OGH 8ObA36/06m

OGH8ObA36/06m11.5.2006

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Langer als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling und Dr. Kuras sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Walter Zeiler und Robert Hauser als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds beim Bundesministerium für wirtschaftliche Angelegenheiten, vertreten durch IAF-Service GmbH, 1150 Wien, Linke Wienzeile 244-246, vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, wider die beklagte Partei Mag. Franz Hofmann, Rechtsanwalt, 4840 Vöcklabruck, Stadtplatz 36, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen M*****, 20 S 138/04a des Landesgerichtes Wels, wegen EUR 3.255,-- sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 8. Februar 2006, GZ 12 Ra 113/05g-13, mit dem infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Wels als Arbeits- und Sozialgericht vom 2. September 2005, GZ 32 Cga 101/05d-8, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 333,12 (darin EUR 55,52 an USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Über das Vermögen der Gemeinschuldnerin wurde am 22. 11. 2004 das Konkursverfahren eröffnet und der Beklagte als Masseverwalter bestellt. Am 20. 1. 2005 fand die Berichtstagsatzung statt, in der der Masseverwalter auf Anfrage des Konkursgerichtes erklärte, keinen Antrag auf Fortführung des Unternehmens auf einstweilig unbestimmte Zeit zu stellen. Dem trat auch der Gemeinschuldnervertreter bei. Nach Erörterung des Kostenvoranschlages des Masseverwalters für die Fortführung des Unternehmens gemäß § 125a KO, gegen den keine Einwendungen erhoben wurden, fand in der Tagsatzung keine Beschlussfassung über die Unternehmensschließung oder Fortführung statt. Der beklagte Masseverwalter berichtete im Rahmen der Konkurstagsatzung, dass die Fortführung des Unternehmens insbesondere auch für die Gläubiger lukrativ sein werde, und er daher derzeit keinen Schließungsantrag stellen werde.

