OGH 10ObS124/06t

OGH10ObS124/06t17.8.2006

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger und Hon. Prof. Dr. Neumayr sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Martin Gleitsmann und Dr. Lukas Stärker (beide aus dem Kreis der Arbeitgeber) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Johann R*****, Pensionist, *****, vertreten durch Dr. Walter Strigl und Dr. Gerhard Horak, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei Sozialversicherungsanstalt der Bauern, Ghegastraße 1, 1031 Wien, wegen Abfindung einer Betriebsrente, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 4. Mai 2004, GZ 8 Rs 16/04s-15, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Leoben als Arbeits- und Sozialgericht vom 3. April 2003, GZ 22 Cgs 170/02h-9, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Das Revisionsverfahren wird von Amts wegen fortgesetzt. Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Sozialrechtssache wird zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Der am 22. 4. 1951 geborene Kläger erlitt am 29. 10. 1999 einen Arbeitsunfall. Mit Teilanerkenntnisurteil vom 23. 8. 2001, 22 Cgs 129/00a-15, stellte das Erstgericht die beim Kläger bestehenden Gesundheitsstörungen als Folge des Arbeitsunfalls vom 29. 10. 1999 fest und verpflichtete die beklagte Sozialversicherungsanstalt der Bauern zur Leistung einer Betriebsrente nach dem BSVG in der gesetzlichen Höhe ab dem 29. 10. 2000, basierend auf einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 30 vH. Das Urteil fand Niederschlag im Bescheid der Sozialversicherungsanstalt der Bauern vom 30. 4. 2002, in dem dem Kläger auf einer Bemessungsgrundlage von EUR 39.379,70 die Betriebsrente in der Höhe von EUR 565,94 monatlich ab 29. 10. 2000, von EUR 570,47 monatlich ab 1. 1. 2001 und von EUR 576,75 monatlich ab 1. 1. 2002 zuerkannt wurde.

Am 3. 4. 2000 stellte der Kläger bei der (damaligen) Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter einen Antrag auf Zuerkennung der Invaliditätspension. Den darüber ergangenen negativen Bescheid vom 26. 6. 2000 hat der Kläger mit Klage bekämpft. Mit Urteil vom 16. 5. 2001, 21 Cgs 329/00f-19, hat das Landesgericht Leoben das Klagebegehren auf Zahlung der Invaliditätspension ab 1. 5. 2000 als dem Grunde nach zu Recht bestehend erkannt; weiters wurde der Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter eine vorläufige Zahlung von ATS 7.000 monatlich auferlegt. Laut dem darauf folgenden Bescheid der Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter vom 11. 7. 2001 fiel die (ab 1. Mai 2000 zugesprochene) Invaliditätspension aufgrund der ausgeübten Tätigkeit nicht an.

Nach Bekanntgabe, dass der Kläger seine Tätigkeit beendet hat, hat die Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter mit Bescheid vom 11. 3. 2002 ausgesprochen, dass die Pension aufgrund der Aufgabe der Tätigkeit mit 15. 2. 2002 anfällt. Unter einem wurde die Höhe der Pension ab 15. 2. 2002 mit EUR 1.304,47 monatlich festgesetzt. Dieser Bescheid wurde dem Kläger zugestellt, nicht aber der Sozialversicherungsanstalt der Bauern. Beginnend mit 15. 2. 2002 wurden dem Kläger die bescheidmäßig festgesetzten Invaliditätspensionsbeträge ausgezahlt.

Über Anforderung der beklagten Partei wurde ihr mit Datum 13. 8. 2002 der Bescheid der Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter vom 11. 3. 2002, mit dem der Anfall der Pension mit 15. 2. 2002 festgestellt und die Invaliditätspension betragsmäßig festgesetzt wurde, übermittelt. Als Folge wurde der dem nunmehrigen Verfahren zugrunde liegende Bescheid vom 4. 9. 2002 erlassen.

