Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 3.292,80 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 548,80 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die 24-jährige Klägerin ist seit April 1989 Schülerin in der Schule für den beschäftigungs- und arbeitstherapeutischen Dienst am Allgemeinen Krankenhaus der Stadt Wien. Sie hatte ursprünglich Sonder- und Heilpädagogik studiert, ließ sich aber im Hinblick auf bessere Berufschancen von diesem Studium beurlauben und besucht seither diese Schule. Zu diesem Zweck wohnt sie wochentags in Wien und hat Wohnungskosten von S 1.250 monatlich. Für diverse handwerkliche Kurse im Rahmen ihrer Schule und das hiefür notwendige Werkzeug hat sie monatlich durchschnittlich S 400 aufzuwenden. Die Wochenenden verbringt die Klägerin überwiegend - im Durchschnitt drei Wochenende pro Monat - bei ihrer Mutter in Wels. Im August 1990 wird sie voraussichtlich ihre Ausbildung beenden. Die Klägerin hat im Sommer ein Monat Ferien. Diesen Ferienmonat verbrachte sie heuer im Ausmaß von drei Wochen bei ihrer Mutter und im Ausmaß von einer Woche mit ihrem Freund.
Die Mutter wäscht der Klägerin die Wäsche und gibt ihr Lebensmittel und teilweise vorgekochtes Essen nach Wien mit; sie gibt ihr auch Geld für den Friseur. Alles in allem belaufen sich die Aufwendungen der Mutter solcherart auf S 500 bis S 1.000 monatlich. Mit der Familienbeihilfe wird die Benützung des Zimmers, das die Klägerin in Wien bewohnt, finanziert. Wenn sich die Klägerin in Wels aufhält, wird sie von ihrer Mutter im Haushalt betreut. Der beklagte Vater ist vom Beruf Zahntechniker und verdient im Durchschnitt monatlich nahezu S 29.000 netto ohne Kinderbeihilfen. Er ist für die Klägerin, für eine 9-jährige Tochter und eine Tochter, die im dritten Lehrjahr monatlich bereits fast S 3.700 verdient, sowie für seine nicht berufstätige Gattin sorgepflichtig. Die Klägerin begehrt von ihrem Vater eine Unterhaltserhöhung von monatlich S 1.000 auf insgesamt monatlich S 4.500.
Der Beklagte beantragt die Abweisung des Klagebegehrens und wendet im wesentlichen ein, daß mit der Zahlung seines bisherigen Unterhaltsbeitrages von S 3.500 seine Leistungspflicht erschöpft sei. Im übrigen habe auch die Mutter zum Unterhalt des Kindes beizutragen. Die volljährige Klägerin bedürfe nicht mehr der Betreuung durch die Mutter, sodaß diese keinen Beitrag durch Betreuung, sondern Natural- und Geldunterhalt nach denselben Voraussetzungen wie der Beklagte zu leisten habe.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Wesentlich für die Entscheidung sei die Lösung der Frage, ob die Mutter dadurch, daß die Klägerin die überwiegende Ferienzeit und die überwiegende Anzahl der Wochenenden bei ihr verbringt, sie ihr die Wäsche versorgt, ihr Lebensmittel und vorgekochtes Essen mitgibt und ihr Geld für den Friseur gibt, ihren Beitrag durch Führung des Haushaltes, in dem die Klägerin betreut wird, leiste. § 140 Abs 2 ABGB sei grundsätzlich auch auf erwachsene, aber noch nicht selbsterhaltungsfähige Kinder anzuwenden; dabei stehe die Gewährung von Unterkunft und Naturalverpflegung und die Besorgung der Kleidung im Vordergrund und die persönliche Betreuung trete zurück. Der haushaltsführende Elternteil leiste seinen Beitrag aber auch dann, wenn er das Kind nur während bestimmter Tageszeiten oder überhaupt nur an bestimmten Tagen betreue. Er leiste seinen vollen Beitrag selbst dann, wenn er das Kind nur während der Wochenenden und der Ferien betreue. Bei Berücksichtigung dieser Grundsätze sei in den festgestellten Leistungen der Mutter doch noch eine Haushaltsführung im Sinne des § 140 Abs 2 ABGB zu erblicken. Da in der Rechtsprechung jedoch auch die Auffassung vertreten werde, daß infolge Volljährigkeit des Unterhaltsberechtigten ab diesem Zeitpunkt keine Verpflichtung der Mutter mehr bestehe, ihr Kind zu pflegen und zu erziehen und daher durch die Haushaltsführung allein kein Unterhaltsbeitrag geleistet werde, sei die ordentliche Revision zuzulassen.