Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 333,12 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin EUR 55,52 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin war vom 1. 3. 1987 bis 31. 12. 2003 bei der Beklagten als Verkäuferin beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete durch Arbeitgeberkündigung.
Die Klägerin brachte am 1. 12. 1998 ein Kind zur Welt. Nach der Zeit des Beschäftigungsverbots befand sie sich von 18. 2. 1999 bis 6. 9. 2000 in Mutterschaftskarenz und von 7. 9. 2000 bis 7. 6. 2001 in Bildungskarenz. Mit Wirkung vom 8. 6. 2001 wurde die Arbeitszeit der Klägerin von 38,5 Stunden auf 22,5 Stunden reduziert. Grund dafür war, dass die Klägerin ihr Kind von Montag bis Donnerstag um spätestens 17:30 Uhr und an Freitagen um 17:00 Uhr von einer Kinderbetreuungsstätte abholen musste und dass sie mehr Zeit mit ihrem Kind verbringen wollte. Sie besprach ihren Wunsch nach Reduzierung der Arbeitszeit und die dafür maßgebenden Motive mit dem Prokuristen der Beklagten, der mit ihr die künftige tägliche Arbeitszeit für die Zeit von 10:00 Uhr bis 14:30 Uhr festlegte. Ob die Beibehaltung einer Vollzeitbeschäftigung mit einem früheren Ende der täglichen Arbeitszeit möglich gewesen wäre, wurde nicht erörtert. Wäre dies zur Sprache gekommen, wäre der Prokurist damit einverstanden gewesen. Einen Kindergarten im 22. Bezirk, der bis 18:30 Uhr geöffnet hat, sah sich die Klägerin nicht an, weil sie - nachdem sie vorher wegen des Fehlens eines Krippenplatzes in Bildungskarenz war - froh war, überhaupt einen Kindergartenplatz zu haben.
Das Kind der Klägerin war nicht betreuungsbedürftiger als ein durchschnittliches Kind gleichen Alters.
Die Beklagte zahlte der Klägerin anlässlich der Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine auf der Grundlage des zuletzt bezogenen Entgelts berechnete Abfertigung von EUR 4.480 brutto. Die Klägerin begehrt mit ihrer Klage die Zahlung von weiteren EUR
2.404.84 brutto an Abfertigung. Ihre Arbeitszeit sei auf Grund ihrer nicht nur vorübergehenden Sorgfaltspflicht für ihr minderjähriges Kind vereinbart worden, sodass die ihr zustehende Abfertigung nicht auf der Grundlage des zuletzt bezogenen Entgelts sondern iSd § 14 Abs 4 AVRAG zu berechnen sei.
Die Beklagte beantragte, das Klagebegehren abzuweisen. Es liege keine Teilzeitbeschäftigung nach dem MuttSchG vor, zumal die hiefür erforderlichen Voraussetzungen nicht gegeben seien. Nach § 23 Abs 1 AngG sei für die Berechnung der Abfertigung das für den letzten Monat des Arbeitsverhältnisses zustehende Entgelt heranzuziehen. § 14 Abs 4 AVRAG komme nicht zur Anwendung, weil der Wunsch, mehr Zeit für ein gesundes Kind zu haben, keine außergewöhnliche Lebenssituation begründe, wie sie diese Bestimmung zur Voraussetzung habe. Nur besondere Betreuungspflichten rechtfertigten die Anwendung des § 14 AVRAG. Eine Ausdehnung der im Fall einer Teilzeitbeschäftigung nach MuttSchG und VKG bestehenden Begünstigungen des § 23 Abs 8 AngG habe der Gesetzgeber mit dieser Bestimmung nicht beabsichtigt. Das Kind der Klägerin sei zum Zeitpunkt der Reduzierung der Arbeitszeit bereits 5 Jahre alt gewesen (Anm: richtig: 2 ½ Jahre). Zudem stehe eine genügend große Zahl an ganztägig geöffneten Kinderbetreuungseinrichtungen zur Verfügung.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Der Gesetzgeber habe die Berechnungsmethode des § 14 Abs 4 AVRAG bewusst auf die Fälle des § 14 Abs 2 AVRAG beschränkt, weil die davon betroffenen Arbeitnehmer auf Grund besonderer Lebensumstände zur Beschränkung auf eine Teilzeitbeschäftigung gezwungen seien. Die gewöhnliche Pflege eines etwa fünfjährigen Kindes falle nicht unter diese Bestimmung. Die Herabsetzung sei nach den Feststellungen auch nicht zwingend zur Gewährleistung der nötigen Betreuung notwendig gewesen. Die Klägerin habe freiwillig und bewusst eine laufende Einkommensreduktion in Kauf genommen, sodass nicht nachvollziehbar sei, weshalb dies bei der Abfertigung nicht mehr gelten solle.
