Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Sozialrechtssache wird zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung
Die am 17. 10. 1958 geborene Klägerin hat keinen Beruf erlernt und war bis 1997 als Regalbetreuerin für Kühlwaren beschäftigt. Mit Bescheid vom 30. 6. 2004 hat die beklagte Pensionsversicherungsanstalt den Antrag der Klägerin vom 17. 4. 2003 auf Gewährung der Berufsunfähigkeitspension abgelehnt. Mit Urteil vom 1. 12. 2004 (ON 19) wies das Erstgericht die dagegen erhobene Klage im ersten Rechtsgang ab, ausgehend unter anderem von folgenden Feststellungen: „Zusammenfassend bleibt es beim internen Gutachten, wonach die Klägerin alle leichten und fallweise mittelschweren Arbeiten zu den üblichen Zeiten mit den üblichen Pausen leisten kann. Arbeiten in den Monaten April bis Juni in pollenreichen Gegenden im Freien sind der Klägerin nicht möglich, Arbeiten in Nässe und Kälte sowie in lärmender Umgebung und auf sturzgefährdenden und exponierten Plattformen sind ebenfalls ausgeschlossen und Akkord- und Fließbandarbeiten sowie auch Arbeiten unter überdurchschnittlichen dauernden Zeit- und Leistungsdruck sind ebenfalls auszuschließen. Dieser Zustand besteht seit Antrag ohne gegenseitige Potenzierung. Krankenstände von mehr als sieben Wochen pro Jahr sind nicht prognostizierbar."
Das Berufungsgericht hob das Ersturteil (im ersten Rechtsgang) auf und trug dem Erstgericht Verfahrensergänzungen zu fünf Punkten auf, darunter die Einholung einer präzisierten zusammenfassenden Krankenstandsprognose, ob bei der Klägerin sieben Wochen oder mehr Krankenstände pro Jahr mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten sind (ON 27).
Im zweiten Rechtsgang übernahm das Erstgericht die oben zitierten Feststellungen - auch zur voraussichtlichen Krankenstandsdauer - wortwörtlich und wies das Klagebegehren erneut ab (ON 36). Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge. Es sah den Vorwurf der Klägerin, das Erstgericht sei den Erhebungsaufträgen im seinerzeitigen Aufhebungsbeschluss nicht nachgekommen, als unberechtigt an, übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes als Ergebnis eines mängelfreien Verfahrens und beurteilte die Rechtsrüge als nicht gesetzmäßig ausgeführt. Die ordentliche Revision erachtete es für unzulässig, weil keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen gewesen sei. Gegen diese Entscheidung richtet sich außerordentliche Revision der Klägerin aus den Revisionsgründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im klagsstattgebenden Sinn. Hilfsweise wird ein Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag gestellt.
Die beklagte Partei hat die ihr freigestellte Revisionsbeantwortung nicht erstattet.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig, da die Vorinstanzen (im zweiten Rechtsgang) die höchstgerichtliche Rechtsprechung zum Ausschluss von Versicherten vom allgemeinen Arbeitsmarkt im Hinblick auf das Ausmaß der zu erwartenden Krankenstände unbeachtet gelassen haben. Die Revision ist im Sinne des Aufhebungsantrags auch berechtigt. In der Zulassungsbeschwerde wird die Frage der zu erwartenden Krankenstände als möglichen Grund für einen Ausschluss vom allgemeinen Arbeitsmarkt releviert.
Nach der Judikatur ist ein Versicherter vom Arbeitsmarkt ausgeschlossen, wenn mit hoher Wahrscheinlichkeit und trotz zumutbarer Krankenbehandlung leidensbedingte Krankenstände im bisherigen Beruf bzw im Verweisungsberuf von jährlich sieben Wochen und darüber zu erwarten sind (RIS-Justiz RS0084855 [T7]; RIS-Justiz RS0084429 [T20]; RIS-Justiz RS0084898 [T12]). Dies wird damit begründet, dass nicht damit gerechnet werden kann, dass leidensbedingte Krankenstände in diesem Ausmaß von den in Betracht kommenden Arbeitgebern akzeptiert werden (10 ObS 159/93 = SSV-NF 7/76). Mit anderen Worten reicht nach der Judikatur bereits eine auf sieben Wochen lautende Krankenstandsprognose.
Das Erstgericht hat im ersten Rechtsgang (ON 19) festgestellt, dass „Krankenstände von mehr als sieben Wochen pro Jahr nicht prognostizierbar sind". In der Berufung (ON 25) wurde daraus geschlossen, dass die Klägerin bei dieser Krankenstandsprognose eben auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht mehr einsetzbar sei. Das Berufungsgericht hat diesen Punkt zu Recht in seinem Aufhebungsbeschluss (ON 27) aufgegriffen und dem Erstgericht aufgetragen, eine präzisierte zusammenfassende Krankenstandsprognose einzuholen, ob bei der Klägerin sieben Wochen oder mehr Krankenstände pro Jahr mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten sind. Dem ist das Erstgericht im zweiten Rechtsgang nicht nachgekommen; dazu wurden die Feststellungen aus dem Ersturteil wiederholt, was von der Klägerin in der Berufung auch gerügt wurde (ON 37). Das Berufungsgericht ist in der nunmehr angefochtenen Entscheidung auf diese Frage nicht explizit eingegangen.
Tatsächlich bedarf es im Sinne der zitierten Rechtsprechung des Höchstgerichtes einer Erörterung und Klärung, ob bei der Klägerin mit hoher Wahrscheinlichkeit und trotz zumutbarer Krankenbehandlung leidensbedingte Krankenstände im bisherigen Beruf bzw in einem Verweisungsberuf von jährlich sieben Wochen und darüber zu erwarten sind. Bereits ein zu erwartendes Krankenstandsausmaß von sieben Wochen würde nach dieser Rechtsprechung Berufsunfähigkeit begründen, erst recht ein darüber hinausgehendes Ausmaß.
Aus diesem Grund ist eine Aufhebung der Entscheidung der Vorinstanzen notwendig.
Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.
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