OGH 5Ob118/06y

OGH5Ob118/06y29.8.2006

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hurch, Dr. Kalivoda, Dr. Höllwerth und Dr. Grohmann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1.) Miteigentümergemeinschaft der Liegenschaft EZ *****, vertreten durch die S-Immobilien GmbH, 6850 Dornbirn, Färbergasse 15, als Hausverwalterin, 2.) Petra D*****, 3.) Gabriele W*****, 4.) Jürgen W*****, 5.) Stefan Vincenco V*****, 6.) Norbert W*****, 7.) Sonja W*****, 8.) Günther D*****, 9.) Sandra D*****, 10.) Brigitte G*****,

  1. 11.) Mag. Michael H*****, 12.) Mag. Andrea H*****, 13.) Beate G*****,
  2. 14.) Gilbert G*****, 15.) Magdalena G*****, 16.) Ing. Alois S*****,
  3. 17.) Ulrike S*****, 18.) Siegfried W*****, 19.) Carola W*****, alle *****, alle vertreten durch Mag. Klaus Tusch, Dr. Günter Flatz, Dr. Ernst Dejaco, Rechtsanwälte in Feldkirch, sowie der Nebenintervenientin auf Seiten der klagenden Parteien ***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Wolfgang Hirsch, Dr. Ursula Leissing, Rechtsanwälte in Bregenz, gegen die beklagte Partei A***** GmbH, *****, vertreten durch die Rechtsanwälte Dr. Amhof und Dr. Damian GmbH in Wien, sowie die Nebenintervenientin auf Seiten der beklagten Partei K***** GmbH, *****, vertreten durch Klaus Meyer, Rechtsanwalt in Frankfurt am Main, Einvernehmensrechtsanwalt und Zustellungsbevollmächtigter Dr. Gerhard Preisl, Dr. Helgar Georg Schneider, Rechtsanwälte in Bregenz, wegen Feststellung (Streitwert EUR 100.000,--), über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht vom 15. Februar 2006, GZ 1 R 2/06p-56, den Beschluss

    gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der beklagten Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung

Rechtliche Beurteilung

A. Zur Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens:

1.1. Die Beklagte behauptet, das Gericht zweiter Instanz habe ihre Berufung zur Unzulässigkeit des Feststellungsbegehrens nicht vollständig erledigt. Die Barta Wohnbau GmbH habe nämlich nur jene Ansprüche an die Kläger abtreten können, die ihr im Abtretungzeitpunkt gegen die Beklagte zugestanden seien. Da von der Barta Wohnbau GmbH (Auftraggeberin) damals bereits sämtliche Forderungen der Kläger abgegolten gewesen seien, habe die Barta Wohnbau GmbH nur mehr deren - in Geld bestehende - Regressforderung gegen die Beklagte (Auftragnehmerin) abtreten können, weshalb von den Klägern ein Leistungsbegehren zu erheben gewesen wäre.

1.2. Der Mängeleinwand, der inhaltlich der rechtlichen Beurteilung zuzuordnen ist, übersieht, dass die Barta Wohnbau GmbH (Auftraggeberin) den Klägern „sämtliche Schadenersatz- und/oder Gewährleistungsansprüche (einschließlich aller Rechte wie jene auf Wandlung, Verbesserung, Preisminderung etc) jeder Art gegenüber sämtlichen Unternehmern und Subunternehmern, die in (ihrem) Auftrag oder Subauftrag bei der Errichtung der Wohnanlage .... tätig geworden sind", abgetreten hat. Bei der auf diese Zession gestützten Geltendmachung der Schadenersatz- und/oder Gewährleistungsansprüche der Barta Wohnbau GmbH (Auftraggeberin) gegenüber den in deren Auftrag tätig gewesenen Unternehmern (hier: die Beklagte als Auftragnehmerin aus dem Generalunternehmervertrag) kommt es allein auf die aus dem Generalunternehmervertrag resultierenden Ansprüche und nicht darauf an, ob und inwieweit die Barta Wohnbau GmbH allfällige Ansprüche der Kläger aus deren Vertragsbeziehungen zueinander bereits zur Gänze beglichen hat; aus der (Nicht-)Erfüllung der letztgenannten Vertragsbeziehung lässt sich daher für die (Un-)Zulässigkeit des Feststellungsbegehrens nichts Entscheidungsrelevantes ableiten.

2.1. Nach Ansicht der Beklagten vertrete das Berufungsgericht unrichtig die Ansicht, dass Angebot und Annahme der Vereinbarung zwischen der Barta Wohnbau GmbH und den Klägern die „Übergabe der Abtretungsurkunde" darstelle; damit übergehe das Berufungsgericht, dass eine Übergabe einer Abtretungsurkunde durch die Barta Wohnbau GmbH an die Kläger nicht erfolgt und die unentgeltliche Zession daher unwirksam sei.