Mit diesem Bescheid vom 4. 9. 2002 hat die beklagte Partei ausgesprochen, dass die für die Folgen des Arbeitsunfalles vom 29. 10. 1999 gewährte Betriebsrente mit 15. 2. 2002 wegfällt und anstelle der Betriebsrente eine Abfindung von EUR 63.662,99 gebührt. Weiters wurde eine Anrechnung der vom 15. 2. 2002 bis 31. 8. 2002 ausgezahlten Betriebsrentenbeträge (insgesamt EUR 4.344,85 einschließlich Sonderzahlung für April 2002) auf den Abfindungsbetrag verfügt.

Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger Klage und stellte die folgenden Haupt- und Eventualbegehren:

1. (Hauptbegehren) a) Die beklagte Partei ist schuldig, dem Kläger anstelle der mit 15. 2. 2002 gemäß § 148j Abs 2 und 3 BSVG weggefallenen Betriebsrente eine Abfindung im Betrag von weiteren EUR 127.325,98 zusätzlich 4 % Zinsen aus EUR 59.318,14 seit 11. 9. 2002 binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen; in eventu:

b) Es wird festgestellt, dass dem Kläger infolge Entfalls der für die Folgen des Arbeitsunfalles vom 29. 10. 1999 im Ausmaß von 30 % der Vollrente gewährten Betriebsrente gemäß § 148j Abs 2 und 3 BSVG iVm der Verordnung der Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales (BGBl II Nr 245 vom 23. 7. 1999) eine Abfindung im Betrag von EUR 127.325,98 zuzüglich 4 % Zinsen aus EUR 59.318,14 seit 11. 9. 2002 gebührt und hierauf eine Anrechnung der vom 15. 2. 2992 bis 31. 8. 2002 ausbezahlten Betriebsrente nicht stattfindet; in eventu:

c) jeweils 1. a) bzw b) unter Anrechnung der für 2/02 - 8/02 ausbezahlten Beträge.

2. (Erstes Eventualbegehren für den Fall der Abweisung des Urteilsantrags zu 1. a), b) und c))

a) Es wird festgestellt, dass dem Kläger auch weiterhin, also ab dem 15. 2. 2002 die mit Bescheid vom 30. 4. 2002 gewährte Betriebsrente auch ab dem 31. 8. 2002 weiterhin gebührt und mangels Vorliegens der Voraussetzungen, insbesondere der Zustimmung des Klägers zu einer Abfindung zum halben Kapitalswert, nicht wegfällt; in eventu:

b) Die beklagte Partei ist schuldig, dem Kläger auch ab dem 31. 8. 2002 weiterhin die mit Bescheid vom 30. 4. 2002 gewährte Betriebsrente in der jeweiligen gesetzlichen Höhe monatlich zum gesetzlichen Fälligkeitszeitpunkt zu bezahlen.

3. (Zweites Eventualbegehren für den Fall der Abweisung des Urteilsantrags zu 1. a), b) und c) und zu 2. a) und b))

a) Es wird festgestellt, dass dem Kläger infolge Wegfalls der Betriebsrente eine Abfindung im Betrag von EUR 63.662,99 gebührt, bei deren Auszahlung die vom 15. 2. 2002 bis 31. 8. 2002 ausbezahlte Betriebsrente nicht angerechnet wird; in eventu:

b) Die beklagte Partei ist schuldig, dem Kläger anstelle der weggefallenen Betriebsrente eine Abfindung im Betrag von EUR 63.662,99 (ohne Berücksichtigung und Abzug von bis 31. 8. 2002 ausbezahlen Betriebsrentenbeträgen) binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen.

4. (Drittes Eventualbegehren)

Die beklagte Partei ist schuldig, dem Kläger die auf die Abfindungssumme der ihm gebührenden in der ganzen, in eventu halben Höhe des kapitalisierten Unfalls-(Betriebs-)Rentenbetrages entfallende Einkommensteuer (Lohnsteuer), soweit sie von einer Abfindungszahlung bereits abgezogen wurde, mit 4 % Zinsen seit dem Abrechnungstag, zurückzuzahlen und von einem darüber hinaus gebührenden, aber noch nicht ausbezahlten Abfindungsbetrag nicht abzuziehen und daher einen restlichen Abfindungsbetrag ohne Abzug von Einkommensteuer und mit 4 % Zinsen seit 30. 11. 2002 zu bezahlen.