Der beklagte Masseverwalter kündigte dann am 10. 2. 2005 eine seit mehreren Jahren beschäftigte Dienstnehmerin der Gemeinschuldnerin gemäß § 25 KO, deren Dienstverhältnis dann am 27. 2. 2005 endete. Mit Bescheid wurde der klagende Insolvenzausfallgeldfonds zur Zahlung eines Betrages von EUR 3.255,-- an Insolvenzausfallgeld für ihre Beendigungsansprüche (Urlaubsersatzleistung und Abfertigung) verpflichtet und hat diesen auch bereits ausbezahlt. Der klagende Insolvenzausfallgeldfonds begehrt nunmehr vom Masseverwalter die auf ihn übergegangenen Beendigungsansprüche in Höhe von EUR 3.255,-- als Masseforderungen. Er stützt dies zusammengefasst darauf, dass in der Gerichtstagsatzung vom 20. 1. 2005 noch kein Beschluss auf Schließung oder Fortführung des Unternehmens gefasst worden sei und daher die Kündigung der Dienstnehmerin nicht auf § 25 KO gestützt werden könne. Der beklagte Masseverwalter beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete im Wesentlichen ein, dass eine nach § 25 KO privilegierte Kündigung innerhalb der Monatsfrist ausgesprochen worden sei. Diese Monatsfrist habe mit der Berichtstagsatzung begonnen.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es ging zusammengefasst davon aus, dass § 25 KO dahin zu verstehen sei, dass erst nach einem entsprechenden Gerichtsbeschluss in der Berichtstagsatzung das Lösungsrecht nach § 25 KO entstehe, da doch mit der Anberaumung einer weiteren Beschlussfassung nach § 91a KO gerechnet werden habe können. Andernfalls könne auch ein Masseverwalter schon bei Unterbleiben eines Gerichtsbeschlusses diejenigen Arbeitnehmer, die er für die Fortführung nicht erforderlich halte, nach § 25 KO kündigen, das Unternehmen aber mit den übrigen Dienstnehmern auf unbestimmte Zeit fortsetzen. Dass dies der Beklagte angestrebt habe, gehe auch aus seinem eigenen Vorbringen hervor.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten Folge und änderte das Urteil im klagsabweisenden Sinne ab. Es ging dabei rechtlich davon aus, dass nach § 114a KO das Unternehmen grundsätzlich bis zur Berichtstagsatzung fortzuführen sei und in dieser Phase ein Austrittsrecht bzw die Kündigungsmöglichkeit des Masseverwalter nach § 25 KO nur dann bestehe, wenn das Unternehmen noch vor der Berichtstagsatzung wegen einer offenkundigen Erhöhung des Ausfalles der Konkursgläubiger geschlossen werde. Aus der Sicht der Arbeitnehmer sei es maßgeblich, ob sie mit einem Arbeitsplatzverlust rechnen müssten oder ob ein Erhalt der Beschäftigung möglich sei, was mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit bei einem Beschluss auf Fortführung des Unternehmens auf einstweilen unbestimmte Zeit gegeben wäre. Andernfalls bestehe aber das Austrittsrecht der Arbeitnehmer nach § 25 KO bzw das Auflösungsrecht des Masseverwalters nach dieser Bestimmung. Dies gelte auch für den hier vorliegenden Fall, in dem im Zeitpunkt der Berichtstagsatzung die Prüfung der Unternehmensfortführung noch nicht abgeschlossen gewesen sei und auf Grund des Berichtes des Masseverwalters weder eine Schließung des Unternehmens noch die Voraussetzungen für die Unternehmensfortführung auf unbestimmte Zeit abschließend beurteilt werden konnten. In so einem Fall hätte grundsätzlich das Konkursgericht gemäß § 114b KO bei der Berichtstagsatzung eine befristete Fortführung des Unternehmens beschließen können. Die Unterlassung dieser Beschlussfassung ändere aber nichts am Austrittsrecht der Arbeitnehmer bzw dem Auflösungsrecht des Masseverwalters. Dass damit allenfalls eine Missbrauchsmöglichkeit für den Fall bestehe, dass ein Masseverwalter mit seinem Bericht einen Beschluss des Konkursgerichtes über die Unternehmensfortführung auf unbestimmte Zeit verhindere, könne zu keiner anderen Beurteilung führen. Von der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes zu 8 ObS 5/04z unterscheide sich der vorliegende Fall dadurch, dass es damals im Ergebnis darum gegangen sei, dass die Entscheidung der schriftlichen Ausfertigung vorbehalten wurde und auch der Erlag einer Fortführungskaution aufgetragen wurde. Im Wesentlichen unstrittig sei im Schrifttum, dass der Beginn des Fristenlaufes nach § 25 KO dann, wenn in der Berichtstagsatzung keine Entscheidung über die Unternehmensfortführung getroffen wurde, mit dieser anzusetzen sei.

Die ordentliche Revision erachtete das Berufungsgericht als zulässig, weil die Grundsätze der Entscheidung zu 8 ObS 5/04z auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar seien und eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zu einem vergleichbaren Sachverhalt fehle.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen dieses Urteil erhobene Revision der klagenden Partei ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grunde zulässig, sie ist aber nicht berechtigt.

Nach § 25 Abs 1 Z 2 KO kann ein bereits angetretenes Arbeitsverhältnis bei Konkurs des Arbeitgebers innerhalb eines Monates nach

a) öffentlicher Bekanntmachung des Beschlusses, mit dem die Schließung oder des Unternehmens (Bereiches) angeordnet, bewilligt oder festgestellt wird oder

b) der Berichtstagsatzung, es sei denn, das Gericht hat dort die Fortführung des Unternehmens auf einstweilen unbestimmte Zeit beschlossen,

vom Arbeitnehmer durch vorzeitigen Austritt bzw begünstigt vom Masseverwalter (Einhaltung bloß der gesetzlichen, kollektivvertraglichen oder zulässigerweise vereinbarten kürzeren Kündigungsfrist unter Bedachtnahme auf die gesetzlichen Kündigungsbeschränkungen) gelöst werden. Allerdings sieht § 25 Abs 2 KO vor, dass der AN den durch die begünstigte Lösung nach § 25 Abs 1 KO ihm entstandenen Schaden verlangen kann (Konkursforderung).

