Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass sie zu lauten haben:
Die beklagte Partei ist schuldig, dem Kläger EUR 514,52 sowie 4 % Zinsen aus EUR 128,63 ab 31. Jänner 2001, 4 % Zinsen aus EUR 128,63 ab 28. Februar 2001, ferner 4 % Zinsen aus dem Betrag von EUR 128,63 ab 31. März 2001 und 4 % Zinsen aus EUR 128,63 ab 30. April 2001 binnen 14 Tagen zu bezahlen.
Das Zinsenmehrbegehren wird abgewiesen.
Die beklagte Partei ist weiter schuldig, der klagenden Partei an Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens und des Berufungsverfahrens EUR 2233,65 (darin enthalten EUR 329,58 USt und EUR 256,21 Barauslagen) sowie an Kosten des Revisionsverfahrens EUR 200,45 (darin enthalten EUR 33,41 USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die klagende Hausbesorgerin ist seit 1981 in dem hier von der Beklagten im Jahr 2000 verkauften Haus Hausbesorgerin und hat auch eine Dienstwohnung. Bis zum Schluss der mündlichen Streitverhandlung erster Instanz war die Beklagte weiter Eigentümerin dieses Hauses, da der Kaufvertrag vom 21. 12. 2000 noch nicht einverleibt wurde. Jedoch ist nach diesem Kaufvertrag vorgesehen, dass die Nutzen und Lasten bereits per 1. 1. 2001 auf die Käuferin übergehen und wurden die das Haus betreffenden Unterlagen auch bereits am 22. 12. 2000 an die Käuferin übergeben. Die Mieteinnahmen flossen ab 1. 1. 2001 an die Käuferin und das Vertragsverhältnis zur bisherigen Hausverwaltung wurde in diesem zeitlichen Umfeld auch gelöst. Daraus schloss das Erstgericht, dass „Besitz und Verwaltung" auf die Käuferin übergegangen seien. Die klagende Hausbesorgerin wurde davon aber nicht informiert, sondern nur davon, dass eine neue Verwaltung tätig werde. Aus ihrem Hausbesorgerverhältnis haften die Entgelte für die Monate Jänner bis April 2001 in Höhe von EUR 514,52 unberechtigt aus. Die Klägerin begehrt diese offenen Entgelte samt 4 % Zinsen seit 31. 1. 2001. Sie habe von einem Eigentümerwechsel keine Kenntnis erhalten und darauf vertraut, dass die Beklagte weiter ihre Dienstgeberin sei. Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete im Wesentlichen die mangelnde passive Klagslegitimation mit der Begründung ein, dass sie das Haus ja verkauft und übergeben habe. Das Erstgericht wies nunmehr die Klage im dritten Rechtsgang, nachdem es zuvor zweimal dem Klagebegehren stattgegeben hatte, unter Hinweis auf die vom Berufungsgericht überbundene Rechtsansicht ab. Das Berufungsgericht gab der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung der Klägerin nicht Folge. Es verwies auf seinen ausführlich begründeten Aufhebungsbeschluss im zweiten Rechtsgang, in dem es dargestellt hatte, das auch ein Miethaus als organisatorische und wirtschaftliche Einheit anzusehen ist, bei dessen Veräußerung ein Betriebsübergang iSd § 3 Abs 1 AVRAG eintritt. Bei einem Betriebsübergang sei aber im Sinne der „Eintrittsautomatik" davon auszugehen, dass der Erwerber in die Arbeitsverhältnisse der Dienstnehmer eintrete und es insoweit keiner Vertragsübernahme im Sinne einer Dreiparteieneinigung bedürfe. Nach § 6 Abs 1 AVRAG hafte aber der Veräußerer nur für die bis zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs entstandenen Verbindlichkeiten, nicht aber für Entgelte für danach liegende Zeiträume. Auf die nunmehr im § 3a AVRAG vorgesehene Informationspflicht sei nicht mehr einzugehen, da diese erst für Betriebsübergänge ab dem 30. 6. 2002 gelte. Ebenso wenig bedürfe es einer näheren Auseinandersetzung mit einem allfälligen Widerspruchsrecht des Arbeitnehmers bei einem Betriebsübergang, da eine dahingehende Erklärung der Klägerin ohnehin nicht vorliege. Die ordentliche Revision erachtete das Berufungsgericht als nicht zulässig, da die Beurteilung des Vorliegens eines Betriebsübergangs im Rahmen der dazu bereits vorhandenen oberstgerichtlichen Rechtsprechung erfolgt sei.
Rechtliche Beurteilung
Die gegen dieses Urteil erhobene außerordentliche Revision ist zulässig, da noch keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Frage vorliegt, ob der noch im Grundbuch eingetragene Eigentümer eines Mietshauses dann, wenn der Hausbesorger von einem Verkauf dieses Mietshauses nicht verständigt wurde, für die offenen Entgeltansprüche des Hausbesorgers haftet, nicht vorliegt. Die vom Berufungsgericht in seinem vorangegangenen Aufhebungsbeschluss herangezogene Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 7. 5. 2003 zu 9 ObA 45/03p befasste sich nur mit der Frage der Haftung des neuen „Betriebserwerbers", nicht aber mit der Haftung des „Betriebsveräußerers" unter Beachtung der Bestimmungen des Hausbesorgergesetzes.
Grundsätzlich zutreffend hat das Berufungsgericht hier die Möglichkeit eines Betriebsübergangs iSd § 3 Abs 1 AVRAG bei Veräußerung eines Mietshauses bejaht (dazu OGH 7. 5. 2003 9 ObA 45/03p; vgl aber dazu, dass schon davor der Hausbesitz als eine „Art Unternehmen" angesehen wurde und daraus geleitet wurde, dass das Arbeitsverhältnis mit dem Erwerb des Hauses übergeht (RIS-Justiz RS0062793 mwN = 9 ObA 139/93 und 9 ObA 15/96; vgl ferner dazu aber auch schon SZ 13/225 und SZ 25/296).
