Spruch:
Beschluss
gefasst:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass sie
lauten:
„Bewilligung der Annahme an Kindes statt.
Der Oberste Gerichtshof bewilligt auf Grund des schriftlichen Vertrages vom 30. 11. 2005 die Annahme an Kindesstatt des mj. Thomas P*****, als Wahlkind durch die Ehegatten Monika und Sebastian R***** als Wahleltern.
Wahlmutter:
Vorname und Familienname: Monika R*****
Geburtstag und Geburtsort: 31. Oktober 1974, Salzburg, StAVb
Salzburg, *****
Staatsangehörigkeit: Österreich
Familienstand: verheiratet
römisch-katholisch
Wahlvater:
Vorname und Familienname: Sebastian R*****
Geburtstag und Geburtsort: 13. Februar 1969, St. Johann/Pongau, StA
St. Johann/Pongau *****
Staatsangehörigkeit: Österreich
Familienstand: verheiratet
römisch-katholisch
Wahlkind:
Vorname und Familienname: Thomas P*****
Geburtstag und Geburtsort: 24. Mai 2005, Schwarzach/Pongau, StA
Schwarzach/Pongau *****.
Staatsangehörigkeit: Österreich
Die Annahme wird mit dem 30. 11. 2005 wirksam."
Text
Begründung
Die Wahleltern schlossen am 30. 11. 2005 einen Vertrag über die Annahme an Kindes statt (Inkognitoadoption) mit dem mj Wahlkind, das durch den zuständigen Jugendwohlfahrtsträger vertreten wurde. Das Wahlkind befand sich zum Zeitpunkt des Abschlusses des Adoptionsvertrages bereits praktisch von Geburt an sechs Monate in Pflege der Wahleltern, entwickelte sich sehr gut und altersentsprechend. Es besteht eine liebevolle Beziehung zwischen dem Minderjährigen und der Adoptivmutter. Die Bezeichnung des Minderjährigen als „Sonnenschein der Familie" konnte bei Hausbesuchen der zuständigen Sozialarbeiterin bestätigt werden. Die Adoptiveltern zeigen eine offene Einstellung zum Thema „Adoption" und erklärten deshalb, dem Minderjährigen die Tatsache der Adoption nicht verheimlichen zu wollen.
Die leibliche Mutter erklärte am 27. 5. 2005 nach Belehrung über die rechtlichen Wirkungen einer Inkognitoadoption gegenüber einer Sozialarbeiterin ihre Zustimmung zu einer derartigen Adoption und verweigerte die Angabe des leiblichen Vaters aus persönlichen Gründen. Am 17. 1. 2006 gab die Mutter, nachdem sie vom Richter noch einmal über die Rechtsfolgen der Inkognitoadoption belehrt wurde, zu Protokoll, dass sie sich das wohl überlegt habe und nach wie vor ausdrücklich mit der Inkognitoadoption einverstanden sei. Das Erstgericht wies den Antrag des Jugendwohlfahrtsträgers auf Bewilligung der Adoption wegen eines eindeutigen Verstoßes gegen das einem Kind durch das UN-Übereinkommen über die Rechte des Kindes (Kinderrechtskonvention: KRK) eingeräumte vorrangige Recht, seine Eltern zu kennen und von ihnen betreut zu werden, ab. Das vom Jugendwohlfahrtsträger und den Wahleltern angerufene Rekursgericht bestätigte diesen Beschluss und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Es teilte unter Hinweis auf den entscheidenden Faktor des Wissens um die Adoption und der Herkunft für die Bewältigung der Adoptionsfolgen die Auffassung des Erstgerichtes, dass die - in den letzten zwei Jahrzehnten auf Grund der Erkenntnisse der Adoptionsforschung zunehmend zurückgedrängte - Inkognitoadoption nicht dem Kindeswohl entspreche. Darüber hinaus legte das Rekursgericht verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese Adoptionsvariante dar, die das in Art 8 MRK geschützte Recht des Kindes auf Information über seine persönliche Identität und damit die Identität der Eltern, welche das Wahlkind nach österreichischer Rechtslage (§ 37 Abs 2 Personenstandsgesetz) erst mit Erreichung des 14. Lebensjahres erfahren könne, verletze. Den Zulässigkeitsausspruch begründete das Rekursgericht mit fehlender Judikatur zur grundsätzlichen Frage einer Gefährdung des Kindeswohles bei Inkognitoadoption und zur Problematik einer verfassungskonformen Auslegung des § 88 AußStrG.
