OGH 12Os49/06g

OGH12Os49/06g1.6.2006

Der Oberste Gerichtshof hat am 1. Juni 2006 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schindler als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Zehetner und Dr. Schwab als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Dachler als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Miljan S***** wegen des Verbrechens des versuchten schweren Raubes nach §§ 15, 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB sowie einer weiteren strafbaren Handlung, AZ 46 Hv 4/06w des Landesgerichtes Wr. Neustadt, über die Grundrechtsbeschwerde des Angeklagten gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien als Beschwerdegericht vom 6. April 2006, AZ 21 Bs 127/06i (ON 100), nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Miljan S***** wurde im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.

Die Grundrechtsbeschwerde wird abgewiesen.

Text

Gründe:

Miljan S*****, geboren am 5. April 1986, wurde mit Urteil des Jugendgeschworenengerichtes am Sitz des Landesgerichtes Wr. Neustadt vom 22. März 2006 (ON 92) wegen des Verbrechens des versuchten schweren Raubes nach §§ 15, 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB sowie des Vergehens nach § 50 Abs 1 Z 2 WaffG schuldig erkannt und hiefür unter Anwendung der §§ 28 Abs 1, 36 StGB nach dem ersten Strafsatz des § 143 StGB zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt. Danach hat er am 20. Dezember 2005 in Möllersdorf und anderen Orten

1. im bewusstem und gewolltem Zusammenwirken mit Alen A***** und Almir C***** unter Verwendung von Waffen mit Gewalt gegen Personen und durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben Verfügungsberechtigten der O***** Tankstelle ***** fremde bewegliche Sachen, nämlich Bargeld, mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz wegzunehmen oder abzunötigen versucht, indem er mit dem Ziel, von den Angestellten unter Vorhalt der von Almir C***** bereitgehaltenen scharf geladenen Pistole der Marke Smith & Wesson Kal 22 long rifle und des von ihm bereitgehaltenen scharf geladenen Revolvers der Marke Smith & Wesson Kal 357 Magnum Geld zu fordern, maskiert in die Tankstelle einzudringen trachtete;

2. den Revolver Marke Smith & Wesson Kal 357 Magnum, sohin eine genehmigungspflichtige Schusswaffe, unbefugt besessen. Gegen dieses Urteil hat Miljan S***** Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung angemeldet. Seit 22. Dezember 2005 befindet er sich zu diesem Verfahren in (Verwahrungs- und Untersuchungs-)Haft. Mit dem angefochtenen Beschluss gab das Oberlandesgericht Wien der Beschwerde des Angeklagten gegen den die Fortsetzung der Untersuchungshaft aussprechenden Beschluss des Vorsitzenden des Geschworenengerichtes beim Landesgericht Wr. Neustadt vom 22. März 2006 (ON 93) nicht Folge und setzte die Untersuchungshaft aus dem Grund der Tatbegehungsgefahr nach § 180 Abs 2 Z 3 lit a StPO iVm § 35 Abs 1 zweiter Satz JGG fort (ON 100).

Die dagegen erhobene Grundrechtsbeschwerde ist nicht im Recht.

Rechtliche Beurteilung

Soweit der Angeklagte behauptet, weder bei der Anlass- noch bei der Prognosetat handle es sich um eine strafbare Handlung mit schweren Folgen, ist ihm entgegen zu halten, dass er diesen Umstand im Beschwerdeverfahren nicht releviert und daher diesbezüglich den Instanzenzug nicht ausgeschöpft hat (§ 1 Abs 1 GRBG). Im Übrigen ist nach ständiger Judikatur der Begriff der „schweren Folgen" im § 180 Abs 2 Z 3 lit a StPO mit jenen der §§ 21 und 23 StGB ident; er umfasst nicht nur die tatbestandsmäßigen Folgen, sondern darüber hinaus alle konkreten Tatauswirkungen in der gesellschaftlichen Wirklichkeit, sohin auch Art, Ausmaß und Wichtigkeit aller effektiven Nachteile sowohl für den Betroffenen einzelnen als auch für die Gesellschaft im Ganzen, ferner die Eignung, umfangreiche und kostspielige Abwehrmaßnahmen auszulösen und weitreichende Beunruhigung und Besorgnisse herbeizuführen; auch der erhebliche soziale Störwert ist zu berücksichtigen (RIS-Justiz RS0108487 und RS0097772). Dem Misslingen der gewollten Tatvollendung kommt bei Prüfung der schweren Tatfolgen keine ausschlaggebende Bedeutung zu (vgl Hager/Holzweber GRBG § 2 E 38).

Davon ausgehend ist aber die der Schwerkriminalität zuzuordnende Anlasstat selbstredend als eine strafbare Handlung mit schweren Folgen anzusehen, weil der soziale Störwert des dem Angeklagten angelasteten Verhaltens, nämlich des Versuchs eines bewaffneten Raubüberfalls auf eine Tankstelle, als erheblich zu beurteilen ist (vgl 12 Os 39/04). Da sich der Beschwerdeführer über eigene Initiative seinen „Freunden" angeschlossen hat, um mit ihnen einen bewaffneten Raub zu begehen, und er selbst eine scharf geladene Waffe bereit hielt, ist - wie der Gerichtshof zweiter Instanz zutreffend ausführt - die Annahme gerechtfertigt, Miljan S***** werde ungeachtet des gegen ihn geführten Strafverfahrens neuerlich eine strafbare Handlung mit ebenso schweren Folgen begehen, wie die ihm angelastete strafbare Handlung.

Unter Berücksichtigung der vom Geschworenengericht verhängten - wenn auch noch nicht rechtskräftigen - Strafe, von welcher nach ständiger Judikatur bei Beurteilung der Verhältnismäßigkeit auszugehen ist (vgl zuletzt 12 Os 16/06d), ist die Dauer der Untersuchungshaft von rund fünf Monaten nicht unangemessen.

Gemäß § 35 Abs 1 zweiter Satz iVm § 46a Abs 2 JGG darf über einen jugendlichen Erwachsenen die Untersuchungshaft nur dann verhängt werden, wenn die mit ihr verbundenen Nachteile für die Persönlichkeitsentwicklung und für sein Fortkommen nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der Tat und der zu erwartenden Strafe stehen.

Soweit die Beschwerde hiezu ins Treffen führt, Miljan S***** werde in seinem Fortkommen massiv behindert, weil er zur Wiederholung der Reifeprüfung im Mai 2006 zugelassen worden sei, steht dem die gravierende, im Hinblick auf die bereit gehaltenen scharf geladenen Waffen besonders gefährliche Tat gegenüber und damit die Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache. Darüber hinaus ist eine Ablegung der Prüfungen während der Haft oder eine Verschiebung ihrer Termine möglich. Auch bei Ablehnung von Haftsurrogaten ist dem Oberlandesgericht kein Fehler unterlaufen, weil bei realitätsbezogener Beurteilung im Hinblick auf die angeführte Intensität des Haftgrundes gelindere Mittel nicht geeignet sind, dem gezeigten Täterwillen und der daraus abgeleiteten Befürchtung der Begehung weiterer strafbarer Handlungen mit schweren Folgen erfolgversprechend zu begegnen. Miljan S***** wurde somit in seinem Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt. Demzufolge war die Beschwerde ohne Kostenausspruch (§ 8 GRBG) abzuweisen.

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