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache mit dem Antrag, in Abänderung der angefochtenen Entscheidung die Klage abzuweisen; hilfsweise wurde ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Klägerin beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zwar zulässig, sie ist aber nicht berechtigt. Zu Recht verweist das Berufungsgericht darauf, daß zum vorliegenden, dem Grund des Unterhaltsanspruchs zuzurechnenden Fragenkomplexe (so 8 Ob 579/87 und 1 Ob 524/88) eine divergierende Rechtsprechung der Gerichte zweiter Instanz vorliegt. Es wird nämlich auch die Auffassung vertreten, daß mit der Erreichung der Volljährigkeit eines Kindes die Verpflichtung der Eltern zur Pflege und Erziehung ende und somit durch die Haushaltsführung allein kein Unterhaltsbeitrag mehr geleistet werde; daraus folge, daß auch der haushaltsführende Elternteil nach Kräften zum Unterhalt beizutragen habe (EFSlg 56.041; unklar EFSlg 42.729). Die Beurteilung dieser Vorfrage kann sich wiederum auf die Höhe der hier strittigen Unterhaltsverpflichtung des anderen Elternteils auswirken, die ihrerseits dem Unterhaltsbemessungskomplex zuzurechnen ist. Eine oberstgerichtliche Judikatur zur Frage, ob und inwieweit auch volljährige Kinder noch auf einen Anspruch auf Betreuung haben, fehlt, so daß die Voraussetzungen des § 502 Abs 1 und 3 Z 1 ZPO iVm WGN 1989 vorliehen.
Nach der erklärten Absicht des Gesetzgebers (JA 587 BlgNR 14.GP, 4 f), die im Wortlaut der §§ 140 ff ABGB volle Deckung findet, sind die Eltern zum Unterhalt und Betreuung ihres Kindes verpflichtet, bis dieses selbst erhaltungsfähig ist; auf die Erreichung der Volljährigkeit wird nicht abgestellt: Durch die im JA gegenüber der RV geänderten Formulierung - die Worte "Der Elternteil, der den Haushalt führt, in dem das Kind aufwächst", wurden durch die Worte "....in dem er das Kind betreut", ersetzt - sollte zum Ausdruck gebracht werden, daß es maßgeblich auf die Betreuung ankommt. Damit soll nach dem JA-Bericht die Regelung nicht nur auch auf die bereits erwachsene - aber noch nicht selbsterhaltungsfähige - Kinder anwendbar sein, sondern auch deutlich ausgedrückt werden, daß der den Haushalt führende Elternteil nur dann seiner Beitragspflicht nach Abs 1 genügt, wenn er das Kind tatsächlich betreut. Mit diesem Ausdruck wird auf die Obsorge abgestellt, die ein Kind im Rahmen eines Haushaltes im allgemeinen erfährt; hiezu zählen insbesondere die Zubereitung der Nahrung, die Instandhaltung und Reinigung der Kleidung und Wäsche sowie die Pflege im Krankheitsfall. Unmaßgeblich ist, ob sich der haushaltsführende Elternteil ausschließlich oder, besonders weil er berufstätig ist, nur während bestimmter Tageszeiten oder überhaupt nur an bestimmten Tagen der Betreuung des Kindes widmet. Es leistet daher auch zB der geschiedene Elternteil, dem die Elternrechte zustehen, seinen Beitrag im Sinne dieser Bestimmung, wenn er das Kind tagsüber in einem Hort, bei den Großeltern oder bei einem Dritten unterbringt. Auch wenn das Kind während der Woche in einem Internat untergebracht ist und sich nur an Wochenenden, zu den Feiertagen und während der Ferien bei diesem Elternteil befindet, leistet er einen vollen Beitrag zur Deckung der Bedürfnisse des Kindes (JA aaO).