§ 91a KO ordnet unter der Überschrift „Berichtstagsatzung" an, dass das Gericht eine Gläubigerversammlung, in der die Entscheidung über die weitere Vorgangsweise (Fortführung oder Schließung des Unternehmens, Zwangsausgleich) getroffen werden soll, so anzuberaumen hat, dass sie spätestens 90 Tage nach Eröffnung des Konkurses stattfindet.

Zufolge § 114a KO hat der Masseverwalter das Unternehmen bis zur Berichtstagsatzung fortzuführen, es sei denn, dass es offenkundig ist, dass eine Fortführung des Unternehmens zu einer Erhöhung des Ausfalles führen wird. Der Masseverwalter kann aber jedenfalls eine Schließung nur nach Bewilligung durch das Konkursgericht vornehmen, wobei das Gericht vor der Beschlussfassung grundsätzlich ua den Gläubigerausschuss zu vernehmen hat. Die Beschlüsse des Gerichtes über die Schließung, Wiedereröffnung oder Feststellung, dass bereits geschlossene Unternehmen geschlossen bleiben, sind öffentlich bekannt zu machen (§ 114a Abs 3 KO).

Zufolge § 114b KO hat der Masseverwalter in der Berichtstagsatzung zu berichten, ob

a) die Voraussetzungen für eine sofortige Schließung des Unternehmens (Unternehmensbereiche)

  1. b) eine auf bestimmte Zeit befristete Fortführung oder
  2. c) eine Fortführung auf einstweilen unbestimmte Zeit gegeben sind, sowie ob ein Zwangsausgleich dem gemeinsamen Interessen der Konkursgläubiger entspricht und dessen Erfüllung voraussichtlich möglich sein wird.

    Zufolge Abs 2 dieser Bestimmung hat das Konkursgericht dann, wenn die Voraussetzungen für die Fortführung auf einstweilen unbestimmte Zeit gegeben sind und ein voraussichtlich erfüllbarer Zwangsausgleich dem gemeinsamen Interesse der Konkursgläubiger entspricht nach Anhörung der Konkursgläubiger mit Beschluss die Fortführung auszusprechen und dem Gemeinschuldner auf dessen Antrag eine Frist zum Zwangsausgleichsantrag einzuräumen.

    § 115 KO regelt dann die Voraussetzungen, unter denen das Konkursgericht überhaupt die Schließung eines Unternehmens anordnen oder bewilligen kann.

    Der Oberste Gerichtshof hatte nun in seiner Entscheidung vom 29. 4. 2004 zu 8 ObS 5/04z (= DRdA 2005/11 [Anzenberger] = ZIK 2004/167) einen Fall zu beurteilen gehabt, in dem es ebenfalls in der Berichtstagsatzung (die an zwei Terminen stattfand) zu keiner Beschlussfassung kam. Aus dem Bericht des Masseverwalters ergab sich eine negative Unternehmensprognose und es wurde festgehalten, dass die Fortführung des Unternehmens nur im Falle des Erlages einer Kaution möglich sei. Für den Fall des rechtzeitigen Kautionserlages wurde eine Beschlussfassung zur Unternehmensfortführung vorbehalten. Diese - befristete Fortführung - erfolgte danach auch. Der Oberste Gerichtshof erachtete den innerhalb eines Monates nach diesen Beschluss, aber nach Ablauf des Monates nach der Berichtstagsatzung erklärten Austritt des Arbeitnehmers als rechtzeitig im Sinne des § 25 KO. Er stützte dies zusammengefasst darauf, dass der Gesetzgeber bei der nunmehrigen Regelung des § 25 KO auf das konkrete Unternehmensschicksal abstellt und grundsätzlich das Unternehmen während der „Prüfphase" fortgeführt werden soll, wobei § 91a KO eine Berichtstagsatzung spätestens nach 90 Tagen vorschreibt. Der Oberste Gerichtshof ging dann nach Wiedergabe verschiedener Lehrmeinungen davon aus, dass nach dem Zweck der Regelungen anzunehmen ist, dass solange nicht endgültig feststehe, ob eine Unternehmensschließung, eine befristete oder eine auf einstweiligen unbestimmte Zeit unbefristete Unternehmensfortführung beschlossen wird, die Monatsfrist für das begünstigte Lösungsrecht nach § 25a KO grundsätzlich nicht zu laufen beginnt. Der Gesetzgeber hat auch in § 114b KO die befristete Fortführung auf bestimmte Zeit als gesetzlich ausdrücklich vorgesehene Möglichkeit festgelegt. Aus § 91a KO sei abzuleiten, dass der Gesetzgeber davon ausgehe, dass eine Beschlussfassung über die Unternehmensfortführung (befristete oder auf einstweilen unbestimmte Zeit) oder die Unternehmensschließung zu fassen ist. Jedenfalls bis zum Ablauf der 90-tägigen Frist des § 91a KO könne hier mit einer Beschlussfassung außerhalb der Berichtstagsatzung gerechnet werden, sodass der Oberste Gerichtshof davon ausging, dass der innerhalb einer Monatsfrist nach der tatsächlichen Beschlussfassung erklärte Austritt noch § 25 Abs 1 KO zuzuordnen ist.

