OGH 3Ob202/05k

OGH3Ob202/05k29.3.2006

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Zechner, Dr. Prückner, Dr. Sailer und Dr. Jensik als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Johann T*****, vertreten durch Mag. Manuela Prohaska, Rechtsanwältin in Wien, wider die beklagte Partei Julia B*****, vertreten durch Dr. Heimo Jilek, Rechtsanwalt in Leoben, wegen Einwendungen gegen den Anspruch (§ 35 EO), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Berufungsgericht vom 30. März 2005, GZ 16 R 97/05m-21, in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 21. Juni 2006, AZ 16 R 97/05m, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichts Wiener Neustadt vom 31. Dezember 2004, GZ 14 C 378/04m-16, bestätigt wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 499,39 EUR (darin 83,23 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Der Kläger wurde als Vater der Beklagten zuletzt zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von 6.200 S = 450,57 EUR verpflichtet und der Beklagten zur Hereinbringung eines Rückstands von 1.351,70 EUR sowie von monatlich 450,57 EUR die Forderungsexekution nach § 294a EO bewilligt.

Das Gericht erster Instanz gab dem auf Erlöschen dieser Ansprüche gerichteten Oppositionsklagebehren des Vaters unangefochten im Ausmaß von 450,57 EUR rückständigen Unterhalts für Jänner 2004 statt, wies dagegen das Mehrbegehren auf Erlöschen des diesen Betrag übersteigenden Anspruchs ebenso wie das hilfsweise nur auf Hemmung derselben abzielende Begehren ab.

Es traf folgende wesentliche Feststellungen:

Die am 28. Jänner 1986 geborene Beklagte schloss mit Ende des Schuljahrs [2002/]2003 die Handelsschule ab. Mit 1. September 2003 begann sie eine Ausbildung an einer Krankenpflegeschule und befand sich zuletzt im zweiten Ausbildungsjahr. Seit Beginn der Ausbildung wohnt sie in einer Wohnung im Krankenhaus, für die sie monatlich 205 EUR Mietzins zahlt. Im ersten Jahr erhielt sie an Ausbildungsvergütung 93,50 EUR, seit September 2004 bekommt sie 187 EUR, jeweils monatlich. An Wochenenden und während unbezahlter Praxiszeiten an einem anderen Krankenhaus wohnt sie bei ihrer Mutter, die zwar keinen regelmäßigen Geldunterhalt leistet, ihr jedoch Kleidung kauft und bei Bedarf Geld gibt. Diese verdient als diplomierte Krankenschwester rund 1.000 EUR monatlich netto vierzehn Mal jährlich und hat für elfjährige Zwillinge zu sorgen. Auch der Kläger ist für zwei, über zehnjährige in seinem Haushalt lebende Kinder sorgepflichtig. Als Ressortleiter in einem Handelsunternehmen verdiente er im Jahr 2004 - ohne Tag- und Nachtgelder, aber einschließlich Überstundenpauschale, Sachbezug für Firmenauto, Jahresprämie und Sonderzahlungen - durchschnittlich 2.873,09 EUR netto zwölf Mal jährlich. Seine Ehefrau ist seit Mitte August 2004 arbeitslos, ihr Arbeitslosengeld betrug 21,77 EUR pro Tag.

Die Beklagte hatte schon in ihrer Hauptschulzeit die „Idee", wie ihre Mutter Krankenschwester zu werden, verwarf diese dann wieder und besuchte zunächst die Handelsschule. Während der dort von ihr absolvierten Büropraktika wurde der Wunsch nach einer Schwesterndiplomausbildung konkret. Da sie das erforderliche Alter noch nicht erreicht hatte, schloss sie zunächst die Handelsschule ab. In der Schwesternausbildung ist sie „zielstrebig unterwegs" und weist gute Leistungen auf.

Das Erstgericht bejahte - was die Klagsabweisung betrifft - das Fortbestehen des Unterhaltsanspruchs der Beklagten dem Grund und der Höhe nach. Im vorliegenden Fall sei diese noch nicht selbsterhaltungsfähig, zumal sie nicht schlechter gestellt werden dürfe, als wenn sie die Zeit bis zum Erreichen des notwendigen Alters untätig geblieben wäre, und außerdem die Berufsaussichten im Pflegebereich auf lange Sicht anders als im Bürobereich ausgezeichnet seien.

Das Gericht zweiter Instanz gab der Berufung des Klägers nicht Folge und sprach letztlich auf Grund eines Antrags des Vaters nach § 508 ZPO aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei. Tatsächlich bestehe keine oberstgerichtliche Rsp zu einem Fall wie dem vorliegenden, die Rechtsfrage sei aber unter Anwendung der Grundsätze dieser Rsp zu den einem Unterhaltsberechtigten zuzubilligenden „Überlegungs- und Korrekturfristen" gelöst worden; es sei aber auch die Ansicht, wonach eine über den Einzelfall hinausgehende Rechtsfrage vorliege, „nicht unvertretbar".