Der Jugendwohlfahrtsträger beantragt in seinem Revisionsrekurs, den angefochtenen Beschluss dahin abzuändern, dass der Antrag auf Bewilligung des Adoptionsvertrages genehmigt werde.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist zulässig und berechtigt.
Nach § 180a Abs 1 ABGB ist die Annahme eines nicht eigenberechtigten Kindes zu bewilligen, wenn sie dessen Wohl dient und eine den Verhältnissen zwischen leiblichen Eltern und Kindern entsprechende Beziehung besteht oder hergestellt werden soll. Die Bestimmung des § 181 Abs 1 Z 1 ABGB macht die Bewilligung von der Zustimmung der Eltern des mj Wahlkindes abhängig. Dieses Zustimmungsrecht entfällt nach § 181 Abs 2 dritter Fall ABGB, wenn der Aufenthalt der Zustimmungsberechtigten seit mindestens sechs Monaten unbekannt ist. Macht die Mutter - wie im vorliegenden Fall - von dem ihr in § 163a Abs 1 letzter Halbsatz ABGB eingeräumten Recht, den Namen des Vaters nicht zu nennen, Gebrauch („Schweigerecht"), so entfällt das Zustimmungsrecht des leiblichen Vaters in sinngemäßer Anwendung des § 181 Abs 2 dritter Fall (vgl Schwimann in Schwimann, ABGB3 § 181 Rz 9). Das Schweigerecht der Mutter, das als fundamentales Recht gewertet wird (Ebert, „First call for children!" JBl 1995, 69 bei FN 43 und 44) ist nämlich einerseits ein kaum zu überwindendes faktisches Hindernis bei der Feststellung der Vaterschaft und dient andererseits auch der Intimsphäre der Mutter (LGZ Wien EFSlg 29.141).
§ 88 AußStrG BGBl I 2003/111 (vormals § 259 AußStrG 1854) regelt die so genannte Inkognitoadoption, bei der alle oder einzelne Zustimmungs- oder Anhörungsberechtigte auf die Mitteilung des Namens und des Wohnortes des Annehmenden und auf die Zustellung des Bewilligungsbeschlusses verzichten. Der Zweck dieser Adoptionsvariante ist es, das Adoptivkind einem allfälligen schädlichen Einfluss leiblicher Verwandter zu entziehen (Schwimann aaO; 8 Ob 525/92 = JBl 1993, 453; vgl VfGH vom 2. 12. 1993, G 175/92), weshalb den leiblichen Verwandten auch kein Recht auf Akteneinsicht zusteht (7 Ob 514/92 = EvBl 1992/129; RIS-Justiz RS008593; vgl RS0110043).
Nach der Aktenlage ist unzweifelhaft, dass zwischen dem Wahlkind und den Wahleltern bereits eine liebevolle Eltern-Kindbeziehung besteht und der Minderjährige in geordneten, seine Entwicklung positiv fördernden Familienverhältnissen aufwächst. Unter diesem Aspekt lassen sich keinerlei Anzeichen für eine Beeinträchtigung des Kindeswohles (§ 178a ABGB), das als Grundprinzip des Kindschaftsrechtes ein vorrangiges Entscheidungskriterium darstellt und jeweils nach den gesamten Umständen des jeweiligen Falles konkret zu prüfen ist (vgl allgemein 7 Ob 657/90 = SZ 63/165; RIS-Justiz RS0047916 T1 und T9; RS0048056; Weitzenböck in Schwimann ABGB3 § 178a Rz 2), durch die Bewilligung der Annahme an Kindes statt erkennen. Ebenso erfüllt ist die Voraussetzung der Zustimmung der leiblichen Mutter als einziger in Betracht kommenden Zustimmungsberechtigten. Zu überprüfen bleibt daher nur die Rechtsauffassung der Vorinstanzen, welche die Zulässigkeit der Inkognitoadoption als Rechtsinstitut grundsätzlich in Frage stellen.
