OGH 13Os134/04

OGH13Os134/049.2.2005

Der Oberste Gerichtshof hat am 9. Februar 2005 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Brustbauer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rouschal, Hon. Prof. Dr. Ratz, Hon. Prof. Dr. Schroll und Dr. Kirchbacher als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Pablik als Schriftführer in der Strafsache gegen Harmannus T***** wegen des Verbrechens nach § 28 Abs 2 zweiter und dritter Fall, Abs 4 Z 3 SMG und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch als Schöffengericht vom 1. Juni 2004, GZ 18 Hv 31/04m-96a, nach öffentlicher Verhandlung in Gegenwart des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Weiss, sowie in Anwesenheit des Angeklagten Harmannus T***** und seines Verteidigers Mag. Bertsch, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Den Berufungen wird nicht Folge gegeben.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auch einen rechtskräftigen Freispruch der Mitangeklagten Johanna van R***** enthaltenden Urteil wurde der Angeklagte Harmannus T***** - so die vom Erstgericht vorgenommene Subsumtion - "zu I) des Verbrechens nach § 28 Abs 2 zweiter, dritter und vierter Fall und Abs 4 Z 3 SMG und des (18-fach) Verbrechens nach § 28 Abs 2 zweiter, dritter und vierter Fall SMG" sowie zu II) der Vergehen nach § 27 Abs 1 vierter, fünfter und sechster Fall SMG in unbestimmter Anzahl schuldig erkannt.

Danach hat er den bestehenden Vorschriften zuwider im Zeitraum Frühjahr 2002 bis September 2003

I) ein Suchtgift, dessen Menge zumindest das 25-fache der Grenzmenge

(§ 28 Abs 6 SMG) ausmacht, aus- und eingeführt sowie in Verkehr gesetzt, und zwar

1) im Zuge regelmäßiger Fahrten insgesamt 45 kg Marihuana und 45 kg Haschisch (minimal beinhaltend 4.950 Gramm reines THC), 1.500 Gramm Kokain (minimal beinhaltend 810 Gramm reine Kokainbase), 8.000 Ecstasy-Tabletten (minimal beinhaltend 600 Gramm Amphetaminderivate), 450-500 Gramm Heroin (minimal beinhaltend 135 Gramm reine Heroinbase) und 1.000 Gramm Speed (minimal beinhaltend 520 Gramm reines Amphetamin) von Holland bzw Tschechien über Deutschland nach Vorarlberg geschmuggelt;

2) die in Punkt 1) angeführten Suchtgifte in Vorarlberg an verschiedene Drogenabnehmer verkauft sowie zum Weiterverkauf übergeben;

II) ein Suchtgift aus- und eingeführt bzw anderen überlassen, und zwar 40 Gramm Rohopium sowie 20 Stück Methadon-Tabletten von Holland bzw Tschechien über Deutschland nach Vorarlberg geschmuggelt und anschließend diese Suchtgifte in Vorarlberg an verschiedene Drogenabnehmer verkauft sowie zum Weiterverkauf übergeben.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf Z 4, 5 und 5a des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der jedoch keine Berechtigung zukommt.

Die Verfahrensrüge (Z 4) wendet sich gegen die Abweisung des Antrages auf Vernehmung der Zeugen A*****, G*****, K*****, L*****, P***** und S*****, die (entgegen der Meinung des Erstgerichtes, ein Beweisthema würde es nicht geben, erkennbar) zum Beweis dafür geführt wurden, dass "die (mit diesen Personen aufgenommenen) Protokollierungen entweder falsch sind oder missverstanden wurden und jedenfalls in Bezug auf die Mengen nicht stimmen" (S 113/VIII).

Zu Recht unterblieb die beantragte Beweisaufnahme. Nach der Sachlage, insbesondere der angelasteten vielfachen Überschreitung des 25-fachen der Grenzmenge des § 28 Abs 6 SMG, hätte der Beweisantrag der begründeten Behauptung bedurft, dass er geeignet sei, Erhebliches zur Lösung entscheidungswesentlicher Tatsachen beizutragen; das sind solche, welche die Entscheidung über Schuld oder Freispruch oder darüber beeinflussen, welche strafbare(n) Handlung(en) begründeten wird (werden). Ein solcher Bezug ist aber aus der Antragstellung nicht zu ersehen.