Das Berufungsgericht änderte dieses Urteil im Sinne der Stattgebung des Klagebegehrens ab.
Isoliert betrachtet, habe § 14 AVRAG keinen normativen Wert, weil die Vereinbarung der Normalarbeitszeit als Ausfluss der Privatautonomie schon vor der Neuregelung möglich gewesen sei. Daher sei es ohne Belang, dass die Initiative zur Herabsetzung der Normalarbeitszeit von der Klägerin ausgegangen sei. Für die Anwendung des § 14 Abs 4 AVRAG sei allein entscheidend, dass iSd § 14 Abs 2 Z 2 AVRAG die Herabsetzung der Arbeitszeit wegen der erforderlichen Betreuung des Kindes der Klägerin und im Zusammenhang mit dieser vereinbart worden sei.
Entgegen der Meinung der Beklagten beschränke sich der Begriff der „Betreuung" in § 14 Abs 2 Z 2 AVRAG nicht auf die Pflege von Kranken, Behinderten oder gebrechlichen Personen. Eine enge Auslegung des Begriffs sei nicht erforderlich, weil eine Vereinbarung ohnedies nicht erzwungen werden könne. Auch aus der Regierungsvorlage ergebe sich nichts Gegenteiliges, zumal darin zwar einerseits von „besonderen Betreuungspflichten", andererseits aber von der „Betreuung naher Angehöriger" die Rede sei. In eben diese Richtung weise auch die gesetzgeberischen Absicht, durch die §§ 11 ff AVRAG die Möglichkeit für eine Umverteilung des auf betrieblicher Ebene zur Verfügung stehenden Arbeitszeitvolumens auf mehr Arbeitnehmer unter Reduzierung der finanziellen Auswirkungen für die Arbeitnehmer zu schaffen.
Die den Eltern auf Grund der §§ 144, 146 ABGB obliegenden Pflichten seien daher dem Begriff der „nicht nur vorübergehenden Betreuungspflichten" des § 14 Abs 2 Z 2 AVRAG zu unterstellen. Da hier die Herabsetzung der Normalarbeitszeit zum Zweck der Betreuung des minderjährigen Kindes der Klägerin vereinbart worden sei, sei die Vereinbarung iSd § 14 Abs 2 Z 2 AVRAG wirksam, sodass die Abfertigung iSd § 14 Abs 4 AVRAG zu berechnen sei.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Beklagten. Die Klägerin beantragte, der Revision nicht Folge zu geben. Die Revision ist zulässig, aber nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Die durch das ASRÄG 1997 eingefügte und mit 1. 1. 1998 in Kraft getretene Bestimmung des § 14 AVRAG hat - soweit hier von Interesse - folgenden Wortlaut:
„..............
- 2) Darüber hinaus kann zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer,
- 1. der das 50. Lebensjahr vollendet hat, oder
- 2. mit nicht nur vorübergehenden Betreuungspflichten von nahen Angehörigen im Sinne des § 16 Abs. 1 letzter Satz UrlG, die sich aus der familiären Beistandspflicht ergeben, auch wenn kein gemeinsamer Haushalt gegeben ist, die Herabsetzung der Normalarbeitszeit vereinbart werden. In Betrieben, in denen ein für den Arbeitnehmer zuständiger Betriebsrat errichtet ist, ist dieser auf Verlangen des Arbeitnehmers den Verhandlungen beizuziehen.
(3) Frühestens zwei Monate, längstens jedoch vier Monate nach Wegfall einer Betreuungspflicht im Sinne des Abs. 2 Z 2 kann der Arbeitnehmer die Rückkehr zu seiner ursprünglichen Normalarbeitszeit verlangen.
