Spruch:
Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Michael J***** wird das angefochtene Urteil, welches im Umfang des Erkenntnisses nach § 34 SMG unberührt bleibt, im Übrigen aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht verwiesen. Mit seiner Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung wird der Angeklagte Michael J***** ebenso wie die Staatsanwaltschaft mit ihrer Berufung auf diese Entscheidung verwiesen.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurden Ronald Z***** „des Verbrechens" nach § 28 Abs 2 zweiter, dritter und vierter Fall, Abs 3 erster Fall und Abs 4 Z 3 SMG (A. I. und III.) sowie „des Vergehens" nach § 27 Abs 1 erster und zweiter Fall SMG (B. I.) und Michael J***** des Verbrechens nach § 28 Abs 2 zweiter, dritter und vierter Fall, Abs 3 erster Fall und Abs 4 Z 3 SMG (A. II. und III.) und „des Vergehens" nach § 27 Abs 1 erster und zweiter Fall SMG (B. II.) schuldig erkannt.
Danach haben sie den bestehenden Vorschriften zuwider
A. Suchtgift in einer großen Menge (§ 28 Abs 6 SMG) überwiegend gewerbsmäßig ein- und ausgeführt sowie in Verkehr gesetzt, wobei sie die Taten mit Beziehung auf ein Suchtgift begingen, dessen Menge zumindest das 25-fache der Grenzmenge (§ 28 Abs 6 SMG) ausmachte, und zwar
I. Ronald Z*****, indem er in Wien mit Ausnahme des Zeitraumes von Ende April 2004 bis Ende September 2004 an nachstehende Personen Cannabiskraut verkaufte, nämlich
1) von Frühjahr 2004 bis etwa August 2005 insgesamt rund 9.000 Gramm an den abgesondert verfolgten Alexander S*****;
2) von Dezember 2003 bis Anfang Oktober 2005 an einen nicht ausgeforschten Abnehmer namens „Ronny" in der Größenordnung von 7.500 bis 15.000 Gramm;
3) von Anfang Oktober 2004 bis Anfang Oktober 2005 insgesamt rund 3.000 bis 6.000 Gramm an einen nicht ausgeforschten Abnehmer namens „Steff";
4) ab dem Jahr 2001 bis Anfang Oktober 2005 eine nicht mehr exakt festzustellende Menge in der Größenordnung von mehreren Kilogramm an einen nicht ausgeforschten Abnehmer namens „Raju";
5) von Ende September 2004 bis Anfang Oktober 2005 insgesamt rund
3.500 Gramm an einen nicht ausgeforschten Abnehmer namens „Fil";
6) von etwa Ende des Jahres 2003 bis September 2005 insgesamt rund 500 Gramm an einen nicht ausgeforschten Abnehmer namens „Borsti";
7) während eines nicht mehr feststellbaren Zeitraums vor Anfang Oktober 2005 insgesamt rund 25 Gramm an den abgesondert verfolgten Rene R*****;
8) ab Oktober 2003 bis Anfang Oktober 2005 nicht exakt festzustellende Mengen im Bereich von mehreren Kilogramm an mehrere weitere unbekannte Abnehmer;
II. Michael J*****, indem er in Wien
1) im Zeitraum von Oktober 2003 bis Ende April 2004 und von Ende September 2004 bis Oktober 2005 insgesamt rund 40.000 Gramm Cannabiskraut an Ronald Z***** verkaufte;
2) zwischen 1999 und Sommer 2005 geringe Mengen Cannabiskraut Stefanie G***** unentgeltlich überließ;
III. Ronald Z***** und Michael J***** im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter (§ 12 StGB), indem sie Cannabiskraut aus den Niederlanden auf dem Postweg nach Österreich versandten, und zwar
1) im August 2005 gemeinsam mit einem Unbekannten namens „Raju" 70 bis 80 Gramm an die Wohnadresse des „Raju" in Baden,
2) zwischen 15. und 21. September 2005 60 bis 80 Gramm an ihre Wohnadressen in Wien und 100 Gramm an die Wohnadresse des „Ronny" in Linz;
B. in Wien und an anderen Orten Suchtgifte wiederholt erworben und zum Eigenkonsum besessen, und zwar
I. Ronald Z***** seit ca 1998 bis Anfang Oktober 2005 Heroin, Kokain, LSD, Amphetamine, „Ecstasy"-Tabletten und Cannabisprodukte;
II. Michael J***** seit ca 1998 bis Anfang November 2005 Cannabisprodukte.
Rechtliche Beurteilung
Auf die vom Angeklagten Michael J***** gegen die Schuldsprüche A. II.
1) und III. erhobene und auf § 281 Abs 1 Z 5 und 5a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde war nicht weiter einzugehen, weil dem Urteil die von Amts wegen wahrzunehmenden (§ 290 Abs 1 StPO) und sich zum Nachteil beider Angeklagten auswirkenden Nichtigkeitsgründe nach § 281 Abs 1 Z 9 lit a und 10 StPO anhaften.
