OGH 14Os5/06a

OGH14Os5/06a17.2.2006

Der Oberste Gerichtshof hat am 17. Februar 2006 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Holzweber als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Philipp, Hon. Prof. Dr. Schroll, Hon. Prof. Dr. Kirchbacher und Mag. Hetlinger als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Westermayer als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Stephane L***** wegen des Vergehens der Urkundenfälschung nach § 223 Abs 2 StGB über die vom Generalprokurator gegen das Urteil der Einzelrichterin des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 29. Juni 2005, GZ 074 Hv 22/04b-44, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Plöchl, sowie des Verteidigers Mag. Becker zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Das Urteil der Einzelrichterin des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 29. Juni 2005, GZ 074 Hv 22/04b-44, verletzt im Schuldspruch das Gesetz in der Bestimmung des § 57 Abs 2 und Abs 3 StGB. Dieses Urteil, das in seinem freisprechenden Teil unberührt bleibt, wird im Schuldspruch und im Strafausspruch aufgehoben und gemäß §§ 288 Abs 2 Z 3, 292 letzter SatzStPO in der Sache selbst zu Recht erkannt:

Stephane L***** wird von der wider ihn erhobenen Anklage, er habe in Wien im Jahr 1999 eine gefälschte Urkunde, nämlich eine selbst angefertigte und unterfertigte Bestätigung vom 28. Juni 1999 über seine Anstellung bei der D***** GmbH bei der Wiener Gebietskrankenkasse zum Beweis einer Tatsache gebraucht, gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Text

Gründe:

Mit dem in gekürzter Form (§§ 488 Z 7, 458 Abs 3 StPO) ausgefertigten Urteil der Einzelrichterin des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 29. Juni 2005, GZ 074 Hv 22/04b-44, wurde Stephane L***** des Vergehens der Urkundenfälschung nach § 223 Abs 2 StGB schuldig erkannt, weil er im Jahr 1999 eine gefälschte Urkunde, nämlich eine selbst angefertigte und unterfertigte Bestätigung vom 28. Juni 1999 über seine Anstellung bei der D***** GmbH bei der Wiener Gebietskrankenkasse zum Beweis einer Tatsache gebrauchte. Die Einzelrichterin verhängte hiefür unter Bedachtnahme gemäß §§ 31, 40 StGB auf das Urteil des Bezirksgerichtes Liesing vom 19. Mai 2003, GZ 4 U 354/02f-16, eine für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehene Zusatzfreiheitsstrafe von einem Monat. In Ansehung weiterer Anklagevorwürfe (wegen der Vergehen des teils vollendeten, teils versuchten schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1, Abs 2 und 15 StGB sowie der Urkundenfälschung nach § 223 Abs 2 StGB) erging ein Freispruch gemäß § 259 Z 3 StPO (S 141).

Die erste strafgerichtliche Verfügung (durch Beischaffung des Personalblattes, der Strafregister- und einer Fahndungsauskunft) gegen Stephane L***** wegen der ihm letztlich angelasteten Straftat wurde am 13. Februar 2003 getroffen (S 1).

Rechtliche Beurteilung

Der Schuldspruch steht - wie der Generalprokurator in seiner zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend ausführt - mit dem Gesetz nicht im Einklang:

Gemäß § 57 Abs 3 (vorletzter Fall) StGB beträgt die Verjährungszeit drei Jahre, wenn die Straftat mit mehr als sechsmonatiger, aber höchstens einjähriger Freiheitsstrafe bedroht ist. Die Verjährungsfrist beginnt, sobald die mit Strafe bedrohte Tätigkeit abgeschlossen ist oder das mit Strafe bedrohte Verhalten aufhört (§ 57 Abs 2 StGB).

Da für das dem Schuldspruch zugrunde liegende Vergehen der Urkundenfälschung nach § 223 Abs 2 StGB lediglich eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr vorgesehen ist, die aktuelle Tathandlung nach dem Schuldspruch im Jahr 1999 (sohin spätestens am 31. Dezember 1999) verübt wurde und die erste strafgerichtliche Verfügung gegen Stephane L***** am 13. Februar 2003, also mehr als drei Jahre nach der Straftat, erfolgte, war die im verurteilenden Erkenntnis genannte Tat bereits verjährt, als das Strafverfahren gerichtsanhängig wurde (§ 58 Abs 3 Z 2 StGB).

Eine Verlängerung der hier aktuellen dreijährigen Verjährungsfrist hätte vorausgesetzt, dass die Begehung einer auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden Straftat in einem schuldig sprechenden Urteil festgestellt worden wäre (Foregger in WK2 § 58 Rz 6). Der dem bezeichneten Urteil des Bezirksgerichtes Liesing zugrundeliegende, vor dem 3. September 2001 begangene Verstrickungsbruch nach § 271 Abs 1 StGB bewirkte indes keine Ablaufshemmung iSd § 58 Abs 2 StGB, weil die für diese Tat maßgebliche Verjährungsfrist von einem Jahr (§ 57 Abs 1 letzter Fall StGB) nicht über jene der früheren hinausreichte. Da auch die Zeit der Gerichtsanhängigkeit wegen dieser Nachtat den Fortlauf der hier aktuellen dreijährigen Verjährungsfrist nicht hinderte (Leukauf-Steininger Komm3 § 58 RN 25), war die Strafbarkeit des Stephane L***** wegen der im Schuldspruch genannten Tat zufolge Verjährung erloschen (§ 57 Abs 2 StGB), sodass das Urteil mit materiellrechtlicher Nichtigkeit (§ 281 Abs 1 Z 9 lit b StPO) behaftet ist.

Zwar stellen die Verjährungsbestimmungen nach § 58 StGB (materielle) Strafaufhebungsgründe und keine (prozessualen) Verfolgungshindernisse dar. Fallaktuell sind jedoch der Verjährung entgegenstehende Konstatierungen angesichts der Aktenlage auch in einem erneuerten Rechtsgang nicht zu erwarten, sodass aus prozessökonomischen Gründen von der Rückverweisung an die Tatsacheninstanz abzusehen, in der Sache selbst zu entscheiden und mit Freispruch vorzugehen war (Ratz, WK-StPO § 288 Rz 24; 14 Os 129/03; 14 Os 157/03; 15 Os 64/05h, 14 Os 49/05w).

Stichworte