An die Begehren schloss der Kläger folgende Anmerkung an:

„Der Kläger ist mit jeder richterlichen Präzisierung oder Umformulierung des Urteilsbegehrens im Sinne der von ihm gewünschten Ergebnisse, nämlich primär Zuspruch bzw Zuerkennung des dem gesamten (nicht nur: halben) versicherungsmathematischen Wert der Betriebsrente entsprechenden Abfindungsbetrages, dabei wiederum primär ohne Anrechnung der vom 15. 2. bis 31. 8. 2002 ausbezahlten Betriebsrentenbeträge, in eventu unter Anrechnung dieser Beträge, sodann (im Fall der Abweisung dieses Begehrens) die Weitergewährung der monatlichen Betriebsrente wie bisher anstelle der mit Bescheid zuerkannten Abfindung und schließlich - wiederum im Fall der Abweisung der bisher genannten Begehren - zumindest den Zuspruch der mit dem angefochtenen Bescheid zuerkannten Abfindung ohne Anrechnung der von 15. 2. 2002 bis 31. 8. 2002 ausbezahlten Betriebsrentenbeträge, all dies unter Kostenersatz."

Das Erstgericht wies das auf Zahlung einer Abfindung von EUR 127.325,98 s.A. (= im Ausmaß des vollen Kapitalwertes der weggefallenen Betriebsrente) gerichtete Hauptbegehren sowie die Eventualbegehren, darunter das auf Weiterleistung der Betriebsrente über den 15. 2. 2002 hinaus gerichtete, ab. Aufgrund der gesetzlichen Regelungen sei die Betriebsrente mit der Hälfte ihres Kapitalwerts abzufinden gewesen. Die Anrechnung der vom 15. 2. 2002 bis 31. 8. 2002 ausgezahlten Betriebsrente auf den Abfindungsbetrag sei berechtigt erfolgt, da seitens des Klägers keinerlei Mitteilung über den Invaliditätspensionsbezug an die beklagte Partei erfolgt sei, weshalb eine Meldepflichtverletzung gemäß § 18 BSVG vorliege, die zu einer verschuldensunabhängigen Rückzahlungsverpflichtung gemäß § 72 BSVG führe. Der Einwand des gutgläubigen Verbrauchs sei dem Kläger verwehrt. Die beklagte Partei dürfe gemäß § 67 Abs 1 Z 2 BSVG die zu Unrecht erbrachten und vom Anspruchsberechtigten rückzuerstattenden Leistungen auf die von ihr zu erbringenden Geldleistungen aufrechnen, soweit das Recht auf Rückforderung nicht verjährt sei. Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge. Es verneinte zunächst eine (vom Kläger auf eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes gestützte) Verfassungswidrigkeit der §§ 148j Abs 2 und 72 Abs 1 BSVG und sah auch den weiteren vom Kläger erhobenen Einwand der Verfassungswidrigkeit hinsichtlich des Umfangs im Hinblick auf den Inhalt des § 67 Abs 2 BSVG als unberechtigt an. Weiters übernahm das Berufungsgericht die vom Kläger bekämpften Feststellungen des Erstgerichts als unbedenklich und sah die Rechtsrüge als nicht berechtigt an. Auf die Frage einer allfälligen Verletzung von Meldepflichten durch den Kläger komme es nicht an, weil es sich bei der Abfindung um eine kapitalisierte Betriebsrente handle. Da mit der Pensionsgewährung der Anspruch auf eine monatliche Betriebsrente beim Kläger weggefallen sei, er aber dennoch Zahlungen aus dem Titel Betriebsrente erhalten habe, sei die beklagte Partei berechtigt gewesen, die aus dem Titel Betriebsrente geleisteten Zahlungen ab 15. 2. 2002 bei Auszahlung der Abfindung anzurechnen. Die ordentliche Revision sei zulässig, weil eine höchstgerichtliche Judikatur zur Frage der Abfindung der Betriebsrente und insbesondere zur Anrechnung von bereits bezahlten Betriebsrentenbeträgen auf das Abfindungskapital nicht bestehe.

Dagegen richtet sich die Revision des Klägers aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne einer Zuerkennung eines weiteren Betrages von EUR 68.007,84, bestehend aus der zweiten Hälfte des versicherungsmathematisch errechneten Abfindungsbetrages (EUR 63.662,99) und dem Aufrechnungsbetrag (EUR 4.344,85). Hilfsweise wird ein Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei hat sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig; sie ist auch im Sinne einer Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen berechtigt.

