OGH 1Ob156/06g

OGH1Ob156/06g12.9.2006

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Zechner, Univ. Doz. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau und Dr. Glawischnig als weitere Richter in der Pflegschaftsssache der mj. Nura A*****, geboren am *****, infolge ordentlichen Revisionsrekurses deren Eltern 1) Dipl. Ing. Dr. Esam A*****, und 2) Karin A*****, vertreten durch Dr. Martin Holzer, Rechtsanwalt in Bruck a. d. Mur, gegen den Beschluss des Landesgerichts Leoben als Rekursgericht vom 8. Mai 2006, GZ 2 R 48/06t-U 20, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Leoben vom 20. März 2006, GZ 1 P 26/99y-U 16, bestätigt wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

I. Aus Anlass des Revisionsrekurses der Mutter wird der angefochtene Beschluss insoweit als nichtig aufgehoben, als in ihm eine Sachentscheidung über den Rekurs der Mutter getroffen wurde. Der Rekurs der Mutter gegen den Beschluss des Bezirksgerichts Leoben vom 20. März 2006, GZ 1 P 26/99y-U 16, wird zurückgewiesen.

II. Dem Revisionsrekurs des Vaters wird teilweise Folge gegeben. Der angefochtene Beschluss wird in Ansehung eines Zuspruchs von insgesamt 367 EUR monatlich vom 1. 5. bis 31. 10. 2005 bestätigt. Im Übrigen werden die Entscheidungen der Vorinstanzen, die in Ansehung des bereits rechtskräftigen Zuspruchs von 232,83 EUR monatlich vom 10. 4. bis 30. 4. 2005 unberührt bleiben, aufgehoben. Die Rechtssache wird in diesem Umfang zur Ergänzung des Verfahrens und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Text

Begründung

Die am 14. 12. 1989 geborene Minderjährige wurde am 10. 4. 2005 auf Grund einer vorläufigen Maßnahme des Jugendwohlfahrtsträgers in einem Grazer Heim untergebracht. Mit rechtskräftigem Beschluss vom 24. 5. 2005 übertrug das Erstgericht deren Pflege und Erziehung „vorläufig" dem Jugendwohlfahrtsträger „bis zur endgültigen Entscheidung" über dessen Antrag auf Übertragung der Obsorge. Seit 24. 5. 2005 wird die Minderjährige im Rahmen einer vollen Erziehung in einem niederösterreichischen Kinderdorf betreut. Der Vater ist Geschäftsführer und Gesellschafter einer GmbH. Deren Gründung erfolgte 2004. Das Einkommen des Vaters aus Privatentnahmen vom 2. 5. bis 28. 10. 2005 betrug durchschnittlich 3.334,94 EUR monatlich. Dessen Ehegattin ist einkommenslos. Er hat - außer für seine Ehegattin - für weitere fünf, am 8. 11. 1986, 11. 2. 1992, 6. 6. 1994, 1. 10. 1997 und 4. 10. 2000 geborene Kinder zu sorgen. Der Jugendwohlfahrtsträger beantragte nach Einschränkung seines Begehrens mit Schriftsatz vom 3. 2. 2006 (ON U 10) zuletzt nur noch, dem Vater den Ersatz der Kosten der vollen Erziehung seines Kindes im Ausmaß von 367 EUR monatlich ab 10. 4. 2005 aufzuerlegen. Das zunächst auch gegen die Mutter erhobene Kostenersatzbegehren (ON U 1, U 3) wurde in der Folge fallen gelassen. Letztlich wurde nur noch beantragt, den angestrebten Kostenersatz ausschließlich dem Vater aufzuerlegen (ON U 6, U 10). Der Jugendwohlfahrtsträger stellte - unter Bezugnahme auf eine vorangegangene Stellungnahme des Vaters - letztlich außer Streit, dass für die Bestimmung des Kostenersatzes ein durchschnittliches monatliches Einkommen des Vaters von 3.334,94 EUR als Bemessungsgrundlage heranzuziehen sei. Der begehrte Ersatz entspreche dem Geldunterhaltsanspruch der betroffenen Minderjährigen von 11 % der Bemessungsgrundlage unter Bedachtnahme auf die Sorgepflichten des Vaters für weitere fünf Kinder und seine einkommenslose Ehegattin (ON U 10).