Art 8 EMRK, auf den das Rekursgericht seinen Standpunkt gestützt hat, gewährt in seinem Abs 1 jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehres und lässt in Abs 2 den Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechtes nur zu, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.
Der in Art 8 Abs 1 EMRK gewährte Schutz des Privatlebens umfasst auch das Recht auf persönliche Entwicklung und auf äußere Beziehungen zu anderen Menschen (Grabenwarter, Europäische Menschenrechtskonvention2, Kapitel 2 § 22 Rn 6 mwN in FN 28; Frowein in Frowein/Peukert, Europäische Menschenrechtskonvention2, Art 8 Rz 3, S 339; EGMR vom 7. 2. 2002, Mikulic gg Kroatien, Z 53 mwN), woraus das Recht auf Kenntnis der Abstammung dh der genetischen Herkunft abgeleitet wird (EGMR vom 13. 2. 2003, Odièvre gg Frankreich = ÖJZ MRK 2005/1). Ein minderjähriges Kind, dessen Grundrechtsfähigkeit allgemein anerkannt ist (Grabenwarter aaO Rn 3; Verschraegen, Die Kinderrechtskonvention, 75) ist berechtigt, Informationen über seine Abstammung zu erhalten (EGMR, „Mikulic" Z 54; vgl Seidel in Münch Komm z BGB § 1589 Rn 31; vgl die Nachweise bei Diederichsen in Palandt, BGB65, Einf v § 1591 Rn 2; Katzenmeier, „Babyklappe" und „anonyme Geburt", FamRZ 2005, 1136 f mN in FN 27).
Das Recht eines Kindes, seine Eltern zu kennen, wird auch in Art 7 Abs 1 der in Österreich nicht unmittelbar anzuwendenden (Verschraegen aaO, 73) UN-Kinderrechtskonvention (KRK) verankert, die in ihrem Art 3 bei Kinder betreffenden Entscheidungen die vorrangige Berücksichtigung des Kindeswohles („best interests of the child") verlangt (Verschraegen aaO, 74; Dorsch, Die Konvention der Vereinten Nationen über die Rechte des Kindes, 103; Sax/Heinzl, Die verfassungsrechtliche Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention in Deutschland, 107).
Das Übereinkommen über den Schutz von Kindern und die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der internationalen Adoption (Haager Konvention über die internationale Adoption), das in Österreich am 1. 9. 1999 in Kraft getreten ist (BGBl III 1999/145), regelt nur internationale Adoptionen. Eine internationale Adoption liegt nach Art 2 Abs 1 des genannten Übereinkommens vor, wenn die künftigen Adoptiveltern und das Kind ihren gewöhnlichen Aufenthalt in verschiedenen Vertragsstaaten haben. Art 30 des - hier somit nicht anzuwendenden - Übereinkommens enthält die grundsätzliche Verpflichtung der einzelnen Vertragsstaaten, die vorliegenden Angaben über die Herkunft des Kindes, insbesondere über die Identität seiner biologischen Eltern, über seine eigene Krankheitsgeschichte und diejenige seiner biologischen Eltern, aufzubewahren und dem Kind sowie seinen Vertretern unter entsprechender Anleitung den Zugang zu diesen Daten zu ermöglichen (vgl Rudolf, Das Haager Übereinkommen über die internationale Adoption, ZfRV 2001, 183).
Das Grundrecht des mj Adoptivkindes auf Kenntnis seiner Herkunft steht im Sinn dieser Ausführungen außer Streit; fraglich ist, ob die österreichische Rechtsordnung die Ausübung dieses Rechtes in ausreichendem Maß gewährleistet.
