Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung
Nach Bewilligung der Inkognitoadoption des Minderjährigen begehrten die väterlichen Großeltern des Adoptivkindes und sein Onkel Akteneinsicht.
Das Erstgericht wies den Antrag ab. Die Antragsteller seien nicht Beteiligte am Verfahren zur Bewilligung der Annahme, sondern Dritte. Mangels Zustimmung der Adoptiveltern käme daher eine Akteneinsicht nur dann in Betracht, wenn die Antragsteller ein rechtliches Interesse glaubhaft gemacht hätten. Dies sei aber nicht der Fall.
Das Rekursgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichtes und sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig ist.
Das Rekursgericht ging davon aus, daß das Gesetz über das gerichtliche Verfahren in Rechtsangelegenheiten außer Streitsachen keine Regelung des Rechtes auf Akteneinsicht enthalte. Es sei aber in der Rechtsprechung anerkannt, daß § 219 Abs. 2 ZPO im Verfahren außer Streitsachen sinngemäß anzuwenden sei. Demnach könnten die Parteien (Beteiligten) in die ihre eigenen Rechtssachen betreffenden Gerichtsakten ohne weiteres Einsicht nehmen; mit Zustimmung der Parteien (Beteiligten) könnten auch dritte Personen Akteneinsicht nehmen. Fehle diese Zustimmung, könne einem Dritten Akteneinsicht nur gestattet werden, soweit er ein rechtliches Interesse glaubhaft mache. Die Rechtsansicht des Erstgerichtes, daß die Antragsteller nicht Beteiligte im Adoptionsverfahren seien, sei richtig. Desgleichen habe das Erstgericht zutreffend ein rechtliches Interesse der Antragsteller verneint. Ein rechtliches Interesse eines Dritten sei nur dann gegeben, wenn sich die Kenntnis des Akteninhaltes auf die privatrechtlichen oder allenfalls öffentlich-rechtlichen Verhältnisse des Dritten günstig auswirke. Die bloß (abstrakte) Möglichkeit, daß im Zuge des Adoptionsverfahrens strafbare Handlungen vorgefallen seien, habe keine Auswirkungen auf die privatrechtlichen Verhältnisse der Antragsteller. Durch die Adoption blieben zwar gewisse im Familienrecht begründete Pflichten der leiblichen Eltern und deren Verwandten gegenüber dem Wahlkind, wie die Pflicht zur Leistung des Unterhaltes, des Heiratsgutes und der Ausstattung aufrecht; desgleichen blieben die im Erbrecht begründeten Rechte zwischen den leiblichen Eltern und deren Verwandten einerseits und dem Wahlkind andererseits bestehen. Auch hinsichtlich dieser weiter bestehenden Rechte und Pflichten sei nicht erkennbar, inwiefern die Kenntnis des Akteninhaltes sich auf die privatrechtlichen Verhältnisse der Antragsteller günstig auswirken könnte. Die Tatsache der Existenz des Minderjährigen sei den Antragstellern bekannt. Die väterlichen Großeltern könnten allenfalls zur Unterhaltsleistung herangezogen werden. Sämtliche Antragsteller müßten damit rechnen, daß dem Wahlkind ein gesetzliches Erbrecht zukomme. Durch die Kenntnis des Aktes ändere sich aber an diesen rechtlichen Beziehungen nichts. Auch der Hinweis, daß die Antragsteller im Verlassenschaftsverfahren nach dem inzwischen verstorbenen leiblichen Vater des Wahlkindes eine Erbserklärung abgegeben haben und die Erhebung einer Erbrechtsklage beabsichtigten, versage. Sollten die Antragsteller eine Erbserklärung abgegeben haben, seien sie im Verlassenschaftsverfahren als Beteiligte anzusehen. In dieser Eigenschaft stehe ihnen im Verlassenschaftsverfahren das Recht auf Akteneinsicht zu. Im übrigen handle es sich im vorliegenden Fall um eine Inkognitoadoption, bei der selbst die zustimmungsberechtigten Eltern des Wahlkindes kein Recht auf Akteneinsicht hätten. Umso weniger könne dann aber den am Adoptionsverfahren nicht beteiligten Antragstellern ein Recht auf Akteneinsicht zukommen.