2.2. Die - inhaltlich wiederum der rechtlichen Beurteilung zuzuordnende - Frage nach der Übergabe einer Abtretungsurkunde als Formerfordernis im Fall einer unentgeltlichen Zession ist nicht entscheidungsrelevant, wenn man diese Abtretung - wie das Berufungsgericht - in vertretbarer Vertragsauslegung als Teil einer von der Barta Wohnbau GmbH und den Klägern abgeschlossenen - entgeltlichen - Vereinbarung (Generalvergleich) erkennt.

3. Die Beklagte meint, das Berufungsgericht lege insoweit einen durch die erstgerichtlichen Feststellungen nicht gedeckten Sachverhalt zugrunde, als es unterstelle, dass alle Reihenhäuser Setzungsschäden aufwiesen und bei bislang nicht betroffenen Objekten im Zuge der Sanierung nicht abschätzbare Schäden eintreten könnten. Entgegen der Ansicht der Beklagten verlässt das Berufungsgericht den Boden erstgerichtlicher Feststellungen nicht, hat dieses doch gerade nicht die Setzungsfreiheit einzelner Objekte angenommen; nach den maßgeblichen Feststellungen sind nämlich die Reihenhäuser Färbergasse 22 und 22a sowie 22f und (nur) „teilweise" Weihermäder 17c (auch nur) „praktisch setzungsfrei geblieben bzw weisen nur geringe Setzungsschäden auf" und „während der Dauer der Sanierung (kann es) zu neuerlichen Rissbildungen auch bei den bisher nicht betroffenen Häusern Färbergasse 22 und 22a (kommen) (Ersturteil S 23 f). Das Berufungsgericht legt besagte erstgerichtliche Feststellungen vertretbar aus.

Die von der Beklagten behaupteten Mängel des Berufungsverfahrens liegen somit nicht vor.

B. Zur Aktenwidrigkeit:

1.1. Die Beklagte sieht eine Aktenwidrigkeit zwischen den Feststellungen des Erstgerichts über den urkundlichen Inhalt der zwischen der Barta Wohnbau GmbH und den Klägern getroffenen Vereinbarung und vom Berufungsgericht daraus abgeleiteten rechtlichen Schlussfolgerungen auf die Entgeltlichkeit dieser Vereinbarung.

1.2. Eine Aktenwidrigkeit liegt ausschließlich in einem Widerspruch zwischen dem Inhalt eines bestimmten Aktenstücks einerseits und der Zugrundelegung und Wiedergabe desselben durch das Berufungsgericht andererseits (RIS-Justiz RS0043284 [T3]). Die (vermeintlich) unrichtige Auslegung einer Urkunde verwirklicht dagegen den Revisionsgrund der Aktenwidrigkeit nicht (3 Ob 210/05m).

C. Zur unrichtigen rechtlichen Beurteilung:

1.1. Die Beklagte bezweifelt die Rechtswirksamkeit der Abtretung der Ansprüche der Wohnbau GmbH (Auftraggeberin) gegen die Beklagte (Auftragnehmerin) an die Kläger, weil diese unentgeltlich, aber ohne Aushändigung einer Abtretungsurkunde und ohne Notariatsakt erfolgt sei.

1.2. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, wonach die fragliche Abtretung als Teil der von der Barta Wohnbau GmbH und den Klägern abgeschlossenen - entgeltlichen - Vereinbarung und damit ebenfalls als entgeltlich zu qualifizieren sei, ist eine Frage der Vertragsauslegung, welche nur dann eine erhebliche Rechtsfrage darstellt, wenn infolge einer wesentlichen Verkennung der Rechtslage ein unvertretbares Auslegungsergebnis erzielt wurde (RIS-Justiz RS0042936; RS0042871). Eine solch krasse Fehlbeurteilung durch das Berufungsgericht, die im Interesse der Rechtssicherheit oder der Einzelfallgerechtigkeit wahrgenommen werden müsste, wird durch die Annahme der Entgeltlichkeit (auch) der Abtretung als Teil der Gesamtvereinbarung nicht begründet; dass die Abtretung einen Teil der Gesamtvereinbarung der Barta Wohnbau GmbH mit den Klägern darstellt, folgt schon aus Punkt 2. dieser Vereinbarung, in der die Abtretung als ein Teil der von der Barta Wohnbau GmbH den Klägerin zu erbringenden Leistungen vorgesehen ist. Diese Gesamtvereinbarung stellt inhaltlich eine Regulierung aller Ansprüche zwischen der Barta Wohnbau GmbH und den Klägern betreffend die Wohnanlage dar, die von den Vertragsparteien selbst als „Generalvergleich" bezeichnet wird (Punk 5. der Vereinbarung). Ein Vergleich ist schon seinem Wesen nach entgeltlich, weshalb er in der Regel zu seiner Gültigkeit keiner besonderen Form bedarf (RIS-Justiz RS0032527; 7 Ob 177/69 = SZ 42/154); die Frage nach der (förmlichen) Übergabe einer Abtretungsurkunde oder der Errichtung eines Notariatsakts als Formerfordernis im Fall einer unentgeltlichen Zession ist dann nicht entscheidungsrelevant.

