution durch zwangsweise Räumung, der am 25. August 2005 bei Gericht eingelangt war, mit der Begründung ab, dass die Sechsmonatsfrist des § 575 Abs 2 ZPO bereits verstrichen sei.
Das Gericht zweiter Instanz änderte (ebenfalls am 14. Februar 2006) infolge Rekurses des Betreibenden diese Entscheidung dahin ab, dass es die Räumungsexekution bewilligte. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 4.000 EUR, nicht aber 20.000 EUR übersteige und der Revisionsrekurs zulässig sei. In der Begründung dieser Entscheidung führte es aus, dass das Erstgericht zutreffend die zweitinstanzliche Rsp zitiert habe, wonach der Zeitpunkt der Erteilung der Vollstreckbarkeitsbestätigung für den Ablauf der Frist des § 575 Abs 2 ZPO ohne Belang sei. Keinem dieser Verfahren sei jedoch ein vorangegangenes Verfahren nach § 7 Abs 3 EO zugrunde gelegen. Nach Auffassung des Obersten Gerichtshofs beginne der Lauf der Frist des § 575 Abs 2 ZPO, deren Einhaltung von Amts wegen zu prüfen sei, mit dem Zeitpunkt, in welchem die Vollstreckbarkeit des Exekutionstitels eintrete. Nach einer früheren Entscheidung des Rekursgerichts müsse zudem die Rechtskraft eingetreten sein. Es sei aber auch gesicherte Rsp, dass die Frist überhaupt erst zu laufen beginne, wenn die Vollstreckung möglich sei. Es solle bei Erhebung eines die Vollstreckbarkeit des Urteils nicht hinausschiebenden unzulässigen oder verspäteten Rechtsmittels der betreibende Gläubiger nicht gezwungen sein, Exekution zu führen, solange nicht gerichtlich geklärt sei, ob der Exekutionstitel noch einer Überprüfung durch die Rechtsmittelinstanz unterliege. Sei die Zulässigkeit oder Rechtzeitigkeit eines erhobenen Rechtsmittels zweifelhaft oder umstritten, scheine es sinnvoll, den Fristlauf erst mit der Rechtskraft des Zurückweisungsbeschlusses des erhobenen Rechtsmittels beginnen zu lassen. Nach Verstreichen der vierzehntägigen Räumungsfrist mit Ablauf des 14. April 2004 sei einer Räumungsexekution hier entgegengestanden, dass das Erstgericht mit Beschluss vom 18. Februar 2004 die Vollstreckbarkeitsbestätigung aufgehoben habe. Der im Instanzenzug ergangene Beschluss des Rekursgerichts vom 27. April 2004 sei dem Betreibenden am 26. Juli 2004 zugestellt worden. Daher hätte er sich nicht mehr auf die Vollstreckbarkeitsbestätigung vom 16. Oktober 2003 berufen können, weil diese erteilt worden sei, als der Kündigungstermin noch nicht verstrichen und das Bestandverhältnis noch nicht beendet gewesen sei. Weiters sei aber zu berücksichtigen, dass die Verpflichtete am 30. Juli 2004 erstmals (verspätete) Einwendungen erhoben habe. Damit habe der Betreibende berechtigte Zweifel an der Verspätung oder Unzulässigkeit der Einwendungen haben können, wodurch die Frist für ihn erst mit der Rechtskraft der zurückweisenden Entscheidung begonnen habe. Erst am 8. August 2005 habe das Erstgericht die Einwendungen zurückgewiesen und erneut eine Vollstreckbarkeitsbestätigung erteilt. Dieser Beschluss sei noch nicht in Rechtskraft erwachsen, weil die Verpflichtete dagegen rekurriert habe.
Demnach sei jedenfalls am 25. August 2005 die Frist des § 575 Abs 2 ZPO noch nicht abgelaufen gewesen. Es wäre widersinnig, den Betreibenden zur Vermeidung der Fristversäumnis zu einem früheren Exekutionsantrag zu verpflichten, obwohl nicht feststehe, ob der Exekutionstitel (gerichtliche Aufkündigung) vollstreckbar sei, und die reale Möglichkeit bestehe, dass dieser infolge der Einwendungen beseitigt werde.
Der Revisionsrekurs sei zulässig, weil oberstgerichtliche Rsp zur Frage fehle, welchen Einfluss ein Verfahren nach § 7 Abs 3 EO, das innerhalb von sechs Monaten nach Eintritt der Rechtskraft und Vollstreckbarkeit eines Räumungstitels eingeleitet werde, auf den Beginn des Fristenlaufs nach § 575 Abs 2 ZPO habe.