Der gegen die Entscheidung der zweiten Instanz erhobene Revisionsrekurs der Antragsteller ist nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Der Hauptzweck des geltenden Adoptionsrechtes liegt nicht mehr in der Sicherung des Fortbestandes des Namens und des Vermögens. Zweck der Adoption ist es vielmehr, elternlose Kinder, Kinder aus zerrütteten Familien oder von Eltern, die aus irgendeinem Grund eine geeignete Erziehung ihrer Kinder nicht gewährleisten oder denen sogar Kinder unerwünscht sind, der Erziehung und Sorge geeigneter und verantwortungsbewußter Menschen zu übergeben. Im Vordergrund steht somit das Wohl des Kindes und die Herstellung eines Eltern-Kind-Verhältnisses (107 BlgNR 9. GP 11). Dieses Ziel kann gestört werden, wenn sich die leiblichen Eltern, die später ihren Entschluß bereuen, oder deren Verwandte einmengen und Konflikte und Entwicklungsstörungen heraufbeschwören. Im Interesse des Wahlkindes soll der Adoptierende gegen negative Einflüsse der leiblichen Verwandten des Kindes gesichert werden können. Dem wurde durch die in vielen europäischen Staaten aus den gleichen Erwägungen anerkannte Inkognitoadoption Rechnung getragen. Bei der Inkognitoadoption wird von den Vertragsteilen die Annahme davon abhängig gemacht, daß alle oder einzelne Zustimmungs- und Anhörungsberechtigten auf Mitteilung des Namens und des Wohnortes des Annehmenden und auf die Zustellung des Bewilligungsbeschlusses verzichten (§ 259 AußStrG). Es liegt auf der Hand, daß derjenige, der einen solchen Verzicht erklärt, sich auch des Rechtes auf Akteneinsicht begibt (JABl 1960/15). Soll der Zweck der Inkognitoadoption nicht überhaupt vereitelt werden, muß sich die Geheimhaltung auch auf die leiblichen Verwandten des Wahlkindes erstrecken. Auch ihnen kann daher grundsätzlich Akteneinsicht nicht zugestanden werden. Unter welchen Voraussetzungen ausnahmsweise Akteneinsicht zu gewähren ist, kann hier unerörtert bleiben, weil hier die von den Rechtsmittelwerbern geltend gemachten Gründe keinesfalls eine Durchbrechung rechtfertigen. Die Aufklärung und Verfolgung von Straftaten mag im öffentlichen Interesse eine Ausnahme begründen (vgl. Palandt51 Rz 1 zu § 1758). Hier liegen jedoch keine Anhaltspunkte für eine Straftat vor, und die Rechtsmittelwerber konnten solche auch nicht aufzeigen. Es ist daher schon deshalb ihr Hinweis auf die Möglichkeit einer Subsidiaranklage nicht zielführend. Auch wenn die Rechtsmittelwerber selbst die Adoption angestrebt haben sollten, hätte ihnen dieser Umstand allein noch keine Beteiligtenstellung im Verfahren zur Genehmigung des vom gesetzlichen Vertreter des Kindes mit dem Dritten abgeschlossenen Adoptionsvertrages verschafft. Darüber hinaus müssen sich selbst Beteiligte die Tatsache der Inkognitoadoption entgegenhalten lassen, und zwar auch dann, wenn die Kenntnis von Adoptivnamen und Aufenthalt des Wahlkindes Voraussetzung zur Verfolgung eines Rechtsanspruches gegen das Wahlkind ist (Steininger, Kritische Studien zum Adoptionsrecht in JBl 1963, 454). Aus diesem Grund versagt auch der Hinweis der Rechtsmittelwerber auf das anhängige Verlassenschaftsverfahren nach dem verstorbenen leiblichen Vater des Wahlkindes und auf ihre beabsichtigte Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof.
Welche Bestimmungen des Adoptionsrechtes und aus welchen Gründen sie verfassungswidrig sein sollen, wird von den Rechtsmittelwerbern nicht dargetan. Gegen die Inkognitoadoption und die Nichteinräumung eines Zustimmungs- oder Anhörungsrechtes an die väterlichen Großeltern des Wahlkindes und an deren Kinder bestehen keine grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Bedenken, insbesondere nicht unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 EMRK. Diese Bestimmung schützt das tatsächliche Zusammenleben der Eltern mit ihren Kindern und setzt eine bereits bestehende Familie voraus. In Ansehung der Rechtsmittelwerber lagen diese Voraussetzungen nie vor. Der von den Eltern des Wahlkindes gemäß § 259 AußStrG abgegebene Verzicht war deren freie Willensentscheidung.
Demgemäß ist dem Revisionsrekurs ein Erfolg zu versagen.
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