    Im Schrifttum hat Anzenberger in seiner Glosse zur Entscheidung (DRdA 2005/11) die Entscheidung begrüßt und betont, dass es nunmehr Ziel der Konkursordnung ist, das außerordentliche Auflösungsrecht nach § 25 KO nur flexibel und im unbedingt notwendigen Ausmaß einzuräumen. Er hat im Zusammenhang mit der Bedeutung der Beschlussfassung über die Fortführung auch darauf hingewiesen, dass ja auch die Sicherung des laufenden Entgeltes von einer innerhalb eines Monates nach der Berichtstagsatzung erfolgten Lösung des Arbeitsverhältnisses nach § 25 KO abhängig ist (vgl nunmehr auch § 3a Abs 2 Z 4 IESG). Insgesamt sei der Gesetzgeber von einer Frist von vier Monaten ausgegangen, in der die Arbeitsverhältnisse im Interesse eines allenfalls noch sanierbaren Unternehmens aufrecht erhalten werden könne ohne dass die volle Haftung des Fonds verloren geht.

    In der Lehre hat sich Konecny (ZIB 2004/236) kritisch mit der Entscheidung zu 8 ObS 5/04z auseinandergesetzt. Er moniert zusammengefasst, dass die Konkursordnung einen eigenen Beschluss über die befristete Fortsetzung nicht vorsehe bzw diesem zumindest keine besondere Bedeutung zumesse. Grundsätzlich müsse der Masseverwalter das Unternehmen fortführen, soweit nicht eine Schließung bewilligt werde, was aber spätestens nach einem bzw zwei Jahren anzuordnen sei, wenn kein Zwangsausgleich zustande komme (§ 114a und § 115 Abs 4 KO). Die Konkursordnung ordne damit allgemein eine befristete Fortführung an, von der nur in zwei Richtungen abgewichen werden könne, nämlich einerseits durch Schließung des Unternehmens und andererseits durch den Beschluss auf unbefristete Fortführung. Der Beschluss auf befristete Fortführung könne daher nur deklarative Wirkung haben. Fristauslösend bleibe jedenfalls die Berichtstagsatzung, ohne Beschlussfassung sei doch seit jeher den Arbeitnehmern der Austritt im Konkurs des Arbeitgebers offen gestanden. Aus deren Sicht sei es maßgeblich, ob sie im Konkurs mit einem Arbeitsplatzverlust rechnen müssen oder eine Erhaltung der Beschäftigung möglich ist, wofür mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit der Beschluss auf Fortführung auf einstweilen unbestimmte Zeit spreche. Andernfalls müssten sie mit einer früheren oder späteren Schließung rechnen und sollten um nicht allzu lang im Ungewissen zu bleiben, die Möglichkeit des Austritts nach der Berichtstagsatzung haben. Dem entspreche es auch, dass § 25 Abs 1 Z 2 lit a KO die Unternehmensschließung immer als fristauslösend für die Monatsfrist für die begünstigte Auflösung festlege. Im Übrigen könne auch einem „Viermonatszeitraum" keine besondere Bedeutung zugemessen werden, da es immer wieder vorkomme, dass Berichtstagsatzungen erst nach dem in § 91a KO erwähnten Zeitraum von 90 Tagen anberaumt werden. Im Ergebnis sei vom klaren Wortlaut des § 25 KO auszugehen. Trotz Konkurseröffnung dürfe weder der Masseverwalter noch der Arbeitnehmer das Beschäftigungsverhältnis beenden bis Klarheit über das Unternehmensschicksal bestehe, wobei jedoch der entscheidende