Der Vater wendete sich letztlich auch gegen das eingeschränkte Ersatzbegehren. Er brachte vor, als GmbH-Geschäftsführer lediglich ein monatliches Nettoeinkommen von 2.116,67 EUR zu haben. Das folge aus der Bilanz der Gesellschaft für 2004. Demnach bildeten seine Privatentnahmen von Mai bis Oktober 2005 von durchschnittlich 3.334,94 EUR monatlich nicht die Bemessungsgrundlage für den Geldunterhaltsanspruch seines in voller Erziehung des Jugendwohlfahrtsträgers befindlichen Kindes; der Unterhaltsanspruch betrage nur 11 % seines monatlichen Nettoeinkommens von 2.116,67 EUR, somit 232,83 EUR monatlich. Infolgedessen sei dem Jugendwohlfahrtsträger jedenfalls kein höherer Kostenersatz für die volle Erziehung eines seiner Kinder zuzuerkennen. Das Ersatzbegehren sei überdies nur für sechs Wochen ab dem 10. 4. 2005 gerechtfertigt. Für die Zeit danach sei noch nicht entschieden, „ob die gesonderte Wohnungnahme der Minderjährigen rechtmäßig" sei bzw gewesen sei. Das Erstgericht verpflichtete den Vater, dem Jugendwohlfahrtsträger ab 10. 4. 2005 „bis zur Beendigung der Maßnahme der vollen Erziehung einen monatlichen Kostenersatz von 367 EUR" - nach den im Beschluss festgelegten Modalitäten - zu zahlen. Es verwies auf die Ersatzpflicht des Vaters nach § 33 JWG 1989 im Rahmen des Geldunterhaltsanspruchs seines in voller Erziehung des Jugendwohlfahrtsträgers befindlichen Kindes. Der Unterhalt - und damit auch der begehrte Kostenersatz - sei nach den Privatentnahmen des Leistungspflichtigen, sofern diese höher als der im Unternehmen erzielte Reingewinn seien, zu bemessen.

Das Gericht zweiter Instanz bestätigte diese Entscheidung in Erledigung des Rekurses beider Elternteile. Es sprach zunächst ferner aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Mit Beschluss vom 26. 6. 2006 änderte es letzteren Ausspruch dahin ab, dass der ordentliche Revisionsrekurs doch zulässig sei. Nach dessen Ansicht wird bei der in § 33 JWG 1989 iVm § 41 und § 45 StJWG 1991 geregelten Kostenersatzpflicht nicht danach unterschieden, ob die volle Erziehung als einstweilige Maßnahme der Jugendwohlfahrtsträger oder das Gericht im Verfahren über eine zu treffende endgültige Obsorgeregelung angeordnet habe. Aus dem Verweis auf § 1042 ABGB in den Gesetzesmaterialien zu § 33 JWG 1989 sei abzuleiten, dass der Ersatz der Erziehungskosten nach den Ersparnissen des Unterhaltspflichtigen zu bemessen sei. Das gelte auch für die durch einen Jugendwohlfahrtsträger als vorläufige Maßnahme angeordnete volle Erziehung. Aus dem Umstand, dass die Obsorgefrage noch keine endgültige Regelung erfahren habe, lasse sich eine zeitliche Begrenzung des Ersatzanspruchs des Jugendwohlfahrtsträgers nicht herleiten. Die Auffassung des Erstgerichts, den Geldunterhaltsanspruch der betroffenen Minderjährigen mit 11 % der Privatentnahmen des Vaters als Gesellschafter zu bestimmen, sei zu billigen. Dessen wirtschaftliche Leistungsfähigkeit folge hier aus den Privatentnahmen für sechs Monate im Jahr 2005, weil sein Gesellschaftsunternehmen erst 2004 gegründet worden sei. Deshalb scheide eine Ermittlung des Unternehmereinkommens auf Grund der Betriebsergebnisse der drei letzten Wirtschaftsjahre aus. Die Entscheidung hänge letztlich doch von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage ab, weil den Gründen im Revisionsrekurs zur wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Vaters als Unternehmer „Relevanz und (eine) allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung nicht von vornherein abgesprochen werden" könne.

Rechtliche Beurteilung

Aus Anlass des Revisionsrekurses der Mutter ist eine dem angefochtenen Beschluss anhaftende Nichtigkeit aufzugreifen; das Rechtsmittel des Vaters ist gleichfalls zulässig und im Rahmen des Aufhebungsbegehrens auch teilweise berechtigt.