Damit hat der Gesetzgeber zweifelsfrei zum Ausdruck gebracht, daß auch bereits erwachsene, aber noch nich selbsterhaltungsfähige Kinder Anspruch auf Betreuung haben (so auch Pichler in Rummel, ABGB2 Rz 9 zu § 140). Die Art der Betreuung richtet sich naturgemäß nach dem Alter des Kindes. Je älter das Kind wird, desto weniger bedarf es der körperlichen Pflege und Beaufsichtigung und die Erziehungsarbeit tritt in den Vordergrund. Je mehr sich das Kind der Volljährigkeit nähert, desto mehr gewinnt die Gewährung der Unterkunft, die Naturalverpflegung und die Besorgung der Kleider an Bedeutung (Pichler aaO).
Es ist auf die übliche Obsorge in einem geordneten und wohlfunktionierenden Haushalt abzustellen. Wenn es auch unzweifelhaft ist, daß ein gesundes, volljähriges Mädchen auch selbst seine Wäsche versorgen (waschen und bügeln) und Kochen erlernen kann, so ist es doch in einem derartigen durchschnittlichen österreichischen Haushalt üblich, daß der haushaltsführende Elternteil, meist die Mutter, im Rahmen der Haushaltsführung diese Arbeiten für ihre studierenden Kinder miterledigt. Sie leistet dadurch weiterhin voll ihren Unterhaltsbeitrag iS des § 140 Abs 2 erster Satz ABGB, weil sie dadurch ihren Kindern ermöglicht, sich voll ihrem Studium zu widmen; dieser Umstand kann auch dem Unterhaltspflichtigen zugute kommen, weil die Kinder dadurch wieder in die Lage versetzt werden, ihr Studium zügiger zu betreiben und früher zu beenden. Hieraus folgt, daß die haushaltsführende Mutter nur dann Unterhaltsleistung heranzuziehen wäre, wenn der anderen Elternteil nicht imstande ist, die Bedürfnisse des Kindes voll zu decken (Pichler aaO Rz 9 und 10).
Im übrigen entspricht es der Absicht des Gesetzgebers (vgl oben) und der herrschenden Rechtsprechung, daß der betreuende Elternteil auch dann seine Beitragsleistung iS des § 140 Abs 2 erster Satz ABGB voll erbringt, wenn das Kind zwecks Ausbildung wochentags auswärts leben muß - sei es in einem Internat, oder, wie bei Studenten üblich, in einem Untermietzimmer oder einem Studentenheim -, sofern es nur während der Wochenenden und der Ferien überwiegend von dem haushaltsführenden Elternteil betreut wird (EFSlg 50.404, 50.409 uva; so auch der erkennende Senat zuletzt in 8 Ob 597/87). Ob die von der Mutter der Klägerin erbrachten Leistungen ausreichend sind, um noch als volle Betreuung iS des § 140 Abs 2 erster Satz ABGB zu gelten, und sie somit nur als subsidiär Unterhaltspflichtige iS des § 140 Abs 2 zweiter Satz ABGB in Frage käme, und ob die Leistungsfähigkeit des Beklagten ausreicht, die Bedürfnisse der unterhaltsberechtigten Klägerin zu erfüllen, ist eine Bemessungsfrage im Einzelfall, zu der der Oberste Gerichtshof infolge seiner Leitsatzfunktion nicht Stellung zu nehmen hat, sofern sich die Entscheidung der zweiten Instanz wie hier im Rahmen des Üblichen bewegt.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.
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