Die behaupteten Begründungsmängel (Z 5) sind nicht gegeben. Im Hinblick auf die Feststellung, wonach der Vorsatz des Angeklagten bei den einzelnen Suchtgiftschmuggelfahrten und -weitergaben von vornherein die kontinuierliche Begehung und den daran geknüpften Additionseffekt zum jeweils schrittweisen Erreichen einer übergroßen Suchtgiftmenge (§ 28 Abs 4 Z 3 SMG) umfasste (US 11), ist nicht entscheidungswesentlich, welche Mengen an Suchtgifte der Angeklagte jeweils bei den einzelnen Fahrten geschmuggelt bzw im einzelnen in Verkehr gesetzt hat.

Die Feststellungen über die Art der tatverfangenen 90 kg Cannabisprodukte (je zur Hälfte Haschisch und Marihuana) sowie über deren Reinheitsgehalt (vgl US 3 und 7) hat das Erstgericht - der Mängelrüge zuwider - sehr wohl begründet (US 17, 20). Die angenommene Gesamtmenge von 90 kg Cannabisprodukten wurde nicht bloß aus den Angaben des Angeklagten, ca 30 Schmuggelfahrten durchgeführt zu haben, unter Zugrundelegung der von ihm in der Hauptverhandlung angegebenen (S 31/VIII) Durchschnittsmenge von 3 kg pro Fahrt errechnet (US 15, 17), sondern vor allem aus den Angaben seiner Abnehmer, der Zeugen W*****, Sch***** und R***** abgeleitet (vgl US 16 ff). Die Feststellung, wonach der Angeklagte bei einzelnen Suchtgiftschmuggelfahrten überhaupt keine Cannabisprodukte mitführte (US 7 unten), steht daher zur angestellten Hochrechnung (30 Fahrten á 3 kg Cannabisprodukte) nicht in Widerspruch, zumal die Anzahl von 30 nach Ansicht der Tatrichter die Untergrenze der Suchtgiftschmuggelfahrten darstellt ("zumindest 30 derartige Schmuggelfahrten", US 7 Mitte). Im Übrigen ist auch die Feststellung des Gewichtes der Cannabisprodukte im Ausmaß von 90 kg nicht entscheidungswesentlich, weil bei dem hiezu angenommenen Wirkstoffgehalt an THC (wonach die 90 kg minimal 4.950 Gramm THC enthalten haben, vgl US 3, 7) auch schon bei einer Menge von 40 kg dieser Cannabisprodukte, deren Schmuggel und Weitergabe der Angeklagte geständig war (vgl US 15), die "Übermenge" des § 28 Abs 4 Z 3 SMG vielfach überschritten wird.

Mit der Kritik daran, dass die Tatrichter den - ihre früheren Angaben abschwächenden - Aussagen der Zeugen W*****, Sch***** und R***** in der Hauptverhandlung nicht vollinhaltlich gefolgt wären, obgleich die Zeugen ihre Angaben unter Wahrheitspflicht getätigt hätten, werden erhebliche Bedenken (Z 5a) gegen die Richtigkeit der den Schuldspruch stützenden Feststellungen entscheidender Tatsachen nicht erweckt. Im Übrigen haben die Tatrichter gerade diese Aussagen eingehend beurteilt und sodann begründet, aufgrund welcher Umstände den im Vorverfahren getätigten früheren Angaben ein höherer Wahrheitsgehalt zukommt (US 16 bis 20, insoweit Z 5).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war somit zu verwerfen.

Rechtlich ist klarzustellen, dass § 28 Abs 2 SMG drei selbstständige, untereinander nicht austauschbare Tatbilder, nämlich (erstens) das Erzeugen, (zweitens) die Ein- und Ausfuhr sowie (drittens) das Inverkehrsetzen von Suchtgift (statt vieler zuletzt 13 Os 135/04) beinhaltet. Bei von vornherein auf die kontinuierliche Begehung und den daran geknüpften Additionseffekt gerichtetem Vorsatz werden so viele Verbrechen nach § 28 Abs 2 vierter Fall (= Inverkehrsetzen) begründet, wie oft die Grenzmenge (§ 28 Abs 6 SMG) in der Gesamtmenge des in Verkehr gesetzten Suchtgiftes enthalten ist. Bei Erreichen des 25-fachen der Grenzmenge sind gleichartige Handlungen, zu einer Subsumtionseinheit nach § 28 Abs 4 Z 3 SMG zusammenfassen, also solche des selben Tatbildes, wie etwa des Inverkehrsetzens, nicht aber solche verschiedener Tatbilder, wie etwa Aus- und Einfuhr einerseits und Inverkehrsetzen andererseits.