I. Zum Revisionsrekurs der Mutter

1. Der Jugendwohlfahrtsträger beantragte zunächst, beide Elternteile zum Ersatz der Kosten der durch ihn besorgten vollen Erziehung eines ihrer Kinder zu verhalten. Später ließ er das Begehren gegen die Mutter fallen und beantragte nur noch, den angestrebten Kostenersatz ausschließlich dem Vater aufzuerlegen (ON U 6, U 10). Dieses Verhalten ist der Sache nach einer Zurücknahme des Antrags gegen die Mutter gemäß § 11 Abs 1 AußStrG iVm § 40 JWG 1989 und § 45 Abs 4 StJWG 1991 gleichzuhalten. Demzufolge entschied bereits das Erstgericht bloß über das gegen den Vater aufrecht erhaltene Kostenersatzbegehren, war doch die Mutter im Zeitpunkt des Ergehens dieser Entscheidung nicht mehr Partei des Verfahrens.

2. Gemäß § 2 Abs 1 AußStrG sind Parteien der Antragsteller (Z 1), der vom Antragsteller als Antragsgegner oder sonst als Partei Bezeichnete (Z 2), jede Person, soweit ihre rechtlich geschützte Stellung durch die begehrte oder vom Gericht in Aussicht genommene Entscheidung oder durch eine sonstige gerichtliche Tätigkeit unmittelbar beeinflusst würde (Z 3), sowie jede Person oder Stelle, die auf Grund gesetzlicher Vorschriften in das Verfahren einzubeziehen ist (Z 4). Infolge dieses Parteibegriffs könnte der Mutter nach Zurücknahme des ursprünglich auch gegen sie gerichteten Antrags auf Ersatz der Kosten der durch den Jugendwohlfahrtsträger besorgten vollen Erziehung eines ihrer Kinder die Parteistellung im Ersatzverfahren nur nach § 2 Abs 1 Z 3 oder 4 AußStrG zukommen. Eine Parteistellung gemäß § 2 Abs 1 Z 4 AußStrG scheidet aus, weil weder das Jugendwohlfahrtsgesetz des Bundes, BGBl 1989/161 idgF, noch das Steiermärkische Jugendwohlfahrtsgesetz 1991, LGBl 1990/93 idgF, noch das Außerstreitgesetz die Beteiligung eines Elternteils, gegen den ein Ersatzbegehren entweder nicht erhoben oder - wie hier - noch vor einer Entscheidung des Gerichts erster Instanz zurückgenommen wurde, im Verfahren über ein Ersatzbegehren gegen den anderen Elternteil vorsehen. Eine Parteistellung der Mutter könnte daher lediglich nach § 2 Abs 1 Z 3 AußStrG vorliegen. Diese Bestimmung ist indes, wie aus deren Wortlaut und Zweck folgt, eng auszulegen (siehe dazu Fucik/Kloiber, AußStrG - Kurzkommentar 42 f [ErlBem zur RV] und § 2 Rz 2). Die Rechtsstellung der Mutter wird durch ein nur gegen ihren Ehegatten als Vater gerichtetes Begehren auf Ersatz der Kosten einer durch den Jugendwohlfahrtsträger besorgten vollen Erziehung eines Kindes nicht unmittelbar beeinflusst. Dass sich die in Bezug auf den Vater zu treffende Entscheidung allenfalls - als bloße Reflexwirkung - auf das Ausmaß eines Unterhaltsanspruchs der Mutter gegen ihren Ehegatten auswirken könnte, reicht für die Begründung einer Parteistellung gemäß § 2 Abs 1 Z 3 AußStrG nicht. Da aber die Rekurslegitimation einer Person deren Parteistellung nach den voranstehenden Erwägungen voraussetzt (Fucik/Kloiber aaO § 45 Rz 4) und die Mutter im Anlassfall einer solchen Stellung entbehrt, hätte bereits das Gericht zweiter Instanz den auch in deren Namen erhobenen Rekurs gegen den erstgerichtlichen Beschluss über das erörterte Kostenersatzbegehren gemäß § 54 Abs 1 Z 1 und Abs 2 AußStrG als unzulässig zurückweisen müssen.

