Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Aus deren Anlass wird das angefochtene Urteil - das im Übrigen unberührt bleibt - in der rechtlichen Unterstellung der im Schuldspruch 2 angeführten Tat auch unter Abs 1 des § 109 StGB, demzufolge auch im Ausspruch über die verhängte Freiheitsstrafe (mit Ausnahme des Ausspruchs über die Vorhaftanrechnung) sowie der Beschluss auf Widerruf bedingter Strafnachsicht aufgehoben und in der Sache selbst erkannt:
Thomas A***** wird für die ihm unverändert zur Last liegenden Vergehen der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 1 StGB und des Hausfriedensbruches nach § 109 Abs 3 Z 1 und 2 StGB nach § 84 Abs 1 StGB unter Bedachtnahme auf § 28 Abs 1 StGB und unter Anwendung des § 39 Abs 1 StGB zu dreieinhalb Jahren Freiheitsstrafe verurteilt.
Mit ihren Berufungen werden der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung verwiesen.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
II) den Beschluss
gefasst:
Gemäß § 53 Abs 1 StGB, § 494a Abs 1 Z 4 StPO wird die Thomas A***** im Verfahren AZ 42 E Hv 53/05b des Landesgerichtes für Strafsachen Wien gewährte bedingte Strafnachsicht widerrufen.
Text
Gründe:
Mit dem - auf dem (in der Urteilsausfertigung, die im Übrigen auch gegen § 342 letzter Satz StPO verstößt, erst in den Entscheidungsgründen dargestellten; siehe dazu Fabrizy, StPO9 § 342 Rz 2) Wahrspruch der Geschworenen beruhenden, auch einen rechtskräftigen Teilfreispruch enthaltenden - angefochtenen Urteil wurde Thomas A***** der Vergehen (zu 1) der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 1 StGB und (zu 2) des Hausfriedensbruches nach § 109 Abs 1 und Abs 3 Z 1 und 2 StGB schuldig erkannt. Danach hat er am 8. Mai 2005 in Graz
1. Harald M***** vorsätzlich schwer am Körper verletzt, indem er im Zuge von Kampfhandlungen mit einem mitgeführten Fleischerbeil gegen dessen Körper schlug, wobei die Tat in der Gesamtschau an sich schwere Verletzungen zur Folge hatte, nämlich eine lappenförmige Schnittverletzung an der Streckseite des rechten Unterarmes bis zur Muskelbinde reichend, mit Verletzung eines oberflächlichen (richtig:) Hautnervs, welche in örtlicher Betäubung operativ versorgt werden musste, weiters Blutunterlaufungen am rechten Oberarm, zwei oberflächliche Schnittverletzungen am Rücken, eine zwei Zentimeter lange Schnittverletzung über dem Mittelgelenk des vierten Fingers, eine kleine Schnittverletzung am Endglied des linken Daumens, Abschürfungen über dem Kreuzbein, dem rechten Schulterblatt, dem Bauch und der linken Kniegelenksregion, zahlreiche Prellungen am rechten Unterarm, an der rechten Brust, am linken Oberarm, über der rechten Hüfte, über dem rechten Oberschenkel und am rechten Unterschenkel,
2. in der Absicht, Gewalt gegen den dort befindlichen Harald M***** zu üben, den Eintritt in dessen Wohnung mit Gewalt erzwungen, indem er gewaltsam die Tür zur Wohnung eintrat, wobei er eine Waffe, nämlich ein mitgebrachtes Fleischerbeil auch deshalb bei sich führte, um den Widerstand M*****s zu überwinden oder zu verhindern. Die Geschworenen haben nach Verneinung der anklagekonform in Richtung §§ 15, 75 StGB gestellten Hauptfrage und der in Richtung § 87 Abs 1 StGB gestellten Eventualfrage 1 die an sie gerichtete Eventualfrage 2 nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 1 StGB ebenso bejaht, wie die Eventualfrage 4 nach § 109 Abs 3 Z 1 und 2 StGB, dementsprechend die in Richtung § 83 Abs 1 StGB gestellte Eventualfrage 3 unbeantwortet gelassen.
Rechtliche Beurteilung
Gegen den Schuldspruch, inhaltlich jedoch nur gegen die zum Schuldspruch 1 erfolgte Annahme der Qualifikation nach § 84 Abs 1 StGB richtet sich die auf § 345 Abs 1 Z 8 und 12 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten; sie schlägt fehl. Die Instruktionsrüge (Z 8) behauptet eine Unvollständigkeit der Rechtsbelehrung zu den Beurteilungskriterien für das Vorliegen einer an sich schweren Verletzung iSd § 84 Abs 1 StGB.
Der Schwurgerichtshof hat zu dieser Rechtsfrage in der schriftlichen Rechtsbelehrung (S 24) ausgeführt, dass es nach der Rechtsprechung bei einer an sich schweren Verletzung auf die Erheblichkeit des dem Körper zugefügten Nachteils und die Wichtigkeit des Körperteils sowie auf eine allfällige längere Ungewissheit des Heilungsverlaufs und der Heilungsaussichten ankommt. Soweit die Beschwerde das Fehlen der Darstellung einzelner der genannten Kriterien behauptet, orientiert sie sich somit nicht an der Aktenlage.