1.3. Soweit die Beklagte mit ihren Ausführungen allenfalls Glauben machen will, den Klägern sei die Abtretung überhaupt nicht (nie) erteilt (mitgeteilt) worden, widerspricht dies dem Umstand, dass die Kläger die betreffende Urkunde vorgelegten (Blg ./AI; Band I AS 285 =

S. 6 in ON 43) und deren Vertreter die Beklagte nach den erstgerichtlichen Feststellungen von der Zession auch verständigt haben (Ersturteil S. 29; Blg ./6). Schon damit wäre im Übrigen die behauptete Formpflicht obsolet (1 Ob 274/02d).

2. Die Beklagte wiederholt im Rahmen der Rechtsrüge den schon zur Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens erhobenen Einwand gegen die Zulässigkeit des Feststellungsbegehrens, wonach die Barta Wohnbau GmbH den Klägern nur mehr in Geld bestehende Regressansprüche gegen die Beklagte abtreten habe können, und daher auch die Kläger ein Leistungsbegehren erheben hätten müssen; dazu genügt der Hinweis auf die Ausführungen zu A.1.2., wonach die Zession die Schadenersatzund/oder Gewährleistungsansprüche der Barta Wohnbau GmbH (Auftraggeberin) gegenüber der Beklagten als Auftragnehmerin aus dem Generalunternehmervertrag zum Inhalt hatte. Ob und inwieweit die Barta Wohnbau GmbH allfällige Ansprüche der Kläger aus deren Vertragsbeziehungen zueinander bereits zur Gänze beglichen hat, spielt daher für die (Un-)Zulässigkeit des Feststellungsbegehrens keine Rolle.

3.1. Die Beklagten sehen eine Verkennung der Rechtslage durch das Berufungsgericht letztlich noch darin, dass dieses keine Verletzung der Schadensminderungspflicht durch die Kläger wegen bislang unterlassener Sanierung angenommen habe.

3.2. Die Unterlassung der Schadensminderung kann dem Geschädigten dann vorgeworfen werden, wenn die von ihm unterlassene - zumutbare - Handlung geeignet gewesen wäre, den Schaden zu verringern (RIS-Justiz RS0109225). Maßnahmen zur Schadensminderung sind dann angemessen (zumutbar), wenn sie unter den gegebenen Umständen nach Treu und Glauben erwartet werden durften. Dabei ist auf das Verhalten eines verständigen Ersatzberechtigten in gleicher Lage abzustellen (vgl RIS-Justiz RS0104931). Was dem Geschädigten im Rahmen der Schadensminderungspflicht zumutbar ist, bestimmt sich nach den Interessen beider Teile und den Grundsätzen des redlichen Verkehrs; dabei kommt es wesentlich auf die Umstände des Einzelfalls an (RIS-Justiz RS0027787).

3.3. Die Verneinung der (allfälligen) Schadensminderungspflicht der Kläger durch das Berufungsgericht, stellt jedenfalls keine krasse Fehlbeurteilung des vorliegenden Einzelfalls dar. Noch mit Schreiben vom 27. 6. 2001 hatte die Beklagte selbst der Barta Wohnbau GmbH zugesagt, die vorhandenen Risse zu sanieren (Ersturteil S. 29); auch nach dem Gutachten des DI Ingo Gehrer vom 12. 11. 2003 stand im Übrigen noch nicht einmal die Schadensursache eindeutig fest (Ersturteil S. 30), bis heute ist die Wahl der Sanierungsart eine methodisch schwierige Frage und die Sanierungskosten sind bislang ebenfalls nicht genau abschätzbar. Wenn das Berufungsgericht unter diesen Umständen in der bislang noch nicht eingeleiteten Sanierung keine Verletzung der Schadensminderungspflicht erkannte, liegt darin jedenfalls keine gravierende Verkennung der Rechtslage. Die Beklagte vermag auch keine höchstgerichtlichen Entscheidungen mit annähernd vergleichbarem Sachverhalt anzugeben, zu der sich das Berufungsgericht mit seiner Rechtsansicht in Widerspruch gesetzte hätte.

Da keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO zu beurteilen ist, erweist sich die außerordentliche Revision der Beklagten als unzulässig und ist zurückzuweisen.

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