Die vom Erstgericht vorgenommene (teilweise) Subsumtion zu I) als "das Verbrechen nach § 28 Abs 2 zweiter, dritter und vierter und Abs 4 Z 3 SMG" bringt daher Schuldsprüche wegen Verbrechens nach § 28 Abs 2 zweiter und dritter Fall, Abs 4 Z 3 SMG (hinsichtlich des Schmuggels von Suchtgift) und wegen Verbrechens nach § 28 Abs 2 vierter Fall, Abs 4 Z 3 SMG (wegen des Inverkehrssetzens) zum Ausdruck.

Da jedoch § 28 Abs 4 Z 3 SMG angesichts fehlender Gewerbsmäßigkeitsqualifikation eine besondere Art von Zusammenrechnungsgrundsatz für große und allfällige vom gleichen Vorsatz umfasste nach § 15 StGB, § 28 Abs 2 SMG - nicht jedoch nach § 27 SMG (arg. „auf die im Abs 2 genannte Tat" in § 28 Abs 4 Z 3 SMG) - beurteilte Restmengen darstellt, ist die zusätzliche (von der Nichtigkeitsbeschwerde unbekämpft gebliebene) Subsumtion der Taten als 18-faches Verbrechen nach § 28 Abs 2 zweiter, dritter und vierter Fall SMG (zu I)) nicht gesetzeskonform. Sie gereicht jedoch dem Angeklagten angesichts des hiedurch unberührt gebliebenen erschwerenden Umstandes des Zusammentreffens von Verbrechen (wobei auch die angelasteten Suchtgiftmengen gleich blieben) nicht zum Nachteil, sodass sich ein Vorgehen nach § 290 Abs 1 StPO erübrigt. Das Schöffengericht verhängte über den Angeklagten nach § 28 Abs 4 SMG unter Anwendung des § 28 StGB eine Freiheitsstrafe von 8 Jahren und verurteilte ihn weiters gemäß § 20 Abs 1 Z 1 und Abs 2 SMG zur Zahlung eines Geldbetrages von 80.000 Euro.

Bei der Bemessung der Freiheitsstrafe wertete es als erschweren eine als einschlägig zu wertende Vorstrafe, das Zusammentreffen der Verbrechen, wobei bei der Aus- und Einfuhr sowie auch beim Inverkehrsetzen jeweils die 418-fache Grenzmenge erreicht wurde, mit einer unbestimmten Anzahl von Vergehen, die „verstärkte Tatbildlichkeit durch Aus- und Einfuhr und Inverkehrsetzen" den langen Tatzeitraum und insbesondere das Handeln aus schierem Gewinnstreben.

Mit jeweils erhobener Berufung beantragt der Angeklagte die Herabsetzung der Freiheitsstrafe und des zu zahlenden Geldbetrages von 80.000 Euro, die Staatsanwaltschaft die Erhöhung des Strafausmaßes.

Ausgehend von den Strafbemessungsgründen (der Erschwerungsgrund der Vorstrafe ist zu relativieren, zum Zusammentreffen strafbarer Handlungen siehe obige Ausführungen) und unter Zugrundelegung der allgemeinen Grundsätze der Strafbemessung (§ 32 StGB) entspricht die Freiheitsstrafe in der Dauer von 8 Jahren der Täterschuld und dem sozialen Störwert der Taten, sodass die Strafe weder einer Herabsetzung noch einer Erhöhung bedarf.

Der gemäß § 20 Abs 1 Z 1 StGB zu bezahlende Geldbetrag entspricht dem nach der Aktenlage anzunehmenden Gewinn des Angeklagten (und nicht dem Umsatz, wie die Berufung meint) unter Berücksichtigung dessen, dass Suchtgift im Wert von 42.000 Euro nicht bezahlt wurde. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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