In der ausführlichen Revision geht der Kläger zusammengefasst auf folgende zwei Punkte ein:

a) Die vom BSVG vorgesehene Kürzung einer Dauerrente auf die Hälfte des nach versicherungsmathematischen Grundsätzen berechneten Rentenwerts von EUR 127.3240 widerspreche dem Gleichheitsgrundsatz, da sie einerseits BSVG-Versicherte untereinander (abhängig vom Lebensalter im Unfallzeitpunkt) unterschiedlich behandle und andererseits Versicherte nach dem BSVG gegenüber Arbeitern und Angestellten in mehrfacher Hinsicht krass benachteilige. Beim angeblichen Doppelcharakter der Betriebsrente handle es sich um eine willkürliche verbale Festlegung, mit der die Halbierung der berechtigten Abfindungssumme legalisiert werden solle. Letztlich werde durch die Leistung der Unfallversicherung immer der körperliche Unfallschaden des Versicherten ausgeglichen und nicht eine Förderung der Erhaltung eines landwirtschaftlichen Betriebes bezweckt. Gerade wenn die landwirtschaftliche Unfallversicherung in bedenklicher Form zwingend eine Abfindung der Betriebsrente mit dem Bezug einer Invaliditätspension vorsehe, müsse auf eine ausreichende Absicherung für die künftige Lebenshaltung des Versehrten geachtet werden, die aber durch die Kürzung nicht mehr gewährleistet sei.

b) Eine Meldepflicht hinsichtlich des Bezugs der Invaliditätspension habe für den Kläger nicht bestanden. Schon aus diesem Grund sei - mangels der Möglichkeit der Verletzung einer Meldepflicht - die Anrechnung von Dauerrentenzahlungen auf die Abfindung zu verneinen. Diese Zahlungen seien auch nicht als Vorschuss auf die Abfindung zu betrachten. Abgesehen davon habe der Kläger jene Betriebsrentenbeträge, die er von der beklagten Partei im Zeitraum 15. 2. 2002 bis 31. 8. 2002 erhalten habe (EUR 4.344,85), gutgläubig verbraucht. Letztlich sei eine Verpflichtung zur Rückzahlungsverpflichtung, die nicht auf einer verschuldeten Übertretung einer Gebotsnorm beruhe, verfassungs- und grundrechtswidrig und es liege hinsichtlich des Ausmaßes der Aufrechnungsbefugnis eine sachlich nicht zu rechtfertigende Benachteiligung von BSVG-Versicherten gegenüber ASVG-Versicherten vor.

Im Hinblick auf Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit hat der Oberste Gerichtshof mit Beschluss vom 24. 1. 2006, 10 ObS 120/05b, beim Verfassungsgerichtshof gemäß Art 89 Abs 2 B-VG den Antrag gestellt,

a) in § 148i Abs 1 Satz 1 BSVG idF der 22. BSVG-Novelle, BGBl I 1998/140, die Wortfolge "geminderten Arbeitsfähigkeit bzw."

b) in § 148i Abs 1 Satz 2 BSVG idF der 22. BSVG-Novelle, BGBl I 1998/140, die Wortfolge "der geminderten Arbeitsfähigkeit bzw." und

c) in § 148j Abs 2 BSVG idF der 22. BSVG-Novelle, BGBl I 1998/140, den Satz 1

als verfassungswidrig aufzuheben.

Mit Erkenntnis vom 19. 6. 2006, G 16/06-8, sprach der Verfassungsgerichtshof aus, dass

a) in § 148i Abs 1 BSVG idF des Abschnitts II der 22. BSVG-Novelle, BGBl I 1998/140, im ersten Satz die Wortfolge „geminderten Arbeitsfähigkeit bzw." und im zweiten Satz die Wortfolge „der geminderten Arbeitsfähigkeit bzw." als verfassungswidrig aufgehoben werden und diese Aufhebung mit Ablauf des 30. Juni 2007 in Kraft tritt

sowie dass

b) § 148j Abs 2 erster Satz BSVG idF des Abschnitts II der 22. BSVG-Novelle, BGBl I 1998/140, verfassungswidrig war.