(4) Hat die Herabsetzung der Normalarbeitszeit nach Abs. 2 zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses kürzer als zwei Jahre gedauert, so ist bei der Berechnung einer nach dem AngG, dem ArbAbfG oder dem GAngG zustehenden Abfertigung die frühere Arbeitszeit des Arbeitnehmers vor dem Wirksamwerden der Vereinbarung nach Abs. 2 zugrunde zu legen. Hat die Herabsetzung der Normalarbeitszeit nach Abs. 2 zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses länger als zwei Jahre gedauert, so ist - sofern keine andere Vereinbarung abgeschlossen wird - bei der Berechnung einer nach dem AngG, dem ArbAbfG oder dem GAngG zustehenden Abfertigung für die Ermittlung des Monatsentgeltes vom Durchschnitt der während der für die Abfertigung maßgeblichen Dienstjahre geleisteten Arbeitszeit auszugehen. Bei der Berechnung der Abfertigung nach dem BUAG ist bei der Berechnung der Stundenzahl nach § 13d Abs. 3 BUAG vorzugehen."
Diese Bestimmung ist in vielerlei Hinsicht unklar und gibt dem Rechtsanwender Rätsel auf (siehe dazu im Detail ua Schwarz, Das AVRAG im Zwielicht, RdW 2000/16; zuletzt ausführlich Pfeil in Zeller Kommentar [in Druck] § 14 Rz 3 ff). So haben etwa mehrere Autoren zu Recht darauf verwiesen, dass die in § 14 Abs 2 AVRAG enthaltene „Anordnung", unter den genannten Voraussetzungen könne eine Teilzeitvereinbarung geschlossen werden, isoliert betrachtet keinen normativen Wert hat, weil auch ohne die genannten Voraussetzungen eine solche Vereinbarung als Ausfluss der Privatautonomie jederzeit möglich ist (so etwa Jabornegg, Arbeitsrechtliche Aspekte des ASRÄG 1997, in Jabornegg/Resch, Rechtsfragen des ASRÄG 1997, 13 ff [36 f]; Binder, AVRAG, § 14 Rz 8 und 9; Schwarz, aaO). Bedeutung erlangt § 14 Abs 2 AVRAG daher überhaupt erst dadurch, dass an eine entsprechende Vereinbarung verschiedene Folgen geknüpft werden, von denen für den Fall der Teilzeitvereinbarung wegen einer Betreuungspflicht das in § 14 Abs 3 AVRAG geregelte Recht auf Rückkehr zur ursprünglichen Normalarbeitszeit und die in § 14 AVRAG normierte begünstigte Abfertigungsberechnung zu nennen sind. Auch in diesem Zusammenhang ist dem Gesetz allerdings nicht zu entnehmen, ob diese zuletzt genannten Folgen immer dann eintreten, wenn eine Teilzeitvereinbarung geschlossen und in der Folge nachgewiesen wird, dass die in § 14 Abs 2 Z 2 AVRAG genannten Voraussetzungen vorliegen, oder ob erforderlich ist, dass eine Vereinbarung geschlossen wird, die von vornherein als solche iSd § 14 Abs 2 AVRAG bezeichnet wird bzw erkennbar ist. Der Oberste Gerichtshof vertritt zu dieser zuletzt genannten Frage die Auffassung, dass schon bei Abschluss der Vereinbarung dem Arbeitgeber gegenüber offen gelegt werden bzw klar sein muss, dass die Teilzeitvereinbarung „wegen einer nicht nur vorübergehenden Betreuungspflicht für einen nahen Angehörigen" geschlossen werden soll. Die Verwendung des Gesetzeswortlauts oder gar die Zitierung des § 14 Abs 2 AVRAG ist dabei allerdings nicht erforderlich. Zur hier entscheidenden Frage, ob zu den in § 14 Abs 2 Z 2 AVRAG genannten „nicht nur vorübergehenden Betreuungspflichten von nahen Angehörigen im Sinne des § 16 Abs 1 letzter Satz UrlG" auch jene Betreuungspflichten gehören, die einen iSd §§ 144, 146 ABGB zur Pflege eines gesunden Kindes verpflichteten Elternteil treffen, gibt es bislang keine Rechtsprechung und auch nur vereinzelte Stellungnahmen in der Lehre.