Zu den Rechtsfolgen eines Betriebsübergangs hinsichtlich der Haftung sieht § 6 Abs 1 AVRAG vor, dass „sofern andere gesetzliche Regelungen" für den Arbeitnehmer nichts Günstigeres bestimmen, der Veräußerer grundsätzlich nur für Verpflichtungen haftet, die vor dem Zeitpunkt des Übergangs begründet wurden, was dann in Abs 2 dieser Bestimmung hinsichtlich der Abfertigungs- und Betriebspensionsansprüche modifiziert wird (vgl allgemein zur Haftung des Erwerbers im Hinblick auf den in § 3 Abs 1 AVRAG vorgesehenen Übergang des Arbeitsverhältnisses RIS-Justiz RS0112978 mwN etwa SZ 72/180).
Der Zeitpunkt des Betriebsübergangs ist nach objektiven Faktoren zu bestimmen und kann durch Vereinbarung zwischen Erwerber und Veräußerer nicht abgeändert werden. Als wesentlich ist die tatsächliche Übernahme der arbeitsrechtlichen Organisations- und Leitungsmacht durch den Erwerber anzusehen. Diese wird dann angenommen, wenn der Betriebserwerber in die tatsächliche „Inhaberschaft" über den Betrieb eintritt; hiebei kommt auch der Möglichkeit einer Ausübung der Arbeitgeberbefugnisse Bedeutung zu (vgl dazu auch Holzer/Reissner AVRAG2, 98 mwN; EuGH 26. 5. 2005 C-478/03 Celtec Rz 36 f; ähnlich Binder, AVRAG, 137). Weiters zu beachten ist, dass nach ständiger Rechtsprechung grundsätzlich derjenige, der einen Betriebsübergang behauptet - hier die Beklagte - diesen zu beweisen hat, wobei auch der Grundsatz der Beweisnähe zu beachten ist (vgl RIS-Justiz RS0102974 mwN etwa SZ 69/141 oder SZ 71/100).
Betrachtet man den hier vorliegenden „Betrieb" eines Mietshauses mit einem Hausbesorger mit Dienstwohnung, so sind für die hier maßgebliche Frage der Verfügungsgewalt über den Betrieb auch die Besonderheiten des Hausbesorgerdienstverhältnisses, in dem eine Dienstwohnung zugewiesen wurde, zu berücksichtigen, weist doch ein solches Dienstverhältnis sowohl arbeitsrechtliche als auch bestandsrechtliche Elemente auf (vgl OGH 8. 7. 1993 9 ObA 139/93 mwN). Allein die Abrechnungsvorgänge hinsichtlich der Mietzinseinnahmen können in einem solchen Fall nicht als entscheidend angesehen werden. Nach ständiger Judikatur ist Arbeitgeber eines Hausbesorgers im Sinne des Hausbesorgergesetzes grundsätzlich nur der Eigentümer des Hauses, soweit nicht „ausdrücklich" ein anderer als
Vertragspartner auftritt (vgl dazu etwa OGH 27. 3. 1996 9 ObA 15/96 =
RdA 1997/15 = Arb 11.489; ähnlich OGH 29. 11. 2001 8 ObS 114/01z; vgl dazu dass der „Eigentümer" auch ausdrücklich als Schuldner des Entgeltes genannt wird, § 7 Abs 1 Hausbesorgergesetz). Aus der bestandrechtlichen Judikatur ist abzuleiten, dass der außerbücherliche Erwerber einer Liegenschaft, dem „Besitz" und Verwaltung übertragen wurde, zwar schon vor Einverleibung des Eigentumsrechtes aufgrund einer regelmäßig angenommenen Übertragung der Rechte die Ansprüche gegenüber dem Mieter geltend machen kann, dass aber der „Volleintritt" in das Mietverhältnis erst mit der - hier noch nicht vorgelegenen - Einverleibung erfolgt und dass der Mieter bis dahin sowohl den neuen nachbücherlichen Eigentümer als auch den „alten" noch bücherlichen Eigentümer in Anspruch nehmen kann (vgl RIS-Justiz RS0106071 mwN, OGH 4 Ob 2146/96h, OGH 5 Ob 117/98m und OGH 5 Ob 7/00s; vgl dazu auch Würth/Zingher/Kovani, Miet- und Wohnrecht21, 52, ebenso Würth in Rummel ABGB³ § 1120 Rz 7, ähnlich Binder in Schwimann ABGB² § 1120 Rz 7 f). Dies steht jedoch einer mit - allenfalls „schlüssiger" - Zustimmung des Bestandnehmers vorgenommenen früheren Übertragung nicht entgegen (vgl dazu Binder aaO; ebenso Würth aaO ua).
Vor dem Hintergrund dieser „bestandrechtlichen" Rechtslage und den Besonderheiten des Hausbesorgerdienstverhältnisses ist unter dem Aspekt der Erlangung der maßgeblichen „Verfügungsbefugnis" über den Betrieb davon auszugehen, dass diese noch nicht nachgewiesen wurde, wenn weder nachgewiesen ist, dass die Bestandverhältnisse übergegangen sind noch, dass der einzige „Arbeitnehmer" - der Hausbesorger - von der Übernahme und den neuen Verfügungsbefugnissen informiert wurde.
Schon aus diesem Grund hatte die Beklagte für die offenen Entgeltansprüche der Klägerin weiter einzustehen. Dementsprechend waren die Entscheidungen der Vorinstanzen im klagstattgebenden Sinne abzuändern.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 50 und 41 ZPO.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)