In der Sache führte der Verfassungsgerichtshof unter anderem aus:

„2.2.4. Hingegen können mit diesen Überlegungen ... nicht auch die Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit der angefochtenen Bestimmungen zerstreut werden, soweit sie eine vorzeitige Beendigung des Anspruchs auf Betriebsrente schon bei Anfall von Pensionen aus dem Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit ua. auch nach dem ASVG und dem GSVG vorsehen:

a) Zunächst ist nämlich hervorzuheben, dass für den Anfall einer dieser Pensionen die Aufgabe der Bewirtschaftung eines land(forst)wirtschaftlichen Betriebes nicht erforderlich ist. Bei einer Durchschnittsbetrachtung kann in diesen Fällen - anders als bei den Alterspensionen wegen Erreichen des Regelpensionsalters - aber auch nicht ohne weiteres die Aufgabe des land(forst)wirtschaftlichen Betriebes erwartet werden, da eine pensionsbegründende Minderung der Arbeitsfähigkeit auch in jüngeren Jahren eintreten und die betreffende Person gerade dann auf die (ungeschmälerten bzw. durch die Betriebsrente ergänzten) Einkünfte aus dem land(forst)wirtschaftlichen Betrieb angewiesen sein kann.

b) Da sich überdies die gesetzlichen Anspruchsvoraussetzungen für Pensionen aus dem Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit im ASVG und im GSVG von jenen im BSVG deutlich unterscheiden, lässt ein derartiger Pensionsbezug auch insoweit weder Rückschlüsse auf eine mutmaßliche Betriebsaufgabe zu, noch vermöchte er die Fiktion einer Betriebsaufgabe sachlich zu rechtfertigen.

c) Es ist ferner in Bezug auf die in diesem Verfahren maßgebenden Pensionsansprüche aus dem Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit nach dem ASVG und dem GSVG an der schon im ... Vorerkenntnis vom 10. März 2005, G 147/04, vertretenen Auffassung festzuhalten, dass der Wegfall der Betriebsrente nach dem BSVG nicht damit gerechtfertigt werden kann, dass der (Unfall-)Versicherte seinen Lebensunterhalt nur zu einem nicht wesentlichen Teil aus seinem land(forst)wirtschaftlichen Betrieb bestreitet. Auch die hier zu prüfenden gesetzlichen Bestimmungen differenzieren weder nach der Höhe der ASVG- bzw. BSVG-Pension, noch sehen sie überhaupt eine Bedachtnahme auf die sonstigen wirtschaftlichen Umstände der versicherten Person vor (vgl. aber nunmehr den für Versicherungsfälle nach dem 30. Juni 2005 geltenden § 148i Abs 4 BSVG idF der 30. Novelle zum BSVG, BGBl. I Nr. 71/2005).

2.2.5. Es bleibt daher nur zu prüfen, ob die im Unterschied zur Konstellation des Vorerkenntnisses hier vorgesehene Gewährung der Abfindung der versicherungsmathematisch berechneten Unfallrente in halber Höhe die verfassungsrechtlichen Bedenken zu zerstreuen vermag.

Dies ist aber zu verneinen: Es ist nämlich - gemessen am sozialpolitischen Zweck der Betriebsrente - kein sachlicher Befund dafür ersichtlich, warum einem Landwirt (wie dem Kläger des Ausgangsverfahrens), bei dem eine Pension aus einem Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit nach dem ASVG (bzw. GSVG) anfällt, anders als anderen eine Betriebsrente beziehenden Landwirten die durch die unfallbedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit verursachten Mehrkosten oder Mindereinnahmen für den Zeitraum bis zur Aufgabe des Betriebes bzw. bis zur Inanspruchnahme einer Alterspension nur mit der Hälfte des Wertes der Betriebsrente abgegolten werden.