3. Entscheidet ein Gericht zweiter Instanz über einen unzulässigen Rekurs meritorisch, so ist der Mangel der funktionellen Zuständigkeit für eine solche Erledigung vom Obersten Gerichtshof aus Anlass des - hier von der Mutter - gegen eine unzulässige Sachentscheidung erhobenen Revisionsrekurses als Nichtigkeit, die immer eine erhebliche Rechtsfrage aufwirft, wahrzunehmen; als Folge dessen ist der unzulässige Rekurs gegen den Beschluss erster Instanz zurückzuweisen (RIS-Justiz RS0115201, RS0042059; siehe ferner zur Problemlage und zur Entwicklung der Rechtsprechung Zechner in Fasching/Konecny² IV/1 Vor §§ 514 ff ZPO Rz 36, § 515 ZPO Rz 20, § 528 ZPO Rz 24; vgl überdies RIS-Justiz RS0043969). Dieser allgemeine Verfahrensgrundsatz gilt nicht nur im Zivilprozess, sondern, wie aus § 54 iVm § 71 Abs 4 AußStrG herzuleiten ist, auch für eine vom Obersten Gerichtshof im Außerstreitverfahren zu treffende Entscheidung.

II. Zum Revisionsrekurs des Vaters

1. Im Revisionsrekurs wird der „Anfechtungsumfang" letztlich dahin zusammengefasst, dass „sohin ein Mehrzuspruch von 134,01 EUR monatlich für den Zeitraum ab 23. 5. 2005" bekämpft wird. Der Rechtsmittelwerber vergriff sich damit bloß im sprachlichen Ausdruck, ist doch seinen sonstigen Ausführungen eindeutig zu entnehmen, dass er lediglich einen Kostenersatz von 232,83 EUR monatlich für die durch den Jugendwohlfahrtsträger besorgte volle Erziehung eines seiner Kinder vom 10. 4. bis 22. 5. 2005 für gerechtfertigt hält. Er wendet sich daher in dritter Instanz (noch) gegen einen „Mehrzuspruch" von - rechnerisch richtig - 134,17 EUR monatlich für jenen Zeitraum und tritt im Übrigen der Zuerkennung eines Kostenersatzes ab 23. 5. 2005 zur Gänze entgegen.

2. Der Oberste Gerichtshof erläuterte bereits in der Entscheidung 4 Ob 1/05h (= EvBl 2005/139), dass weder § 33 JWG 1989 noch § 39 WrJWG 1990 eine Unterscheidung danach träfen, ob die volle Erziehung als einstweilige Maßnahme des Jugendwohlfahrtsträgers gemäß § 215 ABGB oder vom Gericht im Zusammenhang mit einer endgültigen Obsorgeregelung angeordnet worden sei. Es sei nicht zu erkennen, dass der Gesetzgeber die Kostenersatzpflicht für eine vorläufige Maßnahme des Jugendwohlfahrtsträgers anders als für eine vom Gericht angeordnete volle Erziehung habe regeln wollen. Der Gesetzgeber verstehe den Anspruch auf Ersatz der Kosten der vollen Erziehung als Ersatz jener Aufwendungen, die sich der nach dem Gesetz Unterhaltspflichtige durch diese Maßnahme erspare. Wäre die Kostenersatzpflicht von einer vorherigen gerichtlichen Anordnung abhängig, so hätte der Jugendwohlfahrtsträger die im Zusammenhang mit vorläufigen Maßnahmen aufgelaufenen Kosten jedenfalls und ohne Möglichkeit eines Ersatzes selbst zu tragen, was im Ergebnis einer Befreiung der Unterhaltspflichtigen von ihrer Unterhaltspflicht für den Zeitraum einer solchen Maßnahme entspräche. Eine derartige Konsequenz sei dem Gesetzgeber nicht zusinnbar. Die Leitlinien dieser zu § 33 JWG 1989 iVm § 39 WrJWG 1990 ergangenen Entscheidung, an denen festzuhalten ist, sind zufolge einer insofern identischen Rechtslage im Fall der hier erforderlichen Anwendung des § 33 JWG 1989 iVm § 41 Abs 2 Z 2 und § 45 Abs 1 StJWG 1991 ebenso maßgebend und auch für den Ersatz der Kosten einer vom Gericht bloß vorläufig angeordneten vollen Erziehung eines Kindes durch den Jugendwohlfahrtsträger fruchtbar zu machen.

