Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerden werden verworfen.
Den Berufungen wird nicht Folge gegeben.
Den Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurden Gerhard R***** und Walter D***** der Verbrechen des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB (I.) und des versuchten schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 15, 127, 128 Abs 1 Z 4, 129 Z 1 StGB (III.; betreffend Gerhard R***** auch II.) sowie Brigitte S***** des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten schweren Diebstahls durch Einbruch als Beteiligte nach §§ 12 (zu ergänzen:) dritter Fall, 127, 128 Abs 1 Z 4, 129 Z 1 und 15 StGB (richtig: II. bis IV.) schuldig erkannt.
Danach haben in Breitenbach
I. Gerhard R***** und Walter D***** in der Nacht zum 26. Mai 2003 in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken als Mittäter dem Josef R***** mit Gewalt und Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben, indem sie ihn festhielten und mit einer Eisenstange bedrohten, sohin unter Verwendung einer Waffe, fremde bewegliche Sachen, nämlich 13.000 EUR mit dem Vorsatz weggenommen bzw abgenötigt, sich oder einen Dritten durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern;
II. Gerhard R***** zusammen mit Brigitte S***** am 21. Mai 2003 fremde bewegliche Sachen, nämlich Wertgegenstände und Bargeld in einem 2.000 EUR übersteigenden Wert dem Josef R***** mit dem Vorsatz wegzunehmen versucht, sich oder einen Dritten durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, wobei Brigitte S***** zur Tat durch Ablenken des Josef R***** während des von Gerhard R***** versuchten Einschleichens in das Gebäude beitrug;
III. Gerhard R***** und Walter D***** in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken als Mittäter und Brigitte S***** als Beitragstäterin in der Nacht zum 25. Mai 2003 dem Josef R***** fremde bewegliche Sachen, nämlich Wertgegenstände und Bargeld in einem 2.000 EUR übersteigenden Wert durch Einbruch mit dem Vorsatz wegzunehmen versucht, sich oder einen Dritten durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, indem Gerhard R***** und Walter D***** versuchten, die Eingangstür des Wohnhauses des Josef R***** aufzuzwängen und Brigitte S***** durch Aufpasserdienste einen Tatbeitrag leistete;
IV. Brigitte S***** "in der Nacht zum 26. Mai 2003 dazu beigetragen, dass Gerhard R***** und Walter D***** in das Haus des Josef R***** einbrechen und diesem fremde bewegliche Sachen in einem 2.000 EUR übersteigenden Wert mit dem Vorsatz unrechtmäßiger Bereicherung wegnehmen, indem sie die unmittelbaren Täter zum Tatort brachte."
Die sie betreffenden Schuldsprüche bekämpfen die Angeklagten Gerhard R***** und Walter D***** mit Nichtigkeitsbeschwerden, die von Gerhard R***** auf Z 5, 6, 12 und 13 sowie von Walter D***** auf Z 1 und 10a des § 345 Abs 1 StPO gestützt werden.
Rechtliche Beurteilung
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Gerhard R*****:
Die wegen Nichteinholung eines weiteren (dritten) Gutachtens zur Verhandlungs- und Vernehmungsfähigkeit des Tatopfers vorgebrachte Beschwerdekritik (Z 5) scheitert am formellen Erfordernis einer darauf abzielenden Antragstellung in der Hauptverhandlung (Mayerhofer, StPO5 § 281 Z 4 E 1; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 302). Im Übrigen wurden die Angaben des Zeugen Josef R***** aus dem Vorverfahren in der Hauptverhandlung - unwidersprochen - gemäß § 252 Abs 1 Z 1 StPO verlesen und das bei der Tatrekonstruktion aufgenommene Videoband - gleichfalls ohne Widerspruch des Angeklagten - vorgezeigt (S 275/V).