Der Revisionsrekurs der verpflichteten Partei ist zulässig, aber nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Zum Sachverhalt ist noch nachzutragen, dass das Erstgericht erst mit seinem bereits angeführten Beschluss vom 8. August 2005, also kurz vor Einbringung des Räumungsexekutionsantrags die ursprüngliche, von der Verpflichteten bekämpfte Bestätigung der Vollstreckbarkeit der gerichtlichen Aufkündigung aufgehoben hatte. Wie die dargestellten Erwägungen des Rekursgerichts zeigen, lehnte dieses den Ablauf der Frist des § 575 Abs 2 ZPO aus zwei Gründen ab, einerseits, weil sich der Betreibende jedenfalls ab der Zustellung der Entscheidung des Rekursgerichts im Verfahren nach § 7 Abs 3 EO über die Aufhebung der Vollstreckbarkeitsbestätigung auf die ursprünglich am 16. Oktober 2003 erteilte Bestätigung nicht berufen habe können, andererseits weil er berechtigte Zweifel an der Verspätung oder Unzulässigkeit der erst am 30. Juli 2004 erhobenen Einwendungen der Verpflichteten habe hegen können.
In seinem Revisionsrekurs argumentiert nun die Verpflichtete, dass die Sechsmonatsfrist des § 575 Abs 2 ZPO spätestens mit Ablauf der Räumungsfrist (am 14. April 2004) zu laufen begonnen habe, habe doch das Erstgericht mit Beschluss vom 8. August 2005 die gerichtliche Aufkündigung für vollstreckbar seit 31. März 2004 erklärt. Entgegen der Auffassung der zweiten Instanz habe der Betreibende, der gewusst habe, dass die Aufkündigung der Verpflichteten jedenfalls am 4. November 2003 zugegangen sei, keine berechtigten Zweifel an der Verspätung oder Unzulässigkeit der Einwendungen haben können. Vielmehr sei für den anwaltlich vertretenen Betreibenden klar erkennbar gewesen, dass die Einwendungen der anwaltlich nicht vertretenen Verpflichteten verspätet gewesen seien. Demnach hätte er vier Wochen nach Ausfolgung der Aufkündigung an die Verpflichtete und nach weiteren zwei Wochen Räumungsfrist die Exekution beantragen können, also am 16. Dezember 2003. Er habe auch mit 16. Oktober 2003 bereits die Bestätigung der Rechtswirksamkeit und Vollstreckbarkeit der Aufkündigung in Händen gehabt. Aus seiner Sicht habe daher die Frist des § 575 Abs 2 ZPO bereits zu laufen begonnen. Diese habe ja den Zweck, den Inhaber des Titels dazu anzuhalten, von diesem möglichst rasch nach Rechtswirksamkeit Gebrauch zu machen. Als das Erstgericht diese Bestätigung mit Beschluss vom 18. Februar 2004 aufgehoben habe, sei dem Betreibenden klar gewesen, dass die Verpflichtete, wenn nicht schon ab einem früheren Zeitpunkt, sodoch spätestens seit Zustellung dieses Beschlusses nach vier Wochen Zeit für ihre Einwendungen habe. Solche habe sie aber innerhalb dieser Frist nicht erhoben. Der neuerliche Eintritt der Vollstreckbarkeit der Aufkündigung habe daher Ende März 2004 eintreten müssen. Dies habe letztlich das Erstgericht auch mit Beschluss vom 8. August 2005 festgestellt. Daher habe die Frist spätestens mit Ablauf des 31. März 2004 zu laufen begonnen. Auch von diesem Zeitpunkt ausgehend seien die Einwendungen der Verpflichteten ohne Zweifel „krass" verspätet gewesen. Der Räumungstitel sei daher mit 30. September 2004 außer Kraft getreten.
Dem ist Folgendes entgegen zu halten:
Zunächst übersieht die Verpflichtete bei ihren Ausführungen, dass, worauf auch in der angefochtenen Entscheidung hingewiesen wird, nach der Rsp des Obersten Gerichtshofs die Frist des § 575 Abs 2 ZPO erst mit Vollstreckbarkeit des Exekutionstitels eintreten kann. Im vorliegenden Fall war nun Kündigungstermin der 31. März 2004, woran sich noch die vierzehntägige Räumungsfrist schließt. Vor Ablauf des 14. April 2004 war die Aufkündigung daher - ungeachtet der dies nicht beachtenden Vollstreckbarkeitsbestätigung bereits vom 16. Oktober 2003, die also noch während aufrechten Bestandverhältnisses erteilt wurde - keinesfalls vollstreckbar. Daher war vor diesem Zeitpunkt die Vollstreckung keinesfalls iS der Rsp (EvBl 1957/411 ua, RIS-Justiz RS0044958; zustimmend Sprung/Mayr, Die Befristung bestandrechtlicher Exekutionstitel [§ 575 ZPO], wobl 1990, 4 [8]; Weixelbraun in Fasching/Konecny² § 575 ZPO Rz 8; Frauenberger in Rechberger² § 575 ZPO Rz 4) möglich.