Binder (aaO Rz) plädiert generell für eine weite Auslegung des Begriffs der Betreuungspflichten und meint, dass sich dieser Begriff nicht auf die Pflege von kranken, behinderten oder gebrechlichen Personen beschränkt. Auch die psychische Unterstützung seelisch lädierter Angehöriger oder die Besorgung der wirtschaftlichen Angelegenheiten von Angehörigen, die dazu nicht (mehr) in der Lage seien, sei umfasst. Die Frage der Betreuung des gesunden Kleinkindes spricht Binder allerdings nicht an.
Im Gegensatz zur Meinung der Revisionswerberin findet sich auch in den Ausführungen von Holzner/Reissner (AVRAG2 § 14 Rz 6 ff) keine Stellungnahme zur hier entscheidenden Frage. Dass in der zitierten Belegstelle von einer „Nähe zum Dienstverhinderungsrecht" die Rede ist, trifft zwar zu; dies rechtfertigt aber nicht den von der Beklagten daraus gezogenen (und von den Autoren offenbar auch nicht beabsichtigten) Schluss, dass § 14 AVRAG nur im Falle zwingender, allerdings nicht bloß vorübergehender Dienstverhinderungsgründe zur Anwendung komme.
Auch Pfeil (aaO Rz 7) versteht das Abstellen auf nicht nur vorübergehende Betreuungspflichten als Abgrenzung zur Pflegefreistellung bzw zur Dienstverhinderung aus sonstigen wichtigen Gründen. Wie ausgeführt, erlaubt dies keine zwingenden Rückschlüsse auf die Frage, welcher Art und Ursache die Betreuungspflichten sein müssen. Im Übrigen vertritt Pfeil die Auffassung, dass die Ursache für die Betreuungsbedürftigkeit keine Rolle spielt. Lediglich Rauch (Die Abgrenzung zwischen Elternteilzeit und anderen Formen der Teilzeitbeschäftigung, ecolex 2005, 304 ff) spricht die hier zu lösende Frage ausdrücklich an. Er vertritt die Meinung, dass Karenz und Teilzeit zur Kinderbetreuung im MuttSchG und im VKG abschließend geregelt seien. Die - mit zunehmenden Alter abnehmende - Betreuung eines heranwachsenden gesunden Kleinkinds werde durch diese Gesetze abgesichert, während es in § 14 Abs 2 Z 2 AVRAG um gänzlich andere Betreuungspflichten gehe. Aus diesem Grund habe der Gesetzgeber keine Abgrenzungsnotwendigkeit gesehen. Den Erläut zur RV (886 BlgNR 20. GP) ist zur hier interessierenden Frage wenig zu entnehmen: Ziel der Regelung sei ua die Schaffung rechtlicher Rahmenbedingungen, „um Arbeitgebern und Arbeitnehmern eine flexible Gestaltung des Arbeitslebens zu erleichtern, ohne aber die arbeitsrechtliche Stellung der Arbeitnehmer zu verschlechtern (Abfertigung, Kündigungsschutz)." Die Regelung wird als solche für „Arbeitnehmer mit besonderen Betreuungspflichten" bezeichnet.
Der Oberste Gerichtshof hat dazu erwogen:
§ 14 Abs 2 Z 2 AVRAG spricht von „nicht nur vorübergehenden Betreuungspflichten von nahen Angehörigen im Sinne des § 16 Abs 1 letzter Satz UrlG, die sich aus der familiären Beistandspflicht ergeben". Zu diesen nahen Angehörigen iSd § 16 Abs 1 letzter Satz UrlG gehören auch Kinder. Unbestreitbar ist auch, dass die Eltern zur Betreuung ihrer Kinder verpflichtet sind. Dass diese familiäre Betreuungspflicht von § 14 Abs 2 Z 2 AVRAG nicht erfasst und der Anwendungsbereich der Regelung auf kranke oder überdurchschnittlich betreuungsbedürftige Kinder bzw auf - wie die Revisionswerberin formuliert - „außergewöhnliche Lebenssachverhalte" eingeschränkt sein soll, ist jedenfalls dem Wortlaut des Gesetzes nicht zu entnehmen. Richtig ist, dass in den Erläut zur RV von „besonderen Betreuungspflichten" die Rede ist. Ob mit dieser Formulierung eine wie immer geartete Einschränkung der in Betracht kommenden Betreuungspflichten zum Ausdruck gebracht werden sollte, ist unklar, aber letztlich nicht relevant, weil Umfang und Inhalt einer allfällig beabsichtigten Einschränkung nicht erkennbar sind und eine derartige Absicht des Gesetzgebers im Wortlaut des Gesetzes nicht den geringsten Niederschlag gefunden hat. Aus dem in den Gesetzesmaterialien angeführten Zweck der Regelung (Erleichterung der flexiblen Gestaltung des Arbeitslebens, ohne die arbeitsrechtliche Stellung der Arbeitnehmer zu verschlechtern) lässt sich jedenfalls die von Rauch vertretene Einschränkung - ebenso wie aus dem sonstigen Wortlaut der Materialien - nicht ableiten.