Die bloße Nennung der Gesamtmenge des weitergegebenen Cannabiskrauts mit der Angabe, dieses habe „durchschnittliche Straßenqualität" aufgewiesen (US 10, 11 und 21), womit das 25-fache der Grenzmenge (§ 28 Abs 6 SMG) überschritten worden sei (US 13, 21), vermag die Feststellung der konkreten Menge an Reinsubstanz des Suchtgifts nicht zu ersetzen, welche der Beurteilung als große Menge (§ 28 Abs 6 SMG iVm der Suchtgift-GrenzmengenVO) zugrunde zu legen wäre (vgl 14 Os 6/06y; 12 Os 80/04; 14 Os 22/03). Daher fehlt es an den Voraussetzungen für eine Subsumtion der Tat unter § 28 Abs 2 vierter Fall, Abs 4 Z 3 SMG. Die in Ansehung der Mindestmenge an Reinsubstanzgehalt lückenhaften Konstatierungen des Schöffengerichtes lassen keine rechtliche Klarstellung zu, sodass der Schuldspruch A insgesamt aufzuheben war (vgl Kirchbacher/Schroll RZ 2005, 116, 140 ff; 14 Os 6/06y).
Des weiteren lässt das Schöffengericht rechtsirrig (vgl US 19) außer Acht, dass der Tatbestand des § 28 Abs 2 SMG drei selbständige, untereinander nicht austauschbare Tathandlungen, nämlich erstens das Erzeugen, zweitens die Aus- und Einfuhr sowie drittens das Inverkehrsetzen von Suchtgift enthält. Bei diesem kumulativen Mischdelikt werden daher mehrere selbständige Delikte nur gesetzestechnisch unter einer einzigen Bestimmung mit derselben Strafdrohung zusammengefasst. Die Qualifikation nach § 28 Abs 4 Z 3 SMG bezieht sich ausdrücklich auf eine im Abs 2 leg cit bezeichnete Tat, somit auf ein Tatgeschehen im Sinn jeweils eines der drei dort angeführten kumulativen Mischdelikte. Suchtgiftmengen, die sich auf mehrere Tatbestände dieses kumulativen Mischdeliktes beziehen, dürfen daher nicht zusammenfassend in Beziehung zur Grenzmenge nach § 28 Abs 6 SMG gesetzt und auch nicht zwecks Bestimmung der Übermenge iSd § 28 Abs 4 Z 3 SMG addiert werden (vgl 13 Os 134/04; 15 Os 83/02). In Bezug auf die unter A. III. genannte Tat wäre daher zu prüfen gewesen, ob insoweit unter Zugrundelegung eines entsprechend festzustellenden Reinsubstanzgehaltes entweder die Vergehen nach § 27 Abs 1 erster, zweiter sowie vierter und fünfter Fall SMG oder aber ein oder mehrere Verbrechen nach § 28 Abs 2 zweiter und dritter Fall SMG vorliegen. Keinesfalls aber hätten die von der Aus- und Einfuhr betroffenen Mengen mit den in Verkehr gesetzten iSd § 28 Abs 4 Z 3 SMG zusammengerechnet werden dürfen. Im Hinblick darauf, dass damit die Qualifikation nach § 28 Abs 4 Z 3 SMG betroffen sein könnte, wirkt sich dieser Fehler zum Nachteil der Angeklagten aus (§ 290 Abs 1 StPO; vgl 13 Os 134/04).
Schließlich stellte das Erstgericht hinsichtlich beider Angeklagter fest, dass sie beim Inverkehrsetzen von Cannabiskraut gewerbsmäßig handelten (US 10, 11 und 13). Dazu fehlen aber die für die Subsumtion unter § 28 Abs 3 erster Fall SMG notwendigen Konstatierungen, dass sich die Absicht beider Angeklagter auf die Erzielung eines fortlaufenden Einkommens durch die wiederholte Weitergabe großer Mengen Suchtgift bezog, gleich, ob die von der Absicht des Täters auf fortlaufende Einnahmegewinnung umfassten großen Suchtgiftmengen auf einmal oder jeweils bewusst kontinuierlich in Teilmengen in Verkehr gesetzt werden sollen (vgl 11 Os 133/04; 12 Os 88/04 uva). Betreffend die Tathandlung der Aus- und Einfuhr fehlen hingegen jegliche Urteilsannahmen zu einer Absicht beider Angeklagten, sich durch den wiederkehrenden Ex- und Import von großen Mengen Cannabisprodukten eine fortlaufende Einnahmequelle zu verschaffen. Im Hinblick auf die Aufhebung des Schuldspruches A. war gemäß § 289 StPO sowohl beim Erstangeklagten Ronald Z***** als auch beim Zweitangeklagten Michael J***** auch der Schuldspruch B. zu beseitigen, weil ein solcher davon abhängt, ob ihnen im zweiten Rechtsgang neuerlich eine weitere, über den Erwerb und Besitz jeweils geringer Mengen Suchtgiftes zum Eigengebrauch (vgl insoweit § 35 Abs 1 iVm § 37 SMG) oder über eine sonstige nach § 27 Abs 1 SMG (vgl insoweit § 35 Abs 2 iVm § 37 SMG) hinausgehende strafbare Handlung nach dem SMG zur Last liegen würde (vgl 12 Os 69/04, JBl 2005, 599; 14 Os 6/06y).
Die aufgezeigten Rechtsfehler mangels Feststellungen zwingen - in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur - iVm § 289 StPO zur Aufhebung des Urteils mit Ausnahme des Einziehungserkenntnisses bereits bei nichtöffentlicher Beratung (§ 285e StPO).
Mit seiner Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung war der Angeklagte Michael J***** ebenso wie die Staatsanwaltschaft mit ihrer Berufung auf diese Entscheidung zu verweisen.
Da beim Nichtigkeitswerber Michael J***** der gesamte Schuldspruch und damit auch der vom Erstgericht gefällte Kostenersatzausspruch nach § 389 StPO zu kassieren war, fallen ihm auch keine Kosten des Rechtsmittelverfahrens iSd § 390a Abs 1 StPO zur Last.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)