Der weitere Beschwerdevorwurf, Grundsätze des Verfahrens seien hintangestellt und unrichtig angewendet worden, weil der Zeuge Josef R***** anlässlich der Videorekonstruktion durch (bewusste oder unbewusste) Beeinflussung deponiert habe, dass zum Einschlagen der Türverglasung kein Rundholz, sondern ein Montiereisen verwendet wurde, versagt gleichfalls. Denn ein Verstoß gegen Verfahrensgrundsätze kann nur im Rahmen und innerhalb der Grenzen des (fallaktuellen) § 345 Abs 1 Z 5 StPO geltend gemacht werden, hätte demnach einen - hier verabsäumten - begründeten Antrag in der Hauptverhandlung erfordert (Fabrizy StPO9 § 281 Rz 38; ÖJZ-LSK 1995/6 und 1998/80). Davon abgesehen ist die thematisierte Art des Eindringens in das Wohnhaus für das nachfolgende Raubgeschehen ohne Belang und hat der genannte Zeuge bei der Tatrekonstruktion hiezu überhaupt keine Angaben gemacht (S 15 ff/IV).
Die Interrogationsrüge (Z 6) "zum Urteilsfaktum I" bezieht sich mit dem punktuellen Hinweis auf die Verantwortungspassage des Angeklagten in der Hauptverhandlung, wonach "er am späten Nachmittag ein Gramm Heroin konsumiert habe, jedoch (bei der nachfolgenden Tat) klar im Kopf gewesen ist und sich seiner Handlungsweise bewusst war" (S 201/V), im Kontext mit der übrigen Geschehenschronologie (insbesondere S 197, 199 und 203 ff/V) inhaltlich auf den Schuldspruch III. (Einbruchsversuch in der Nacht zum 25. Mai 2003 gegen 00.30 Uhr [S 199/V]) und bezeichnet damit kein Tatsachenvorbringen, welches auf suchtmittelbedingtes Fehlen der Diskretions- und/oder Dispositionsfähigkeit bei der Tatbegehung hingewiesen und demzufolge die reklamierte Stellung einer Zusatzfrage nach dem Schuldausschließungsgrund des § 11 StGB zur Hauptfrage 5 indiziert hätte.
Die Subsumtionsrüge (Z 12) verkennt, dass für die erfolgreiche Relevierung des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes gegen die Annahme der Waffenqualität eines - wie hier - bloß gattungsmäßig umschriebenen konkreten Tatwerkzeugs schon dann kein Raum ist, wenn der betreffende Gattungsbegriff diese rechtliche Beurteilung (grundsätzlich) zulässt, weil diesfalls davon ausgegangen werden muss, dass die Geschworenen (bei richtiger Rechtsbelehrung) eben jene Voraussetzungen als erwiesen angenommen haben, aufgrund deren das jeweils zu beurteilende Sachverhaltselement dem normativen Qualifikationsmerkmal "Waffe" entspricht (SSt 57/20). Die diesbezüglichen Erwägungen der Geschworenen sind der Anfechtung aus Z 12 entzogen (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 616).
Bei Eisenstangen ist aufgrund der nach allgemeinem Begriffsverständnis assoziierten Form und Größe sowie des materialspezifischen Gewichts die prinzipielle Möglichkeit, sie dem Waffenbegriff des § 143 StGB zu unterstellen, aber jedenfalls zu bejahen.
Unberechtigt ist schließlich die eine - vermeintliche - Anwendung des § 39 StGB wegen Heranziehung "des von fünf bis zwanzig Jahren reichenden Strafrahmens" relevierende Sanktionsrüge (Z 13). Denn das Erstgericht hat mit der konkret verhängten Freiheitsstrafe von fünfzehn Jahren das Höchstmaß der in § 143 erster Strafsatz StGB angedrohten Freiheitsstrafe von fünf bis fünfzehn Jahren ohnehin nicht überschritten, somit von der fakultativen, keine Änderung des Strafsatzes bewirkenden Strafbemessungsvorschrift des § 39 Abs 1 StGB (vgl Leukauf/Steininger Komm3 RN 18; Flora in WK2 Rz 1 jeweils zu § 39 StGB; SSt 46/40) keinen Gebrauch gemacht. Demzufolge liegt weder eine Überschreitung der durch § 39 StGB ermöglichten Strafbefugnisgrenze (Z 13 erster Fall; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 671) noch eine rechtsfehlerhafte Anwendung des § 39 StGB vor (Z 13 zweiter Fall; Ratz § 281 Rz 712; Mayerhofer, StPO5 § 281 Z 11 E 27). Dass das Geschworenengericht angesichts der aktuell gegebenen Strafschärfungsmöglichkeit des § 39 Abs 1 StGB (judikaturdifform; insbesondere SSt 46/40) von einem auf zwanzig Jahre erweiterten Strafrahmen ausging (US 13), begründet keine Nichtigkeit im Sinne des § 345 Abs 1 Z 13 StPO (10 Os 119/79).