Art 8 Abs 2 EMRK verpflichtet den Staat nicht nur, willkürliche Eingriffe in die Grundrechte zu unterlassen (negative Seite), sondern enthält auch die positive Verpflichtung, sinnvolle und angemessene Maßnahmen zur Sicherung der im genannten Artikel gewährleisteten Rechte der Bürger zu sichern. Der Staat hat zwischen den betroffenen Belangen, den Interessen des Einzelnen und jenen der Gemeinschaft eine gerechte Abwägung zu treffen, wobei ihm ein „Einschätzungsspielraum" zusteht (Grabenwarter aaO Rn 53; Frowein aaO Rz 9, 342; EGMR, „Mikulic" Z 57 f; EGMR, „Odiévre" Z 40). Die österreichische Rechtsordnung enthält mehrere Bestimmungen, die sich mit dem Informationsrecht des Kindes, soweit es seine Abstammung betrifft, befassen:
§ 37 Abs 1 und 2 Personenstandsgesetz (PStG) idF BGBl I 100/2005 gewähren im Fall einer Inkognitoadoption einem mj Wahlkind nach Vollendung des 14. Lebensjahres die Möglichkeit, selbständig und ohne Mitwirkung eines gesetzlichen Vertreters Einsicht in die Personenstandsbücher, in die nach § 19 Z 4 leg. cit. ua die Namen, der Wohn- und Geburtsort und der Geburtstag der Eltern einzutragen sind, zu nehmen.
Ein ebenfalls auf diese Altersgrenze abstellendes Recht auf Information findet sich in § 20 Abs 2 FortpflanzungsmedizinG (FMedG), wonach einem mit dem Samen eines Dritten gezeugten Kind nach Vollendung des 14. Lebensjahres Einsicht in die Aufzeichnungen zu gewähren ist.
Was den verfahrensrechtlichen Aspekt betrifft, so kommt Minderjährigen, die das 14. Lebensjahr vollendet haben, nach § 104 Abs 1 AußStrG die selbständige familienrechtliche Verfahrensfähigkeit im Pflegschaftsverfahren zu. Das minderjährige Wahlkind ist daher ab diesem Zeitpunkt berechtigt, ohne Mitwirkung des gesetzlichen Vertreters Einsicht in den gerichtlichen Adoptionsakt zu nehmen, in dem auch bei einer Inkognitoadoption die Daten der zustimmungsberechtigten leiblichen Eltern oder zumindest der leiblichen Mutter aufscheinen. Entsprechend dem bereits genannten Zweck einer Inkognitoadoption funktioniert die Geheimhaltung ohnehin nur einseitig: Nur den zustimmungsberechtigten leiblichen Eltern, die auf die Mitteilung der Daten der Annehmenden verzichtet haben, ist nach § 88 Abs 3 AußStrG eine Beschlussausfertigung zuzustellen, die keinen Hinweis auf Namen und Wohnort der Annehmenden enthält. Die das Rechtsinstitut der Inkognitoadoption betreffende deutsche Rechtslage ist mit der österreichischen vergleichbar. § 1758 Abs 1 BGB schützt das Adoptionsgeheimnis und dient entsprechend dem Art 20 des Europäischen Adoptionsübereinkommens dem Geheimhaltungsinteresse von Adoptiveltern und Adoptivkind, keinesfalls aber dem Interesse der leiblichen Eltern an der Geheimhaltung der Adoption (Frank in Staudinger BGB12 § 1758 Rn 2 f; Maurer in Münch Komm BGB § 1758 Rn 1; Diederichsen in Palandt BGB65 § 1758 Rn 1). Ab Vollendung des 16. Lebensjahres darf das Kind nach § 61 Abs 2 dPStG ohne Mitwirkung eines gesetzlichen Vertreters Einsicht in die Personenstandsbücher nehmen.