Zeitpunkt jener der Berichtstagsatzung sei, sowie ob eine unbefristende Fortführung möglich erscheine oder nicht. Zu den durchaus beachtlichen Argumenten der Lehre ist einleitend in Erinnerung zu rufen, dass § 25 Abs 1 Z 2 KO ja die Voraussetzungen für die begünstigte Auflösung für Arbeitnehmer wie Arbeitgeber (Masseverwalter) ident festlegt und damit eine Annäherung allein aus der Sicht der Beurteilung einer „Arbeitsvertragspartei" die Gesamtwertung kaum in adäquater Form erfassen kann. Auch ist mit der jüngeren Rechtsprechung festzuhalten, dass nunmehr davon ausgegangen wird, dass der als Ausgleich für die besonderen Auflösungsmöglichkeiten des Masseverwalters nach § 25 Abs 1 KO in § 25 Abs 2 KO vorgesehene Ausgleichsanspruch im Wesentlichen idente Ansprüche verleiht wie der Anspruch auf Kündigungsentschädigung nach § 29 AngG (vgl OGH 6. 10. 2005, 8 ObS 16/04t). Damit wurde die Beeinträchtigung der Arbeitnehmerinteressen durch die Auflösungsmöglichkeit des Masseverwalters wesentlich verringert. Es verbleibt rein arbeitsrechtlich aus Arbeitnehmersicht weitgehend bei den auch außerhalb des Konkurses vorgesehen Konsequenzen einer verfrühten Auflösung. Dabei verlagert sich die Bedeutung dieser Regelung im Wesentlichen auf die Qualifikation der Beendigungsansprüche als Konkursforderungen (vgl § 51 Abs 2 Z 2 KO). Die Bedeutung liegt damit einerseits in der von weiteren Voraussetzungen nicht abhängigen Möglichkeiten der Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitnehmer, die einen außerhalb des Konkurses nicht bestehenden Vorteil darstellt (die sonstigen Auflösungsmöglichkeiten des AN bestehen ja im wesentlichen weiter), der aber mit dem Interesse an der Fortführung des Unternehmens im Widerstreit steht (auch von der Kritik wurde die Zielrichtung der Konkursordnung, jedenfalls bis zur Klarheit über das Unternehmensschicksal möglichst eine Fortführung des Unternehmens zu ermöglichen, nicht in Frage gestellt), und andererseits in der geänderten Qualifikation der Beendigungsansprüche. Letztere Frage betrifft im Hinblick auf die weitgehende Absicherung dieser Beendigungsansprüche durch das Insolvenzausfallgeldgesetz weniger die Interessen des einzelnen Arbeitnehmers, sondern des Insolvenzausfallgeldfonds im Verhältnis zu den Konkursgläubigern. Wirtschaftlich betrachtet sind Beendigungsansprüche wie Abfertigungen und oft auch die Urlaubsersatzleistung der Zeit vor der Konkurseröffnung zuzuordnen (vgl etwa zur Aufteilung zwischen Unternehmenserwerber und Unternehmensveräußerer im Rahmen eines Betriebsüberganges bezogen auf den Zeitpunkt des Betriebsüberganges OGH 5 Ob 114/03f oder OGH 9 ObA 17/04x), was für ihre Qualifikation als Konkursforderung spricht (vgl etwa OGH 8 ObA 24/05w zur Zurechnung bei der Vereinbarung von geblockter Altersteilzeit). Die Ansprüche des Arbeitnehmers auf laufendes Entgelt sind nach der Konkurseröffnung zufolge § 3a Abs 2 Z 1 IESG jedenfalls bis zur Berichtstagsatzung, danach aber bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses, wenn es