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Walter D*****:
Die „vorsichtshalber" erhobene Rüge (Z 1) zeigt mit dem Hinweis auf den in der Urteilsausfertigung beim Vornamen der Geschworenen P***** unterlaufenen, jederzeit korrigierbaren Schreibfehler (§ 270 Abs 3 StPO; Sabine statt Sabina) keinen Mangel in der gehörigen Besetzung der Geschworenenbank auf.
Indem der Rechtsmittelwerber in der Tatsachenrüge (Z 10a) mit eigenen Beweiswert- und Plausibilitätserwägungen die Richtigkeit der Angaben des Belastungszeugen Josef R***** anzweifelt und hinsichtlich der zu I. angelasteten Raubtat subsumtionsirrelevante Aspekte, wie vorgebliche Unklarheiten zur Höhe des entwendeten Geldbetrages sowie die dem Raub zeitlich vorgelagerten Einbruchsmodalitäten problematisiert, bekämpft er die ausschließlich den Geschworenen vorbehaltene Beweiswürdigung nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen Schuldberufung, ohne damit auf Aktenbasis erhebliche Bedenken gegen die den Wahrsprüchen zu Grunde gelegten entscheidenden Tatsachen aufzuzeigen.
Demnach waren die zur Gänze unbegründeten Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten Gerhard R***** und Walter D***** zu verwerfen.
Zu den Berufungen:
Das Geschworenengericht verurteilte die Angeklagten Gerhard R***** nach §§ 28 Abs 1, 143 erster Strafsatz StGB zu 15 Jahren Freiheitsstrafe, wobei es „die zahlreichen einschlägigen Vorstrafen, die bereits zum Vorliegen der Voraussetzungen der Strafschärfung bei Rückfall geführt haben, die Mittäterschaft beim versuchten Einbruchsdiebstahl und beim Raub, das Zusammentreffen von zwei Verbrechen, die Wiederholung der (Einbruchs-)Diebstähle, die Ausnützung der besonderen Hilflosigkeit des Opfers und die reifliche Überlegung der Taten und des Tatplanes" erschwerend wertete, mildernd hingegen das teilweise Geständnis, die teilweise Schadensgutmachung (1.500 EUR), dass die Diebstähle beim Versuch blieben und „eine nicht auszuschließende geringfügige Einschränkung der Dispositionsfähigkeit auf Grund der Suchtgiftergebenheit" berücksichtigte, Walter D***** nach §§ 28 Abs 1, 39 Abs 1, 143 erster Strafsatz StGB zu 16 Jahren Freiheitsstrafe, wobei es „die zahlreichen einschlägigen Vorstrafen, die bereits zum Vorliegen der Voraussetzungen der Strafschärfung bei Rückfall geführt haben, die Mittäterschaft beim versuchten Einbruchsdiebstahl und beim Raub, das Zusammentreffen von zwei Verbrechen, die Ausnützung der besonderen Hilflosigkeit des Opfers und die reifliche Überlegung der Taten und des Tatplanes" erschwerend wertete, mildernd hingegen das teilweise Geständnis bezüglich des versuchten Einbruchsdiebstahls und die Tatsache, dass dieser beim Versuch geblieben war, berücksichtigte, Brigitte S***** nach §§ 28 Abs 1, 129 StGB zu einem Jahr Freiheitsstrafe, wobei es eine einschlägige Vorstrafe, die Wiederholung der strafbaren Handlungen, die Ausnützung der besonderen Hilflosigkeit des Opfers und die reifliche Überlegung „der Taten und des Tatplanes" erschwerend wertete, mildernd hingegen das „volle" Geständnis, dass zwei Taten beim Versuch blieben, sowie die Mitwirkung an zwei (von drei) Angriffen in untergeordneter Weise berücksichtigte.