In dem bereits mehrfach zitierten Fall „Odièvre" verneinte der EGMR eine Verletzung des Art 8 MRK bei einer nach französischem Recht zulässigen „anonymen Geburt". Die von der leiblichen Mutter anlässlich der Geburt dem Gesundheits- und Sozialdepartement übergebene und in der Folge adoptierte Beschwerdeführerin scheiterte bei ihren Versuchen, die Identität ihrer leiblichen Eltern und Geschwister herauszufinden, an der französischen Rechtslage, welche entsprechend dem Verlangen der leiblichen Mutter auf Geheimhaltung keine Möglichkeit zur Mitteilung der Identifikationsdaten über die leibliche Mutter ohne deren Einverständnis vorsieht. Dabei wertete der Gerichtshof das Allgemeininteresse, Abtreibungen und die Weggabe von Kindern zu verhindern, somit das Recht auf Achtung des Lebens im Vergleich zu dem in Art 8 Abs 1 MRK geschützten Recht auf Kenntnis der Abstammung als höherrangig und kam zum Ergebnis, dass der französische Staat den Ermessensspielraum nicht überschritten hatte. Einer der Hauptpunkte der Kritik Verschraegens (ÖJZ 2004/1) an dieser Entscheidung des EGMR bezieht sich auf die Unmöglichkeit, im Fall einer anonymen Geburt ohne Zustimmung der leiblichen Mutter, das Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung geltend zu machen (aaO, 10 f). In diese Richtung gehen auch die in den „dissenting opinions" der im Fall „Odievre" überstimmten Richter vorgebrachten Argumente, das französische Recht akzeptiere die Entscheidung der leiblichen Mutter als absolute Einrede gegenüber allen Anträgen auf Information, was zur gänzlichen Negierung der anerkannten Rechte des Kindes führe und kein faires Gleichgewicht zwischen den betroffenen Interessen schaffe.
Dieser Kritik begegnet der österreichische Gesetzgeber, wie bereits dargestellt, durch ein selbständiges, von der Zustimmung der leiblichen Mutter unabhängiges Recht des Kindes auf Einsicht in die Personenstandsbücher, er macht aber die selbständige Ausübung eines Grundrechtes von der Erreichung einer bestimmten Altersgrenze abhängig; das stellt nach Ansicht des erkennenden Senates eine vernünftige und dem vorrangig zu berücksichtigenden Kindeswohl entsprechende Variante dar, um ein Gleichgewicht zwischen den widerstreitenden Interessen herzustellen. Auf der einen Seite steht das Interesse der Adoptiveltern an der Geheimhaltung eben mit dem Zweck, unerwünschte Einmischungen der leiblichen Eltern zu verhindern. Das Adoptivkind soll in einer sicheren, harmonischen Umgebung aufwachsen, was der Entwicklung seiner Persönlichkeit förderlich ist. Wird die Tatsache der Adoption von den Adoptionseltern (bei Einzeladoption von dem Annehmenden) nicht verheimlicht, stehen dem Wahlkind ab 14 Jahren Informationsmöglichkeiten offen, somit in einem pubertären Entwicklungsstadium, in dem die Suche nach der eigenen Identität eine besondere Rolle spielt. Andererseits kann durch eine Inkognitoadoption den Wünschen einer leiblichen Mutter, die bereits nach der Geburt des Kindes ausdrücklich ihre negative Einstellung zu einem Kontakt deponiert hat, für eine gewisse Zeitspanne Rechnung getragen werden.
Die Überlegungen des Rekursgerichtes lassen außer Acht, dass die in der Literatur zur Adoptionsforschung geforderte (Zitate bei Katzenmaier aaO FN 26 und bei Frank aaO Rz 23) „offene Adoption" und die faktische Durchsetzung des die Abstammung betreffenden Informationsrechtes von der Bereitwilligkeit der Adoptiveltern abhängt. Auch wenn ein Recht des Kindes auf Aufklärung über seine Herkunft gegenüber den Adoptiveltern zuzubilligen ist, ist es Aufgabe der Annehmenden, zu bestimmen, wie und zu welchem Zeitpunkt das Adoptivkind über die Tatsache der Adoption aufzuklären ist (Maurer in Münch Komm aaO Rn 9; Frank in Staudinger aaO Rn 23; vgl Diederichsen in Palandt aaO § 1758 Rn 2). Insofern lässt sich kein Unterschied zwischen Inkognitoadoption und „normaler" Adoption erkennen. Auch bei letzterer nützt es im Vergleich zur Inkognitoadoption dem Kind nichts, wenn es zunächst nicht von den Adoptiveltern über die Tatsache der Adoption aufgeklärt wird.
Aus diesen Erwägungen ist der Rechtsauffassung des Rekursgerichtes, bereits die Inkognitoadoption als solche gefährde das Kindeswohl, nicht beizupflichten. Die Adoption war daher in Abänderung der vorinstanzlichen Entscheidungen zu bewilligen.
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