3. Die angefochtenen Wortfolgen in § 148i Abs 1 erster und zweiter Satz BSVG waren daher als verfassungswidrig aufzuheben. Durch die 30. Novelle zum BSVG, BGBl. I Nr. 71/2005, wurden (ua.) § 148j Abs 1 bis 3 BSVG idF der 22. Novelle geändert und in dieser neuen Fassung mit 1. Juli 2005 in Kraft gesetzt (§ 299 Abs 1 Z 1 BSVG). Hinsichtlich § 148j Abs 2 erster Satz BSVG idF der 22. Novelle war daher auszusprechen, dass diese Bestimmung verfassungswidrig war (Art. 140 Abs 4 B-VG)."

Nach Zustellung dieses Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes war das unterbrochene Revisionsverfahren von Amts wegen fortzusetzen. Auch wenn der Verfassungsgerichtshof ausgesprochen hat, dass die Aufhebung der angefochtenen Wortfolgen in § 148i Abs 1 BSVG erst mit Ablauf des 30. Juni 2007 in Kraft tritt, ist die (teilweise) aufgehobene Norm in der sonst noch geltenden Fassung doch auf den „Anlassfall" nicht anzuwenden (Art 140 Abs 7 B-VG). Dies hat zur Folge, dass die für die Folgen des Arbeitsunfalles vom 29. 10. 1999 rechtskräftig gewährte Betriebsrente nicht mit dem Tag des Anfalls der Invaliditätspension (15. 2. 2002) weggefallen ist. Damit ist allerdings das vom Kläger in seinem Revisionsantrag gestellte Begehren auf Zuerkennung eines weiteren Betrages von EUR 68.007,84, bestehend aus der zweiten Hälfte des versicherungsmathematisch errechneten Abfindungsbetrages (EUR 63.662,99) und dem Aufrechnungsbetrag (EUR 4.344,85) möglicherweise inkompatibel, sodass eine Erörterung notwendig ist, welche(s) Begehren von ihm nun nach der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes gestellt bzw aufrechterhalten wird. Eine Grundlage für den Anspruch auf den kapitalisierten Betrag der gesamten Betriebsrente könnte nach dem Wegfall des § 148j Abs 2 erster Satz BSVG in § 148j Abs 1 BSVG liegen. Diese Bestimmung stand zum Zeitpunkt des Versicherungsfalles (29. 10. 1999) in folgender Fassung in Geltung: „(1) Betriebsrenten können mit Zustimmung des Versehrten durch Gewährung eines dem Werte der Rente entsprechenden Kapitals ganz oder teilweise abgefunden werden. Bei einem Ausmaß der Betriebsrente von mehr als 25 % der Vollrente (§ 149e Abs 2 Z 1) ist vor Entscheidung über die Abfindung der zuständige Träger der Sozialhilfe anzuhören."

Mit dem SRÄG 2005, BGBl I 2005/71 (30. Novelle zum BSVG), wurde § 148j Abs 1 geändert; die Bestimmung lautet nunmehr: „(1) Betriebsrenten können mit Zustimmung des/der Versehrten durch Gewährung eines der Hälfte des Wertes der Rente entsprechenden Kapitals ganz oder teilweise abgefunden werden. Nach erfolgter Abfindung wird die Betriebsrente im halben Ausmaß bis zum Wegfall nach § 148 Abs 1 erster Satz weitergewährt. Bei der Beurteilung einer Schwerversehrtheit (§ 149e Abs 3) ist das Ausmaß der Betriebsrente zum Zeitpunkt der Abfindung zu berücksichtigen. Bei einem Ausmaß der Betriebsrente von mehr als 25 % der Vollrente (§ 149e Abs 2 Z 1) ist vor Entscheidung über die Abfindung der zuständige Träger der Sozialhilfe anzuhören."