Vorweg ist festzuhalten, dass keinem der (Teil-) Geständnisse der Angeklagten ein wesentlicher Beitrag zur Wahrheitsfindung zuzubilligen ist, weil die Täteridentifikation darauf zurückzuführen ist, dass sich der Erstangeklagte beim Einschlagen des Glases der Haustür verletzte und eine verwertbare DNA-Spur hinterließ (vgl S 125/III).
Der Berufung des Angeklagten R***** zuwider kann im Hinblick darauf, dass der Beraubte durch die Tat um einen wesentlichen Teil seiner Lebensersparnisse gebracht wurde und im Anschluss an die Tat an Angstzuständen und Schlafstörungen litt, keine Rede davon sein, dass der soziale Störwert der Tat deutlich hinter jenem zurückbliebe, der typischerweise mit einem schweren Raub verbunden ist. Auch mit dem Hinweis, die über den Angeklagten R***** verhängte Freiheitsstrafe müsse im Vergleich zu jener des Angeklagten D***** viel geringer ausfallen, weil dieser eine massivere Vorstrafenbelastung aufweise und in wesentlich geringerem Umfang für die ihm vorgeworfenen strafbaren Handlungen eingestanden war, vermag der Erstangeklagte keine für die angestrebte Strafkorrektur hinreichende Grundlage aufzuzeigen. Die gegenüber dem Zweitangeklagten geringere Vorstrafenbelastung tritt im Blick auf die Tatsache, dass beide Angeklagte in den letzten 20 Jahren im Wesentlichen gleichartig delinquierten, bedeutungsmäßig in den Hintergrund. Bei Beachtung der Tatsache, dass dem Erstangeklagten die zentrale Rolle des Initiators zukam und er die Mitangeklagten D***** und S***** zur Sicherung des tatplanmäßigen Erfolgs als Komplizen anwarb, gibt der Vergleich der über die Angeklagten R***** und D***** verhängten Freiheitsstrafen keinen Anlass zur angestrebten Ermäßigung der Unrechtsfolge. Denn das sich im Tatgeschehen manifestierende hohe Maß an krimineller Energie des Erstangeklagten und seine durch die zahlreichen Vorverurteilungen dokumentierte, in den verfahrensgegenständlichen Taten aktualisierte ablehnende Einstellung gegenüber rechtlich geschützten Werten lässt eine Reduktion des Strafmaßes nicht zu.
Bei der Berücksichtigung der Tatsache, dass den 60-jährigen Zweitangeklagten D***** bisherige Freiheitsstrafen im Gesamtausmaß von mehr als 30 Jahren nicht zu rechtstreuem Verhalten bewegen konnten, auch der Vollzug einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren wegen einer schweren Erpressung keine nachhaltige Besserung bewirkte, sah sich der Oberste Gerichtshof auch zu einer Herabsetzung der vom Geschworenengericht über diesen Angeklagten verhängten Unrechtsfolge nicht bestimmt, zumal - der Berufung zuwider - der Tatsache, dass die Geschworenen die Raubfrage in Ansehung des Angeklagten D***** im Stimmenverhältnis 5:3 (und nicht einstimmig) bejahten, bei der Strafzumessung keine entscheidende Bedeutung zukommt. Im Hinblick auf die in der steten Wiederholung der Angriffe zum Ausdruck kommende höhere kriminelle Energie der Angeklagten S***** und die Wirkungslosigkeit einer über sie wegen gewerbsmäßiger Vermögensdelinquenz nach § 43a Abs 2 StGB verhängten teilbedingten Strafe bestand bei dieser Angeklagten weder zur Herabsetzung noch zur auch nur teilweise bedingten Nachsicht der Freiheitsstrafe Anlass. Die Kostenentscheidung ist in § 390a Abs 1 StPO begründet.
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