Dem Argument Rauchs, dass Karenz und Teilzeit zwecks Kinderbetreuung in den §§ 15h ff MuttSchG und in den § 8 ff VKG abschließend geregelt seien, sodass für diesen Bereich § 14 AVRAG nicht anwendbar sei, ist letztlich ebenfalls nicht zu folgen. Diesem Argument ist vor allem entgegenzuhalten, dass die genannten Bestimmungen des MuttSchG und VKG nur das Verhältnis zwischen (leiblichen, Adoptiv- oder Pflege-)Müttern und Vätern einerseits und deren (leiblichen, Adoptiv- oder Pflege-)Kindern regeln, während § 14 Abs 2 Z 2 AVRAG durch den Verweis auf § 16 Abs 1 UrlG einen weiteren Anwendungsbereich hat („mit dem Arbeitnehmer in gerader Linie verwandt"), sodass etwa auch das Verhältnis zwischen Großeltern und Enkelkindern erfasst ist. Würde man die §§ 15h ff MuttSchG bzw 8 ff VKG mit Rauch als speziellere und abschließende Regelung für die Teilzeit zwecks Kinderbetreuung auffassen, würde dies bedeuten, dass in all jenen Fällen, in denen - beispielsweise wegen Todes der leiblichen Eltern - die Großeltern das Kind betreuen, diesen trotz des völlig vergleichbaren Bedarfs keine der vom Gesetzgeber geschaffenen Möglichkeiten im Zusammenhang mit der Teilzeitbeschäftigung offen stünden. Dies kann dem Gesetzgeber ohne schlüssige Hinweis im Gesetz nicht unterstellt werden. Dass die (in den Voraussetzungen in verschiedener Hinsicht engeren) §§ 15h ff MuttSchG bzw 8 ff VKG auch bei kranken und daher besonders pflegebedürftigen Kindern § 14 AVRAG verdrängen, kann wohl überhaupt nicht angenommen werden. Für eine wie immer geartete Differenzierung bietet aber der Wortlaut beider Bestimmungen keinen Anhaltspunkt. Viel eher ist daher anzunehmen, dass sich derjenige, der ein Kind betreut, immer dann, wenn die (engeren) Voraussetzungen der §§ 15h ff MuttSchG bzw 8 ff VKG nicht vorliegen, jedenfalls auf § 14 AVRAG berufen kann. Schließen aber die §§ 15h ff MuttSchG bzw 8 ff VKG die Anwendung des § 14 AVRAG nicht aus, ist ihnen auch nichts zu entnehmen, was eine vom Wortlaut des § 14 AVRAG nicht gedeckte Einschränkung seines Anwendungsbereiches rechtfertigen könnte.
