Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).
Begründung
Rechtliche Beurteilung
1. Die Frau (= Wiederaufnahmsbeklagte) ist offensichtlich wieder verheiratet (s Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zu ON 47). Dies hindert allerdings die Wiederaufnahme des Ehescheidungsverfahrens nicht (Jelinek in Fasching/Konecny, ZPO² [2005] § 530 Rz 33, 42 mwN).
2. Der Mann (= Wiederaufnahmskläger) beruft sich nunmehr (erstmals) auf einen Ehebruch der Frau, der ihm erst nach Ehescheidung bekannt geworden ist. Damit macht er Tatsachen und Beweismittel geltend, die ihm im Scheidungsverfahren nicht bekannt waren. Dies ist grundsätzlich ein Fall der Wiederaufnahmsklage und nicht einer Ergänzungsklage (RIS-Justiz RS0044401).
3. Das Berufungsgericht hat die Wiederaufnahme des Ehescheidungsverfahrens (und [damit im Ergebnis] die Aufhebung des Scheidungsurteils vom 22. 1. 2001 (GZ 13 C 108/98w-46) bewilligt. Diesem Scheidungsurteil lagen die Klage der Frau und die Widerklage des Mannes zu Grunde.
Im Hinblick auf § 60 Abs 2 EheG ist in einem solchen Fall bei beiderseitigem Verschulden der Ehegatten die Ehe auch aus dem Verschulden beider Ehegatten zu scheiden und (allenfalls) auszusprechen, dass das Verschulden des einen Ehegatten überwiegt. So hat das Erstgericht auch im vorliegenden Scheidungsverfahren entschieden.
Trifft allerdings den Beklagten und Widerkläger kein Verschulden, wohl aber den Kläger und Widerbeklagten, ist die Klage abzuweisen und die Ehe auf Grund der Widerklage zu scheiden (vgl RIS-Justiz RS0056846, RS0057568, RS0057489). Durch den Vorwurf des Ehebruchs gegenüber der Frau wäre es auch tatsächlich denkbar, dass ihre Klage abgewiesen und der Widerklage des Mannes stattgegeben wird. Allein aus der Tatsache, dass der Mann selbst eine Widerklage erhoben hat, kann daher nicht die Unzulässigkeit der Aufhebung des gesamten Scheidungsurteils geschlossen werden.
4. Der Grundsatz der Einheitlichkeit der Entscheidung in Ehesachen hindert nicht die Beschränkung des aufhebenden Erkenntnisses über eine Wiederaufnahmsklage auf die Klage oder die Widerklage allein oder auf den Verschuldensausspruch unter Belassung des Ausspruchs über die Scheidung (RIS-Justiz RS0044432; idS auch Jelinek in Fasching/Konecny, ZPO² [2005] § 541 Rz 5 und § 530 Rz 43 mwN). Dies hat der Mann im vorliegenden Verfahren aber nicht begehrt. Dass sich sein Antrag im Erneuerungsverfahren auf den Ausspruch des überwiegenden Verschuldens der Frau beschränkt, ändert daran zunächst nichts und wird von der Frau in der außerordentlichen Revision auch gar nicht aufgegriffen.
5. Die neuen Tatsachen und Beweismittel, auf die sich eine Wiederaufnahmsklage stützt, müssen nicht unmittelbar auf die rechtliche Beurteilung von Einfluss sein. Es genügt vielmehr, dass sie geeignet sind, eine wesentliche Änderung der Beweiswürdigung herbeizuführen (RIS-Justiz RS0044411, RS0044510; 9 Ob 519/95; 9 ObA 7/00w). Dies gilt etwa, wenn sie die Glaubwürdigkeit eines Zeugen (oder einer Partei) berühren (Jelinek in Fasching/Konecny, ZPO² [2005] § 530 Rz 152 mwN).
Das Erstgericht ist im Scheidungsverfahren den Aussagen der Frau
gefolgt (vgl S 43 [Diesbezüglich wurde den Angaben der Klägerin
gefolgt, da sie .... aussagte, was ihre Glaubwürdigkeit erhöhte. Sie
wirkte glaubhaft und aufrichtig ...], S 45 [Im Übrigen wurde bei
allfälligen Widersprüchen eher der Klägerin gefolgt, da ... ihre
Aussagen glaubwürdig nachvollziehbar und lebensnah erschienen sind]).
Insbesondere folgte das Erstgericht der Frau hinsichtlich der (angeblichen?) Durchführung des Geschlechtsverkehrs durch den Mann gegen ihren Willen. Diesen Umstand bezeichnete es als „am gravierendsten" und stützte darauf das überwiegende Verschulden des Mannes an der Zerrüttung der Ehe.
Nunmehr steht allerdings fest, dass Jessica nicht die Tochter des Mannes ist. Die Auffassung des Berufungsgerichts, es sei durchaus möglich, dass dieser Umstand im Erneuerungsverfahren zu einer anderen, für den Mann günstigeren Beweiswürdigung führen könnte, ist als eine Frage der Beweiswürdigung im Revisionsverfahren nicht bekämpfbar (stRsp, s 3 Ob 312/05m). Soweit sich die Frau darauf beruft, sie habe „an eine geschlechtliche Beziehung im Sinne eines stattgefundenen Geschlechtsverkehrs [mit einem anderen Mann] keine Erinnerung", es müsse „wohl an diesem Tage [Schulabschlusstreffen Ende August 1996 in Ungarn] zu einem Geschlechtsverkehr ... mit einem anderen Mann gekommen sein" (AS 71), ist dies einer Beweiswürdigung durch das Erstgericht im Erneuerungsverfahren zu unterziehen. Ehebruch ist seit dem EheRÄG 1999 kein absoluter Ehescheidungsgrund mehr (es handelt sich allerdings [noch immer] um eine Eheverfehlung). Er mag auch - mangels Kenntnis des Mannes und damit mangels Kausalität - im vorliegenden Fall nicht ehezerrüttend gewesen sein. Wenn er aber die Beweiswürdigung des Erstgerichts zu beeinflussen vermag, ist nicht ausgeschlossen, dass dieses auf Grund der neuen Umstände zu einem anderen „Scheidungsergebnis" kommt. Auf die in der außerordentlichen Revision als erheblich bezeichnete Rechtsfrage kommt es daher gar nicht an, weil es nicht maßgeblich ist, ob der Ehebruch - als absoluter Scheidungsgrund - hier vom Mann noch geltend gemacht werden kann.
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