innerhalb eines Monates nach der Berichtstagsatzung, auf der kein Beschluss über die unbefristete Fortführung gefasst wurde, nach § 25 KO gelöst wird, gesichert. Dies umfasst dann nach § 3b IESG auch die Beendigungsansprüche. Die Regelungen über die „Berichtstagsatzung" im § 91a KO enthalten nun keine konkreten Bestimmungen über allfällige Beschlussfassungen, legen aber doch fest, dass in dieser Berichtstagsatzung die „Entscheidung" über die weitere Vorgangsweise (Fortführung oder Schließung des Unternehmens, Zwangsausgleich) getroffen werden soll. Dazu werden dem Masseverwalter im § 114b KO auch Berichtspflichten dahin, ob die Voraussetzungen für eine sofortige Schließung, eine auf bestimmte Zeit befristete Fortführung oder eine Fortführung auf einstweilen unbestimmte Zeit gegeben sind sowie ob ein Zwangsausgleich voraussichtlich möglich sein wird, auferlegt. Wenn nun das Gesetz im § 91a KO ausdrücklich von einer „Entscheidung" über die weitere Vorgangsweise spricht, so ist damit noch nicht klar dargelegt, wessen Entscheidung hier gemeint ist. Jedenfalls ist die „Schließung des Unternehmens" an einen Gerichtsbeschluss gebunden (vgl § 114 KO; die Gläubigerversammlung ist anzuhören - § 114a Abs 2 und § 114b Abs 2 KO). Eine Differenzierung ist nicht vorgesehen ist. Dies spräche dafür, dass es sich letztlich immer um eine „Entscheidung" des Konkursgerichtes handeln muss (vgl Chalupski/Duursma-Kepplinger in Bartsch/Pollak/Buchegger [Hrsg], Insolvenzgesetze § 91a KO Rz 2). Allerdings ist auch zu beachten, dass sich die Bestimmung des § 91a KO im Rahmen jener Regelungen befindet, die das Verhältnis der verschiedenen „Organe" im Konkurs zu einander regelt (§§ 80 bis 95 KO, auch § 114b KO regelt im übrigen nur den „Bericht" des MV) und hier die unterschiedlichsten Einwirkungsmöglichkeiten des Gerichts vorgesehen sind. Nähere Voraussetzungen für einen mit Rechtswirkungen gegenüber „Dritten" vorgesehenen Beschluss sind nur hinsichtlich der „ vorläufig unbefristeten" Fortführung bei positiver Zwangsausgleichsprognose (auch hier sind die Fristen des § 115 Abs 4 KO zu beachten) geregelt, nicht aber hinsichtlich einer befristete Fortführung. Im Kern geht es um die Frage, ob insgesamt davon auszugehen ist, dass eine Beschlussfassung über die weitere Vorgangsweise zu erfolgen hat und die Regelung des § 25 Abs 1 Z 2 KO dieses Verständnis zugrunde legt, sodass der Fall der mangelnden Beschlussfassung nicht mitbedacht ist und daher einer ergänzenden Auslegung bedarf. Nun spricht zwar die Formulierung des § 91a KO von einer „Entscheidung" über die weitere Vorgangsweise, die „in der Berichtstagsatzung" zu fallen hat, was dafür spräche, dass das Gesetz grundsätzlich von einer ausdrücklichen Entscheidung zu dieser Frage ausgeht und das Anknüpfen an die „Berichtstagsatzung" nur aus dem Verständnis einer gesetzeskonformen Vorgangsweise, bei der eben all diese Entscheidungen in der Berichtstagsatzung zu fallen haben, abzuleiten ist, das wesentliche Gewicht aber doch auch dem Inhalt der Entscheidung liegt.