Der Rechtsmittelwerber verficht den Standpunkt, dass sich der im Geldunterhaltsanspruch seines in voller Erziehung des Jugendwohlfahrtsträgers befindlichen Kindes erschöpfende - zuvor erörterte - Kostenersatz nur für die Zeit vom 10. 4. bis 22. 5. 2005 berechtigt sei, weil die dem Jugendwohlfahrtsträger mit Beschluss des Erstgerichts vom 24. 5. 2005 vorläufig übertragene Pflege und Erziehung lediglich sechs Wochen wirksam sei. Eine gesetzliche Grundlage für diese Auffassung ist dem Revisionsrekurs allerdings nicht zu entnehmen. Die Wirksamkeit einer vorläufigen Maßnahme gemäß § 176 ABGB ist nicht durch einen fixen, vom Gesetz vorgegebenen Zeitrahmen begrenzt. Es ist bloß das auf Grund eines Antrags auf Übertragung der Obsorge erforderliche Beweisverfahren möglichst rasch zu führen, um bald endgültig über die Erziehungsverhältnisse entscheiden zu können (RIS-Justiz RS0104363, RS0048815; siehe dazu ferner Weitzenböck in Schwimann, ABGB³ § 176 Rz 31, 35). Der Anspruch auf Ersatz der Kosten einer vom Gericht vorläufig angeordneten vollen Erziehung eines Kindes durch den Jugendwohlfahrtsträger erfasst somit den gesamten Zeitraum, in dem diese Maßnahme aufrecht bleibt. Daran könnte eine nicht durch die Erfordernisse des jeweiligen Beweisverfahrens bedingte Verzögerung der Entscheidung über einen Antrag auf Übertragung der Obsorge nichts ändern, weil - wie bereits aus der zuvor referierten Entscheidung 4 Ob 1/05h ableitbar ist - selbst eine solche Säumnis den Unterhaltspflichtigen nicht auf Kosten des Jugendwohlfahrtsträgers entlasten könnte.

Soweit der Vater ein wegen „der Entziehung der Minderjährigen aus der Erziehungsgewalt der Eltern" noch anhängiges Strafverfahren ins Treffen führt und daraus die Rechtswidrigkeit der vom Gericht vorläufig verfügten Erziehungsmaßnahme - und somit offenkundig auch des vom Jugendwohlfahrtsträger begehrten Kostenersatzes - ableiten will, ist er bloß auf die Rechtskraft des Beschlusses des Erstgerichts vom 24. 5. 2005 zu verweisen. Damit wurde die Pflege und Erziehung des betroffenen Kindes vorläufig dem Jugendwohlfahrtsträger übertragen. Der Ersatz der Kosten nach § 33 JWG 1989 iVm § 41 Abs 2 Z 2 und § 45 Abs 1 StJWG 1991 auf Grund einer vom Gericht rechtskräftig angeordneten Erziehungsmaßnahme kann niemals vom Ergebnis eines bestimmten Strafverfahrens abhängen.