Grundsätzlich zutreffend weist die Rüge zwar darauf hin, dass der Rechtsbelehrung ein Hinweis auf die ebenfalls gebotene Berücksichtigung der konkreten Situation des Opfers (Alter, gesundheitlicher Gesamtzustand) nicht zu entnehmen ist (vgl Burgstaller/Fabrizy in WK² § 84 Rz 17). Eine unvollständige Rechtsbelehrung ist jedoch nur dann einer unrichtigen gleichzuhalten, wenn die Unvollständigkeit zu Missverständnissen in Ansehung der gesetzlichen Merkmale der strafbaren Handlung, auf die eine Frage gerichtet ist, zur irrigen Auslegung der in einer Frage an die Geschworenen enthaltenen Ausdrücke des Gesetzes, zu Irrtümern über das Verhältnis der einzelnen Fragen zueinander oder über die Folgen der Bejahung oder Verneinung der einzelnen Fragen Anlass geben kann (Fabrizy, StPO9 § 345 Rz 11). Die Beschwerde vermag nicht darzutun, dass und warum das Fehlen der Bezugnahme auf die konkrete Situation des Opfers im vorliegenden Fall geeignet gewesen sei, die - im Übrigen richtig belehrten - Geschworenen in die Irre zu führen. Eine unrichtige, weil irreführend unvollständige Rechtsbelehrung lag daher nicht vor.
Die Subsumtionsrüge (Z 12) behauptet - ohne jegliche inhaltliche Argumentation - die im Wahrspruch der Geschworenen festgestellten Verletzungen wären „als leicht anzusehen gewesen", sodass die Tat nur nach § 83 Abs 1 StGB zu subsumieren gewesen wäre. Sie entbehrt einer prozessordnungsgemäßen Darstellung, weil sie bloß die Richtigkeit der Subsumtion bestreitet, aber nicht sagt, aufgrund welcher Tatumstände der Sachverhalt einer anderen Strafbestimmung zu unterstellen sei (RIS-Justiz RS0099938), und weil sie sich nicht an den im Wahrspruch enthaltenen tatsächlichen Feststellungen der Geschworenen orientiert. Denn die - durch Stellung von Eventualfragen sowohl nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 1 StGB als auch nur nach § 83 Abs 1 StGB hinsichtlich jeweils derselben im Spruch detailliert beschriebenen Verletzungen konfrontierten - Geschworenen haben durch die Bejahung der Eventualfrage 2 eben jene tatsächlichen Voraussetzungen als erwiesen angenommen, aufgrund derer die zu beurteilende Verletzung dem normativen gesetzlichen Qualifikationsmerkmal „an sich schwer" entspricht (vgl 12 Os 55/04).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.
Aus deren Anlass (§§ 290 Abs 1, 344 StPO) überzeugte sich der Oberste Gerichtshof jedoch, dass dem Geschworenengericht durch die vom Angeklagten unangefochten gebliebene Beurteilung der im Schuldspruch 2 bezeichneten Tat auch als Hausfriedensbruch nach Abs 1 des § 109 StGB ein zum Nachteil des Angeklagten wirkender Rechtsfehler unterlaufen ist. Denn die Tatbestände des § 109 Abs 1 StGB und des § 109 Abs 3 StGB stellen zwei selbstständige Deliktstypen dar, die nicht im Verhältnis von Grunddelikt und Deliktsqualifikation zueinander stehen, vielmehr einander ausschließen (15 Os 174/97 = RZ 1998/46; 13 Os 68/05g; Bertel in WK² § 109 Rz 34).
Das angefochtene Urteil war daher in der rechtlichen Unterstellung der im Schuldspruch 2 genannten Tat auch unter den Tatbestand des § 109 Abs 1 StGB ersatzlos sowie im Strafausspruch, demzufolge auch der Beschluss gemäß § 494a StPO aufzuheben und es war hinsichtlich des unberührt bleibenden Schuldspruchs mit Strafneubemessung vorzugehen. Dabei wertete der Oberste Gerichtshof als erschwerend die einschlägigen Vorstrafen, das Zusammentreffen zweier Vergehen und das Zusammentreffen zweier Qualifikationen nach § 109 Abs 3 StGB, als mildernd hingegen das Geständnis des Angeklagten und seine verminderte Zurechnungsfähigkeit.
Der massive Unrechtsgehalt der vorliegenden Taten und die schwer belastete Täterpersönlichkeit erfordern im konkreten Fall auch aus der Sicht des Obersten Gerichtshofes eine - infolge Vorliegens der Voraussetzungen des § 39 StGB mögliche - Überschreitung der gesetzlichen Höchststrafe, wobei eine dreieinhalbjährige Freiheitsstrafe eine sachgerechte Sanktion, die allen für und wider den Angeklagten sprechenden Umständen Rechnung trägt, darstellt. Zusätzlich bedarf es aus spezialpräventiven Gründen auch des Widerrufs der bedingten Strafnachsicht hinsichtlich der Vorverurteilung, zumal der Angeklagte äußerst rasch, nämlich fünf Tage nach seiner letzten Haftentlassung, rückfällig wurde. Mit ihren Berufungen waren der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft, mit seiner implizierten Beschwerde war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.
Die Kostenersatzpflicht des Angeklagten gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.
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