    Dagegen kann aber eingewendet werden, dass diese „Entscheidung" entsprechend der systematischen Stellung des § 91a KO nur das interne „Organverhältnis" zwischen den verschiedenen Organen im Konkurs betrifft und nur bedeutet, dass sich zwischen den Organen in dieser Phase eine Entscheidung über das weitere Unternehmensschicksal herauszubilden hat.

    Es kann dem vom Gesetz auch das Verständnis entnommen werden, dass es bei dem „normalen" Lauf der Dinge - Verwertungsverfahren unter den für die Unternehmensfortführung oder Schließung bestehenden spezifischen Voraussetzungen - bleiben kann oder die Konkursorgane durch bestimmte Beschlüsse (Schließung oder vorläufig unbefristete Fortführung bei positiver Zwangsausgleichsprognose) besondere Rechtsfolgen teilweise auch gegenüber Dritten bewirken können. Für dieses Verständnis spricht, dass nur hinsichtlich

    1. 1. der Entscheidungen über die Unternehmensschließung und
    2. 2. der Fortführung auf vorläufig unbestimmte Zeit bei gleichzeitig positiver Zwangsausgleichsprognose
  1. a. die Beschlussfassung selbst,
  2. b. die Voraussetzungen dafür und
  3. c. eine Kundmachung (§ 114a Abs 3 KO, § 114b Abs 2 KO) aber
  4. d. auch konkrete Rechtsfolgen solcher Entscheidungen ( etwa Verbot der Verwertung bei 2. oder Zulässigkeit der Schließung bei 1.) vorgesehen sind.

    Zwar spricht der Wortlaut des § 91a KO (Verhältnis zwischen den Konkursorganen) und der Umstand, dass die Frage, wann die Berichtstagsatzung innerhalb dieser Frist anberaumt wird und inwieweit eine Erstreckung zur weiteren Prüfung für erforderlich gehalten wird, allein in die Entscheidungsbefugnis des Gerichtes gelegt ist, für die Möglichkeit die in § 91a KO vorgesehenen 90 Tage Frist auszuschöpfen, weil der Beginn für die Auflösungsmöglichkeit nach § 25 KO massive Folgen für den Fortbestand des Unternehmens (Austrittsrecht der Arbeitnehmer) hat. Dafür tragen aber die verschiedenen Organe im Konkurs die ihnen zugewiesene Verantwortung. Hier geht es aber auch um die Ansprüche der Vertragspartner - der Arbeitnehmer (Auflösungsrecht des Masseverwalters, Einordnung als bloße Konkursforderungen)-, denen zwar vorweg zugesonnen werden kann, eine gerichtliche Prüfung im Rahmen des Willensbildungsprozesses der verschiedenen Konkursorgane abzuwarten (Auflösungsansprüche weitgehend ähnlich wie außerhalb des Konkurses; Einordnung als bloße Konkursforderung, die durch Gewährung von Insolvenzausfallgeld weitgehend ausgeglichen ist; Beendigungsansprüche wirtschaftlicher regelmäßig weitgehend vor Konkurseröffnung entstanden). Diese Vertragspartner haben aber Anspruch darauf, dass ihnen gegenüber das Ergebnis des Willensbildungsprozesses der verschiedenen Konkursorgane entsprechend dem einfache Wortlaut des § 25 Z 2 KO und den verschiedenen Kundmachungsverpflichtungen deutlich zum Ausdruck kommt. Für eine Entscheidung im Sinne eines auch „Dritten" gegenüber Rechtswirkungen entfaltenden „Beschlusses" über eine Fortführung auf „bestimmte Zeit" müsste hinsichtlich der Voraussetzungen unterstellt werden, dass sich diese quasi als eine „Restgröße" darstellt, und zwar dann, wenn es weder zu einer Schließung noch zu einer Fortführung auf einstweilen unbestimmte Zeit bei positiver Prognose über einen Zwangsausgleich kommen soll. Dieser Beschluss wäre also auch dann zu fällen, wenn etwa die Voraussetzungen für eine Fortführung auf vorläufig unbestimmte Zeit gegeben sind, aber keine positive Zwangsausgleichsprognose.