3. Für das Einkommen selbstständig Erwerbstätiger ist nach herrschender Ansicht nicht der steuerliche, sondern der tatsächlich verbleibende Reingewinn maßgebend. Da die tatsächliche Verfügbarkeit über finanzielle Mittel wesentlich ist, treten an die Stelle des Betriebsergebnisses die Privatentnahmen, wenn diese den Reingewinn übersteigen oder die Unternehmensbilanz einen Verlust ausweist. Sind die Privatentnahmen höher als der Reingewinn und befriedigt daher der Unterhaltsschuldner eigene Bedürfnisse in privatautonomer Gestaltung seiner Lebensverhältnisse mit Hilfe seiner Vermögenssubstanz, so sind daran auch die angemessenen Bedürfnisse seiner Kinder zu messen (so zuletzt etwa 1 Ob 71/05f; 7 Ob 143/05p). Auch wenn die Privatentnahmen eines Unternehmers die Unterhaltsbemessungsgrundlage bilden, sind im Allgemeinen die Entnahmen innerhalb der letzten drei abgeschlossenen Wirtschaftsjahre maßgebend. Finden jedoch etwa bestimmte, den Unternehmensgewinn übersteigende Privatentnahmen in der Differenz zwischen dem tatsächlichen Einkommen und den Entnahmen in einem vorangegangenen Jahr Deckung, so ist aus den höheren Privatentnahmen im Folgejahr noch nicht zu schließen, der Unterhaltspflichtige werde sich bei künftigen Entnahmen nicht am Betriebsergebnis orientieren. Dann ist der Geldunterhalt für die Zukunft auf Basis des tatsächlichen Durchschnittseinkommens des Unterhaltspflichtigen innerhalb der letzten drei Wirtschaftsjahre zu bemessen (7 Ob 143/05p; 3 Ob 181/04w; 5 Ob 29/04g uva). Der Unterhalt für einen bereits vergangenen Zeitraum ist indes - soweit feststellbar - immer auf Basis des in den maßgebenden Perioden tatsächlich erzielten Einkommens zu bestimmen (3 Ob 181/04w; 5 Ob 29/04g). Diese Leitlinien der Rechtsprechung sind fortzuschreiben. 3. 1. Im Licht der soeben erläuterten, die Bemessung der Geldunterhaltspflicht eines Unternehmers tragenden Grundsätze richtet sich die Unterhaltspflicht des Rechtsmittelwerbers gegenüber der durch den Jugendwohlfahrtsträger betreuten Tochter in der Periode vom 1. 5. bis 31. 10. 2005 nach seinen auf diesen Zeitraum entfallenden Privatentnahmen. Dass diese Privatentnahmen von durchschnittlich 3.334,94 EUR monatlich innerhalb dieser im Zeitpunkt des Ergehens des erstgerichtlichen Beschlusses (20. 3. 2006) bereits vergangenen Periode rechnerisch einen Geldunterhaltsanspruch des betroffenen Kindes von 367 EUR monatlich rechtfertigen, wird im Revisionsrekurs nicht in Zweifel gezogen. Diesen Betrag hat der Vater demnach auch als Kostenersatz gemäß § 33 JWG 1989 iVm § 41 Abs 2 Z 2 und § 45 Abs 1 StJWG 1991 zu leisten. Insofern ist der angefochtene Beschluss zu bestätigen.

3. 2. Anderes gilt hingegen für das noch nicht erledigte Begehren des Jugendwohlfahrtsträgers für die Zeiträume vom 10. bis 30. 4. 2005 (anteiliger Rest von 134,17 EUR monatlich nach Abzug des bereits rechtskräftigen Zuspruchs) und ab 1. 11. 2005 (367 EUR monatlich). Die Berechtigung dieser Teile des erörterten Kostenersatzbegehrens wäre an sich nach den Erwägungen unter 3. - jedenfalls für zukünftige Leistungen - auf Grund des tatsächlichen Durchschnittseinkommens des unterhaltspflichtigen Vaters innerhalb der letzten drei Wirtschaftsjahre zu prüfen. Da jedoch dessen Gesellschaftsunternehmen erst seit 2004 existiert, kann der dem Vater hier gemäß § 101 Abs 4 AußStrG auch für die Zukunft aufzuerlegende Kostenersatz - nach § 40 JWG 1989 iVm § 45 Abs 4 StJWG 1991 sind die Regelungen über das Unterhaltsverfahren maßgebend - nur auf Basis der ab 2004 verfügbaren Zahlen über dessen durchschnittliches monatliches Nettoeinkommen aus seinem Gehalt als Geschäftsführer und seinen - den Unternehmensgewinn allfenfalls übersteigenden - (zusätzlichen) Privatentnahmen als Gesellschafter nach der bereits unter 3. erläuterten Methode bestimmt werden. Insofern sind die Entscheidungen der Vorinstanzen somit aufzuheben.

Sollte der Vater im Zeitraum ab 1. 11. 2005 Privatentnahmen als Gesellschafter getätigt haben, die im Unternehmensgewinn keine Deckung finden, so werden bis zur neuerlichen Entscheidung im zweiten Rechtsgang wiederum diese das Geschäftsführergehalt übersteigenden tatsächlichen Entnahmen innerhalb eines bestimmten Zeitraums die Grundlage für die Bemessung des zuzuerkennenden Ersatzbetrags bilden. Das Erstgericht wird daher im fortgesetzten Verfahren als Voraussetzung einer abschließenden rechtlichen Beurteilung des noch unerledigten Kostenersatzbegehrens des Jugendwohlfahrtsträgers für die Zeiträume vom 10. bis 30. 4. 2005 und ab 1. 11. 2005 Feststellungen über das erörterte Nettoeinkommen des Vaters unter Heranziehung aller für den Zeitraum seit der Unternehmensgründung 2004 verfügbaren Zahlen zu treffen haben.

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