Wegen der in der Aufkündigung festgesetzten vierzehntägigen Räumungsfrist kann es auch nicht richtig sein, dass schon mit Ablauf des 31. März 2004 (Kündigungszeitpunkt) die Frist des § 575 Abs 2 ZPO zu laufen begonnen hätte.
Entgegen der Ansicht der zweiten Instanz kann angesichts der Kenntnis des Betreibenden vom Zugang der Aufkündigung an die Verpflichtete am 4. November 2003 anlässlich ihrer Vorsprache beim Erstgericht keine Rede davon sein, der Betreibende habe berechtigte Zweifel über die Rechtzeitigkeit der Einwendungen haben können, die jene erst am 30. Juli 2004, also etwa neun Monate nach der jedenfalls wirksamen Zustellung - wenn nämlich die vorher erfolgte Hinterlegung gesetzwidrig erfolgt wäre -, somit mit wenigstens achtmonatiger Verspätung erhob. Gegen die aus der angefochtenen Entscheidung hervorgehende Rechtsansicht der zweiten Instanz, wonach wegen der jedenfalls ab der Aufhebung der ersten Vollstreckbarkeitsbestätigung durch das Erstgericht mit Beschluss vom 18. Februar 2004 für den Betreibenden bestehende Unsicherheit über den Eintritt dieser Vollstreckbarkeit von ihm die Einbringung eines Exekutionsantrags nicht verlangt werden könne, wird jedoch im Revisionsrekurs nichts vorgebracht. Am 15. April 2004, dem nach dem Gesagten ersten Tag der objektiven Exekutionsmöglichkeit, wenn man nur vom Ablauf der Leistungsfrist ausgeht, war die ursprüngliche Vollstreckbarkeitsbestätigung in erster Instanz aufgehoben. Erst durch die Zustellung des diese Entscheidung als nichtig aufhebenden Beschlusses der zweiten Instanz vom 27. April 2004 am 26. Juli 2004 hätte der Betreibende erstmals wieder davon ausgehen können, es stehe ihm ein vollstreckbarer Exekutionstitel zur Verfügung. Da aber aus den begründenden Erwägungen der zweiten Instanz in jener Entscheidung hervorging, dass die ursprüngliche Vollstreckbarkeitsbestätigung in der gegebenen Form jedenfalls zu Unrecht erteilt war, kann - auch unter Berücksichtigung der Bestimmung des § 54 Abs 2 EO, wonach dem Antrag auf Bewilligung der Exekution auch beim Titelgericht zwingend eine Ausfertigung des Exekutionstitels anzuschließen ist - sinnvollerweise nicht verlangt werden, dass ein betreibender Gläubiger unter diesen Umständen bereits einen Exekutionsantrag stellt. Aus seiner Sicht war es zweifellos berechtigt und zweckmäßig, zunächst die erneute Ausstellung einer Vollstreckbarkeitsbestätigung zu verlangen, was er auch binnen kurzer Frist nach Zustellung des Aufhebungsbeschlusses der zweiten Instanz (und zwar am 9. August 2004) tat. Eine positive Entscheidung des Erstgerichts darüber erging aber, wie feststeht, erst mit Beschluss vom 8. August 2005. Unter den konkreten Umständen des Einzelfalls kann man daher nicht sagen, vor deren Zustellung wäre dem Betreibenden die Einleitung der Vollstreckung objektiv möglich (RIS-Justiz RS0044958) gewesen. Demnach war die sechsmonatige Frist des § 575 Abs 2 ZPO im Zeitpunkt des Exekutionsantrags (25. August 2005) noch nicht verstrichen. Daher ist es auch für die Entscheidung nicht wesentlich, dass das Rekursgericht entgegen der Rsp des Obersten Gerichtshofs (SZ 54/115; SZ 57/82 = EvBl 1984/134 ua, RIS-Justiz RS0001582; ebenso Jakusch in Angst, EO, § 7 Rz 94; Heller/Berger/Stix, EO4 206) von der Anfechtbarkeit einer Vollstreckbarkeitsbestätigung mittels Rekurses ausging.
Dem Revisionsrekurs ist somit nicht Folge zu geben. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 78 iVm §§ 50, 41 ZPO.
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