Laut § 299 Abs 1 BSVG tritt § 148j Abs 1 idF BGBl I 2005/71 (30. BSVG-Novelle) mit 1. Juli 2005 in Kraft. Auf den Zeitpunkt des Versicherungsfalles wird (im Gegensatz zur Änderung des § 148i Abs 4 BSVG) nicht abgestellt. Nach der ständigen Rechtsprechung hat das Rechtsmittelgericht auf eine Änderung der Rechtslage Bedacht zu nehmen, sofern die neuen Bestimmungen nach ihrem Inhalt auf das umstrittene Rechtsverhältnis anzuwenden sind (Kodek in Rechberger2 § 482 ZPO Rz 11 mwN uva; RIS-Justiz RS0031419). Insbesondere sind Änderungen des zwingenden Rechts, sofern nicht Übergangsrecht etwas anderes bestimmt, vom Rechtsmittelgericht ohne weiteres von Amts wegen seiner Entscheidung zugrunde zu legen, auch wenn der zu beurteilende Sachverhalt bereits vor Inkrafttreten des neuen Rechts verwirklicht wurde (1 Ob 2362/96a = SZ 69/238; 1 Ob 73/98m = SZ 71/89 ua; RIS-Justiz RS0106868; Fasching, Zivilprozeßrecht2 Rz 1927). Nach der - auf dieser Grundlage - anzuwendenden aktuellen Fassung des § 148j Abs 1 BSVG können Betriebsrenten mit Zustimmung des Versehrten durch Gewährung eines der Hälfte des Wertes der Rente entsprechenden Kapitals ganz oder teilweise abgefunden werden; nach erfolgter Abfindung wird die Betriebsrente im halben Ausmaß bis zu einem Wegfall nach § 148 Abs 1 erster Satz BSVG weitergewährt. Von einem Betrag von EUR 4.344,85 abgesehen, auf den noch einzugehen ist, wurde das der Hälfte des Wertes der Rente entsprechende Kapital dem Kläger bereits ausgezahlt. Eine Anspruchsgrundlage für die Auszahlung des der zweiten Hälfte des Wertes der Rente entsprechenden Kapitalbetrages ist somit nicht ersichtlich, weil aufgrund der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes die (zweite) Hälfte der Rente weiterhin als Betriebsrente auszuzahlen wäre, solange kein Wegfallstatbestand nach § 148 Abs 1 erster Satz BSVG eintritt. Fehlt im Fall des Klägers eine Grundlage für eine Abfindung der Rente, war die beklagte Partei verpflichtet, sie auch im Zeitraum vom 15. 2. 2002 bis 31. 8. 2002 weiter auszuzahlen. Allerdings hat die beklagte Partei dem Kläger den Hälftebetrag des Kapitalwerts der Betriebsrente (bezogen auf den 15. 2. 2002) als Abfindung bescheidmäßig zugesprochen und auch an den Kläger ausgezahlt, der diese Leistung entgegengenommen hat. Diese Leistung ist gemäß § 71 Abs 2 ASGG als unwiderruflich anerkannt anzusehen. Damit ist der Auszahlung des halben Betriebsrentenbetrages ab 15. 2. 2002 die Grundlage entzogen, während der Kläger einen Anspruch auf weitere Auszahlung der zweiten Hälfte der Betriebsrente auch im Zeitraum vom 15. 2. 2002 bis 31. 8. 2002 hatte. Im Hinblick auf diesen Rechtsanspruch des Klägers ist die Anrechnung daher hinsichtlich eines Betrages von EUR 2.172,43 (gerundete Hälfte von EUR 4.344,85) jedenfalls ausgeschlossen.

Betreffend die von der Abfindung erfasste „erste Hälfte" (EUR 2.172,42) würde die Weiterzahlung der vollen Betriebsrente über den 15. 2. 2002 hinaus unter Berücksichtigung der Abfindung zu einer - nicht gebührenden - Doppelleistung führen; objektiv ist die Leistung zu Unrecht erbracht. Die beklagte Partei könnte dann eine Anrechnung (Aufrechnung) iSd § 67 Abs 1 Z 2 BSVG (§ 103 Abs 1 Z 2 ASVG) vornehmen, wenn ein Rückforderungstatbestand gemäß § 72 Abs 1 BSVG (§ 107 Abs 1 ASVG) vorliegt (10 ObS 243/99d = SSV-NF 13/119). Sie beruft sich diesbezüglich auf die Verletzung von Meldevorschriften. Wenn aber der Bezug der Invaliditätspension im Fall des Klägers keinen Wegfall der Betriebsrente bewirkte, bestand auch keine Meldeverpflichtung.

Wie bereits angeführt, ist vorerst mit dem Kläger zu erörtern, welche(s) Begehren von ihm nun nach der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes gestellt bzw aufrechterhalten wird, weshalb sich eine Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen und eine Zurückverweisung zur Verfahrensergänzung als notwendig erweist. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

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