    Im Ergebnis würde dies dazu führen, dass nicht die Berichtstagsatzung als solche, sondern immer nur eine Beschlussfassung oder der Ablauf der 90 Tagefrist maßgeblich wären. Damit wäre zwar dem Ziel einer Förderung der Unternehmenssanierung möglicherweise besser gedient, weil im Falle einer unklaren Ertragslage der Unternehmen für die Konkursorgane jedenfalls diese 90 Tagefrist zur Erlassung einer klaren Entscheidung zur Verfügung stünde, jedoch kann dies dem tatsächlich vom Gesetzgeber ausgeformten besonderen Lösungsrecht nach § 25 KO und den dabei vorgesehen Rahmenbedingungen im Ergebnis doch nicht entnommen werden. Diese Kriterien werden in § 25 Abs 1 Z 2 KO so nicht unmittelbar angesprochen. Besonders fällt aber der Umstand der mangelnden allgemeinen Verpflichtung zur Kundmachung solcher Beschlüsse ins Gewicht (§ 114b Abs 2 KO nur für den Beschluss auf Fortführung auf einstweilen unbestimmte Zeit bei positiver Zwangsausgleichsprognose und in § 114 a Abs 3 KO für die Schließungsbeschlüsse). Auch Grießer (Die wesentlichen arbeitsrechtlichen Änderungen des IRÄG 1997, ZAS 1998, 1 ff) hat es als eine wesentliche Verbesserung durch das IRÄG 1997 hervorgehoben, dass im Zusammenhang mit der Festlegung des Beginns der Monatsfrist nach § 25 Abs 1 Z 2 lit a KO (Unternehmensschließung) ausdrücklich auf die „öffentliche Bekanntmachung" des Schließungsbeschlusses abgestellt wurde. Gerade bei einer Bestimmung wie § 25 Abs 1 Z 2 KO, bei der die Betroffenen folgenschwere Dispositionen zu treffen haben, ist aber die einfache Möglichkeit der Kenntnisnahme von den entscheidungswesentlichen Umständen von besonderer Bedeutung. Bei zunehmender Flexibilisierung des Arbeitsmarktes gewinnt dies auch unter grenzüberschreitenden Aspekten, etwa für entsendete AN an Bedeutung.

    Zieht man diese Umstände in Betracht und den Wortlaut des § 25 Abs 1 Z 2 lit b KO, mit dem etwa auch jener des § 3a Abs 2 Z 4 IESG korrespondiert, so sprechen die Argumente der Rechtssicherheit doch dafür, dass nur dann, wenn in der - allenfalls auch hinsichtlich der Erstreckung - kundzumachenden Berichtstagsatzung ein ebenfalls kundzumachender Beschluss über die unbefristete Fortführung des Unternehmens gefasst wurde - dies wird ein Arbeitnehmer im üblichen Umfang abzuwarten haben -, die Frist des § 25 Abs 1 Z 2 KO nicht mit der Berichtstagsatzung läuft. Insoweit ist also jedenfalls ein Lösungsrecht des Masseverwalters aber ebenso ein Austrittsrecht des Arbeitnehmers zu bejahen. Welche Konsequenzen „widersprüchliche" Verhaltensweisen der Konkursorgane für die darauf konkret ihr Austrittsrecht stützenden Arbeitnehmer (vgl dazu die Vorentscheidung 8 ObS 5/04z - vorbehaltene Beschlussfassung) darüber hinaus haben, muss hier ebenso wenig erörtert werde, wie die allenfalls aus einer offenkundig pflichtwidrigen Unterlassung (vgl zum weiten Bereich der Einschätzungsmöglichkeiten bei den doch besonders schwierigen Prognosen über die Unternehmensfortführung Hierzenberger/Riel in Konecny/Schubert §§ 80, 81a KO Rz 25) einer ordnungsgemäßen Berichterstattung im Sinne des § 114b KO für den besonders betroffenen Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds ableitbaren Ansprüche.

    § 25 Abs 1 Z 2 lit b KO ist daher wie folgt auszulegen:

    Wurde in der Berichtstagsatzung oder deren kundzumachender Erstreckung ein - ebenfalls kundzumachender - Beschluss über die Fortführung des Unternehmens auf einstweilen unbestimmte Zeit im Sinne des § 114b Abs 2 KO nicht gefasst, so läuft die Monatsfrist des § 25 Abs 1 Z 2 KO mit dem Abschluss der Berichtstagsatzung. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 2 ASGG iVm §§ 50 und 41 ZPO.

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