Dass sich aus dem Nebeneinander der Bestimmungen der §§ 15h MuttSchG bzw 8 ff VKG einerseits und des § 14 AVRAG (wohl im Zweifel iSd Anwendung der weitergehenden Regelung zu lösende) Abgrenzungsprobleme ergeben können, trifft zu. Diese Abgrenzungsprobleme brauchen hier aber nicht erörtert zu werden, weil sie sich im zu beurteilenden Fall nicht stellen, zumal - wie die Beklagte unwidersprochen vorgebracht hat - bei der Klägerin die Voraussetzungen für eine Teilzeitbeschäftigung nach dem MuttSchG nicht vorgelegen sind. Zusammenfassend ist daher davon auszugehen, dass keinerlei Umstände erkennbar sind, die es erlauben würden, den in seinem Wortlaut umfassenden und damit eindeutigen Gesetzestext im von Rauch befürworteten Sinn einzuschränken. Selbst wenn es zutreffen sollte, dass die - offenbar auch in der Lehre bislang kaum bedachte - Anwendung des § 14 AVRAG auf gesunde Kinder nicht in der Absicht des Gesetzgebers lag, ist es nicht möglich, auf Grund einer solchen Annahme ohne Grundlage im Gesetzestext, in der Systematik des Gesetzes oder auch nur in den Materialien im Auslegungsweg eine Einschränkung des an sich unmissverständlichen Wortlauts vorzunehmen. Eine teleologische Reduktion (vgl dazu Koziol/Welser II13 32 f ua) würde den klaren Nachweis voraussetzen, dass eine umschreibbare Fallgruppe von den Grundwertungen oder Zwecken des Gesetzes entgegen seinem Wortlaut gar nicht getroffen wird und dass sie sich von den „eigentlich gemeinten" Fallgruppen so weit unterscheidet, dass die Gleichbehandlung sachlich ungerechtfertigt und willkürlich wäre (RIS-Justiz RS0008979, RS0106113 ua). Dieser Nachweis wurde nicht erbracht. Für ein Redaktionsversehen des Gesetzgebers bestehen keine ausreichenden Anhaltspunkte. Der Oberste Gerichtshof geht daher davon aus, dass auch die Betreuungspflicht für gesunde Kinder vom Anwendungsbereich des § 14 AVRAG erfasst ist.
Offen bleibt allerdings, wie lange bzw unter welchen Voraussetzungen von einer Pflicht der Eltern zur (iSd § 14 AVRAG relevanten) Betreuung des Kindes gesprochen werden kann. Die Meinung der Beklagten, dies sei auch bei Kleinkindern jedenfalls dann nicht der Fall, wenn geeignete Betreuungseinrichtungen zur Verfügung stünden, teilt der Oberste Gerichtshof nicht. Dies liefe auf eine Verpflichtung hinaus, die Betreuung Dritten zu übertragen. Für eine solche Verpflichtung (die ja dann auch bei anderen Betreuungspflichten zu prüfen wäre) fehlt es aber an jeglichem Anhaltspunkt. Dass sich - wie die Revisionswerberin formuliert - die Klägerin „freiwillig" entschlossen hat, Teilzeitarbeit zu vereinbaren und wegen des Bestehens ausreichender Betreuungsmöglichkeiten nicht dazu gezwungen gewesen wäre, schließt die Anwendung des § 14 AVRAG daher nicht aus.
Bis zu welchem Alter von Kindern bzw unter welchen Voraussetzungen die Kinderbetreuung durch einen dazu verpflichteten Elternteil die Anwendung des § 14 AVRAG rechtfertigt, braucht hier nicht abschließend erörtert zu werden. Das Kind der Klägerin war nämlich zum Zeitpunkt der Auflösung des Arbeitsverhältnisses erst etwa fünf Jahre alt. Es war daher noch nicht schulpflichtig und gehörte damit jener Altersgruppe an („bis zum Ablauf des siebenten Lebensjahrs"), für die der Gesetzgeber in § 15h MuttSchG bzw in § 8 VKG die Betreuungsbedürftigkeit unterstellt. Jedenfalls in dieser Altersgruppe kann aber auch ohne Hinzutreten weiterer Umstände von einer iSd § 14 Abs 2 Z 2 AVRAG relevanten Betreuungspflicht der Eltern ausgegangen werden. Wie weit bzw unter welchen Umständen dies auch darüber hinaus der Fall ist, braucht hier nicht erörtert zu werden.
Die Klägerin hat vor Abschluss der Teilzeitvereinbarung gegenüber ihrem Arbeitgeber auch offen gelegt, diese Vereinbarung wegen der Betreuung ihres Kindes anzustreben. Hinsichtlich des Hinweises auf die Notwendigkeit, das Kind vom Kindergarten abzuholen, stellt dies auch die Revisionswerberin nicht in Frage. Aber auch der Erklärung, mehr Zeit mit dem (damals zweieinhalb Jahre alten) Kind verbringen zu wollen, hat mit hinreichender Deutlichkeit auf die Absicht hingewiesen, das Kind zu betreuen, zumal - wie schon oben ausgeführt wurde - die Notwendigkeit, Kinder dieses Alters zu betreuen, notorisch ist.
Der Oberste Gerichtshof hält daher die Rechtsauffassung des Berufungsgerichtes für zutreffend. Der Höhe nach und das Zinsenbegehren betreffend ist der Zuspruch durch das Berufungsgericht im Revisionsverfahren nicht mehr strittig.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.
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