Das Revision ist entgegen diesem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch der zweiten Instanz nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

Zwar trifft es zu, dass ein exakt dem hier zu beurteilenden entsprechender Fall - soweit feststellbar - vom Obersten Gerichtshof noch nicht entschieden wurde. Dies reicht nach überwiegender Rsp desselben nicht dafür aus, dass die Entscheidung von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage abhinge (Zechner in Fasching/Konecny² § 502 ZPO Rz 69 mwN). Wiederholt wurde auch bereits ausgesprochen, dass die Frage nach der Vertretbarkeit einer anderen als der von der zweiten Instanz erzielten Lösung die Anrufung des Obersten Gerichtshof nicht rechtfertige (Nachweise aaO Rz 66); umso weniger ist dies der Fall, wenn die Richter zweiter Instanz bloß die Annahme, es sei eine Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO zu beantworten, für vertretbar halten.

Auch der Kläger vermag das Vorliegen derartiger Rechtsfragen nicht darzulegen.

Nach der in der Revision angeführten Entscheidung 1 Ob 703/87 = ÖA 1989, 166, die den Besuch eines Aufbaulehrgangs mit dem Ziel der Matura für Handelsakademiker nach der Handelsschule und kurzfristiger Berufstätigkeit zum Gegenstand hatte, ist die Absolvierung einer dreijährigen Handelsschule nur „grundsätzlich" als zur Selbsterhaltungsfähigkeit führend zu beurteilen. In casu wurde aber der Bildungsweg der Unterhaltsberechtigten als einem Entschluss vergleichbar angesehen, sogleich nach der Pflichtschule (und einer Aufnahmsprüfung) die Handelsakademie zu absolvieren. Zu 8 Ob 1520/91 wurde lediglich auf 1 Ob 703/87 verwiesen. Im vorliegenden Fall hatte die Beklagte nie eine Berufstätigkeit aufgenommen und sich bereits während der Handelsschule zu einer Ausbildung zur Diplomkrankenschwester entschlossen. Die Ansicht der Vorinstanzen, es könne ihr nicht zum Nachteil gereichen, dass sie, anstatt untätig das Erreichen des Mindestalters für diese Ausbildung abzuwarten, eine berufsbildende Schule erfolgreich absolvierte, ist jedenfalls nicht nur im Licht der zitierten Vorentscheidung, sondern auch der zu 3 Ob 116/02h = ÖA 2003, 114 ergangenen gut vertretbar, die ein Biologiestudium nach absolvierter Höherer Technischer Lehranstalt betraf. Aber selbst unter dem Aspekt einer zweiten Berufsausbildung kann der - wie noch darzulegen - behauptungs- und beweispflichtige Kläger, der in erster Instanz weder die sichere Erwartung eines besseren Fortkommens der Beklagten im angestrebten neuen Beruf noch deren subjektive Voraussetzungen für diesen (ausführlich dazu 3 Ob 7/97v = SZ 70/36 = JBl 1997, 650 [Hoyer] mwN) bestritten hatte, keine erheblichen Rechtsfragen darstellen.

Zur Frage der amtswegigen Berücksichtigung einer steuerlichen Entlastung des Geldunterhaltspflichtigen auf Grund der dem anderen Elternteil zukommenden Transferleistungen besteht eine mittlerweile stRsp (zuletzt 1 Ob 71/05f = Zak 2005/45; RIS-Justiz RS0117764), von der das Berufungsgericht nicht abwich. Überdies ist es gerade im Oppositionsprozess der Kläger, der jene Tatsachen behaupten und beweisen muss, aus denen sich das (allenfalls teilweise) Erlöschen (oder die Hemmung) des Anspruchs ergibt (3 Ob 99/85; 3 Ob 7/97v; 8 ObA 169/00m = Arb 12.043; 3 Ob 31/03k = JBl 2004, 515 = MietSlg 55/24; Dullinger in Burgstaller/Deixler-Hübner, EO, § 35 Rz 81 mwN). Auch für die Verminderung des Unterhaltsanspruchs wegen der mit der Familienbeihilfe bezweckten Entlastung des geldleistungspflichtigen Elternteils kann nichts anderes gelten. Dass demnach im Verfahren nach § 35 EO die Berücksichtigung des Bezugs von Familienbeihilfe durch den betreuenden Elternteil von Amts wegen nicht in Betracht kommt, ist aus diesen Grundsätzen ohne weiteres ableitbar. Zur Frage der Betreuung von erwachsenen, aber nicht selbsterhaltungsfähigen Kindern, die eine Ausbildung außerhalb des Wohnorts des des obsorgeberechtigten Elternteils machen, liegt eine Rsp des Obersten Gerichtshofs vor (8 Ob 618/90 = RZ 1992/5 = EFSlg 27/8; 7 Ob 531/95 = ÖA 1996, 61; RIS-Justiz RS0048380 T3). Dass das Gericht zweiter Instanz davon abgewichen wäre, vermag der Vater nicht darzulegen. Die vom Vater angeführte Entscheidung 10 Ob 517, 520/95 = ÖA 1996, 120 U 53 betrifft keinen sich auswärts ausbildenden Unterhaltsberechtigten.

Einer weiteren Begründung bedarf diese Entscheidung nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 50, 41 ZPO; die Beklagte machte die fehlende Zulässigkeit der Revision geltend.

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